Caritas-Behindertenwerkstätte »St. Elisabeth« Sinzig
Hoffnung und Lichtblick unserer Zeit
Robert Ehlen
Anfang 1987 wird in der Caritas-Behindertenwerkstätte »St. Elisabeth« Sinzig die Arbeit aufgenommen. Behinderte aus dem Kreis Ahrweiler erfüllen ihre Werkstätte mit Leben, um selbst wiederum Erfüllung ihres Lebens in ihr zu finden.
Schon in den 70er Jahren war man sich allgemein bewußt, daß den Behinderten aus dem Kreis Ahrweiler, damals etwa 40, auf Dauer die täglichen langen Fahrten zu verschiedenen Werkstätten außerhalb des Kreisgebietes (Mayen, Bonn-Hersel, Koblenz, Euskirchen) nicht zuzumuten seien. Da außerdem die vom Kreis mitgetragene Caritaswerkstatt in Mayen mit 142 Plätzen voll ausgelastet war, schien es an der Zeit, eine solche Einrichtung im Kreis selbst zu errichten.
Bei der Prüfung möglicher Standorte für eine Außenstelle des Mayener Hauptbetriebes war zunächst das Gebäude der ehemaligen Kreisberufsschule in der Blankartstraße im Stadtteil Ahrweiler vorgesehen. Aber aus unterschiedlichen Gründen (Unterbringung einer Grundschule der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Unmöglichkeit einer Mischnutzung, Immissionsschutz) schied diese Lösung aus.
Da kam gleichsam als Lichtblick im April 1980 ein Antrag an den Kreis, mit der sich die Stadt Sinzig um eine Berücksichtigung als Standort für eine Behindertenwerkstätte bewarb. Gleichzeitig wurde eine ausreichende Baulandparzelle von 7 236 m2 in Sinzig, Grüner Weg, angeboten. Das Grundstück lag zudem im Bereich eines geltenden Bebauungsplanes, und zwar innerhalb eines Mischgebietes, an das im Süden Industriegebiet, im Westen ein Bolzplatz und im Norden ein Wohngebiet anschließen. Die Zufahrt für die Behinderten und Mitarbeiter als auch die Anlieferung des Materials und der Transport der Fertigprodukte waren planerisch gewährleistet.
Der Kaufpreis von insgesamt 250 000 DM – bei einem Quadratmeterpreis von 35 DM – konnte jedoch vom künftigen Träger, dem Caritasverband Trier, der grundsätzlich zum Ankauf bereit war, mangels eigener ausreichender Finanzierungsmöglichkeiten nicht allein aufgebracht werden. Eine Mitfinanzierung aus öffentlichen Mitteln schied aus, da Grundstückserwerbe freier Träger nicht zuschußfähig sind. Nur die Baumaßnahme selbst wird öffentlich gefördert. In solchen Fällen ist der freie Träger auf wohltätige Spender angewiesen. Der Caritasverband selbst konnte für den Grundstückskauf 80 000 DM aufbringen. Ein gleich hoher Betrag wurde von der »Aktion Sorgenkind« erwartet. Es blieb also eine Finanzierungslücke von 90 000 DM.
