Aus der Geschichte des Weinbaus an der Ahr
Aus der Geschichte des Weinbaus an der Ahr
Vortrag auf der Veranstaltung der Gesellschaft für Geschichte des Weines am 27. April 1963 in Bad Neuenahr
VON JAKOB RAUSCH
Mir ist der ehrenvolle Auftrag gegeben, Tiber des Herrgotts nördlichsten Weingarten zu sprechen, das Weinbaugebiet der Ahr, das auch das kleinste der deutschen Weinbaugebiete darstellt. Es wird von dem 50 Grad 30′ nördlicher Breite durchschnitten; dieser Breitengrad geht auch durch Kanada und Sibirien, wo kein Wein mehr wächst.
Aber 5 Vorteile merzen den Nachteil dieser nördlichen Lage aus.
1. Die Ahrmündung liegt nur 54 m über dem Meeresspiegel, während die Mündung der Mosel 59 m, die der Nahe 78 m, die des Maines 85 m und die des Neckars 95 m hoch liegen. Jedoch schwindet dieser Vorteil der Tiefenlage durch das starke Gefälle der Ahr recht schnell. So liegt Ahrweiler, 12 km oberhalb der Ahrmündung, schon 100 in hoch, also so hoch wie Speyer, d. h. der Rhein von Speyer bis Remagen fällt nicht mehr als die Ahr von Ahrweiler bis zu ihrer Mündung. Altenahr liegt 150 m hoch, also so hoch wie Straßburg.
2. Unser Ahrweinbaugebiet liegt im Regenschatten. Es hat viele Sonnentage und wird in dieser Hinsicht nur von Rheinhessen, dem Land des Weines und des Weizens, übertroffen, das nur eine jährliche Niederschlagsmenge von 50 cm hat, während es im Ahrgebiet 56 cm sind.
3. Durch seine Lage an dem Südrande der Kölner Bucht mildert der Golfstrom das Klima unseres Weinbaugebietes.
4. Die geologischen Formationen begünstigen den Ahrweinbau. Von der „Bunten Kuh“ bei Walporzheim aufwärts bis nach Kreuzberg schufen die harten Rauhflaserschichten des Unterdevons mit den weichen Herdorfer Schichten das bizarre romantische Gepräge der Ahr. In vielen Mäandern durchfließt die Ahr dieses Gebiet. Steile, schroffe Rauhflaserwände blieben als Härtlinge stehen. Es bildeten sich treibhausähnliche Kleinklimaräume, in denen der Wind abgeriegelt ist und wo die Sonne Felsen und Luft erwärmt und erhitzt, so daß die Trauben, wie der Winzer sagt, hier im August gekocht und im September gebraten werden. In diesen abgeriegelten Talabschnitten lohnt sich das Räuchern bei den Maifrösten. Die dichten schwarzen Rauchwolken mindern die Kälte, aber was noch bedeutungsvoller ist: sie schirmen die Morgensonne ab und verhindern das schnelle, zellenzerreißende Auftauen. Im Mittelalter hatten hierselbst Adels- und Klosterhöfe durch kleine Staudämme Weiher geschaffen, deren Wasser das Klima milderte.
Das untere Ahrtal von Ahrweiler bis zur Rheinebene der Goldenen Meile weist die weichen Herdorfer Schichten auf. Hier konnte sich die Ahr in 6 Terrassen leicht und breit einschneiden. Ja, die Unterterrasse der Talsohle erreicht eine Breite von 1 km. Dazu wurden die Ober- und Mittelterrassen mit fruchtbarem Löß überzogen, und auch die Sand- und Kiesschichten der Unterterrasse sind durch eine starke Auflandung von 1-10 m Mächtigkeit in fruchtbaren Boden verwandelt worden, der noch viel angeschwemmten Löß enthält.
5. Zu diesen 4 geographischen Bedingungen kommt als wichtiger Faktor der Mensch hinzu. Über 1000 Jahre bebaut der einfache fleißige Ahrwinzer in Treue zum Boden die Weinberge und hegt und pflegt in seltener Treue selbst jene 5 bis 6 Weinstöcke, die auf den kleinsten „Stühlen“ in einem hohen Felsenwinkel liegen.
