Das Rotweingebiet der Ahr stellt die Deutsche Weinkönigin
Von Hugo Becker und Maritta Heinzen
Seit 195o wird alljährlich beim Weinlesefest in Neustadt die Deutsche Weinkönigin gewählt. In den Jahren, da ein Deutscher Weinbaukongreß zusammentritt, findet die Wahl der Deutschen Weinkönigin am Kongreßort statt; das wird im Jahre 1963 in Mainz der Fall sein.
Wohl hat die Ahr in den vergangenen Jahren immer ihre Bewerberinnen zur Wahl entsandt, und zwei Bewerberinnen gelang es, Deutsche Weinprinzessinnen zu werden, die als Vertreterinnen der Weinkönigin fungieren.
Deutsche Weinkönigin 1963
Foto: Mauch
Mariffa Heinzen, ein Kind der Ahr, feierte ihre ersten Triumphe auf dem Ahrweiler Winzerfest 1962, als sie auf ihrem Prunkwagen in der Würde der „Burgundia“ im Winzerfestzug durch die altvertrauten Straßen der Stadt fuhr. Nach dieser glänzenden Bewährung war der Entschluß leicht gefaßt, sie als Bewerberin bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin auftreten zu lassen. Die notwendige Zustimmung der Eltern und auch ihre eigene wurden gern gegeben. Um etwa auftretende Enttäuschungen zu verhindern, wurde ihr vorsorglich erklärt, nun aber nicht mit Bestimmtheit damit zu rechnen, Deutsche Weinkönigin zu werden, weil die Konkurrenz der anderen großen Weinbaugebiete außerordentlich stark sei.
Am Samstag, dem 29. September, wurde die Fahrt nach Neustadt angetreten. In den früheren Jahren waren als Wahlmänner aus dem Ahrgebiet Herr Josef Kohlhaas, Ahrweiler, und der Verfasser dieses Berichts tätig. Anstelle des verhinderten Herrn Kohlhaas fuhr diesmal Herr Walter Vollrath mit. Dadurch wurde auch die Gewähr gegeben, daß die Wahl pressemäßig nicht zu kurz kam. Als Begleitung fuhren weiter mit: der Vater unserer Bewerberin, Herr Peter Heinzen, und als Vertreter des Ahrweiler Winzervereins, dessen Mitglied Maritta ist, Herr Theo Hörsch. Unterwegs wurden eifrig mit Fräulein Heinzen weinbauliche Fragen diskutiert, Dabei war gleich‘ festzustellen, daß unsere Maritta auf diesem Gebiet sattelfest war und vor dem Wahlmännerkollegium wohl bestehen könnte.
Die Deutsche Weinkönigin mit dem Sowjetischen Botschafter A. A. Smirnow und dem königl. Dänischen Botschafter Hvass
Am Tage unserer Ankunft in Neustadt, also am Samstag, dem 29. September, erfolgte die Wahl und Krönung der Pfälzischen Weinkönigin. Wir saßen mit unserer Maritta Heinzen bescheiden im Saal, und keiner von uns dachte wohl ernsthaft daran, daß sie am anderen Tage auf derselben Bühne glanzvoll als Deutsche Weinkönigin erscheinen werde. Am Sonntagmorgen erfolgte nunmehr die entscheidende Vorstellung vor dem Wahlmännerkollegium, das sich aus folgenden 41 Vertretern zusammensetzte:
Ahr | 2 Vertr. |
Mittelrhein | 2 „ |
Mosel-Saar-Ruwer | 3 „ |
Rheingau | 2 „ |
Nahe | 2 „ |
Rheinpfalz | 3 „ |
Baden | 2 „ |
Württemberg | 2 „ |
Franken | 2 „ |
Bergstraße | 2 „ |
Deutsche Weinwerbung | 2 „ |
Deutscher Weinbauverband | 1 „ |
Bundesverband des deutschen Weinhandels | 1 „ |
Bund deutscher Weinkommissionäre | 1 „ |
Verband der deutschen Weinhandelsvertreter | 1 „ |
Vertreter von Organisationen des Einzelhandels und der Gaststätten Berlins | 2 „ |
Presse und Rundfunk | 8 „ |
Sonstige | 3 „ |
Maritta Heinzen wurde als achte Bewerberin aufgerufen und mußte sich ca. eine Viertelstunde lang einer eingehenden Prüfung unterziehen, die sie glänzend bestanden hat. Diese Prüfung ist entscheidend für die am Nachmittag stattfindende eigentliche Wahl der Deutschen Weinkönigin. Die Stimmung war dementsprechend gut, und wir gingen voller Zuversicht zum feierlichen Wahlakt, der um 15 Uhr im Festsaal des „Saalbaues“ der Stadt Neustadt stattfand.
