Auch im Heilbad Neuenahr schlug das treue Preußenherz – Auch hier näherte man sich ehrfurchtsvoll den Thronen
Kaiser-Wilhelm-Park und Augusta-Viktoria-Park, zwei markante topograpische Punkte im Ortsbild von Bad Neuenahr, angelegt um die Jahrhundertwende vor dem Ersten Weltkrieg. Hier lustwandelten unsere Kurgäste in Scharen und spazieren heute noch Einheimische und Gäste. Die Erinnerung an Neuenahrs große Zeit ist verblasst und auch die beiden erlauchten Namensgeber umweht nurmehr ein dünner Hauch der Geschichte. Und doch waren Wilhelm II. (1859-1941), König von Preußen und Deutscher Kaiser, stolzer Hohenzollern-Aar und Enkel Wilhelms I., (1797-1888, 1871 Deutscher Kaiser) und Augusta-Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg, Gemahlin Wilhelms II, im Alltag ihrer Untertanen allgegenwärtig. Jedes allerhöchste Unwohlsein, jede Hochderselben entfleuchte „Blähung“ wurde auf den Titelseiten der Tageszeitungen vermeldet. „Der Kaiser benutzte heute das über Nacht eingetretene schöne und warme Wetter, um heute Nachmittag vom königlichen Schlosse aus seinen ersten Spaziergang in diesem Frühjahr zu unternehmen (1. April 1901).“ „Der Kaiser besichtigte heute Vormittag im Lustgarten die Leibcompagnie des 1. Garde-Regiments zu Fuß (2. April 1901).“ Und als der Kaiser gar seinen Sohn, den Kronprinzen, in die Bonner Universität einführte, war des Jubels kein Ende. Riesige Menschenmengen wogten seit dem frühen Morgen durch die Stadt. „Kaiser und Kronprinz bestiegen nach kurzer Begrüßung die bereitstehenden Wagen und fuhren unter begeisterterten Hochrufen der Menge zur Villa Schaumburg. Der Kaiser sah vortrefflich aus.
„Seine Durchlaucht werden gleich eintreffen“. Die örtliche Prominenz von Neuenahr im Festgewande, der Zug abfahrbereit unter Dampf. Wieder einmal wird eine hohe Persönlichkeit das Heilbad verlassen. Sie wird vor dem Einsteigen huldvollst Hände schütteln und sich gnädigst über „Hochdero“ Aufenthalt äußern.
Die Huldigungen des Volkes beantwortete er durch huldvolles Grüßen. Auch der Kronprinz legte fortwährend zur Begrüßung die Hand an seinen Helm (24. April 1901).“ Allein dieses Ereignis beschäftigte bis in kleinste Detail die Presse bis zum 27. April d.J.
Möge Se. K.K. Hoheit noch recht oft unsere schöne Gegend zum Ziel seiner Ausflüge machen …
Auch das Heilbad Neuenahr erfreute sich des Besuchs aus Kaiserlich-Königlichem Hause. Im Mai 1901 machte das Corps Borussia, die feudale Studentenverbindung mit Angehörigen aus hohen und höchsten Häusern, einen Ausflug in das Ahrtal. „In mehreren Wagen kamen die ,Preußen’ gegen 41/2 Uhr von Altenahr in Neuenahr an, sofort wurde der Kronprinz in ihrer Mitte erkannt und stürmisch begrüßt. Im Hotel ,Zur Krone’ bei Rudolf Bonn wurde das vorher bestellte Mittagessen in froher und gemüthlicher Stimmung eingenommen und darauf dem Kurgarten ein kurzer Besuch gemacht. Obwohl der Kronprinz nur als Student gekommen war, fand auch hier unter nicht endendem Jubel die herzlichste Huldigung statt, und nur mit Mühe gelang es, dem geliebten Kaisersohne den Durchgang durch die begeis-terte Menge von Damen und Herren zu ermöglichen. Auch der Weg zum Bahnhof war dicht besetzt mit Kurfremden und Neuenahrern, welche alle ihren theuren Kronprinzen sehen und begrüßen wollten; auf dem Bahnhofe war der ganze Bahnsteig so besetzt, dass der Verkehr nach dem 71/2 Uhr abwärts fahrenden stark besetzten Zuge nur mit Mühe aufrecht erhalten werden konnte. Nachdem Se. K.K. Hoheit in einem Abtheil Platz genommen hatte, begann, besonders durch die anwesenden Damen und Kinder, ein vollständiges Bombardement mit Maiglöckchen, welches der erlauchte Herr, sichtlich erfreut, liebenswürdig dankend, über sich ergehen ließ. Unter brausendem Hurrah der Menge fuhr der Zug endlich ab, um in Heimersheim, Bodendorf und Remagen ebenso empfangen zu werden…“