Zur Geschichte des Ahrweinbaues
Es kann sein, daß die Römer, zu deren Weltreich auch unser Gebiet 500 Jahre gehörte, die Rebe hier anpflanzten. So fanden wir die römischen Wasserleitungen bei Dernau, Walporzheim und Ahrweiler mit Rebenwurzeln umklammert. Frage: Können diese Wurzeln aber nicht auch aus einer späteren Zeit stammen?
Ahrtal zwischen Rech und Mayschoß
Foto: Ellen Traubenkraut
Daß aber in der Frankenzeit hier selbst der Weinbau blühte, beweist das Prümer Urbar von 893. Das Kloster Prüm war in dem Normannensturm 892 niedergebrannt worden. Abt Regino baute das Kloster wieder auf und erneuerte das Urbar, das uns ein gutes Bild der Agrarverhältnisse im Ahrtale gibt, Verhältnisse, die sicherlich schon jahrhundertelang vorher bestanden. So besaß das Benediktinerkloster in Ahrweiler 76 Morgen Weinberge. Auch waren ihm 25 Bauernhöfe mit je 30 bis 50 Morgen erbuntertänig, von denen jeder jährlich u. a. auch ein situla = 30 1 Wein abliefern mußte. Diese 25 Bauern waren also auch Winzer. Da weitere Urkunden die 75 Morgen Klosterweinberge als ein Zehntel der Ahrweiler Weinberge bezeichnen, so hatten wir in Ahrweiler schon in der Frankenzeit 750 Morgen Weinberge. Diese Morgenzahl zieht sich durchs ganze Mittelalter und stieg bis auf 800 Morgen; und das gesamte Ahrtal hatte das vierfache, also 800 ha. Im Mittelalter wurde auch weiter ahraufwärts bis Dümpelfeld und in den Nebentälern der Ahr Weinbau betrieben. So hatte Kesseling, das schon vor 1200 Jahren, im Jahre 762, zum Kloster Prüm kam, eine große Weinbergsfläche, wovon heute noch die Weinbergsmauern an den Südhängen der Berge zeugen.
Wer war nun Besitzer dieser Weinberge? In der Frankenzeit war der freie Bauer stolz auf drei Rechte: Das Bodenrecht, das Dingrecht und das Wehrrecht. Das Bodenrecht: Der Bauer besaß den Grund und Boden, Haus und Hof, Acker und Wiesen als Eigentum. Nur vier „W“ waren Allmende oder Allgemeinbesitz: Wald, Weide, Weg und Wasser, aber das fünfte „W“, der Weinberg, war zunächst Eigenbesitz. Jedoch im Ausgang der Frankenzeit sehen wir die Weinberge im Besitz von Klöstern und Adelsfamilien. Wie kam es zu dieser Umschichtung?
Das Dingrecht war den freien Bauern in der Karolingerzeit belanglos geworden. Da der Thunking, der Schultheiß, der Vogt, im Namen des Königs das Ding leitete und seine Schöffen nominierte, stand der freie Bauer, der einst das Urteil fällen half, nur als stummer Zeuge im Umstand. Das Dingrecht wurde ihm lästig. Aber noch lästiger war ihm das Wehrrecht geworden.
Die großen Heerzüge Karls des Großen führten den wehrpflichtigen Bauern nach Italien, Spanien und in den 30jährigen Sachsenkrieg. Kam der freie Bauer nach Hause, dann waren seine Weinberge mit Disteln und Dornen bewachsen, während der Weinberg des hörigen Bauern blühte. Da kam natürlich der Bauer auf den Gedanken: Ich gebe durch einen Precarievertrag, durch einen Bittvertrag, mein Gut auch an einen höheren Grundherrn, an ein Kloster oder einen Adeligen, der dann für mich in den Krieg ziehen und mich auch in der Dingstätte vertreten soll. Wir können hier im Ahrtal die drei Arten der Precarieverträge nachweisen:
a) Der Bauer A trug dem Kloster Prüm 30 Morgen an und erhielt diese 30 Morgen als Erblehen wieder.
b) Der kinderreiche Bauer B besaß 30 Morgen. Er erhielt aber sein Lehen durch 20 Morgen aufgestockt, so daß er nun 50 Morgen als Erblehen besaß.
c) Bauer C war ein nachgeborener Sohn und besaß kein Erblehen. Durch treue Arbeit in prümschen Diensten wurde er durch ein Erblohen belohnt.
