Aus dem Anschreibebuch des Mathias Bauer aus Bodendorf
Rezepte zum Schönen und Verbessern von Wein aus dem Jahre 1820 (zugleich eine Geschichte der Familie Bauer in Bad Bodendorf)
Dr. Karl August Seel
Im Jahre 1820 ging ein junger Mann aus Bodendorf nach Koblenz, um dort das Handwerk eines Küfers zu erlernen. Sein Name war Mathias Bauer; als Lehrling trat er in die später weithin renommierte Firma Deinhard ein. Er muß ein heller Kopf gewesen sein, denn in einem Notizbuch hielt er alle Rezepte zum Schönen und Bessern von Weinen fest, die er offensichtlich im täglichen Zusammensein mit den Kellermeistern bei Deinhard erfahren hat. Es sind insgesamt 25 Rezepte und Tips, die in einer gestochenen und feinen Schrift in das Buch eingetragen sind. Dieses Anschreibe- und Notizbuch im Taschenbuchformat mißt 12 x 16,5 x 2 cm, hat einen Halbledereinband mit Lederverschlußklappe, echten Bünden und Lederecken. Vor dem hinteren Einbandeckel ist eine Falttasche für Notizzettel, Karten u. ä. und eine Halterung für einen Bleistift oder eine Feder angebracht. Das Papier des Buchs ist dick, grau-weiß und vermutlich handgeschöpft. Auf den nichtnumerierten Seiten 1-14 sind die nachstehenden Rezepte aufgezeichnet, während vier davorstehende Seiten, vermutlich ebenfalls mit Rezepten, herausgeschnitten worden sind. Auf der Seite 15 ist sodann seine Eheschließung vermerkt. Die Seiten 16-18 schließlich dienen als Merkbuch für erbrachte Leistungen und Ausgaben. Zahlreiche folgende Seiten sind leer und teilweise mit Kinderkritzeleien bedeckt.
Auf den letzten 7 Seiten hat Mathias Bauer wiederum in derselben gestochenen Schrift und wohl zeitgleich mit den Rezepteintragungen, als Lern- und Schreibübung, die Geographie Europas mit seinen damaligen Staaten (z. B. Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Freie Reichsstädte Hamburg, Lübeck, Bremen, Frankfurt) und Flüssen aufgezeichnet. Alle Eintragungen sind in Tusche oder Tinte und vermutlich mit einer Gänsefeder niedergeschrieben worden.
Das Büchlein selbst, mit seinen im Hinblick auf die modernen Weinskandale der letzten Jahre interessanten »natürlichen« Rezepten, befindet sich in Familienbesitz. Die Rezepte werden in der Originalschreibweise wiedergegeben. Dort wo Satzzeichen fehlen, wurden zur besseren Lesbarkeit beim Druck die Wortabstände vergrößert.
Coblenz den 26tenMay 1820
Dieses Schreibbuch gehört
Mathias Bauer, wen es
villeich soll verlohren
gehen der bringt mir es wieder
Bei Herrn Deinhart. Der be-
kömb von mir ein gudes Tringelt.
Ich hoffe aber nicht das es
verlohren soll gehen
Eintrag des Mathias Bauer m seinem »Schreibbuch«
Repros: Seel
Ein Faß zu machen, welches die Figur eines Stundenglases oder einer Sanduhr hat.
Machet ein rundes ovales Faß bis auf die Gargel1) ferdig, wärmt und bindet es, ohne Boden hinein gemacht zu haben. Laßet es so ungefähr einige wochen stehen, bis es recht ausgetrocknet ist. Dan thut es wieder voneinander und füget es nach Art eines Bodenstückes ganz gerate. Nun setzet es so auf, daß der inere Theil außer her, und der äußere Theil der Tauben innen hin kömpt. verfertigt Böden dazu und bindet es so ab, daß der Bauch einwärts gehet: Dies kan am besten durch Schloßreif2) geschehen.
XXX
Wen ein Wein fett wäre und sich nicht geben wollte.