Unser Bürgermeister hatte die Ehre, zum Kaffee befohlen zu werden
Neuenahr war nie das bevorzugte Heilbad des Hochadels, der Kaiser war leider nie zu Gast hier, was der sehnlichste Wunsch der Neuenahrer gewesen war. Aber doch kurte hier ab und an ein Mitglied eines regierenden Fürstenhauses. Sogar Ihre Königlichen Hoheiten Prinz und Prinzessin Albert von Belgien weilten hier im Sommer 1902. Ihre Abreise gestaltete sich zu einem größeren Ereignis. „Herr Bürgermeister Faulhaber war zum Abschied nach dem Kurhotel befohlen, und hatte dabei die älteste Fräul. Tochter des Herr Bürgermeisters die Ehre, Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin im Namen der Gemeinde ein Bouquet überreichen zu dürfen. Der Strauß, langstielige Auguste-Viktoria-Rosen mit einer Schleife in den belgischen Landesfarben, war von Gärtner Müller gewunden und soll ihre Königliche Hoheit der Freude darüber wiederholt Ausdruck gegeben haben. Die hohen Herrschaften sollen sich, wie wir vernehmen, überaus lobend und anerkennend über den hiesigen vierwöchigen Aufenthalt ausgesprochen haben….“
Bürgermeister Faulhaber, Major a.D., war den Umgang mit hohen Herrschaften gewohnt und von seiner Dienstzeit her lag ihm das Gehorchen im Blut. Im Januar 1895 besuchte das Prinzlich Schaumburgsche Paar im Rahmen einer Schlittenpartie mit hohem Gefolge das Heilbad. „Die hohen Herrschaften stiegen im ,Hotel Bonn zur Krone’ ab und nahmen daselbst den Kaffee ein. Unser Bürgermeister, Herr Faulhaber, hatte die Ehre, die hohen Herrschaften begrüßen zu dürfen und zum Kaffee befohlen zu werden.“
Anzeige aus der Ahrweiler Zeitung 1891: Einladung zur Feier von „Kaisers Geburtstag“ am 27. Januar, 1891
Seine Hoheit der Fürst geruhte gnädigst…
„Se. Hoheit der Fürst von Hohenzollern ist heute morgen 8 Uhr im Salonwagen nach Sigmaringen abgereist. Zum Abschied waren erschienen die Herren Landrat Heising, Bürgermeister Faulhaber, Kurdirektor Rütten und Dr. Niessen. Wiederholt sprach sich der Fürst, welcher eine vorzügliche Kur an unsern so vielfach bewährten Heilquellen gebraucht hat, sehr befriedigt und anerkennend über die Einrichtungen des Bades aus. Zum Andenken an den Aufenthalt Sr. Hoheit wurden folgende Geschenke überreicht: Dem Herrn Stationsvorsteher Nau ein paar Manschettenknöpfe mit Monogramm und mit Krone in Gold, den Herren Bademeister Linden und Obergärtner Reinartz je eine goldene Krawattennadel mit Monogramm, sowie den Mädchen in der Trinkhalle goldene Broschen. Dem Fonds für arme Kurgäste überwies seine Hoheit eine Summe und stellte dem Herrn Pfarrer Dr. Zimmer ein Kreuz für die hiesige Pfarrkirche in Aussicht (25. 0kt. 1905).“ Eine Replik des Kreuzes (romanisch – Original jetzt im Diözesanmuseum Trier) steht hinter dem Hochaltar der Rosenkranzkirche. Im Frühjahr 1906 erhielten Dr. Niessen und Kurdirektor Rütten das Ehrenkreuz dritter Klasse des Fürstlich Hohenzollern‘schen Hausordens.
