Das Franziskanerkloster auf dem Calvarienberg war eine viel besuchte Pilgerstätte
Josef Müller
Im Jahre 1629, es war am 18. Dezember, erteilte der Kurfürst Ferdinand zu Bonn die Erlaubnis, auf dem Calvarienberg bei Ahrweiler ein Franziskanerkloster zu errichten. Hierzu erging von ihm folgendes Schreiben:
»Wir Ferdinand entbieten dem wohlehrwürdigen, andächtigen und lieben F. Theodor Rein-feldt, Provinzial der rheinischen Provinz des Ordens des hl. Franziscus von der Observanz unsere Gnade. Die Ausbreitung der geistlichen Orden ist eine um so nützlichere Förderung des Gottesdienstes, je mehr wir beflissen sind, diejenigen, welche mit der Süßigkeit von Maria beschaulichem Leben der Martha Betriebsamkeit zu verbinden, in unserm Sprengel festzuhalten, auf daß sie den Hirten, welchen wir die Seelsorge übertrugen, um so angelegen Hülfe leisten mögen, besonders da die Pfarrei unserer Stadt Arweiler, gleich wie mehrer der Nachbarschaft sehr ausgedehnt ist, daher wir vorlängst Gott zu Ehren und zahlreichen Seelen zum Heil daselbst zuverlässige Religiösen irgend eines Ordens einzuführen wünschten. Nun befindet sich in der Nähe dieser Stadt auf dem Kalvarienberg eine von Gutthätern erbaute, an niemenad noch vergebene Kirche, und die überlassen wir den Vätern und Brüdern des h. Fransiscus von der Observanz, ihnen gnädigst Facultät ertheilend daselbst eine Residenz zu haben, des Kirchendienstes zu warten, zu predigen, die hh. Sakramente zu spenden. Almosen zu empfangen, die für den Klosterbau nöthigen Grundstücke zu erwerben, zu bauen und daselbst zu weilen. Wir weisen der neuen Anlage den Termin zu. welchen bis jetzt das Kloster von der Observanz, zu Düren bestehend, in der Pfarrei Ahrweiler und der Nachbarschaft gehabt hat und ersuchen und ermahnen ernstiglich alle Christgläubigen, daß sie insgesamt nach Maasgabe ihrer Mittel durch Freigebigkeit und Almosen den künftigen Bewohnern zu Hülfe kommen wollen. Den Lohn ihrer Mild-thätigkeit werden sie von der himmlischen Majestät empfangen, zugleich unsere Huld werben. Dieses von uns eigenhändig unterfertigte Schreiben haben wir durch unser Siegel beglaubigen lassen.
Gegeben in unserer Stadt Bonn, den 18. Dec. 1629. Ferdinand. Peter Hülsmann.«
Der Chronist hält dann fest: »Der als eine heilige Stelle berufene Berg wird das ganze Jahr hindurch von Gläubigen besucht, vorzugsweise an Freitagen, von wegen der Wochenmesse. Von den Festen an bis zum Ausgang des Sommers kommen die Wallfahrten und Prozessionen häufiger, diese manchmal mit neun oder zehn Kreuzen.« Also zog die kleine Kirche schon vor der Errichtung des Franziskanerklosters die Pilger aus der ganzen Umgebung zum Berge.
Im Jahre 1646, also im Dreißigjährigen Kriege, trat das französisch-Weimarische Heer unter General Graf Turenne gegen Ahrweiler an. Von wahren Schreckensszenen berichtet dann der Chronist. Am 29. Juli. einem Sonntag, kam die Gemeinde von Ahrweiler, geleitet durch die Ehrwürdigen Herren, als den Herrn Caplan und den Herrn Anno in feierlicher Prozession frühmorgens auf den Berg. Von hier brachten sie die Monstranz, die seit dem 12. Juli 1646 in der Kirche auf dem Berge gestanden hatte, in feierlicher Prozession wieder in die Pfarrkirche zu Ahrweiler zurück »wie weiland das Volk Israel die Bundeslade aus dem Hause Obed-Edoms«. Im gleichen Schreckensjahr drängten sich mehrmals über 200 Gläubige zur Beichte und zur Kommunion. Im Jahre 1648 war der Andrang der Pilger so stark, daß das Beichthören von 5 Uhr morgens bis gegen 11.30 Uhr dauerte. Sowohl in – als auch außerhalb der Kirche wurde ohne Unterlaß die Kommunion gereicht.