Laßet ein viertel pfund Salpeter, und eben so viel Salz rösten, bis es gelb wird. Wen es kalt geworden ist. machet es zu pulfer und thut dazu l virtelpfund präparirtes Weinsteinpulfer und eben so viel präpariertes Alabasterpulfer. Dieses alles in die vorhin beschriebene Weinschöne3) treibt es recht durcheinander, gießet alles in den Wein, und gebrauche dabei die Kette4) zum herumrühren. Daß alles darf aber nicht lange dauern.
XXX
Most von der Kelter weg zu schönen.
Nehmet auf ein Fuder5), 6 Maaß Geiß- oder Ziegenmilch, wie sie warm von der Geiß kömmt, und gießet sie in den Most Dabei treibet mit der Kette beites wohl durcheinander in drei Tagen ist es dan hell, weil jene Hefe unter sich treibt
XXX
Schöne zum Rothen Wein.
Arbeit 24 Eier mit einem Maaß Schön von Nummer 1 bis es Schaum wird, und thut es ins Faß.
XXX
Wen ein Rother Wein fett wäre und sich nicht klar machen wollte.
Nehmet auf ein Futer 2 Maaß warm Kuhmilch zu der Schöne Nummer 1. Thut darzu ein halb Pfund präparirten klaren Alaun ein viertel Pfund präparirtes Weinsteinpulfer, 6 Hönereier sammt den klar gemachten Schalen peitschet alles mit einem neuen Besen6) wohl, und thut es mit der Kette ins Faß ist es hineingegoßen so spundet daß Faß zu in etlichen Stund
xxx
Rothen Franzwein zu schönen.
Nehmet auf ein Eimer, 6 Eier und 3 loth Weinsteinpulfer auch 2 loth gebranten Alaun treibet es in einen Hafen recht Klar, gießet es in den Wein, und rührt ihn ein wenig undereinander
xxx
Spanischen Wein zu schönen
Nehmet auf 4 eimer, die Hälfte der Schöne von Nummer 1, dazu thut 3 Maaß abgeramte Kuhmilch, und gießet dieses in den wein. Er verlihert dan die Rauigkeit, und bekomt seine Farbe. Ziehet ihn nun von der Schöne ab nehmet von dem beste Kanariensekt7) ein Maaß, und zwei Maaß von jenem Wein, gießet beites wohl zusammen und arbeit es durcheinander brenn aber daß Faaß nicht ein, weil diese Weine allzuhitzig sind.
xxx
Muskat wein zu schönen.
Nehmet auf 2 Eimer ein halb Maaß der schöne Nummer 1, thut etwa 2 loth Hirschhorn hinein, und arbeitet es in den Wein recht untereinander.
xxx
Rothen spanischen Wein zu erhalten.
Man läßt ihn auf der Mutter der Hefe liegen, wie die portugisischen Weine, Je älter er dan wird, desto stärker wird er, aber nicht hell.
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Spanische und andere Weine süß zu machen.
Nehmet auf ein Eimer, ein halb Pfund weisen guten Honig, setzet ihn mit 3 Maas Wein zum Feuer, und schäumet ihn wohl ab. Alstan schlaget ihn im Faße wohl durcheinander
xxx
Wen Rothe Weine ihre Farbe verlohren haben.
Nehmet auf zwei eimer ein loth Turmsoll. Davon kommt die Farbe wieder, ohne daß es auf irgent ein art schätlich wäre.
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Wen ein Wein will sauer werden.
Nehmet auf ein Fuder zwei Pfund Lein oder Flachssaamen, zerschlaget ihn wohl, und hänget ihn in einen Sacke in das Faß, so lange es nötig ist.
xxx
Wen ein wein sauer geworden wäre.
Nehmet auf ein Fuder ein Pfund Senfkörner ein halb Pfund Lauchsamen und ein halb Pfund Beifußsaamen8). Zerstoßet alles, nehmet ein Maaß Brantwein und brennet das Faß worin der sauere Wein getahn werden soll, damit ein spundet es zu, und hänget obigen Saamen, wozu noch 3 zerschnittene gelbe ins Röthische schneidende Rüben getahn werden mit einem langen Säckgen in den Wein. Er wird dan balt wieder gut werden.