„Wie bereits früher berichtet, stattete Se. Durchlaucht, der Fürst von Schwarzburg=Sonderhausen bei Hochdessen Anwesenheit in unserem Badeorte auch dem Geschäftslokale des Hofmetzgers Herrn Kohlhaas einen Besuch ab. Dass Se. Hoheit der Fürst von dem in diesem Geschäfte Gebotenen einen guten Eindruck empfangen und Se. Durchlaucht auch mit dem von Herrn Kohlhaas für die fürstliche Hofküche wiederholt gelieferten Rauchfleisch zufrieden war, beweist am besten, dass Se. Hoheit der Fürst gnädigst geruhte, Herrn Kohlhaas den Titel ,Hoflieferant’ zu verleihen (Okt. 1895).“
Im Jahre 1906 erhielt „Hofmetzgermeister“ Kohlhaas von dem Herzog von Anhalt „huldvollst“ einen weiteren Hoflieferantentitel. Auch die ortsansässigen Photographen Schreiner und Friderici wurden bedacht: Weil er eine Photographie eines Angehörigen Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Stolberg vorzüglich ausführte, erhielt Schreiner von diesem 1901 den Titel „Hofphotograph“. Friderici wurde 1906 von Sr. Hoheit dem Fürsten Wilhelm von Hohenzollern mit dem Prädikat „Hofphotograph“ ausgezeichnet.
Gleichzeitig erhielt der Kurhausrestaurateur Seebold von ihm das Prädikat „Hoflieferant“.
Die Landgrafenbrücke
Wo mögen sie geblieben sein, all die Souvenirs, die hohe Herrschaften in Neuenahr gelassen haben? Die Krawattennadeln, die Manschettenknöpfe? Vielleicht noch in Familienbesitz? Wo sind sie geblieben, die fleischgewordenen Früchte mancher Liaison eines hohen Herrn mit dem hübschen Dienstmädchen, von der die alten Neuenahrer so gerne munkelten?
Der Nebel der Geschichte verdeckt so vieles. Ein Souvenir unter vielen aus dieser Zeit wird bald die Neuenahrer beschäftigen: Die altehrwürdige Landgrafenbrücke ist sanierungsbedürftig und soll abgerissen werden. Ihren Namen verdankt sie nicht, wie vielfach angenommen wird, den Grafen von Neuenare-Lantare, sondern den Landgrafen von Hessen, die auf Schloss Panker in Holstein residierten. Vater und Sohn besuchten Neuenahr regelmäßig zur Kur und logierten hier mit Gefolge und Dienerschaft, mit Ordonnanzoffizier und Leibjäger. Beide waren große Förderer des jungen Bades und wohl auch finanziell nicht kleinlich. Ihnen zum Dank benannte die Kur AG die von ihr neu angelegte Straße und Brücke „Landgrafenstraße“ bzw. „Landgrafenbrücke.“
„Seine Königliche Hoheit der Landgraf Alexander Friedrich von Hessen, auf der Reise von Schloss Panker in Holstein nach dem Süden begriffen, trafen gestern Vormittag zu eintägigem Aufenthalt hier ein, um die neue Landgrafenbrücke zu besichtigen, und um Herrn Kurdirektor Rütten nochmals persönlich sein Bedauern auszusprechen, dass es Ihm im letzten Moment nicht möglich gewesen sei, am 28. Juli a.c. die Brücke Selbst einzuweihen. Seine Königliche Hoheit sprachen sich in den anerkennendsten und gnädigsten Worten über die schöne neue Brücke aus, und überreichten Herrn Kurdirektor Rütten zum Zeichen Seiner Anerkennung ein paar goldene Manschettenknöpfe, geziert mit dem landgräfliehen Wappen und der kgl. Krone in Diamanten und Rubinen
(13. Aug. 1901)“ Später noch erhielten Elisabeth Faulhaber und Frieda Seckler für ihre geplante Ansprache eine Brillantbrosche. Lehrer Jörg, der die Schuljugend zur Einweihungsfeier eingeübt hatte, wurde mit einer Brillantnadel geehrt.