Kloster Calvarienberg Anfang des 19. Jahrhunderts (Stahlst, n. Chr. Hohe).
Auch von vielen Heilungen an kranken Pilgern weiß die Chronik zu berichten. Zu Allerheiligen 1649 kamen viele Büßer, darunter Jacob Poswick, Wollhändler zu Aachen. Nach dieser Prozession und einer gestifteten Messe nebst Kerze konnte der Pilger plötzlich wieder sprechen und bald »fühlte er sich vollkommen genesen.« Im Jahre 1651 wurde der Klosterbau vollendet. Nun folgten zahlreiche Prozessionen, so am 23. September die Andernacher Prozession und am 4. Oktober eine Prozession aus Kem-penich. Es kamen zwölf auswärtige Geistliche bei 400 Kommunikanten. Wörtlich heißt es in der Chronik »Die Fasten hindurch hatten wir verschiedene Prozessionen aus Fritzdorf. Holzweiler, Sinzig, Hilberath und Ersdorf.« Am Osterdienstag dieses Jahres war der Pilgerstrom so groß. daß außerhalb der Kirche gepredigt wurde. »Gleich Schafen bedeckten die Wallfahrer den Berg.« Zu Kreuzauffindung wurde die Predigt unter freiem Himmel gehalten. Es kamen, von den Pastoren geführt, Prozessionen aus Fritzdorf, Kirchdaun, Karweiler, Ringen, Mayschoß, Blasweiler, Heimerzheim, Lei-mersdorf und ohne den Pastor aus Dernau, Kesseling und Gelsdorf. Am 6. Mai 1652 kamen zwei Prozessionen aus Kesseling und Holzweiler, am 17. Mai dieses Jahres aus Blasweiler und Heckenbach. Weiter werden genannt Pilger aus Gelsdorf, Löhndorf. Flerzheim, Fritzdorf, Beuel und Karweiler. Am Portiunculatest war der Andrang so groß. daß „in der Stadt das Brot ausging«.
Es waren zehn Prozessionen aus Rheinbach, Meckenheim, Ersdorf, Fritzdorf, Bergheim, Ringen, Bengen, Eckendorf und Wormersdorf. Auch der damalige Pastor von Ahrweiler, Ser-vatius Otler, weilte auf dem Berge. Im Jahre 1662 wurde in den Fels ein Brunnen angelegt, der die Wasserversorgung des Klosters und der vielen Pilger sicherte. Im Jahre 1666 sah man noch zahlreiche Prozessionen von Wallfahrern, so auch aus Leubsdorf. Lommersum, Witterschlick. Ahrweiler und Sinzig.
Diese Beispiele, die sich vermehren ließen, mögen genügen. Aus dem gesamten Raum des Ahrtals, der Grafschaft und der Eifel und vor allem aus dem Bonner Raum kamen die Wallfahrer zum Franziskanerkloster Calvarienberg. Immer wieder führt der Chronist wunderbare Heilungen an Kranken an. Sie wurden schnell bekannt und zogen neue Pilgergruppen zum Calvarienberge. In einem Vierteljahr im Jahre 1668 hatten 2310 Wallfahrer das Kloster aufgesucht.
Auch trafen Prozessionen ein. die um gedeihliche Witterung beteten, so auch am 21. Juni 1671. Interessant und beispielhaft ist eine Notiz in der Chronik »Von dem Osterfest 1674 bis 1675 hatten wir im Kloster beiläufig 6 336 Büßer und Communikanten, während unsere auswärts beschäftigten Patres deren 5 236 zählten.« Noch eine Notiz über den Sinn der Prozessionen aus dem Jahre 1681 »Den Dienstag nach Fronleichnam kam zu unserer Kirche eine solenne Prozession aus Bodendorf, um Regen zu erbitten.«
Dieses Anliegen ist auch bis in die jüngste Zeit, in der dann die Ursulinen auf dem Berge lebten und wohnten, geblieben. Ab und an kommen auch heute noch Prozessionen aus den genannten Ortschaften, um auf dem Berge Gottes Segen für die Feldfrüchte zu erbitten. Im Jahre 1802 mußten die Franziskaner Kloster und Kirche aufgeben. 1806 wurde das ganze »Gut«, das in den Besitz der französischen Republik übergegangen war, versteigert und von dem Vikar Giesen aus Walporzheim erworben.
Quelle
Rheinischer Antiquarius lII. Abteilung. 10, Band, 1864.