Der Erzbischof und Kurfürst von Köln als Landesherr der Vogtei Kesseling
VON JAKOB RAUSCH
Durch den Immunitätsbrief König Pipins vom 7. 8. 763 wurde dem Abt von Prüm auch jegliche Gerichtsbarkeit über Kesseling mit Staffel und Weidenbach übertragen. So war der Abt von Prüm nicht nur Grundherr, sondern auch Gerichtsherr von Kesseling und den zugehörigen Dörfern. Als um das Jähr 1100 die Grafen von Are die Landeshoheit in unserer Heimat erhielten, blieben die Rechte von Prüm in Kesseling ungeschmälert.
Im Jahre 1246 kam die Vogtei Kesseling mit der Grafschaft Are zum Erzstift Köln, das 1356 ein Kurfürstentum wurde. Nun ergaben sich Spannungen zwischen dem Abt von Prüm als dem Grundherrn und dem Erzbischof von Köln als Landesherrn von Kesseling, die aber friedlich gelöst wurden.
1. Prüm blieb als Grundherr auch Herr des Hofdinges und besaß die niedere Gerichtsbarkeit über seine Hofleute.
2. Es blieb auch Kirchenherr, und wie die St. Laurentiuskirche in Ahrweiler, so wurde 0.298 die Pfarrkirche in Kesseling erneut dem Kloster Prüm incorporiert, so daß der Abt von Prüm nach Kesseling und nach Ahrweiler je einen Benediktinermönch als Pfarrer schickte. Außer diesem Pfarrherrn sandte Prüm auch öfters noch einen Hilfsgeistlichen oder Frühmesser nach Kesseling, da ja auch die Kapellen und Filialen Weidenbach, Brück, Pützfeld, Denn und Staffel betreut werden mußten. Der Kurfürst von Köln galt als Landesherr, dem die höhere Gerichtsbarkeit unterstand. Die Rechte des Erzbischofs von Köln erkennen wir am besten aus dem Kesselinger Schöffenweistum vom 30. März 1395.
Der kurkölnische Vogt Johann von Adenau berief die Schöffen von Kesseling, Weidenbach, Staffel und Craynscheit zu einer Schöffengerichtssitzung nach Kesseling.
1. Zum ersten fragte Vogt Johann die Schöffen, ob es die richtige Zeit zur Gerichtstagung sei, was die Schöffen bejahten.
2. Zum zweiten erkundete der Vogt, wem das Hochgericht, der Glockenschlag (Kriegsglocke und Kriegsfolge) zu „Kesseligck, Wijdenbach, Staffel ind Craynscheit“ gehöre. Die Schöffen antworteten, dem Kurfürsten von Köln unter dem Banner von Are und keinem anderen Herrn mehr.
3. Auch das Recht des Glockengeläutes zur Einberufung des Gerichtes gehörte dem Kurfürsten von Köln.
4. Nun wurden die Schöffen gefraget, wem Leib und Gut eines Missetäters in Kesseling und den drei zugehörigen Dörfern zugewiesen sei. Antwort: Der Vogt soll den Missetäter in Haft nehmen und ihn nach „Auwespach“ bringen. Hier wird der Häftling dem Amtmann von Are übergeben; dann begibt sich das Gericht mit dem Angeklagten auf den Berg Wolfsgroywe (Wolfsgrube) nördlich von Altenahr. Hier wird er gerichtet im Namen des Kurfürsten.
5. Auch wenn die Glocke zum Landsturm, zur Brandbekämpfung und zu anderen weltlichen Sachen aufruft, haben die Bewohner den Amtsleuten des Erzbischofs Folge zu leisten.
6. Die Gerichtsgebühren und Strafen wer den so geteilt, daß der Kurfürst vor Köln zwei Drittel und der Vogt vor Kesseling ein Drittel erhält.
7. Die vier Dörfer sind verpflichtet, jähr lieh dem Kurfürsten 66 Malter Korn zu liefern.
8. Ferner haben die vier Dörfer jährlich dem Amtmann von Are 4 und dem Vogt zu Kesseling 2 Mark zu zahlen.
9. Zudem sind die Bewohner von Kesseling und der drei genannten Dörfer verpflichtet, zwei Fuder Wein von dem Prümschen Hofe in Walporzheim auf die Burg Ähre zu fahren.
10. Von dem Prümschen Klosterhof zu Kesseling sollen die Bewohner vor Christnacht 4 Karren Holz und 4 Karren Stroh auf die Burg Are und 2 Karren Holz und 2 Karren Stroh dem Vogt zu Kreuzberg hinfahren.
11. Von jedem Hause, aus dem Rauch aufsteigt, ist jährlich am Martinstag ein Huhn abzuliefern; von diesen „Rauchhühnern“ erhält der Erzbischof und Kurfürst von Köln zwei Drittel und der Vogt ein Drittel. Ein kurkölnischer Schultheiß vertritt, neben dem Vogt sitzend, den Landesherrn bei dem Kesselinger Schöffengericht.
13. Der Landesherr von Köln besitzt in Kesseling die „Grafenwiese“; diese wird von den Kesselinger Bewohnern gepflegt; das Heu wird zur Burg Are gebracht.
14. Zuletzt wurde der anwesende Heyne Stode, der Schultheiß des Abtes von Prüm, gefraget, ob sein Herr mit den Weisungen und Aussagen der Schöffen einverstanden sei. Dieser antwortete recht vorsichtig: „Das kann ich nicht sagen, da ich keine Weisung meines Herrn, des Abtes, besitze,“ Jedoch blieb auch fernerhin das Verhält» nis des kurfürstlichen Landesherrn in Köln und des Abtes von Prüm inbezug auf die Vogtei Kesseling ungetrübt. Auch als 1576 die Abtswürde auf den Trierer Erzbischof als Administrator Prüms überging, blieb das Verhältnis beider Kirchenfürsten wegen des gemeinsamen Besitzes der Vogtei Kesseling ohne Hader. Nur wegen des benachbarten Denn kam es zum Streite. Hier hatte am 20. April 1602 der damalige Vogt von Kesseling, Hans Friedrich von der Leyen, sich auch von den Bewohnern Denns wider alles Recht in Kesseling huldigen lassen. Das Weistum vom 12. Mai 1605 berichtet anschaulich, wie die Bewohner von Denn dem Erzbischof von Köln aufs neue huldigen, reuevoll die dem Kesselinger Vogt geleistete Huldigung widerrufen und demütigst bitten, ihnen die auferlegte Strafe wegen ihres „Mißverstandes“ gnädiglich zu erlassen und sie wieder in Gnaden als kurkölnische Untertanen aufzunehmen, zumal sie versprechen, in Ewigkeit nie mehr dem Kesselinger Vogt zu huldigen.
Diese feierliche Huldigung der Bewohner Denns fand vor einer hohen kurkölnischen Kommission, die aus Adel, Geistlichkeit und Juristen zusammengesetzt war, im Flecken Altenahr am 12. Mai 1605 unter freiem Himmel an „der Linde“ statt.