Eure Königlichen Hoheiten wollen huldvollst gestatten
Im September 1906 feierten der Großherzog und die Großherzogin von Baden ihr goldenes Ehejubiläum. Sie war eine Tochter der Auguste von Sachsen-Weimar-Eisenach, vermählt mit Wilhelm I., welche im Juli 1858 die neuerbohrten Quellen In Beul-Bad Neuenahr eingeweiht hatte.
Zu der Jubelfeier war auch eine Abordnung des Bades Neuenahr geladen.
Sie wurde im Thronsaal des Schlosses empfangen.
„Herr Kurdirektor Rütten hatte die Ehre, eine künstlerisch ausgestattete Adresse zu überreichen, welche folgenden Wortlaut hatte (im Folgenden verkürzt wiedergegeben):
Eure Königlichen Hoheiten wollen huldvollst gestatten, dass an dem hohen Jubeltage, den tausende treuschlagende Herzen festlich feiern,
auch die ehrfurchtsvoll Unterzeichneten sich höchst Ihrem Throne nahen…, Und wir an den Ufern des Rheines und der Ahr gedenken insbesondere in ehrerbietigem Sinne aller der Wohltaten, mit denen die Landesfürstin, das hehre Abbild der ersten deutschen Kaiserin, uns beglückt hat, …
Eueren Königlichen Hoheiten treugehorsamste
Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr.
Besonders Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin, welche vor kurzer Zeit noch bei der Einweihung des Willibrordus-Sprudels unserem Bade die huldvollste Anteilnahme gewidmet hatte, erkundigte sich eingehend nach allen einschlägigen Verhältnissen… Mit Freude nahm die hohe Frau Kenntnis von dem Aufschwung des Bades, der Zeugnis davon gibt, dass der Segenswunsch der hochseligen Kaiserin Augusta bei der ersten Quellenweihe an Neuenahr sichtlich in Erfüllung gegangen ist.“
Nach einem festlichen Frühstück mit 35 Personen und abendlicher Vorstellung im Großherzoglichen Hoftheater schlug das vaterländische Herz des Kurdirektors noch einmal in freudiger Erregung: „Nach Schluss des Festspiels wurden die Teilnehmer der Abordnungen zum Cercle ins Foyer des Hoftheaters befohlen, woselbst die höchsten Herrschaften sich von jedem Einzelnen in huldreichster Weise verabschiedeten. Herrn Kurdirektor Rütten dankten der Großherzog und die Großherzogin wiederholt für die schöne Adresse und für das Gedenken an ihrem Ehrentage, versicherten ihn Ihres großen Interesses an dem weiteren Blühen und Gedeihen des Bades Neuenahr und beauftragten ihn, alles dies in der Heimat mit den besten Wünschen für ganz Neuenahr bekannt zu geben… (25. Sept. 1906).“
Es ist nicht überliefert, wie die Neuenahrer diese Grußbotschaft aufgenommen haben. Sie werden es mit brausend donnerndem Hurra und dem Absingen der Wacht am Rhein vermerkt haben.
Vielleicht interessiert zum Abschluss noch das hohe Befinden der Kaiserin „Die letzten Nachrichten über das Befinden der Kaiserin lauten recht befriedigend und günstig, wesentlich beeinflusst ist vielleicht der Gesundheitszustand der hohen Frau dadurch, dass sie etwas magenleidend geworden ist … jedenfalls sind es nur unbedeutende Indispositionen, unter denen die hohe Frau zu leiden hat … jedoch wird man im Laufe dieser Woche an die erste Ausfahrt denken können (11. 0kt. 1901).“ Deutschland atmete auf! Und da behaupte noch jemand, der Starrummel und das Interesse am Privatleben gekrönter Häupter sei eine neuere Erfindung!
Anmerkung:
Alle Zitate entnommen der Ahrweiler Zeitung, Verlag Plachner in Ahrweiler.