Außer Prüm hatten in Ahrweiler noch 11 andere Klöster und 12 Adelshöfe um das Jahr 1200 80% der Weinbergsfläche. In Dernau besaßen 19 Grundherren, 10 Klöster und 9 weltliche Herren ebenfalls 80%, der Weinberge.
So ähnlich lagen auch die Verhältnisse in allen Dörfern der Ahr. Aber um das Jahr 1700 hatten die Ahrweiler Winzer wieder 70% der Weinberge als Eigentum in ihren Händen. Sie waren fleißig und sparsam und hatten dem Adel und den Klöstern, die oft in Geldnot waren, die Weinberge abgekauft. Im Jahre 1790, bei dem Beginn der Französischen Revolution, waren schon 80% der Weinberge im bürgerlichen Besitz, was aus den Ahrweiler Lagerbüchern genau nachgewiesen werden kann. Dasselbe beweist uns auch die Schöffenkiste von Dernau. Schon 100 Jahre früher, 1692, besaßen in Dernau die 19 Klöster und Adeligen nur 38 Morgen = 14% der Dernauer Weinbergsfläche. Also besaßen vor 1700 die Dernauer schon 86% der Weinberge als Eigentum.
Worin bestanden nun die Abgaben in der feudalen Zeit? Diese Zehntabgaben bestanden zunächst nur in Naturalien. Aber das Prümer Urbar von 893 beweist, daß damals schon das Geld die Naturalien ablöste. Ein Schwein wurde mit 12 Pfennigen und das Besthaupt mit 20 Pfennigen abgegolten. Aber beim Weinberg blieb man immer bei den Naturalien. Es wurden abgegeben Trauben, Most oder Wein. Hier betrug der „Zehnte“ aber nicht 10%, sondern 33, 50, ja sogar 66%, da der Winzer durchweg 1/3, selten 1/2 und noch seltener 2/$ der Ernte abgeben mußte. Das klingt nach Wucher, und es ist doch keiner, denn der hörige Bauer, der vielleicht 3 Morgen Weinberg bebaute, besaß dazu 20 bis 30 Morgen „Battungsland“ an Ackern, Wiesen und Gehölz, das abgabenfrei war.
Unsere Weistümer berichten von zwei weiteren Milderungen der Abgaben.
a) In den Jahren, in denen der Weinberg gedüngt wurde, gehörte die ganze Ernte dem Winzer, falls die Düngung vor St. Johanni (24. Juni) erfolgte.
b) Bei Mißernte oder Krankheit des Bauern wurde der Zehnte erlassen, so daß immer der soziale Grundsatz galt: In diesem Falle sollst du, höriger Bauer, auch mit Nichts bezahlen.
In den Urkunden finden wir immer wieder den Unterschied zwischen Proffrebe und Stickelrebe. Die Stickelrebe wurde in der Ebene und den unteren Weinbergslagen au Stöcken gezogen. Die Proffreben dagegen kletterten an den steilen Ahrfelsen wie an einer Hauswand hoch, und ein Stock brachte 20 bis 30 Pfund Trauben, die einen Qualitätswein ergaben. Deshalb mußten die Abgaben möglichst in Proffweinen erfolgen. Fehlten aber dem hörigen Winzer diese Proff- weine, dann mußte er eine größere Menge von Stickelwein abgeben, und zwar im Verhältnis von 3:5. Statt 3 Teile Proffweine mußte er also 5 Teile Stickelweine abgeben.
Der hörige Bauer besaß seinen Hof als Erblehm. Er durfte den Hof auch unter seine Kinder verteilen und „versplissen“. Ja, er durfte sogar Teile des Hofes verkaufen. Beim nächsten Hofding natürlich mußte er genaue Meldung erstatten, und er mußte Bürge dafür werden, daß der neue Lehensträger seine Lehnsflicht ganz erfüllen würde. Der neue Lehensträger mußte jetzt beim Ding dem Grundherrn huldigen.
