Aus Bodendorfs Geschichte
VON JAKOB RAUSCH
Unser Dorf Bodendorf liegt in der Goldenen Meile in einer landschaftlich schönen und fruchtbaren Gegend. Ehedem war es der erste Ort an der Heerstraße Sinzig—Aachen, und da es Wein, Getreide und Vieh im Überfluß hatte, reizte es die Nachbarn, aber noch mehr die immer hungrigen und durstigen Heereshaufen, die auf der Rhein= und auf der Sinzig=Aachener=Straße fast pausenlos hin= und herzogen. In der merowingischen Frankenzeit gehörte Bodendorf zum Reichsgebiet, das zur Königspfalz Sinzig gehörte und sich im Westen bis über Kesseling erstreckte und nördlich der Ahr Bodendorf mit dem Reichsberge (heute Reisberg) und der Landskrone einschloß.
Am 3. September 643 weilte der Frankenkönig Sigibertus in Bodovilla auf dem Hofe des .königlichen Vasallen Bodo, der hier Königsland erhalten hatte, worauf er sich ein Landhaus baute. Das war die erste Burg, und sie hieß Bodovilla, „Landhaus des Bodo“.
Als nun im Schütze der sicheren Burg auch Bauernhöfe entstanden, wurde das neue Dorf „Bodendorf“ genannt. Aber nicht nur Bodo, sondern auch das Kloster Nivelles, dessen Schutzpatronin St. Gertrudis mit der Maus ist, wurde mit Königsgut reich beschenkt, so daß auch heute noch in Bodendorf wie in Ödingen St. Gertrudis mit der Maus verehrt wird. Der Legende nach soll der allzu fleißigen Spinnerin bei Frühlingsanfang eine Maus den Faden abgebissen haben, um sie zu mahnen, das Spinnrad stehen zu lassen und die Frühjahrsarbeiten im Garten und Weinberg zu beginnen. Auch die Klöster Prüm, Klosterrath, Rolandswerth (= Nonnenwerth, St. Thomas bei Andernach, Kloster Füssenich bei Düren, das Marienstift in Aachen, die Klöster Hamborn und Vischenich waren in Bodendorf begütert.
Manche adelige Familien hatten Grundbesitz in Bodendorf. Es werden genannt: Die Herren von Bedburg a. d. Erft, von Kempenich, von Reifferscheid, von Hammerstein, von Honnef, von Saffenburg, von Tomburg, von Schonenburg, von der Landskrone.
So war das schöne „Reichsland“ aufgeteilt unter Klöster und Adelige, und nur der Name „Reisberg“ (= Reichsberg) erinnerte an den früheren Reichsbesitz. Das Schicksal des Ortes Bodendorf wurde durch einen Schenkungsakt des Königs Otto IV. für viele Jahrhunderte bestimmt. Im Jahre 1202 gibt König Otto IV. dem Grafen Heinrich II. von Sayn im Hinblick auf die treuen Verdienste Heinrichs I. dem Sohn die Hälfte der Burg Saffenburg mit dem Dorfe Bodendorf zu Lehen, wie es vorher Albert von Saffenburg vom König innehatte. So wurden also nach den Saffenburgern die Sayner Landesherren von Bodendorf. Keine kirchliche oder weltliche Gewalt darf Heinrich II. von Sayn und seinen Schwestern Aleidis und Agnes das Dorf Bodendorf streitig machen. Diese wichtige Urkunde wird bezeugt von den beiden Erzbischöfen von Köln und Mainz, von sechs weiteren Bischöfen, von zwei Äbten, von drei Herzögen (von Lothringen, Limburg und Sachsen), vom Pfalzgrafen bei Rhein und noch anderen Adeligen, darunter Gerhard von Are und Albert von Saffenburg.
Damit war Bodendorf aus dem Reichsfiskus Sinzig endgültig ausgeschieden. Als nun der Staufenkaiser Philipp von Schwaben durch Gerhard v. Sinzig 1205/06 die Staufenburg Landskrone erbauen ließ, da trennte Bodendorf das Reichsgebiet um Sinzig von dem Reichsgebiet um die Landskrone.
