Das Ahrtal als Freilichtmuseum für Gesteinsfalten
Das Ahrtal ist bei Geologen berühmt wegen einiger besonders vollständig erhaltener Beispiele von Gesteinsfalten, die hier durch die Erosionskraft freigelegt wurden. Dabei gibt es zwei Schwerpunkte, einen zwischen Altenahr und Kreuzberg, einen zweiten in der Umgebung von Schuld.
Zuvor seien einige geologische Begriffe erläutert: Das Rheinische Schiefergebirge hat seine heutige Struktur dadurch bekommen, dass vor etwa 300 Millionen Jahren ein breiter Meeresraum durch zwei riesige, gegeneinander driftende Kontinentalplatten zusammengeschoben wurde. Dabei wurde der mehrere Tausend Meter dicke Schichtenstapel von Sandsteinen, Tonsteinen und Kalken, der sich hauptsächlich während der Devon-Zeit darin angehäuft hat, zu einem Faltengebirge zusammengestaucht. Diese seitliche Verkürzung kam dadurch zustande, dass große Gesteinsschollen zerschnitten und übereinander gestapelt wurden, aber auch dadurch, dass Schichtpakete zu Falten zusammengeschoben wurden, wie ein Tuch oder ein Papierstapel. Die geometrischen Elemente einer Falte werden durch eine Zeichnung verdeutlicht. Um solche Falten zu studieren, kommen geologische Exkursionen aus dem In- und Ausland gern ins Ahrtal.
Geometrie einer Falte
Die Falten bei Altenahr und Kreuzberg
Das Ahrtal verläuft zwischen Kreuzberg und Bad Bodendorf im steilen Nordwestflügel eines großen Sattels, der zwischen Altenahr und Mayschoss 2 km breit ist. Deshalb hat sich die Ahr in dem felsigen Abschnitt zwischen Altenahr und Walporzheim in mehr oder weniger senkrechte Gesteinsbänke eingeschnitten. Das ist besonders eindrucksvoll zu sehen an der Engelsley nahe den Tunneln von Altenahr oder an der Felsnase Bunte Kuh westlich von Walporzheim. Z. T. sind die Schichten in diesem Abschnitt sogar überkippt (d. h. sie liegen nun gewissermaßen auf dem Kopf) und steil nach Südosten geneigt; das ist in der Umgebung von Mayschoss und an der Saffenburg zu beobachten.
Der Faltenbau der Unterdevon-Gesteine (Siegen-Schichten) in der Umgebung von Altenahr. A = Altenahr, AB = Altenburg, K = Kreuzberg. Zur weiteren Orientierung ist die Jugendherberge Altenahr eingezeichnet.
Westlich von Mayschoss löst sich dieser breite Steilflügel in Einzelfalten auf. Sie beginnen mit kleinen Verbiegungen, die eine kleine Treppenstufe anlegen, wie sie z. B. an der Ravenley oberhalb von Reimerzhoven zu sehen ist. In südwestlicher Fortsetzung werden aus diesen Stufen mehrere Meter breite Falten mit Sattel und Mulde. Durch diese Spezialfalten wird dann schließlich westlich der Linie Kreuzberg – Pützfeld der große Ahrtalsattel ganz aufgelöst.
Zwischen Altenahr-Altenburg und Kreuzberg ist eine dieser Spezialfalten mehrmals im Talniveau angeschnitten. Dadurch sind Faltenbilder sichtbar geworden, die unter Geologen zu Berühmtheiten wurden, da sie die Sattelform, die sonst häufig durch Verschiebungen aufgerissen ist, in unversehrter Rundung zeigen. Im Bereich des Altenahrer Ortsteils Altenburg hat die Ahr vor einigen Tausend Jahren eine große Schleife gebildet, die sie beim tieferen Einschneiden inzwischen abgeschnitten hat, so dass sie nun trocken gefallen ist; im Südteil der alten Fluss-Schlinge liegt der Schulkomplex. In ihrem Innern ragt ein felsiger Umlaufberg. Und an dessen Nordfuß liegt wie ein Denkmal ein wenige Meter hoher Fels, in dem mehrere Dezimeter dicke Sandsteinbänke zu einem nordwest-vergenten Sattel verbogen sind. Nordwest-vergent bedeutet, dass der Sattel einen senkrechten Nordwestflügel und einen flachen Südostflügel hat, er ist in seiner Asymmetrie also ein verkleinertes Abbild des kilometerbreiten Ahrtalsattels, der auch einen steilen Nordwestflügel und einen flachen Südostflügel aufweist. Im Kern des kleinen Sattels sind tonige Schichten in nach Südosten geneigte dünne Blätter zerschert worden; man nennt dieses Phänomen Schieferung. Durch den Bonner Geologen Hans Cloos (1885 – 1951) ist eine Zeichnung dieses Sattels von Altenburg 1950 veröffentlicht worden. Diese Abbildung ist als Beispiel für eine vergente Falte inzwischen mehrmals reproduziert worden, so z. B. in dem jahrzehntelang bekanntesten deutschen Lehrbuch der Allgemeinen Geologie von R. Brinkmann in mehrern Auflagen (Enke-Verlag) oder im Geologischen Wörterbuch, ebenfalls in mehreren Auflagen (Enke-Verlag, Deutscher Taschenbuch-Verlag, Elsevier-Verlag. An den Sattel, der als Naturdenkmal geschützt ist (also auch vor den Geologenhämmern), schließt sich im Südosten eine Verschiebungszone an und eine weitgespannte Mulde, deren Umbiegung nicht erhalten ist, die aber an der Lage der Schichten am Nordhang des Umlaufberges erkennbar ist.
