» . . .dem Bürger und Landmanne neben seiner Arbeit eine nützliche und angenehme Unterhaltung zu gewähren.«

Leonhard Janta

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Am 4. Oktober 1834 erschien im Verlag von J. W. Bochum in Ahrweiler die erste Nummer eines »Kreis- und Unterhaltungsblatt(es) für Ahrweiler und dessen Umgegend.« Mit dieser Wochenzeitung beginnt nach dem jetzigen Kenntnisstand die Zeitungsgeschichte im Kreisgebiet, denn frühere Zeitungsveröffentlichungen aus dem Kreis Ahrweiler sind bisher nicht bekannt geworden.‘ Mit der Vorstellung des »Kreis- und Unterhaltungsblatt(es)« von 1834/35 wird somit ein unbekanntes Kapitel Zeitungsgeschichte aufgeschlagen.

Die wöchentlich erscheinende Kreiszeitung kostete vierteljährlich 13 Silbergroschen, worin bereits der Trägerlohn eingeschlossen war. Für einen Silbergroschen pro Zeile konnten Anzeigen eingerückt werden. Über den Verleger des Blattes, Herrn J. W. Bochum und seinen Redakteur, Herrn L. Luchesi, die sich beide 1834 in Ahrweiler niederließen, sind keine Einzelheiten bekannt.2

»Zur Weihe des ersten Blattes« wandte sich die Redaktion an das Publikum, um den Standort der Zeitung deutlich zu machen. Den damals bestehenden Verhältnissen – besonders der »Hochpreisliche(n) Königliche(n) Regierung« – zollte man selbstverständlich uneingeschränktes Lob. Man ging davon aus, daß jeder, der einem solchen Staate und Volke angehörte, sich nur beglückwünschen könne, denn »es herrschen dort Liebe und Vertrauen, Geisteskraft und Manneswerth, Herrschertugend und unverbrüchliche Unterthanentreue, Bedingungen eines wohlgeordneten, Thron und Vaterland festumschlingenden Staates«. Die Hauptaufgabe der Zeitung sah man darin, »dem Bürger und Landmanne neben seiner Arbeit eine nützliche und angenehme Unterhaltung zu gewähren.«

Aufgrund der damaligen Zensur für Zeitschriften und Bücher unter 20 Druckbogen konnten politische Artikel nicht aufgenommen werden. Erst 1848 wurde vom Bundestag diese Einschränkung der Pressefreiheit aufgehoben. Für die Kreise Ahrweiler und Adenau erschien in diesem Jahr ein gemeinsames Kreisblatt, in dem erstmals auch politisch diskutiert werden durfte.3

Die Redaktion des Wochenblattes von 1834/35 bat ausdrücklich nur um die Zusendung von solchen »Beiträgen, die der Tendenz des Blattes entsprechen . . .«.

Abgedruckt wurden neben Gedichten vor allem nützliche Hinweise. Für den Winzer bestimmt finden wir darunter z. B. einen Beitrag »über die Weinlese oder Trauben-Erndte«, Darin konnte der Verfasser dem Winzer überzeugend darlegen, wie nachteilig die »gewöhnliche Art der Einsammlung der Trauben ist“, nach der alle Trauben gleichzeitig abgeschnitten und zerdrückt werden. Daß diese Praxis nur mindere Qualitäten hervorbringe, zeige schon der daraus erzielte Gewinn, »welche(n) der gewöhnliche Winzer macht, der im Durchschnitte nicht den halben Preis für seine Creszenz, so wie Jener erhebt, der bei der Weinlese mit gehöriger Vorsicht zu Werke gehet, und sie nach Lage der Bergen trennt, sie sondert und gut behandelt.“ Auch sparte der Autor dieses Aufsatzes nicht mit wertvollen Hinweisen zur Verbesserung des Weines.

In einem anderen Artikel wurde der »Nutzen des Anbaues des Staudenreps« gepriesen. Mit Nachdruck wurde der aufgeschlossene Landmann darin zum Anbau dieser Ölpflanze aufgefordert.