Weinkönigin Maritta Heinzen mit Landrat Urbanus und Bürgermeister Hoffmann
Foto: Walter Vollrath
Die Bewerberinnen der Weinbaugebiete wurden aufgerufen und mußten in der Reihenfolge wie am Vormittag auf der Bühne erscheinen. Sie wurden den Besuchern vorgestellt und hatten ihren Wahlspruch vorzutragen. Am Beifall des vollbesetzten Saales war schon zu spüren, daß sich das Publikum für unsere Maritta entschieden hatte.
Das Wahlkollegium zog sich in einen Nebenraum zurück, und während das Publikum ein Festspiel erlebte, in dem alle deutschen Weinbaugebiete charakterisiert wurden und das die Bewerberinnen von der Bühne aus miterlebten, erfolgte die Wahl.
Im ersten Wahlgang erhielt Maritta Heinzen 16 Stimmen, aber nicht die notwendige absolute Mehrheit. Die Spannung stieg auf den Siedepunkt, als zum zweiten Wahlgang . geschritten wurde. Jetzt konnte Maritta 30 Stimmen auf sich vereinigen und hatte damit eine solche Stimmenzahl erreicht, wie sie in den vergangenen dreizehn Jahren von keiner Bewerberin erreicht werden konnte. Hier ist die Bemerkung angebracht, daß Maritta Heinzen alle neutralen Stimmen auf sich ver-‚ einigte. Neutrale Stimmen sind jene, die nicht als Vertreter an ein Weinbaugebiet gebunden sind, sondern von den zugelassenen Organisationen und Verbänden, von Presse und Rundfunk abgegeben werden.
Als der Verfasser vor dem ersten Wahlgang dem Vater unserer Bewerberin die Frage vorlegte: „Herr Heinzen, was würden Sie sagen, wenn Maritta Deutsche Weinkönigin werden würde? Würden Sie jetzt noch ihre Zustimmung geben?“, antwortete Herr Heinzen: „Ich habe A‘ gesagt, dann muß ich auch B‘ sagen.“
Nach Verkündigung des Wahlergebnisses wurde unsere neue Deutsche Weinkönigin von der Festversammlung stürmisch gefeiert. Die offiziellen Vertreter beglückwünschten Maritta auf der Bühne unter Überreichung von Blumen und anderen sinnvollen Geschenken. Bei der Gratulation durch den anwesenden amerikanischen General, der seinen Glückwunsch in deutscher Sprache anbringen wollte, sagte Maritta: „Sprechen Sie ruhig englisch, ich verstehe es auch, mich in Englisch mit Ihnen zu unterhalten.“ Das war für alle Anwesenden eine große Überraschung und wurde allgemein mit lautem Beifall quittiert. Die freudige Nachricht wurde sofort unserer Heimatstadt übermittelt.
Die Aufregungen um die Wahl waren nun verebbt, und die ersten Repräsentationspflichten kamen auf die Deutsche Weinkönigin zu. Am Montag, dem 1. Oktober, erfolgte wie üblich ein Besuch des Weingutes Dr. Bürglin/Wolf in Wachenheim mit einer ausgezeichneten Weinprobe.
Nach telefonischer Rücksprache mit Herrn Bürgermeister Helfmann und Herrn Verkehrsamtsleiter Steinkemper wurde die Abfahrt aus der Pfalz so eingerichtet, daß wir um zo Uhr in Ahrweiler am Niedertor eintrafen. Unterwegs wurde dann darüber gerätselt, wie sich wohl die Ahrweiler Bürger beim Empfang der Deutschen Weinkönigin verhalten würden. Daß indessen eiligst Vorbereitungen getroffen wurden, wußten wir zwar aus dem Telefongespräch; aber daß spontan ein derartig überwältigender Empfang bereitet wurde, das hatte keiner erwartet. Es war für die Deutsche Weinkönigin Maritta Heinzen und für ihre Begleiter, aber auch für die gesamte Bürgerschaft ein einmaliges Erlebnis. Eine solch freudig gestimmte große Menge haben die Niederhutstraße und der Marktplatz noch nie gesehen. Dem Willkommensgruß des Herrn Landrats Urbanus, des Herrn Bürgermeisters Helfmann und der anderen Behördenvertreter auf der Rathaustreppe in Ahrweiler stimmten die Ahrweiler Bürger freudig zu.
Nun beherbergt unsere Heimatstadt Ahrweiler in seinen alten Mauern für ein Jahr die Deutsche Weinkönigin, Maritta Heinzen.
