Begann der Siegeszug des Christentums im Rhein=Ahr=Gebiet?
VON HERMANN BAUER
Eusebius, der Bischof von Caesarea, berichtet uns von jener wundersamen Erscheinung, die schließlich zum Siege Konstantins über Maxentius, den Gegenkaiser in Rom, führte. Mit diesem Siege wurde unter dem Zeichen Christi das antike Heidentum überwunden und die Bahn frei für den Siegeszug der jungen Kirche. Die Erscheinung des Kreuzes als Ausgangspunkt des siegreichen Feldzuges verlegen Kölner Historiker des 17. Jahrhunderts in den Rhein=Ahr=Raum.
Vor mir liegt der Rheinische Antiquarius, herausgegeben von einem „Nachforscher in historischen Dingen“, Coblenz 1862. Die hier erwähnte „Cronica der hilligen Stat Cöllen“ spricht ohne jede Zeit= und Ortsangabe von Konstantins wundersamer Vi= sion, läßt aber anschließend den Jesuitenpater Theodor Ray zu Wort kommen, der im schwierigen mittelalterlichen Latein den Helenenberg bei Sinzig, die sogenannte Lehe, als Schauplatz dieser Vision beweisen will. In seinem Buche: „Die berühmten Geschlechter derer von Jülich, Cleve und Berg“, das er als Prinzenerzieher für den Unterricht der jungen Fürsten von Pfalz=Neuburg verfaßte, vertritt er folgende Ansicht: In Sinzig leuchtete vor vielen hundert Jahren das festliche Licht des großen Konstantin auf. Als er sich anschickte, in den nächsten Tagen den Kampf mit den Feinden aufzunehmen, schaute er in dunkler Nacht frei in der Luft ein gewaltiges und leuchtendes Kreuz als glückliches Vorzeichen des Sieges. Mit Hilfe seiner Legion raubte er durch dieses Kreuz, das den Standarten vorangetragen wurde, seinen Feinden mit den Waffen zugleich auch den Götzendienst. Hier, wo Konstantin das Zeichen des Kreuzes schaute, errichtete seine Mutter, die heilige Helena, am Ufer des Rheines einen großen Tempel in Form eines Kreuzes. Auf allgemeinen Wunsch wurde beschlossen, daß der Fluß, der das Feld des Sieges umschloß, nach den neuen Altären der Ubier (ARAE UBIORUM), die ebendort zum Gedächtnis des heiligen Kreuzes errichtet wurden, Ahr, und die Stadt, die die Überlieferung festhält, nach Signum — Zeichen — Sinzig genannt wurde.
Viel zuversichtlicher in der Annahme, daß Sinzig der Schauplatz eines außerordentlichen Ereignisses ist, äußert sich Aegidius Gelenius, ein gelehrter Kölner Priester: „Von hier begann Konstantin gegen Maxentius und zur Vernichtung des Heidentums aufzubrechen. Bei Aufbruch hatten die Adler (die römischen Feldzeichen) die Führung, aber nach wenigen Meilen erschienen die christlichen Zeichen. Denn als er am 7. Mai mit seinem Heere beim Ahrfluß in der Kölner Gemarkung vorrückte, erblickte der Feldherr selbst sowie alle Soldaten am hellen Himmel das Zeichen des Kreuzes und zwar oberhalb des Ortes, wo jetzt Sinzig liegt. Mit seinem Namen bewahrt der Ort das Andenken an das uralte Ereignis. Sie erblickten das Kreuz, umleuchtet von den sternbesäten Buchstaben:
In diesem Zeichen wirst du siegen . . .
Helena, die jedweder Frömmigkeit zugetan war, ließ am Zusammenfluß von Rhein und Ahr in der Goldenen Meile verschiedene Gotteshäuser oberhalb von Remagen erbauen . . .
Weiterhin machen diese Überzeugung glaubwürdig die römischen Militärstraßen sowie das auffallende Aussehen der Sinziger Gemarkung, auch ihrer Lage, die äußerst günstig war für Standquartiere und Denkmäler, von denen bis auf unsere Zeit eine reichliche Zahl unter der Erde ausgegraben worden sind.
In Sinzig gibt es einen Hügel und ein Feld, Helenäum genannt, ebendort gibt es ein Stadttor nach dem Namen der heiligen Helena.
Hier erblickte Konstantin aus hellem Lichte das Zeichen des Kreuzes und in der darauffolgenden Nachtruhe das „Labarum“. Das Kreuz, das der Heide als eine schlimme Vorbedeutung verwünschte, ist auch damals von denen verwünscht worden, die dieser Erlebnisse teilhaftig wurden. Das geht auch aus der Lobrede eines heidnischen Redners hervor, der Konstantin fragt, ob er sich mit dem Zeichen des Kreuzes nicht gegen die vaterländischen Gefühle gewandt habe: ,Was für ein Gott, welche gegenwärtige Majestät hat dir eine solche Mahnung zuteil werden lassen? Merkst du denn nicht, wie sie das Omen offen fürchten? Warum stellst du dich gegen alle Ratschläge der Menschen, warum überhörst du die Mahnungen der Opferpriester, wo du doch selbst glaubst, es sei die Zeit gekommen, durch dich die Stadt Rom zu befreien?‘
Jedoch, durch die Verheißung angespornt, brach Konstantin im Vertrauen auf Christi Gottheit mit seinem Heere auf. Als er eine Strecke von drei Stunden vorgerückt war, scheint er durch eine dritte Vision bestärkt worden zu sein, und zwar an einem Orte, der Nomen Dei — Namen Gottes — genannt wurde, und den man heute gewöhnlich Namedy heißt.
Vor den Priestern Gottes, die Konstantin als Berater bestellt hatte, bestimmte er nach dem Sieg über Maxentius, daß dem Gott, der ihm erschienen sei, jede Art von Ehrerbietung zuteil werde.“ Die Sage geht noch weiter als die Meinung des Kölner Historikers. Sie verlegt die Entscheidungsschlacht selbst, den Todeskampf des Heidentums, auf den gegen Süden gerichteten Bergabhang, das Schlohfeld, das damit kurz zum Schlachtfeld benannt wurde.
ST. HELENA auf dem Helenenberg in Sinzig