Die Ahr rühmt sich heute, das größte geschlossene deutsche Rotweingebiet zu sein. Wir an der Ahr haben im Mittelalter fast nur Weißweine gezogen, und erst im 17. Jahrhundert kam die rote Burgundertraube ins Land. Da man aber die roten Trauben wie die weißen vor der Gärung kelterte, so erhielt man nur den „Schillerwein“. Erst im 19. Jahrhundert ließ man die gemahlenen Trauben mit Schalen und Kernen und Stielen mitgären, so daß der rote Farbkörper in den Wein wandert. So ergab sich der edle Rotwein, der jetzt viel von seiner Herbheit verloren hat, weil durch die Entrappung die Traubenstiele nicht mehr mitgären.
So waren auch die 30 Fuder Kurweine, die wir im Mittelalter unserem Landesherren, dem Erzbischof und Kurfürsten von Köln, jährlich abliefern mußten, Weißwein. Ahrweiler kam mit der Grafschaft Are 1246 zum Erzstift Köln. Daher hat es im oberen Wappenfelde das kurkölnische Kreuz, weil wir von 1246 bis 1803 zu Kurköln gehörten, während im unteren Felde der Adler der Grafen von Are zu sehen ist, da wir von 1100 bis 1246 der Grafschaft Are gehörten. Jene 30 Fuder Wein heißen Kurweine, weil der kurfürstliche Kellermeister mit Weinkennern den Wein in den Kellern der Winzer „kürte“ und die besten Fuder aussuchte. Der Winzer war stolz, wenn sein Wein als der beste gekürt wurde, zumal ja die Stadt ihm den Wein gut bezahlte. Der Erzbischof Hermann von Wied verpfändete im 16. Jahrhundert diese 30 Fuder Kurwein an den Grafen von Vlatten in der Rureifel. Mit Genehmigung des Erzbischofs zahlten die Ahrweiler Bürger dem Grafen von Vlatten die Pfandsumme von 7000 Gulden bar aus. Sie brauchten nun keine Kurweine mehr zu liefern, es sei denn, der kurfürstliche Hof in Bonn hätte den Ahrweilern die 7000 Gulden zurückerstattet. Das geschah aber zweihundert Jahre lang nicht. Da erinnerte sich der kunstliebende Kurfürst Klemens August, der auch Jagd und Wein liebte, im Jahre 1742 an die Ahrweiler Kurweine. Er bot den Ahrweilern 7000 Gulden an. Aber die Ahrweiler wiesen durch den Reichsmünzwardein nach, daß die 7000 Gulden jetzt einen Wert von 24.492 Gulden hätten. Im Prozeß mit ihrem Landesherrn siegten die Ahrweiler durch das Gutachten der juristischen Fakultät der Universität Göttingen. Zum Troste schickten die Ahrweiler ihrem hoch verehrten Landesherrn ein Fuder besten Ahrweiler Weines, und sie hatten gut daran getan, denn jetzt wurde der Erzbischof ihr Kunde und bestellte jedes Jahr mehrere Fuder Wein, die die kurfürstliche Kasse gut bezahlte. Außer diesen kurfürstlichen Kurweinen gab es hier noch „kleine Kurweine“. Dicht an der Ostgrenze der Stadt Ahrweiler lag die Grafschaft Neuenahr, die später zum Herzogtum Jülich und durch den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit zu Pfalz-Neuburg und später zur Kurpfalz kam. Der Herzog von Jülich und seine Rechtsnachfolger ließen die Ahrweiler Kloster- und Herrenweine ohne Zoll durch ihr Land fahren. Aber der jülichsche Amtmann der Grafschaft Neuenahr bezog im Herbste einen Korb Trauben. Auch durfte er sich in den betreffenden Kloster- und Adelshöfen einige Ohm Wein aussuchen. Dabei durfte er aber nur drei Fässer probieren. Gefiel ihm das erste und das zweite Faß nicht, so durfte er zu einem dritten Faß gehen. Bei diesem mußte er aber bleiben, „ob er süß oder sauer wäre“.