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Schimmelihten Wein zu Helfen.
Nehmet auf ein Fuder zwei Hände voll Salbei9) und eben so viel Rauten10) schneidet beides klein und hänget es in einem langen tünnen Sack in den Wein. Oben auf den Spund leget ein frisch gebackenes Rocken Brod etwa von 4 Pfund den ganz heiß aus dem Backofen, in dieses Brod wird unten ein loch und die Rinde etwas weggeschnitten. Daß loch wird auf daß Spundloch gelegt und wen man dieß eingemahl wiederholt, so ziehet daß Brod zuletz ganz den Schimmel heraus.
xxx
Ein anders Mittel den Schimmel weg zu schaffen.
Nehmet auf ein Fuder ohngefähr zwei Pfund rohe Gerste, röstet diese braun, schüttet sie heiß in einen langen Sack, und hänget sie so heiß in den Wein & über Nacht wird der geschmak weg sein, laßet nun den wein in ein anders Faß füllen, und alstan erst die Gerste aus dem Faß thun.
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Rezepte aus dem Anschreibebuch des Mathias Bauer im Original
Wenn ein wein vom Faße einen Geschmack bekommen hat.
Nehmet auf 2 eimer, 36 ganze Lorberen laßet den wein ab, und hänget diese beren hinein.
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Wenn ein wein zuviel Schwäfel hat.
Machet auf ein Fuder 1 loth zimmet und ebenso viel Musskatnuß klar, Dieses hänget dann in den wein.
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Wen der Wein abgeschmack wird.
Hänget mit einem Stein. Kordabenediktkraut11) sammt der Wurzel hinein, der wein bekommt dann Kraft und geschmakt wieder
XXX
Dem Wein einen gut geschmak zu geben.
Hänget an einem Tuche, 24 Stunden lang auf l Fuder, eine Handvoll Scharlachkraut12) hinein.
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Abgestandenen Wein wieder zu hälfen.
Nehmet zum Fuder 2 loth langen Pfeffer 1 loth Kamillen und 1 loth Muskatnuß & stoßet alles klein, weichet es 3 Tage lang in guten Brantwein ein, brennet mit diesem Brantwein daß Faß, laßet den Wein hinein, und hänget obige Speziges in denselben.
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Trüben Essig zu schönen, oder hell zu machen.
Nehmet auf 2 eimer l ey daß Weiße mit dem Dotter: schlaget es, bis es ganz Schaum wird, thut diesen Schaum ins Faß und arbeite alles Recht Untereinander. In 12 bis 18 Stunden wird es hell werden. Wollte es sich nicht geben, so thäte man zu obigen Schaum l halb loth galizienstein, oder Pottasche und verführe übrigens wie oben gelehrt worden ist.
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Da daß Brantweinbrenen von Frucht, Weich-sen, Tresten, Zwetschgen, Aepfeln, Bieren, Kirschen, Weichsein und Kartoffeln eine bekande Sache ist, so soll hievon nur folgendes gedacht werden.
- Wie man es macht, daß der Brantwein beim Brennen immer helle läuft. Thut in den Kessel eine Hand voll präparirten Weinstein.
- Den Brantwein im Brennen stark zu machen, damit er die Probe hält.
Werfe zu einem Brande zwei grosse Zwiebeln, ein paar harte Stücke Brod, und ein zimliches Stück Merretig oder Green in die Blase. Dieses macht den Brantwein stark.
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Noch eine Verbesserung des Sauren Weins.
Nehmet 2 Maaß von diesem Weine und lasset Sie in einem neuen Topfe bei starkem Feuer bis auf die Hälfte einsieden & thut ihn vom Feuer deket ihn auf, und sucht ihn mit einem brennenden Span anzuzünden. Brennt er: so decket die Stürze darauf, und löschet ihn wieder. Nun thut ein Maaß guten Brantwein in den sauern wein ins Faß, schüttet sogleich den sieden Wein hinein und machet daß Faß wohl zu damit keine luft hinein komme. Dan wird der Wein in 14 Tagen wieder brauchbar. Auf jedes Fuder wer 2 Maaß gekocht.
