Das Mündungsgebiet der Ahr
Hubertus Oelmann
Daß der Kreis Ahrweiler reich an landschaftlichen Schönheiten ist, wissen viele. Das Ahrtal von Altenahr bis Ahrweiler ist dank seiner wild-romantischen Felsformationen und nicht zuletzt seines Weines zu Recht ein Hauptanziehungspunkt zwischen Köln und Koblenz. Daß dieses Ahrtal jedoch beim Erreichen des Rheingrabens ein vielleicht noch wertvolleres Kleinod anzubieten hat, wissen wenige.
Einige Kenner sprechen bei der Ahrmündung von der einzigen nicht von Menschenhand gelenkten Nebenflußmündung in den Rhein. Sicherlich trifft das nicht ganz zu — gibt es doch im direkten Mündungsbereich beidseitig der Ahr betonierte oder anderweitig befestigte Böschungen, die im Interesse der Rhein-Schiffbarkeit geordnete Verhältnisse schaffen.
Nach umfangreichen Untersuchungen der Mündungsgebiete aller 42 Nebenflüsse des Rheins sind sich aber alle Sachverständigen einig, daß die Ahrmündung von allen den höchsten Natürlichkeitsgrad und als einzige ihre dynamische Form bewahrt hat.
In einem Bereich, der weniger als 1 km und eine Breite von 200-300 m mißt, hat die Ahr bisher, ohne auf Grundstücksverhältnisse und auf die von Wasserbauern errichteten Schutzdämme zu achten, weitgehend frei mäandriert, Kies- und Sandbänke aufgebaut und sich in bisher unberührtes Gelände eingefräst. Hochwässer verändern das Gebiet völlig. Aus dem ruhig fließenden Flußlauf kann die Ahr sich nach starkem Gewitteregen in Stundenschnelle in einen reißenden Gebirgsfluß verwandeln, kann Geschiebe aus der Eifel transportieren und in diesem Bereich aufbauen, das alte Flußbett verschütten und neue Wege graben. Noch interessanter wrd es, wenn die Hochwasserwehen des Rheins mit denen der Ahr in diesem Gebiet zwischen Remagen und Sinzig zusammenprallen und sich die anschließend beim Ablauf des Wassers verbleibende Schlickdecke mit dem liegengebliebenen Geschiebe aus der Eifel vermischt und ein einzigartiges Mundungsgebiet entsteht — vollkommen anders als noch im Jahr zuvor.
Zwischen Sinzig (im Hintergrund) und dem Remagener Stadtteil Kripp das Mündungsgebiet der Ahr
Luftbildaufnahme aus dem Archiv des Kreises Ahrweiler, freigegeben unter Nr. 8371-3 Bez.Reg. für Rheinhessen
Den Biologen oder Ornithologen interessiert natürlich, wie eine derartig dynamische und ständig sich verändernde Landschaft von der Pflanzen- und Tierwelt angenommen wird.
Nicht lange bleiben die neu entstandenen Flächen ohne Pflanzenkleid liegen. Auf feinerdereichem und feuchtem Boden gedeihen am besten Knöterich- und Gänsefußgewächse. Auf trockenerem Neuland können gelegentlich bis 1 00 verschiedene Pflanzenarten auf einer Fläche von nur 50 qm nebeneinanderstehen(1).
Bäume und Sträucher haben es schwer, sich gegen die Konkurrenz der aufschießenden Kräuter durchzusetzen Die stattlichste Staude des Gebietes, die Arznei-Erzengelwurz (Angelica archangelica) stellt eine Besonderheit dar und hat hier im Bereich wohl ihr zahlenmäßig größtes Vorkommen innerhalb der Rheintalung (1).
Über die Tierwelt sind bisher noch keine Forschungsergebnisse bekanntgeworden. Das Interesse, das dem Ahrmündungsgebiet zuteil wird, läßt aber auch hier bald ähnliche Aufschlüsse erhoffen, wie bei Flora und Vegetation.
Diese Dynamik der Ahr hat über Generationen hinweg sowohl den Wasserbauern als auch den Eigentümern der anliegenden Grundstücke hart zu schaffen gemacht. Durchaus verständlich war der Unmut der Grundstückseigner; denn Auskolkungen, große Ausspülungen, meterhohe abbrechende Böschungen raubten nach und nach Quadratmeter um Quadratmeter. Immerhin soll die Ahrmündung vor 170 Jahren noch etwa 600 m rheinaufwärts gelegen haben. Die Forderungen nach einer Flußregulierung wurden immer stärker.
Verständlich natürlich auch die Interessen der Landespflege, den noch einzigen naturnahen Mündungsbereich am Rhein erhalten zu wollen.
Hier einen Kompromiß zu finden, war für den Kreis Ahrweiler nicht leicht. Er ist als zuständige Wasserbaubehörde ebenso für einen ordnungsgemäßen Hochwasserabfluß zuständig wie als Landespflegebehörde für die Erhaltung und Pflege dieses Landschaftspotentials. In vollem Bewußtsein um diese Aufgabe entschloß sich der Kreistag des Kreises Ahrweiler am 5. Okt. 1979, die Trägerschaft für das seit dem 15. März 1977 festgesetzte Naturschutzgebiet zu übernehmen. Gleichzeitig erklärte er sich bereit, die von möglichen Hochwassern gefährdeten Grundstücke gegen angemessenes Entgelt zu erwerben, um so allen Interessen gerecht zu werden. Da Bund und Land sich auch nach besten Kräften mit engagieren und der Ahrmündung die höchste Priorität zuordnen, könnte ein Wunsch bald Wirklichkeit werden, nämlich ein weiteres Stück „Natur“ im Kreis Ahrweiler zu erhalten.
1) Krause, Albrecht „Die Ahrmündung“, in Rheinische Landschaften Nr. 16