Im unterhaltenden Teil der Zeitung finden wir die Erzählung »Des Malers Hund« abgedruckt. Anekdoten und eine zweisilbige Charade (Worträtsel) stehen vor den offiziellen Bekanntmachungen, auf die zum Schluß der Anzeigenteil folgt. Der Aufbau des Wochenblattes blieb in den 52 Nummern seines Erscheinens stets gleich, wenn man einmal von kleinen Variationen in der Reihenfolge absieht. In der viertel Nummer vom 25. Oktober 1834 -also erst kurze Zeit nach der Traubenlese -wurde bereits der Wein von 1834 in einem »Trinklied im Ahrthal« gelobt: Es heißt darin:

»Frisch auf, ihr wackeren Zecher!
Ergreifet fröhlich die Becher,
Gefüllt vom köstlichen Bleichart.
In vielen Jahren, die schwanden,
Wir keine Weine noch fanden,
Wie vier und dreißiger Bleichart
…«

Unter den merkwürdigen Artikeln kurioser Art kann ein Aufsatz vom 8. November verbucht werden. In ihm wird »Der Untergang der Welt« genau datiert und beschrieben: »Es ist ausgemacht, daß am 26. Juli 1835 Morgens um 8 Uhr 35 Minuten unsere Erde untergeht. An diesem Jahrestage der Polignacschen Ordonanzen wird ein herumschweifender Schweifstern unserer Erdkugel einen Nasenstüber geben, daß sie ohnmächtig zusammensinken wird. An diesem Tage wird ein vacirender Komet unserem Planeten ein Kopfstück versetzen, daß ihm Hören und Sehen vergehen wird. Wir leben also nicht ein volles Jahr mehr. . . Fünf nach halb Neun erfolgt dann ein Donnerschlag, der selbst die . . .sche Polizei aus dem Schlafe wecken wird.

Kladeratatsch! – da fällt ein Mensch und ein Haus nach dem ändern. – Himmel und Erde stehen in Flammen, die Komödie ist ausgespielt – der Vorhang fällt, und Niemand wird herausgerufen . . .«

Zur Lektüre für heiratswillige Frauen, die ihr Glück in Übersee versuchen wollten, war ein Beitrag über den »Frauenzimmer-Mangel auf der westlichen Gränze der Vereinsstaaten Nordamerikas« bestimmt. Die Aufforderung lautet: »Wer heirathslustig ist, und in unserem Vaterlande nicht zum Ziele kommen kann, gehe nach Nordamerika – in wenigen Tagen werden alle Wünsche befriedigt seyn; denn die männliche Bevölkerung befindet sich dort außer allem Verhältnisse mit der Weiblichen. Die jungen Mädchen von 15 Jahren, bis zu den 5Ojährigen Wittwen, sehen sich von einer großen Zahl Freiwerber umringt, daß sie ihrer nur mit Mühe sich erwehren können, und in einer peinlichen Wahl-Verlegenheit sich befinden.« (Nr. 35 vom 30. Mai 1835)

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Vielfältig war der Inhalt der »Anzeigen“ des Kreis- und Unterhaltungsblattes.

Eines der wenigen lokalgeschichtlichen Ereignisse. die ausführlich gewürdigt werden, ist die Feier anläßlich der Tunnel-Weihe in Altenahr, welche am 25. November 1834 erfolgte. Genau geschildert wird, in welcher Reihenfolge sich der Festzug mit den zahlreichen Ehrengästen »unter Donner und Böller, dem Geläute der Glocken, und dem Hurrahrufen der Versammelten durch den Stollen, denselben durch diese Handlung zum öffentlichen Gebrauche einweihend« bewegte.