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Trüben Brandwein zu schönen oder hell zu machen.
Nehmet auf einen Eimer 1 loth Kamillenwurzel13), stosst sie zu Pulfer schüttet den vierten Theil eines Maaßes Brandwein darüber, laßet es über Nacht stehen, und schüttet es dan in das Faß. Der Brantwein wird in 3 bis 4 Tagen hell geworden sein.
Bis auf das letzte Rezept sind alle wie aus einem Guß aufgezeichnet. Wie Schrift und Tinte zeigen, müssen sie zeitlich schnell und hintereinander zu Papier gebracht worden sein. Daß die Rezepte nicht auf einmal und von einer Vorlage abgeschrieben wurden, geht dabei aus den unterschiedlichen Abtrennungen der einzelnen Rezepte durch Striche, geschweiften Klammern sowie geschlossene und getrennte Wellenlinien hervor. Lediglich das 25. Rezept zum Schönen trüben Brandweins ist später mit blasserer Tinte und flüchtigerer Schrift nachgetragen.
Die Qualitätsverbesserungen von Weinen durch das Behandeln mit und Zusetzen von organischen und anorganischen Substanzen ist zu allen (Wein-)Zeiten gebräuchlich gewesen. Während dies einerseits zur echten Aufbereitung und Qualitätssteigerung des Weins notwendig war, wurde es andererseits auch unredlich zur Vermarktung schlechter Weine angewandt.
Schon in römischer Zeit waren Eiweiß und Sand als Schönungsmittel zum Klären des Weins bekannt. In späteren Zeiten wurde neben Eiweiß auch Gelantine, gemahlene Fischblasen von Stör und Hausen, Holzkohle, spanische Erde, Rinderblut, Hirschhorn, Brot und Milch, aber auch Holzspäne und Gips dafür benutzt. Gleichzeitig wurden auch zahlreiche Krauter zur Geschmacksverbesserung zugesetzt, so Alantwurzeln, Salbei, Leberkraut, Wacholder, Tausendgültenkraut, Minze und Baldrian ebenso aber auch Zimt, Nelken und andere Spezereien. Durch Zusatz von Weinstein wurde fehlende Säure, durch Honig und Zucker nicht vorhandene Süße eingebracht14). Diese Schönungspraxis führte auch im Mittelalter und der Neuzeit zu Weinfälschungen und Weinskandalen, die durch die Stadtmagistrate und Landesherren mit hohen Geld-, Körper-und Haftstrafen geahndet wurden.
Nach dem Aufzeichnen der Rezepte scheint das Büchlein einige Jahre nicht mehr in Gebrauch gewesen zu sein. Mit der Eintragung »1829 den 8ten Februar haben Ich der Stand der Eh angetreten« wird es wieder genutzt.
Die sich anschließenden Notizen auf den folgenden drei Seiten stammen aus den Jahren 1834 -1841. Hier vermerkt sich Mathias Bauer, daß er seinem Schwager Kraus 1834 »eine Bettstelle für ihn aus dem Stock gem«(acht) hat. Am 12. August 1836 erhält Kraus 2 Taler und nochmals 1 Taler für den Besuch des Sinziger Marktes. 1839 drischt er ihm Gerste, Hafer, Wintergerste und Korn in den Fluren: Über der Ahr, Frohndahl, Berg, Am Querweg und Am Ahrweg. Die gedroschenen Mengen werden in den alten Maßen Sester und Mühlfaß angegeben.
Seiner Schwägerin Elisabeth Kraus bezahlt er Lohn (1835: 5 Taler); 1838 gibt er ihr »für und nach« insgesamt 15 Thaler »an gelt«. Im gleichen Jahr macht er ihr »ein neun Waßerbütt und einen neuen Eimer« für 25 Silbergroschen und fährt 4 Klafter Holz. In der gleichen Zeit zahlt er ihr und seinem Schwager Peter Pacht in Höhe von 21 Talern.
