Das Alt-Ahrweiler Schützenfest

Ein Heimat-Idyll – von E.K. Plachner

1. Dreifaltigkeitstag

Sie ziehen auf, wie manches Jahr, —
Voran die Ahrweiler Kinderschar.
Und dann die Trommeln, klein una groß,
Jetzt blasen gar die Trompeten los!
Sie blinken so hell im Sonnenschein,
’s muß eine Lust drauf zu spielen sein.

Der Königsschuß vor der Stadt ist getan,
Schon fangen die Glocken zu jubeln an;
Die Böller meinen es selten gut,
Weit rollt im Tale der Festsalut,
Und ans den Fenstern flattert bald
Ein bunter, munterer Fahnenwald.

Jetzt kommen die schützen durchs alte Tor,
Vielhundert Menschen drängen davor;
Man sieht’s ihren Augen und Nasen an,
Wie sie sich freuen, Weib, Kind und Mann.
Ein einziger Jubel das liebe Nest —;
Alt-Ahrweiler feiert sein Schützenfest!

Wer schoß den Vogel? so läuft die Frage
Seit hunderten Jahren in unsere Tage.
Der Herr Apotheker? Bürgermeister?
Was sagetst du? Wer ist’s? Wie heißt er?
So summt es und brummt es in frohem Gedränge —
Da weitet der Tambour gewichtig die Menge.
Ihm räumen wir gerne und freudig das Feld,
Ein Vivat dem König, des Tages Held!

Ist das ein Trommeln und Musizieren,
Wenn jetzt die schütten vorbeimarschieren!
Und jeder will’s wissen und jeder es sehen,
Wie gut ihm die silbernen Schilder stehen.
Wie huldvoll grüßt auch die Majestät,
Wenn’s im Triumph durch die Straßen geht —

Und in den Häusern Schäften indessen
Die Mütter und Töchter, nichts zu vergessen.
„Wenn nur das Wetter so bleiben mag —
Ach, Mutter, es ist ja Dreifaltigkeitstag!“
Die Mutter nimmt aus dem alten Schrank
Behutsam den Becher zu ehrendem Trank.
Es blitzt der silberne Pokal
Im rötlich-goldenen Abendstrahl.
Doch putzt sie noch einmal drüber hin, —
Dabei zieht so mancherlei ihr durch den Sinn.
Aus ihm haben viele schon getrunken,
Die nun schon langst ins Grab gesunken.
Schon ihre Mutter putzte den Becher,
Ja, schon, die Urahne gab ihn dem Zecher, —
Und jeder war froh, der daraus trank.

Die Ahrweiler Becher sind alle so blank,
Aus allen trinkt sich Frohsinn und Kraft.
Doch heute gilt es den edelsten Saft.
Den König, den silberne Schilder umkränzen,
Ihm gilt es den Ehrentrunk zu kredenzen.
Drum noch das beste Tablett im Haus,
Zierschürze. Kerzen und Leuchter heraus!

So, — nun ist alles zu Ende gebracht:
Heut‘ wird ja die Nacht zum Tage gemacht,
Zum Tage? O nein — romantisch erhellt.
So grüßt uns Alt-Ahrweilers Zauberwelt!
Vieltausend Lampen und Lämpchen flimmern,
Seht vom Gesims und Fenster sie schimmern!
Lampions-Girlanden an Dächern und Bäumen,
Läßt sich ein Bild phantastischer träumen?
Und über den Straßen kreuz und quer
Tanzt munter ein flatterndes Wimpelmeer.
Die Häuser selbst stehn verträumt und berauscht,
Und wer in den nächtigen Sommerwind lauscht,
Hört stimmen aus vielen hundert Jahren
Hin über Giebel und Gassen fahren:
Versunk’ne Geschlechter sieht er schweben.
Die vor uns lebten Alt-Ahrweilers Leben.
Wer nur die Stadt so vorwandelt hat?
’s ist eine richtige Märchenstadt! — —

Vom Ahrtor mit wieder Jubelmusik,
Schnell zu ihm hin! — der staunende Blick
Hängt trunken am uralten Quadertor,
So gänzlich verzaubert kommt es ihm vor.
Raketen jagen drüber her,
Weit prasselt und zischelt ein glühendes Meer.
Seht farbige Kugeln am Himmel schwimmen,
Goldregen sprühen und prasselnd verglimmen!
Und dort der alte Kanonenturm
Steht feurig mitten im Kriegessturm!
Ja, wie der Schwede die Stadt berannte,
Sie bei den Franzosen lichterloh brannte —:
Dies alles steigt auf als ein inneres Gesicht
Im roten und grünen bengalischen Licht. —