Zur Franzosenzeit (1794-1814)
Die Aufhebung der Erbuntertänigkeit durch die Franzosen brachte hier keine große Änderung, denn wie wir oben hörten, hatten die Winzer schon über 80% der Weinberge wieder in ihren Händen. Auch die Realteilung, die durch den „Code civil“ gesetzlich verankert wurde, bestand bei uns ja schon vorher. Die Ahrweiler Lagerbücher und das Morgenbuch von Dernau geben uns ein getreues Bild der Agrarverfassung zu französischer Zeit. In diesen Grundbüchern steht bei jedem Bewohner, was er besaß an Haus und Hof, an Weinbergen, Äckern, Wiesen und Gehölz. Auch die Qualität von Weinberg und Äcker wurden bestimmt. So wurde ein Morgen Weinberg(32 ar) erster Klasse mit 150 Tälern „geschatzet“. Gleiche Schatzung von 150 Talern hatten
1 1/2 Morgen Weinberg zweiter Klasse,
1 1/2 Morgen Acker erster Klasse,
3 1/3 Morgen Acker zweiter Klasse,
6 Morgen Acker dritter Klasse.
Die Franzosen erhoben nun nach diesen genauen Unterlagen die Grundsteuer, die größer war als der ehemalige Zehnte. Wohl schwanden die geringen Frondienste, die einst dem Grundherrn geleistet wurden, aber die Gemeindefrondienste, Wege- und Brückenbau u. a., blieben bestehen. Da Napoleon auf gute Straßen großen Wert legte, mußte unser Bauer viele Wegefrondienste leisten. Auch mußte er im Kriegsfalle Spanndienste verrichten, von der Maas bis zur Fulda, von Aachen bis nach Kassel. Dazu kamen die vielen weiteren Kriegsopfer an Gut und Blut, die wir dem Dienste des Korsen opfern mußten. Unter diesen Umständen erlitt der Weinbau einen Rückschlag, zumal wir ja mit dem französischen Wein den Wettbewerb nicht aufnehmen konnten.
Zur Preußenzeit (1815-1945)
Im Jahre 1815 kam unsere Heimat zu Preußen. Seit 1816 war Ahrweiler die Hauptstadt des Kreises Ahrweiler im Regierungsbezirk Koblenz, in der Rheinprovinz. Wir stellen fest, daß in preußischer Zeit der Weinbau sich hob. Das ergibt folgende Übersicht:
Weinbergsfläche in Hektar | ||||
Ort | 1810 | 1864 | 1910 | 1953 |
Oberwinter | 58 | 38 | 60 | 0,4 |
Remagen | 39 | 51 | 60 | 0,6 |
Sinzig | 36 | 51 | 60 | 1,2 |
Bodendorf | 21 | 33 | 32 | 4 |
Heimersheim | 45 | 80 | 80 | 71 |
Bad Neuenahr | 59 | 59 | 72 | 7 |
Ahrweiler | 128 | 223 | 280 | 194 |
Rech | 19 | 48 | 65 | 62 |
Dernau | 27 | 80 | 105 | 99 |
Mayschoß | 110 | 120 | 105 | 102 |
Altenahr | 18 | 48 | 90 | 69 |
Im Jahre 1910 waren die Weinbergsflächen am größten. Dann aber folgt ein rapider Rückgang des Weinbaus am Rhein von Brohl bis Rolandseck, eine starke Minderung an der unteren Ahr, aber stetige Verhältnisse an der mittleren Ahr von Ahrweiler bis Altenahr.
Im 19. Jahrhundert hatte der Winzer mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen, da er auf eigene Füße gestellt war. Nun war er froh, wenn er an Kirmestagen sein eigenes Wachstum verzapten durfte und auch 90 Tage lang in seiner Straußwirtschaft seinen Wein ausschenkte.