1848 zahlt er seinem Schwager Hardt15)auf Bodendorfer Kirmes (4. September) 10 Silbergroschen aus und gibt ihm zusätzlich 3 Flaschen Wein zu 9 Silbergroschen; 3 weitere Flaschen im Oktober des gleichen Jahres kosten dagegen 15 Silbergroschen. Soweit diese Notizen, mit denen die Eintragungen enden.
Mathias Bauer ist am 4. Oktober 1800 als ältester Sohn von 10 Kindern des Mathias Josef Bauer und Margarethe, geb. Giesen, in Bodendorf geboren worden. Der Vater Mathias hat im Jahre 1775 in Ahrweiler das Licht der Welt erblickt und ist mit seinen Eltern später nach Bodendorf gezogen. Sein Vater ist Johannes Bauer, der 1791 erstmals als Johannes Bour in der Liste der »Nahmen der Bodendorfer Einsaßen« genannt wird16). Er ist verheiratet mit Elisabeth Wolff, vermutlich einer Tochter oder Enkelin des (Zimmer-)Meister Wolff, der 1741 die erste Bodendorfer Schule errichtet hat17).
Bei der Aufstellung des Bodendorfer Urkatasters 1828 werden Vater Mathias, Mathias junior und sein jüngerer Bruder Hubert (Peter Josef, geb. 21. 8. 1883) aufgeführt. Die Häuser mit den Parzellennummern Dorfstraße 853 (heute Braun, Alfons), Nr. 884 (Bauer, Johannes) und Nr. 967 (abgerissen, früher Buhr, Maria) sind in ihrem Besitz. Unser Mathias heiratet am 8. Februar 1829, an dem von ihm in seinem Büchlein vermerkten Tag, Maria (Anna) Gundula Kraus (geb. 8. 12. 1806) mit der er 2 Kinder hat. Im Jahre 1833 verwitwet, heiratet er 1835 (17. 2.) Maria Klara Welsch (geb. 16. 3. 1812) die ihm weitere 10 Kinder schenkt. Er selbst stirbt am 15.12.1866 in Bodendorf.
Während und nach seiner Küfer- und Faßbinderlehre bei Deinhard, die er mit 20 Jahren beginnt, hat er vermutlich auch ein Volentariat in einem Koblenzer Hotel gemacht18), um danach in sein Heimatdorf zurückzukehren. Hier begründet er 1835 eine Gastwirtschaft, verbunden mit einer Küferei. In diesem Beruf hat er bereits vorher in eigner Werkstatt gearbeitet, wie das Bettgestell, die neue Wasserbütt und der Eimer für Schwager und Schwägerin Kraus zeigen.
Das von ihm begründete Lokal ist das Gasthaus »Zum Rhein-Ahrtal«, das über seinen Sohn Heinrich (geb. 18. 2. 1851) und dessen Nachkommen bis 1972 in Familienbesitz bleibt. Die Gaststättentradition ist damit jedoch nicht abgebrochen; das Haus wird heute als Hotel und Restaurant Oberbillig weitergeführt.
Nach mündlicher Überlieferung soll Mathias Bauer die Gastwirtschaft zusammen mit einem seiner Brüder gebaut und dafür eine Hypothek beim Bodendorfer Pastor Fey aufgenommen haben. In der Pfarrchronik, in der Pastor Fey bis 1834 — dem Jahr seines Rücktritts — die ausgeliehenen Kirchengelder verzeichnet hat, findet sich darüber kein Hinweis. Sehr wohl könnte Pastor Fey ihm jedoch aus seinem nicht unbeträchtlichen Vermögen einen Kredit gewährt haben. Diese Annahme ist durchaus berechtigt, da es vermutlich auch Pastor Fey war, der Mathias Bauer die Ausbildung bei der Firma Deinhard vermittelt hat.