Was ich so zu erzählen habe!.
Mit meiner überraschenden Wahl zur Deutschen Weinkönigin war ich nun vor die Tatsache gestellt, meinen bisherigen Beruf aufzugeben und in meiner neuen Tätigkeit eine Erfüllung zu suchen.
Ich wußte vorerst ja nicht mehr von der Würde und Bürde dieses Amtes als Sie,.verehrte Leser!
Schön am nächsten Tage packte ich meinen Koffer und fuhr nach Mainz ins Büro der Deutschen Weinwerbung. Der Geschäftsführer, Landwirtschaftsrat Cornelssen, eröffnete mir, daß sich unsere Werbefeldzüge in der Hauptsache auf Norddeutschland, Berlin und die Festung München konzentrieren.
Zuerst luden wir zu einer Pressefahrt durch die Weinbaugebiete ein. Führende Redakteure von großen deutschen Zeitungen trafen sich hier und erörterten mit den Vertretern der Weinwirtschaft die wirtschaftliche Lage und die Zukunft des deutschen Weines. Von diesem Tag an beschäftigte ich mich zum ersten Male intensiv mit diesen Problemen. Hier wurde mir auch klar, wie wichtig die Werbung ist; ein Bemühen, das den Kunden aufklärt und ihn wirklich von der einmaligen und speziellen Qualität des deutschen Weines überzeugt, einer Qualität, die von keinem anderen Land erreicht werden kann, weil sie bei uns klimatisch und geologisch bedingt ist.
Aber zuerst mußte ich selbst unseren Wein richtig kennenlernen, denn wie kann ich für ihn sprechen, wenn ich ihn nicht richtig kenne, und wie kann ich ihn loben, wenn ich nicht selbst von seiner Güte überzeugt bin? Nach Besichtigung von Flurbereinigungen und anschließenden Gesprächen stiegen wir dann in die Weinkeller. Ich bewunderte gepflegte Privatweinkeller, nüchterne, aber rationelle Weinkeller von Genossenschaften und romantische Schloßweinkeller. Der Weinkeller des Fürsten Metternich im Schloß Johannisberg (Rheingau) blieb mir so gut in Erinnerung. Es war die ganze Atmosphäre, die mich so beeindruckte. In diesem Keller gab es den Begriff „Zeit“ nicht. Alles strahlte eine‘ himmlische Ruhe aus. Der Schloßver
walter reichte uns mit fachmännischen Erläuterungen den Wein. Der alte Kellermeister, der sich Zeit seines Lebens mit dem Ausbau des Weines beschäftigte, erzählte Anekdoten aus früherer Zeit. Ich beobachtete, wie er wohlwollend die Farbe des Weines prüfte, das Glas schwenkte, so daß sich das Bukett des Weines mit dem Sauerstoff der Luft verband, ihm in die Nase stieg und ihn zum Trinken anregte. Dann kostete er langsam schlürfend den Wein und sagte: „Deutscher Wein macht nicht satt, er ist wie eine charmante Frau, die einen immer wieder entzückt!“
Die Weine steigerten sich hier noch bis zur Beeren- und Trockenbeerenauslese. Bald sprach keiner mehr ein Wort, auch die Journalisten vergaßen, ihren Wissensdrang zu speisen. Der Wein wirke mit einer magischen Kraft. Hier gewann ich nun die Überzeugung, welche schöne Aufgabe es ist, Fürsprecherin des deutschen Weines zu sein.
Wir sind kreuz und quer durch Deutschland gereist und haben unsere edlen Gewächse leidenschaftlichen Bier- und Schnapstrinkern gereicht, und ich glaube, manchen zum Weintrinken gewonnen zu haben. Sie und auch Ausländer bestätigten es mir in meinem Gästebuch.
Trotz harter Arbeit fand ich immer wieder Ruhe und Erholung im Weine. Ich versuchte die einzelnen Gebiete und die Sorten herauszuschmecken und die Jahrgänge miteinander zu vergleichen, während sich oft die Fachleute in die Details der Wissenschaft verloren. Überall aber fand ich Menschen, die diese Passion mit mir teilten.
So kann ich fast am Ende meiner Tätigkeit sagen, daß ich mit wahrer Liebe zum deutschen Wein zu den Menschen gesprochen habe und manchem das Lebensrezept von Matthias Claudius empfahl:
„SO TRINKT IHN DENN UND LASST UNS ALLE TAGE
UNS FREU’N UND FRÖHLICH SEIN;
UND WÜSSTEN WIR, WO JEMAND TRAURIG LÄGE,
WIR GÄBEN IHM DEN WEIN.“