Beim anschließenden Festmahl im Altenahrer Hotel Caspari brachte dann der Deputierte der Königlichen Regierung »einen Trinkspruch auf das Wohl der Ahr-Bewohner aus, und der Herr Oberpräsident trank zum Schluß auf das Gedeihen der Straße durch das Ahrthal, und ließ seine kräftige Verwendung für den ferneren Bau derselben hoffen, wodurch die Versammlung zum freudigen Jubel aufgeregt wurde.« Der Berichterstatter den allgemeinen Wunsch der Bevölkerung aus: »Möge doch die gefaßte Hoffnung sich recht bald erfüllen, und durch den Bau der Wegestrecke von Rech bis an den Durchbruch, ein bequemer Zugang zu den schon jetzt besuchten romantischen Gegenden der Mittel-Ahr. und eine stets gesicherte Verbindung der Eifel mit dem Rheine eröffnet werden.«

Für den heutigen Leser sind besonders die Anzeigen aufschlußreich, denn sie gewähren Einblick in die Geschichte des Alltags. So liefern sie wertvolle wirtschafts- und sozialgeschichtliche Daten und lassen Sorgen und Probleme. aber auch Freuden der damaligen Zeit erahnen. Unter den Inseraten finden wir Auflistungen von Marktpreisen. Fruchtpreisen, Lotteriewerbung, Verkaufsanzeigen. Hinweise auf Feste, Ankündigungen von Zwangsversteigerungen. Stellenausschreibungen, Theaterankündigungen. das Angebot von Tanzunterricht und bereits eine private Todesanzeige.

Eine damalige Stellenanzeige in Nr. 29 vom 18. April 1835 lautet: »Ein Müllerknecht, welcher Zeugnisse seines Wohlverhaltens beizubringen im Stande ist, und das Fuhrwerk sowohl rück- als vorwärts versteht, kann eine Stelle erhalten. ( . . .)«

Wie aus dem Neujahrsgedicht in der Zeitung vom 3. Januar 1835 hervorgeht, hatte man der Zeitung in Ahrweiler wohl schon nach der ersten Nummer ein baldiges Ende prophezeit. Da in der Folge die Zahl der Inserenten und Abonnenten nicht zunahm, gab J. W. Bochum seine verlegerische Tätigkeit in der Kreisstadt Ahrweiler im September 1835 auf. Durch ein weiteres Bleiben wäre ihm sonst in der »lieblichen romantischen Gegend . . unausbleiblich der Untergang bereitet worden.«

J. W. Bochum zog nach Linz am Rhein, wo er ebenfalls eine Buchdruckerei mit Verlag eröffnete.

Resigniert grüßte der Verleger zum Abschied alle, die er in seiner kurzen Zeit in Ahrweiler kennen- und schätzengelernt hatte und merkte noch an: »So weh es mir auch seyn mag, diese romantischen Gefilde verlassen zu müssen, so muß ich doch unwillkürlich mich von ihnen reißen. und die Hoffnung, daß meine Kunst wohlwollender in Linz aufgenommen werde, richtet mich auf und gibt mir neuen Muth fernerhin wieder zum Wohl der Menschheit zu arbeiten.« Das in Linz ab 3. Oktober 1835 gedruckte Nachfolgeblatt trug den Titel »Rheinisches Wochenblatt für Stadt und Land« und erschien anfangs sogar zweimal pro Woche. Im Jahre 1838 war diese Zeitung dann auch zeitweilig »Organ des Weinbau-Vereins«. Die letzte überlieferte Ausgabe des Blattes stammt vom 29. Dezember 1838. Vermutlich konnte sich das Unternehmen von J. W. Bochum auch in Linz nicht länger halten.

Anmerkungen:

  1. vgl.: Karl Holtz Der Ahrkreis und seine Zeitungen. Eine zeitungsgeschichtliche Heimatschau, in: Heirnat)ahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1955. S. 75 • 79.
    Die zeitungsgeschichtliche Heimatschau beginnt erst mit dem Kreis-blatt von 1848, Das „Kreis- und Unterhaltungsblatt für Ahrweiler und dessen Umgebend«, von dem sich alle 52 erschienenen Nummern in der Bonner Universitätsbibliothek befinden, war Karl Holtz vermutich nicht bekannt.
  2. Nach telefonischer Auskunft von Frau Ring, Stadiarchiv Linz, sind dort über den Verleger J. W, Bochum und seine Zeitungen keine Unterlagen vorhanden
  3. vgl : K. Holtz