Der Bodendorfer Pastor Fey ist 1820 mit Sicherheit und seit längerem mit der Koblenzer Firma Deinhard & Tesche bekannt und in Geschäftsverbindung. Diese Bekanntschaft hat sich aus seinen zahlreichen Besuchen in Koblenz, deren Honoratioren ihm bekannt sind, und über die Koblenzer Kaufmannsfamilie Nebel ergeben. Diese kaufte 1803 bei der Säkularisation das ehemalige Kloster St. Thomas zu Andernach, während Pastor Fey mit seinen Bonner Freunden 1804 den Bodendorfer Besitz dieses Klosters steigerte. Ein Sohn Nebel war ein Schwager von Karl Anton Tesche, der wiederum mit seinem Compagnon Deinhard Mitbesitzer, später gemeinsame Alleinbesitzer, der im Klostergebäude von St. Thomas eingerichteten Nebel’schen Lederfabrik war.
Das Weinhandelshaus Deinhard & Tesche führt jedenfalls 1808 in seiner Weinliste einen 1806er Bodendorfer als zweitteuersten Wein seines Angebots. Es kann angenommen werden, daß dieser Wein über Pastor Fey als Vermittler gekauft wurde oder sogar aus dessen Weinkeller stammt. Gleichfalls darf angenommen werden, daß 1820 Pastor Fey den jungen und aufgeweckten Mathias Bauer als Lehrling der Firma Deinhard & Tesche empfohlen hat und so das Lehrverhältnis als Küfer zustande gekommen ist.
Im Hause Deinhard & Tesche, dem Lehrherren Bauers, war es vor allem Karl Anton Tesche, dem es nach zahlreichen und langwierigen Versuchen gelang 1830 »moussierenden Champagner« aus Ahrrotweinen herzustellen, der »dem französischen vollkommen gleich sein soll.« Bei der Champagnerfabrikation wurde von ihm dabei vor allem Bodendorfer Rotweine verwandt, denn es wurden »im Jahre 1834 allein aus der Gemarkung Bodendorf an 50 000 Flaschen schäumenden Weines gewonnen«19).Hierbei wird sicherlich die Bekanntschaft von Mathias Bauer mit der Firma Deinhard & Tesche und seinen alten Prinzipals, vielleicht auch seine Beteiligung an Tesches Versuchen, mitgewirkt haben, wodurch den Bodendorfern Winzern dieser Absatzmarkt eröffnet wurde. Auch in den folgenden Jahren wird über Ankäufen von Ahrweinen für die Champagnerherstellung durch Tesche berichtet19).
Über Mathias Bauer und Pastor Fey schließt sich so ein Kreis zur Firma Deinhard. Während diese Sektkellerei und ihre moussierenden Erzeugnisse heute noch existieren und ihren guten Ruf haben, ist der Weinbau in Bad Bodendorf Geschichte.
Anmerkungen:
- Gargel: Nut an den Kopfenden der Dauben, in die der Faßboden eingesetzt wird.
- Schloßreif: Ein offener Reif, der durch einen Verschluß verstellt und beliebig angewandt werden kann.
- Weinschöne: Kann vielfältig hergestellt werden und dient zur Klärung des Weines. Das Rezept der Weinschöne (Nummer 1) und andere müssen auf den herausgeschnittenen Seiten gestanden haben. Sie sind verschollen.
- Kette: An einen Stock gebundenes Kettenstück, das durch das Spundloch eingeführt wird, um den Wein zu schlagen und umzurühren.
- Fuder: zumeist 1 000 Liter, je nach Gebiet geringfügig kleiner oder größer.
- Besen: meist kleiner Birkenbesen, später auch Schneebesen.
- Kanariensekt: auf den Kanarischen Inseln erzeugte und vor allem im Mittelalter geschätzte alkoholreiche, trockene Weißweine, denen Eier, Zimt, Muskat u. a. zugesetzt wurden.