So hat bei Raketen und sprühenden sonnen
Am Ahrtor der festliche Rundtrunk begonnen.
Seht Haus fast für Haus in langen Zellen
Sich in die Ehrung der Schützen teilen!
Es stehen die Tische mit Linnen gedeckt,
Die festlichen Leuchter mit Kerzen besteckt,
So wie die Schützen vor hunderten Jahren
Die treuen Hüter der Ahr-Stadt waren,

Foto: Steinborn
Schützenfest in Lantershofen

Da sie ihr dienten und für sie stritten,
So schützen sie heute geheiligte Sitten.
Hei, wie der Tambour die Hacken schlägt, —
Man merkt, daß ein schneidiger Drill ihn gefegt!

Der Hauptmann, der Fähnrich und so weiter,
Sie nippen vom Festtrunk ernst und heiter.
Da naht der König mit würdigem Schritte:
Seht nur, er steht in anmutiger Mitte:
Die Mutter und ihre Töchter daneben.
Seht freundliche Hände den Becher ihm heben!

Ein herzliches Wort, ein lächelnder Dank
Und duftende Rosen zum Ehrentrank —:
Das ist ein Fest, wie selten eines,
Voll Schimmer und Glanz und feurigen Weines!

Schon färbt sich der Himmel im blitzenden Strahl,
Da schallt noch der Jubel im lieblichen Tal.
Noch Trommeln, Trompeten irgendwo —
Und selbst im Schlafe lächelst du froh.

2. Fronleichnam

Früh weckt dich schon der Trommeis Schlag.
Kaum stieg von den Bergen der junge Tag,
Noch blinken und funkeln vom Tau die Gräser,
Da schmettern es schon die Trompetenbläser,
Daß ihr des Lebens euch freuen sollt.
Das wird ein Tag wie lauteres Gold,
Von den Toren der Stadt flattern stolze Fahnen,
In den Straßen grüßt, wie schon bei den Ahnen
Der heimischen Wälder frisches Grün,
Gleich waldigen Wegen seht ihr sie blühn.

Verschlafen schaust du zum Fenster hinaus
Und blickst nach dem launischen Wettergott aus.
Hat nicht der Kirchturmhahn lustig gekräht?
Siehst du: Er hat sich nach Süden gedreht!
Ein Festtag wird’s, mancher Großstadt zum Neide,
Darüber ein Himmel wie blaue Seide.
So lieben wir unsern Fronleichnamstag,
Ein Wicht, der sich da nicht zu freuen vermag.
Nun hör‘ von St. Laurentius die Glocken!
Das ist ein heiliges, stolzes Frohlocken,
Weit wogt und hallt das fromme Geläute,
Es betet und jubelt: Fronleichnam ist heute!
Heut‘ trägt man den helfenden Gottessohn
In ehrenwürdiger Prozession,
Heut‘ wandelt er sichtbar auf Menschenwegen
Und weiht sie mit seinem himmlischen Segen!
Da ziehen die Schützen mit ehrendem Stolze,
Die Herzenstreu ist aus kernigem Holze.
In fernen Zeiten, die längst versanken,
Als rotes Blut die Ahrweilen tranken,
Behüteten sie schon die Prozession —
Drum wird ihnen jetzt noch Dank und Lohn.
Gar früh sind sie heute angetreten;
Sie ziehen so feierlich — ziehen zum Beten.
Wie strahlt St. Laurentii Heiligtum
Am heiligen Tage, dem Höchsten zum Ruhm!
Von den schlanken Säulen seht würdige Fahnen
An die sinnvolle Tiefe des Festes gemahnen!
Es dröhnt das erhabene Kirchenhaus
Von des Orgelwerks machtvollem Feiergebraus,
Nun mit der Trompeten ehernem Klang
Schallt ambrosianischer Lobgesang.
O — duftende Blumen auf allen Altären —
So rein wie ihr Duft soll dein Herz sich bewähren! —
Und dort, inmitten von Strahlen und Glanz,
Das Allerheiligste, die Monstranz!