Keller in Mayschoß, Winzerverein
Oft fuhr er mit einer „Deuka“ (Schiebekarre) bis an den Niederrhein, um dort ein Fäßchen Wein zu verkaufen. Aber der meiste Wein ging ahrabwärts und wurde von der Faßbinderbruderschaft, zu denen auch die Sehröter gehörten, in Remagen auf Schiffe verladen, die dann rheinabwärts fuhren. Im großen und ganzen war es für den Winzer eine Notzeit. Hier hatte er einen Freund, d. h. eine Freundin mit 4 Beinen, das war die Kuh. Und da hieß es bei dem Winzer zu Recht: Eine Kuh deckt jede Armut zu. Zudem war sie ein Freund des Weinberges. Der Weinberg ist ein Humusfresser, aber kein Humuserzeuger. Der Kuhmist bildet im Weinberg den besten Dünger. Zudem, wenn der Weinberg ruhte, bepflanzte der Winzer die unteren Stühle mit Esparsette und Luzerne. Und diese Stickstoffsammler dringen mit ihren Wurzeln tief in den Weinberg, machen den Boden mürbe, humusreich und stickstoffreich. So hatte das kleine Dörfchen Bachem, das den edlen Frühburgunder erzeugt, 200 Kühe, leider heute keine einzige mehr. 1930 gab es in Ahrweiler 210 Kühe, heute besitzen nur noch 2 Winzer Kühe.
Zur Zersplitterung
Die Realteilung, die durch den Code civil, der bei uns bis 1900 galt, gesetzlich verankert wurde, wirkte sich durch eine große Zersplitterung aus. Die Weinbaubetriebserhebung 1958 gibt folgendes Bild:
Größenklasse der Betriebe bis 0,2 ha | Anzahl der Betriebe 569 |
0,2-0,5 ha | 679 |
0,5-1 ha | 276 |
1 ha und darüber | 76 |
insgesamt | 1600 |
Eine Statistik aus dem Jahre 1928 gibt folgende Anbauflächen an:
Rote Trauben | Weiße Trauben | |
Frühburgunder | 17,7 ha | |
Spätburgunder | 381,8 ha | 66,2 ha |
Portugiesen | 98,65 ha |
Diese Statistik von 1928 hat sich in 30 Jahren in dreifacher Weise geändert. Es vermehrten sich
1. die ertragreichen Portugiesen auf Kosten der Burgunder;
2. die weißen Trauben auf Kosten der roten,
3. die Müller-Thurgau-Reben, eine Züchtung aus Riesling und Sylvaner, wurden mehr und mehr angepflanzt.
Der Weinhandel spielte besonders in der Kreishauptstadt Ahrweiler eine große Rolle. Die Weinhändler kauften von den Kleinbetrieben die Trauben und von den größeren den Wein. Wie im Mittelalter die 12, Klosterhöfe und 12 Herrenhöfe das Gepräge gaben, war es im 19. Jahrhundert der Weinhandel rillt den berühmten Weinhandelsfirmen Kreuzberg, Brogsitter, Dahin, Maxrath, Schäfer u. a., heute ist die Firma J. J. Adeneuer die einzige, die sich nur mit Rotweinhandel beschäftigt. Eine Belebung erhielt der Ahrweinbau im 19. und 20. Jahrhundert durch folgende Organisationen:
1. Die Winzervereine mit ihrem Grundsatz: Einer für alle, alle für einen. Zuerst wurde der Winzerverein in Mayschoß 1868 gegründet. An der Ahr sind heute in 12 Winzergenossenschaften 90% der Winzer organisiert, während es an der Nahe 25% und am Mittelrhein und an der Mosel nur 9% sind.
2. Die Landes-Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft in Ahrweiler, die 1902 als Provinzial-Wein- und Obstbauschule gegründet wurde und im Volke allgemein als „Weinbauschule“ bezeichnet wird, lehrt die Winzer des Ahrtales am guten Alten in Treue zu halten und am kräftigen Neuen sich stärken und freuen. Durch Theorie und Praxis werden Schüler und auch die Erwachsenen geschult. Der Fachlehrer der Weinbauabteilung ist zugleich Leiter der „Rebenaufbaugemcinschaft Ahrtal“ und ist Vorsitzender der Weinsiegelkominission.