Die saynische Herrschaft in Bodendorf dauerte nur 44 Jahre. Als mit Heinrich III. von Sayn das Geschlecht im Mannesstamme 1246 ausstarb, fiel Bodendorf mit der Hälfte der Saffenburg wieder an den jeweiligen Besitzer der Saffenburg zurück. Im zwölfjährigen Neuenahrer Erbschaftsstreit 1260—1272, der hauptsächlich von Johann Graf von Neuenahr=Saffenburg gegen den Grafen von Johann Neuenahr=Rösberg geführt wurde1), hatte Bodendorf unter dem Raubritter Johann von Rösberg viel zu leiden.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1365 reicht Johann Herr zu Saffenburg bei den Herren und Ratsleuten des gemeinen Landfriedens (zwischen Maas und Rhein) mehrere Klagen ein über Johann von Neuenahr=Rösberg und seine Helfer. Diese haben seine Leute zu Gelsdorf und zu Bodendorf innerhalb der Landfriedensgrenzen beraubt und gebrannt und haben dort einen 2000 alte Goldschilde (= Geldmünze) übersteigenden Schaden verursacht. Johann von Rösberg und seine Helfer ritten am Montag nach Walpurgis (5. Mai 1360) nach Bodendorf, jagten die Leute auf den Kirchhof, drängten sie in die Kirche und zerschlugen die Glasfenster und trugen danach Holz, Stroh und Feuer vor die Kirchtür und wollten die Leute samt der Kirche verbrennen; sie beschossen und bedrängten die Leute in der Kirche. Die Bewohner mußten als Brandschatz zahlen etwa 100 Schilde, 70 Malter Hafer, 50 Hosen und 15 Kühe.
Im Jahre 1384 teilen die Junggrafen von der Saffenburg, die Brüder Johann und Wilhelm, das väterliche Erbe. In diesem Teilungsvertrag wurde festgelegt: „Wilhelm erhält und behält das zur Herrschaft Saffenburg gehörige Dorf und Gericht Bodendorf an der Ahr; jedoch darf dort in Bodendorf seine Mutter Gertrud von Braunshorn, Frau (und Witwe) von Saffenburg, in den ihr angewiesenen Rechten ihr Leben lang ungestört verbleiben.“ Die Mannen, die dem Gute zu Bodendorf zugewiesen sind, werden Wilhelm zugesprechen, nur die auf dem dortigen Gute Pfennigsrente beziehen, bleiben bei Johann. Heinrich Herr von Ahrenthal, der Onkel von Johann und Wilhelm, erhielt bislang von Bodendorf 200 Mark Jahresrente; davon übernimmt Johann 100 Mark. Der nächste Erbe von Bodendorf war Kraft von Saffenberg, und da dieser auch Ganerbe der Landskrone wird, so kam dadurch Bodendorf in nähere Beziehungen zur Landskrone. Die endgültige Zuordnung Bodendorfs zur Landkrone erfolgte am 31. Juli 1478 durch die Erbteilung der Gebrüder Johann und Gerhard Quad, Herren zu Tomburg und zu Landskrone. Gerhard Quad erhielt Bodendorf, ferner Oberwinter, Bandorf, Birgel, Kirchdaun, Green, die Kurmede zu Remagen, je einen Hof zu ödingen und Lantershofen als Zubehör zur Herrschaft Landskrone. Die Landskrone war eine Ganerbenburg, auf der gleichzeitig mehrere Adelsfamilien wohnten, so die von Eynenberg, Schönenberg und Tomberg, die von Rheineck und Saffenburg, die von Quad und Sombreffe und Manderscheid, die von Plettenberg, von Harff, von Eltz, die Waldbotten von Bassenheim, von der Leyen, die von Brempt, von Clodh und von Stein.