Ringsher um die Stadt zieht lobpreisend die Schar,
An allen Toren harrt der Altar,
Mit Tannen und Maien und Blumen geschmückt;
Die Natur grüßt den Herrn – und selig beglückt
Ertönen ihm brausende Jubelchöre,
Weit hallt und tönt des Ewigen Ehre.

Goldleuchtender Hymnen erhabenes Klingen,
Dir ist, als ob selige Heerscharen singen,
Und in die leis‘ zitternde Morgenluft
Weht des Weihrauchs balsamischer, bläulicher Duft.—
Wie der brausende Hymnus zum Äther steigt,
Die betende Menge sich ehrfürchtig neigt,
Wenn der Priester das Allerheiligste hebt
Und segnend die weiße Hostie schwebt —:
Fährt Kommandowort drein. Es präsentieren
Die schneidigen Schützen. Sie salutieren
Mit dröhnenden Salven dem Himmelsherrn;
Von den Bergen tönt Antwort — noch echot es fern.
Seht: tausende folgen dem mystischen Gott,
Ihn hüten die Schützen vor Haß und Spott;
Sie dienen schon lange der Gottes-Fahrt,
In Demut und Kraft. So ist Schützenart.

Sie kehren zurück. Erhabenes Bild!
Auch jetzt hebt der Schütze den ehrenden Schild.
Am Marktplatz seht sie in langen Reih’n —
Und wieder schallt strenges Kommandowort drein,
Wenn die Priester — wie schon in uralten Tagen —
Das Heiltum zurück in das Heiligtum tragen
Seht Frauen und Jungfrauen, Greise und Männer,
Des Väterglaubens getreue Bekenner,
Und dort die Kinder im weißen Kleide,
Im Herzen der Unschuld edles Geschmeide!
Jetzt unter leuchtendem Baldachin —
Es kniet sich der Gläubige — tragen sie IHN.
Kommando. Es fassen dich heilige Schauer.
Stumm steht der Schützen lebendige Mauer,
Und aus den Trompeten hallt’s feierlich,
Das „Großer Gott wir loben Dich!“

Stumm träumt die Stadt in der Mittagsruh,
Ein stilles Glück drückt die Augen uns zu.
Schlaf, Bruder Schütze, schlaf ruhig ein —
Bald wirbelt die Trommel dich neu in die Reih’n
Die Trommel, die hat es mir angetan,
Daß ich ihren Schlag nicht vergessen kann.
Die Schützentrommel, sie hat mich betört,
Ich hab‘ ihren Schlag noch im Felde gehört;
Sie hat mich in fremden Ländern berauscht,
Wenn ich heimwehtrunken nach innen gelauscht.
Die Trommel, sie hat so seltsamen Klang,
Sie hat ein Herz, schlägt freudig und bang.
Einst rief sie die Bürger zum Kampf auf die Wälle,
Heut lädt sie in jubelnde Festeshelle.
Die Trommel geht um: Teromm-tomm-tomm!
Die Trommel geht um: So komm doch, komm!
Noch einmal folg‘ ihrem Schlag in die Stadt
Und sieh‘, was sie dir noch zu sagen hat!

Sie ruft, sie ruft — hörst du? — Ich lade
Euch alle, auch alle zur Festparade!
Weit hörst du sie hallen und widertönen,
So fährt aus dem alten, ererbten Stahl
Der dampfende, donnernde, rötliche Strahl.
Jetzt — Achtung! — Seht sie paradieren —
Hei, wie die jungen Gesellen marschieren!
Potz Blitz, es fliegen die Ahrweiler Beine, —
Fast sprühen sie Funken, die Pflastersteine.
Und laut ruft zu neuen, begeisternden Taten
Das Lied von Zimdera und den Soldaten.

Nun löst es sich auf, das bunte Gedränge, —
Hört nur den Jubel der wogenden Menge!
Wohin aber mögen die Schützen jetzt zieh’n?
Mir nach; ruft die Trommel. So kommt zu ihr hin!

Auf den Markt, vom Sommerwind leicht geschwellt,
Sind fröhlich die Zelte der Schützen gestellt.
Hier seht kameradschaftlich bald sie beim
Wie glänzen die Augen, wie die Pokale! [Mahle,
Und fröhliche Worte gehn her und hin
Und Reden voll Scherz und voll tiefem Sinn.
Salut dem geliebten Vaterland!
Salut der Stadt an dem freundlichen Strand,
Den die Ahr mit der brausenden Welle küßt —
Salut Alt-Ahrweiler — sei uns gegrüßt! — —

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