- Beifuß: vermutlich hier Artemisia vulgaris – Echter Beifuß
- Salbei: Salvia officinalis = Echter Salbei, Gartensalbei
- Raute: Rutea gravealens = Weinraute
- Kordabenediktkraut: Cnicus benedictus – Echtes Benediktenkraut
- Scharlachkraut: Salvia sclarea = Muskatellersalbei: Wurde u. a. auch benutzt, um aus Rheinweinen Muskatellerweine herzustellen.
- Kamillenwurzel: vermutlich Anthemis nobilis – Römische Kamille. Wird in Spanien auch zur Veredelung von leichtem Sherry verwandt,
- s. Zitzen, E. G. Der Wein . . ., Bonn 1952
- Das Verwandschaftsverhältnis ist im Bodendorter Familienbuch l, 1769 – 1885, nicht zu klären.
- LHA Koblenz, Best. Nr. C 25, Nr. 3027
- Seel, K. A. Geschichte Bodendorfs, S. 412; Ein Peter Wolff huldigt 1772 dem Landesherrn und wird als Bodendorfer Bürger vereidigt (LHA 53 C 25, Nr. 3057, a. a. O. S. 389). Peter Wolff und vermutlich sein Sohn Laurenz werden 1791 ebenfalls genannt (s. Anm. 16). Peter Wolff ist 1774 Bodendorfer Schöffe (a. a. O. S. 385), Laurents Wolff 1787 Bürgermeister (S. 388).
- Zusammen mit dem Anschreibebuch ist ein Rechnungsbuch überliefert, das vom 1. Jan. 1820 bis März 1825 geführt wurde. Das Buch ist leider nicht zuzuordnen; es gibt auch keinerlei Hinweise zu einem bestimmten Haus, da das Etikett auf der Vordereeite abgerissen ist. Hier sind eindeutig Ausgaben eines Hotelbetriebs verbucht. Dem Schriftbild nach könnte es von M. Bauer geführt worden sein, wenn auch einige Großbuchstaben von denen im Anschreibebüchlein abweichen. Die zweite Eintragung des Buches vermerkt einen Weinkauf von H(errn) Giesen in Bodendorf über 50 Ohm 4 Viertel Wein ä 101 Reichstaler 49 Stüber oder 137 Mark 30 Pfennig im Jahre 1820.
- Zitate nach Weiden E., Das Ahrtal, 1835 und Kinkel, G. Die Ahr, 1849; Zur Geschichte des Hauses Deinhard & Tesche, s. Prößler, H. Weinbaugebiet Mittelrhein, 1979 und K. A. Tesche, 1985.
Literatur:
Seel, Karl August
Die Geschichte Bodendorfs von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert; und
Haffke, Jürgen
Die Gemeinde Bodendorf im 19. und 20. Jahrhundert; in: Haffke, Jürgen u. Koll, Bernhard Sinzig und seine Stadtteile – Gestern und heute, Sinzig 1983
Prößler, Helmut
Das Weinbaugebiet Mittelrhein in Geschichte und Gegenwart, Koblenz 1979
Kommerzienrat Karl Anton Tesche (1778 Solingen – 1848 Koblenz) Mitbegründer und erster Präsident der Handelskammer Koblenz (1834 -1847) in: Landeskundliche Vierteljahresblätter, 31, 1985, Heft 3
Weiden, Ernst
Das Ahrtal, Bonn 1835, S. 70 – 74 Kinkel, Gottfried Die Ahr, Bonn 1849, S. 72 – 74 Zitzen, E. G.
Der Wein in der Wort- und Wirtschaftsgeschichte, Bonn 1952
Raveaux, Franz
Die Ahr, Behörden, Weinhandlungen, Fabrikanten, Winzern, Prodü-centen und Consumenten gewidmet, Köln 1844
Marcell, Heinrich
Zauberpflanzen und Hexentränke, Kosmos-Bibliothek, Bd. 241, Stuttgart 1963
Hager
Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Bd. II. Berlin/Heidelberg 1958 Wichtl, Max u. a. Teedrogen, ein Handbuch für Apotheker und Ärzte, Stuttgart 1984