Inzwischen war das von den Vereinten Nationen proklamierte »Jahr des Behinderten« angebrochen. Im Mai 1981 wandte sich Landrat Dr. Plümer mit einem Aufruf an die Kreisbevölkerung. Er stellte nochmals klar, daß es für den Grundstückskauf keine öffentlichen Zuschußmittel gebe, und warb für eine »Baustein-Gutschein-Spendenaktion«. Diesem Schritt lag der Gedanke zugrunde, daß die fehlende Summe von 90 000 DM mühelos aufgebracht werden könne, wenn jeder Einwohner auch nur eine Mark spende. Kreissparkasse und Volksbank Bad Neuenahr-Ahrweiler zeichneten namhafte Beträge. Hinzu kam die Hälfte des Erlöses vom Flohmarkt 1981 der katholischen Pfarrgemeinde St. Laurentius Ahrweiler mit der großartigen Summe von 23 000 DM, so daß ein schönes Startkapital bereit stand. Es fehlte damals auch nicht an kritischen Stimmen wegen dieser Spendenaktion, doch das Ergebnis dürfte alle Bedenken widerlegt haben. Denn nun trat etwas ein, was selbst die größten Optimisten nicht für möglich gehalten hatten. Eine wahre Spendenflut brach über die Sachverwalter der Aktion herein und binnen kurzer Frist war die fehlende Summe beisammen, so daß der Kaufvertrag noch im »Jahr der Behinderten« 1981 getätigt werden konnte. Doch die Aktion zugunsten der Behinderten lief weiter. Auf insgesamt rund 200 000 DM stieg die Spendensumme, ein willkommenes finanzielles Polster für weiteren notwendigen innerbetrieblichen Bedarf, soweit er aus öffentlichen Mitteln nicht zuschußfähig ist. Wieder einmal zeigte die Kreisbevölkerung -erprobt in der Aktion »Nachbar in Not« -, mit welchem Ideenreichtum Reserven freizusetzen sind, wenn es um das Wohl der Mitbürger, hier insbesondere der Behinderten geht. Bei Durchsicht der Spendenakten ergibt sich eine bunte Palette von Aktivitäten – Straßenfeste, Konzerte, Karnevalsveranstaltungen, Oktobertest, Schützenfeste, Flohmärkte und vieles mehr -wie auch ein wahres Mosaik der ungezählten Spender – Clubs, Vereine, Schüler- und Frauengemeinschaften -, die sich der guten Sache annahmen.
Auf die Unterstützung durch die Bürgerschaft wies Landrat Dr. Plümer bei der Grundsteinlegung am 12. Juni 1986 besonders hin. Die von ihm ins Leben gerufene Hilfsaktion »Bau mit an der Werkstätte für Behinderte Sinzig« habe das ursprünglich anvisierte Ziel, die Grunderwerbskosten von 90 000.- DM aus Spenden zu finanzieren, weit überschritten. Die Kreisbevölkerung habe auf diese Weise eindrucksvoll ihre Verbundenheit mit den behinderten Mitmenschen zum Ausdruck gebracht. Knapp zwei Monate später fand diese Aussage ihre Bestätigung: Der Landrat überreichte der Behindertenwerkstatt einen ebenfalls aus Spendenmitteln finanzierten Lkw. Das Fahrzeug soll zum Ausliefern von Waren eingesetzt werden und trägt deutlich sichtbar den Aufdruck: »Spende der Aktion für die Caritas-Behinderten-Werkstatt im Landkreis Ahrweiler«. Die hochherzige Verhaltensweise der Kreisbevölkerung hat aber auch ein weiteres bewirkt. Sie brachte die öffentlichen Zuschußgewährer und Darlehensgeber, Bund, Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt, Land und Kreis -auch wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Dienstobliegenheiten die Werkstätte mitfinanzieren – in einen »moralischen Zugzwang«. Alle Schreiben der Zuschuß- und Darlehensgewährer unterstrichen einhellig die Aufgeschlossenheit der Bürger gegenüber ihren Behinderten. Man wollte, ja man konnte hier letztlich nicht nachstehen, und so fanden sich alle bald am gemeinsam gesteckten Ziel des »Behindertenjahres« 1981. Planung, Grundsteinlegung und Fertigstellung einer modernen Behindertenwerkstätte, die ihresgleichen sucht, konnten zügig ablaufen.
Daten der Werkstätte
Schon vor geraumer Zeit wurde vom Träger im Benehmen mit den Fachbehörden festgelegt, daß der Einzugsbereich der Werkstatt Mayen (Kreis Ahrweiler, westl. Teil des Kreises Mayen-Koblenz, nördl. Teil des Kreises Cochem-Zell) durch Zweigwerkstätten in Mayen, Cochem und Sinzig versorgt werden sollte. Der Werkstatt Sinzig wurde das Gebiet des Kreises Ahrweiler mit rund 110000 Einwohnern zugeordnet.