Für die Landskrone haben die von Quad eine besondere Bedeutung, weil sie fast 200 Jahre auf der Landskrone saßen und ihren Anteil an der Herrschaft im Laufe von 150 Jahren durch eine kluge Hausmachtpolitik steigerten von einem Sechstel auf ein Halb, auf zwei Drittel und zuletzt sogar auf sieben Neuntel, so daß sie somit die Hauptbesitzer der Herrschaft Landskrone waren. Der letzte männliche Sproß dieses Hauses war Hans Friedrich Quad von Landskrone, Herr von Tomberg, Königsfeld, Ehrenburg (Mosel), Bodendorf, Erbvogt von Waldorf. Als er 1621 starb, wurden laut Testament als Haupterben seine älteste Tochter Christine Katharina Elisabeth eingesetzt, die 1633 mit Johann von Brempt verheiratet war. Dieser Johann von Brempt benahm sich eigennützig und unritterlich gegen seine Schwiegermutter und ihre übrigen Töchter, die er aus der Burg auswies. Zu Fuß wanderten die Vertriebenen nach Bodendorf.
1) Siehe „Die Bachemer Eide“. Seite 62dieses Jahrbuches.
Der Historiker aber berichtet: „Da drehte die Mutter sich auf diesem harten Pfade drohend gegen Landskron um und hat dem Johann von Brempt gewünschet, daß in seinen Kindern sein Stamm und Name erlöschen und das Schloß Landskron also zerstört werden möchte, daß kein Stein auf dem ändern verbleibe“. Dieser Mutterfluch erfüllte sich buchstäblich. Wer dächte dabei nicht an das ewig wahre Bibelwort: „Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser, der Mutter Fluch reißt sie danieder.“
Nun strebte die vertriebene Witwe für ihre zweite Tochter, die mit dem Grafen von Hoensbroech vermählt war, und für ihre dritte Tochter, die Gattin des Freiherrn von Clodh, beim Reichskammergericht einen Erbschaftsprozeß an. In diesem Prozeß, der mit bekannter Gründlichkeit und im Schneckentempo am Reichskammergericht geführt wurde, tritt schon im ersten Studium des Streites die mit dem Hause Quad und Clodh verwandte Familie des Freiherrn von Stein in Nassau mit berechtigten Erbansprüchen auf. Aber die Familien von Brempt und von Clodh verstanden es, durch falsche Vorspiegelungen der Familie von Stein ihr Erbe vorzuenthalten, obwohl das Reichskammergericht dreimal, nämlich in den Jahren 1686, 1745 und 1769, die Erbansprüche der Freiherrn von Stein anerkannte. Als nun der letzte von Clodh am 23. 3. 1798 stirbt, ergreift Karl Freiherr von Stein vom ganzen Clodhschen Erbe Besitz, so daß von dem ehemals Quadschen Besitz (sieben Neuntel) die Nesselroder als Nachfolger von Brempt und Freiherr von Stein als Erbe von Clodh je 7 Achtzehntel besaßen, der Kurfürst von der Pfalz als Herzog von Jülich den Rest (= zwei Neuntel).
Während die Herrschaft Landskrone mit den Dörfern Bodendorf, Gimmigen, Nierendorf und Kirchdaun, sowie ödingen, Vinxt und Schalkenbach durchweg von den Besitzern als ein Condominium, das sie gemeinsam verwalteten, betrachtet und behandelt wurde, bildet Bodendorf eine Ausnahme, da durchweg nur e i n Herr als politischer Landesherr angesehen wurde. So wurde nach Quad, Brempt und Clodh 1798 Freiherr von Stein Herr von Bodendorf.
Wegen der französischen Besatzung verkaufte er seinen Besitzanteil an der Landskrone an Boos von Waldeck und einzelne Bodendorfer Güter 1802 an Jean Peter Fuchs aus Bonn für 24 ooo Gulden. Durch den Frieden von Amiens (1803)“ kam das linke Rheinufer zu Frankreich. Bodendorf gehörte nun zum Kanton Remagen, zum Arrondissement Bonn und zur Provinz Rhein und Mosel. Nach dem Wiener Kongreß kam Bodendorf zum Kreis Ahrweiler, zum Reg.=Bezirk Koblenz, zur preußischen Rheinprovinz. Seit 1947 gehört Bodendorf mit dem Reg.=Bezirk Koblenz zu Rheinland=Pfalz.