700 m weiter südwestlich ist die gleiche Falte neben der Abzweigung der Straße ins Sahrbachtal noch einmal freigelegt, die Bundesstraße umläuft den Sattel in einer scharfen Kurve. Er ist viel weiter gespannt als am Umlaufberg von Altenburg und zu einem im Querschnitt halbkreisförmigen Gewölbe geworden; das sieht man deutlich von der Straße aus, die jenseits der Ahr zum Bahnhof Kreuzberg führt. Diese Falte von Kreuzberg ist durch eine Veröffentlichung von Hans Cloos und Henno Martin (1932) auch berühmt geworden. Denn hier wurde zum ersten Mal die Mechanik des Typs von Gesteinsdeformation, den man Biegefaltung nennt, genauer beschrieben. Bei der Biegefaltung gleiten die einzelnen Gesteinsbänke aufeinander wie die Seiten eines Telefonbuches, das man verbiegt. Auf den Schichtflächen wird dabei Gesteinsmaterial zerrieben; sie sind also bedeckt mit Tapeten von zermahlenem Gestein. Auf den gebogenen Bänken hinterlassen diese Bewegungen Rutschstreifen. Auf einer solchen Gleitfläche ist am 17. Februar 1988 ein Teil des Steilflügels abgerutscht; der Felssturz bedeckte Straße und Bahnstrecke. Der Felsen ist inzwischen durch Drahtüberspannungen gesichert. Die Untersuchungen von Cloos und Martin an der Falte von Kreuzberg werden sogar in einem weitverbreiteten englischsprachigen Lehrbuch der Strukturgeologie gewürdigt: E. S. Hills: Elements of Structural Geology. London (Methuen), 1966, S. 229.
Die Umgebung von Schuld
Ein weiteres Freilichtmuseum für Faltenbau stellen die Felswände dar, die durch die Schlingen der Ahr in Schuld und Umgebung freigelegt wurden. Hier sind in Sandsteinen der Oberen Siegen-Schichten mehrere Falten von einigen hundert Metern Spannweite ausgebildet, die durch die Mäander so geschnitten werden, dass wir ein und dieselbe Falte mehrmals in kurzen Abständen wiedertreffen und studieren können, wie sie sich in Längsrichtung (die Geologen sagen: im Streichen) verändert. Die Falten von Schuld wurden ebenfalls von Hans Cloos untersucht und in dem Jubiläumsband der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 1950 einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Die große Mulde nordöstlich von Schuld
Die Falte am Rupenberg westlich von Schuld
Seitdem werden sie von geologischen Exkursionen aus dem In- und Ausland häufig besucht. Besonderes Aufsehen erregte die Beobachtung, dass in der Falte als Element seitlicher Einengung auch Strukturen auftreten, die auf seitliche Dehnung zurückgehen, wie Abschiebungen und grabenartige Formen. Vorher hatte man Dehnung und Einengung verschiedenen Deformationsakten zugeordnet, für die man Gleichzeitigkeit ausschloss. Cloos konnte an den Falten von Schuld zeigen, dass die Bewegungsvorgänge innerhalb einer Falte zum Ausdünnen (damit zur Dehnung) der flachen Flügel führen und zum Anschwellen der Faltenkniee. Eine große Muldenumbiegung ist am Westhang der Branderhardt an der Straße von Schuld nach Antweiler rechts neben der Ahrbrücke angeschnitten. In dem flachen Faltenflügel direkt der Brücke gegenüber sind mehrere kleine Abschiebungen (also Dehnungsstörungen) zu sehen. Am Rupenberg westlich von Schuld, das ist der Bergrücken nördlich des großen Campingplatzes, ist an der Westseite ebenfalls eine Falte mit langem flachem Südostflügel und kurzem steilem Nordwestflügel aufgeschlossen. Sie wurde von Paul Wurster, einem der letzten Schüler von Hans Cloos und von 1968 – 1991 einer seiner Nachfolger am Geologischen Institut der Universität Bonn, genau untersucht.
Der Faltenbau in der Umgebung von Schuld/Ahr
Literatur:
- Cloos, H. (1950): Gang und Gehwerk einer Falte.- Zeitschr. d. Deutschen Geolog. Ges., 100, 290-303; Hannover.
- Cloos, H. & Martin, H. (1932): Der Gang einer Falte.- Fortschr. Geol. Paläont., 11 (33), 74-88; Stuttgart.
- Meyer, W. (1993): Die Geologie der Umgebung von Altenahr.- Beitr. z. Landespflege Rheinland-Pfalz, 16, 77-84; Oppenheim.
- Wurster, P. (1977): Die Falte am Rupenberg bei Schuld/Ahr.- Decheniana, 130, 316-321; Bonn.