Die vorgesehene Kapazität wurde für Sinzig wie folgt ermittelt: 43 Behinderte waren am 1. Juli 1982 in der WfB Mayen beschäftigt, 40 Behinderte werden bis 1987 aus den Schulen für Geistigbehinderte im Kreis Ahrweiler entlassen und weitere 38 Behinderte, die in anderen Werkstätten in Wohnortsnähe untergebracht waren, sollten Aufnahme finden. Der Standort Sinzig ist aus dem Kreis Ahrweiler besser zu erreichen als Mayen. Im übrigen ist das Kreisgebiet nach Sinzig verkehrsmäßig relativ gut erschlossen. Es besteht auch günstige Verkehrsverbindung zwischen Sinzig und Mayen. Dies ist von Bedeutung, da die Hauptverwaltung der Zweigwerkstätte Sinzig in Mayen wahrgenommen wird.
Die Größe und die Dreiecksform des Grundstücks bedeuteten für die Planung gewisse Vorgaben und Fixpunkte, die jedoch von den Architekten Dipl.-lng. Paul Rumpf und Dipl.-Ing. (FH) Hans Rumpf, Andernach, meisterlich gelöst wurden. Die gute Planung erleichterte allen mitwirkenden Behörden die Entscheidung über Konzeption, Raumprogramm und Planung des Projektes. Die Konzeption der Werkstätte Sinzig wird von der Tatsache bestimmt, daß die zentrale Verwaltung, die übergeordnete Organisation, die Auftragsbeschaffung und der Absatz der Produkte von der Hauptwerkstatt Mayen aus erfolgen. In Sinzig sind vornehmlich Produktionsstätten untergebracht:
Schreinerei
2 Gruppen = 24 Plätze (alle männlich)
Siebdruck
1 Gruppe = 12 Plätze (je 6 Personen männlich und weiblich)
Gartenbau/Landschaftspflege
2 Gruppen = 24 Plätze (18 Personen männlich, 6 Personen weiblich)
Montage/Verpackung
5 Gruppen = 60 Plätze (32 Personen männlich, 28 Personen weiblich)
Die Gesamtfläche von 2161 m2 verteilt sich auf Produktion 1 540m2
Verwaltung/begleitende Dienste 165 m2
Wirtschaft/Versorgung 218 m2
Sport/Freizeit 238 m2
Die Werkstätte bietet mit ihren 120 konzipierten Plätzen nicht nur unseren Behinderten eine optimale Lebenserfüllung, sondern zugleich auch 22 neuen Mitarbeitern Arbeits- und Lebensraum. Die Gesamtbausumme von 7,5 Millionen DM ist sicherlich für die Zukunft gut angelegt. Hierfür gebührt allen an der Erstellung der Werkstätte beteiligten juristischen und natürlichen Personen, deren namentliche Aufzählung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde, ein herzliches »Dankeschön« und »Vergelt’s Gott«! Was Paul Ramroth, ehemals leitender Redakteur der »Rhein-Zeitung«, zutreffend geschrieben hat, sei hier nochmals wiederholt; »Die Werkstatt für Behinderte ist kein mildtätiges Werk, sondern eine Wende vielhundertfacher Not, ein Akt selbstverständlicher und christlicher Pflicht, den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft zu einem Leben in Würde und positiver Persönlichkeitsentfaltung zu verhelfen!«
Die Caritas-Werkstatt für Behinderte »St. Elisabeth« Sinzig wird, dessen können wir sicher sein, ihre wichtige Aufgabe schon deshalb erfüllen, weil sie die Unterstützung unserer Kreisbevölkerung erfahren hat und weiter erfahren wird.