3. Die staatliche Domäne Marienthal, einst ein Augustinerinnenkloster mit reichem Weinbergsbesitz, ist ein Musterbetrieb. Sie ist heute mit der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt eng verbunden, so daß auch diese Domäne der Lehranstalt untersteht.
4. Die Rotweinprobierstube des Kreises in Bad Neuenahr ist eine natürliche Reklame für den Ahrrotwein. Hier werden die verschiedenen Rotweine des Ahrgebietes ausgeschenkt, und man kann nach der Probe seine Bestellungen aufgeben. Sie, meine Herren, werden gleich diese Proben kosten, und ich weiß auch schon im voraus, daß Sie den Ahrrotwein loben werden. Wir‘ freuen uns, daß Sie zu uns, dem kleinsten Weinbergsgebiet Deutschlands, gekommen sind, denn wir wissen, daß Von den 100% Weinbergsflächen des Bundesgebietes wohl 68% auf Rheinland-Pfalz, aber nur 1 1/2% aufs Ahrgebiet entfallen.
Zum Schlusse ein Erlebnis, das ich an einem Karsamstagmorgen hatte:
Bei einem Morgenspaziergang in den Weinberg traf ich einen jugendlichen Weinbergarbeiter. Ich begrüßte ihn und sagte: „Fritz, ich ziehe vor dir zweimal den Hut ab, erstens, weil du auch am Samstag und zweitens weil du im Weinberg arbeitest.“ – „Ja“, sagte Fritz, „der Weinberg hat seine Ostern noch nicht gehalten. Aber ich will ihn heute gründlich umgraben und ihn vom Unkraut befreien.“ Und ich sagte: „Heute bist du ein Schatzgräber, und der Weinberg wird es dir im Herbst danken.“ Da sagte Fritz: „Da muß ich an die Ballade. Der Schatzgräber` denken, die wir in der Schule auswendig lernten.“ „Arm am Beutel, krank am Herzen?“ – „Nein, das trifft auf mich nicht zu. Ich arbeite 5 Tage am Bau in Bonn und habe einen schönen Wochenlohn, und am Samstag arbeite ich in meines Vaters Weinberg, und das macht mich froh, und ich bin nicht krank am Herzen.“
Ja, eine Jugend, die sich noch mit dem Boden verbunden fühlt und die ihn bearbeitet, wird gesund und stark bleiben, was auch unser Bundespräsident Lübke bei der Gartenschau in Hamburg betonte. Und als ich weiterging, dachte ich an den kürzlich verstorbenen Gelehrten Dr. Dr. Georg Schreiber aus Münster in . Westfalen, mit dem ich öfters durch das Ahrtal wanderte, um über das Volkskundliche und Sakrale unserer Weinlandschaft zu berichten. Und wir fanden in Kirchen und Kapellen, wie Christus die Kelter tritt, wie der Winzer die Rebe pflegt; und ein Bild stellt dar, wie der Weinbergsbesitzer die müßig auf dem Markte Stehenden auffordert. „Geht auch ihr in meinen Wein
berg, und ich will euch geben, was recht ist.“ Und es gingen auch solche noch in der elften Stunde und bekamen einen vollen Tagelohn. Das möchten wir auch den Söhnen und Töchtern unserer Winzer zurufen; den Söhnen und Töchtern, die ja nicht in den kleinen Betrieben voll beschäftigt werden können, die einen anderen Hauptberuf erwählen mußten: „Geht auch ihr an den freien Samstagen in den Weinberg eures Vaters. Und ihr, die ihr dann in der elften Stunde kommt, erhaltet auch den vollen Tagelohn, dazu
Gesundheit, Zufriedenheit und Glück. Denn Weinbergsarbeit ist des Blutes Balsam; Weinbergsarbeit ist der Tugend Quell. Ja, mögen auch die kommenden Generationen dem Weinberge nach dem tausendjährigen Beispiel der Ahnen treu bleiben, so daß auch in Zukunft das Dichterwort wahr bleibt, das Heinrich Ruland von Ahrweiler singt:
Talab, talauf die Reben blühn,
und wem den Trank sie spenden,
fühlt sich beseligt zu dir hingezogen: