An der sagenumwobenen Ahr bei Walporzheim
Josef Müller
Das mittlere Ahrtal beginnt westlich von Ahrweiler und Walporzheim dort, wo die Bergrücken fast ineinanderwachsen wollen. Sie bilden hier gleichsam eine Pforte, die in das erweiterte mittlere Ahrtal führt.
Zahlreiche Sagen und Geschichten sind hier im Laufe der Jahrhunderte entstanden, darunter die Sage von dem weltbekannten Felsen der »Bunten Kuh«. Immer wieder wurden andere Deutungen gefunden, geblieben aber ist bis heute der mächtige Felsvorsprung, der die Aufmerksamkeit der Wanderer und Reisenden nach wie vor auf sich zieht.
Im vorigen Jahrhundert wurde die Ahrtalstraße gebaut, der Weg dicht an der Ahr vorbei verlor damit seine Bedeutung. Neue Sagen entstanden nicht mehr. Deswegen aber ist es angebracht, außer der Sage von der »Bunten Kuh« noch zwei interessante Sagen zu erwähnen. Seit langer Zeit schon baut Walporzheim, wie das Weinhaus »St. Peter« zeigt, den Wein an. Es ist sicher, daß hier mancher Gast anhielt und einkehrte, ehe die Dunkelheit hereinbrach. Der köstliche Ahrburgunder tat bei den Gästen von St. Peter seine Wirkung. Eines Nachts, so wird erzählt, machten sich zwei betrunkene Bauern auf den Weg entlang der Ahr, um nach Hause zu gelangen. Ein Gedicht von Gottfried Kinkel, veröffentlicht 1846 in seinem »Führer für Ahrreisende«, berichtet uns, was die beiden dabei erlebt haben.
An der Bunten Kuh. Lith. v. Aimé Henry
Es ist so um die Mitternacht,
kann sein, ein bißchen später,
da öffnet sich das Pförtchen sacht
zu Walporzheim im Peter.
Zwei Bauern treten aus dem Haus
und aus Sankt Petri Schutz heraus,
die fürchten nicht den Kobold.Sie blicken erst zum Himmel auf
nach all den schönen Sternen,
als wollten sie der Sterne Lauf
heut Nacht recht gründlich lernen.
Dann spricht der Veiten: »Nun frisch zu,
bald sind wir an der „Bunten Kuh“
bei dem verfluchten Kobold.
So packt mich nur recht fest am Arm
und laßt uns tüchtig schreien.
Ich hoff, er tut uns keinen Harm
denn seht, wir sind zu zweien.
Doch wie? 0 weh, Gevatters Mann,
ihr fangt mir schon zu wackeln an,
o, Du verfluchter Kobold.
Potz Wetter, ich auch spür ihn schon
mir flirts so vor der Nase.
Der Weg ist glatt, so recht zum Hohn,
als war er ganz von Glase.
Gevatter Klaus, geht nur gradaus,
seht ihr, da steht des Müllers Haus-
0 du verfluchter Kobold.
Ei Veiten, ihr seid nicht gescheit,
stoßt mich nicht in die Rippen.
Was drückt Ihr denn nach rechts so weit?
Dort ragen ja nur Klippen!
Ich glaub, ich glaub am End,
er hat die Augen euch verblendt,
der ganz verfluchte Kobold.
Gevatter Klaus, was wirret euch,
was wollt ihr links ins Dunkel?
Dort, seht doch, ist ja nur Gesträuch u
nd drunter Stromgefunkel!
Laßt los, ich folge meinem Kopf,
mich oder euch hat er beim Schöpf
der ganz verfluchte Kobold.
Sie ließen los und auf sein Ziel
ein jeder eilends rannte.
Der Veiten rechts, und stolpernd fiel
er auf die Felsenkante.
Der Klaus ging links auf sein Gefahr
und patsch! Da lag er in der Ahr!
0 du verfluchter Kobold.
Dem einen strömten aus der Nas‘
die hellen blut’gen Perlen.
Der andere tief im Wasser saß
und hielt sich an den Erlen.
So krabbelten sie beid‘ heran
und fanden wieder ihre Bahn
trotz dem verfluchten Kobold.
Und wunderbar – wie der ans Land,
der auf den Weg gekommen,
da war der Kobold durchgebrannt
und ist nicht wiederkommen.
So schritten beide mit Gebrumm,
ganz nüchtern fort und sahn nicht um
nach dem verfluchten Kobold.
Seitdem soll der »Kobold« nie mehr gesehen worden sein.
Unheimlich wirkten immer die massigen Felsen, wenn des Mondes Licht auf sie fiel. Hier muß man auch die Stelle suchen, wo die Sage vom »Fischkönig« zu Hause ist, die uns Christian von Stramberg in seinem »Rheinischen Antiquarius« (Bd. 10, S. 130) überliefert:
»Vor langer Zeit warf ein kecker Bursche die Angel in die Tiefe des Wassers. Aber kein Fisch biß an. Gerade wollte er heimgehen, als ein schöner Karpfen die Angel schnappte. Er lief gleich zum Ufer und brachte den Fang in seinen Sack. Nun hatte der Bursche neuen Mut. Er hörte, wie es aus der Nase der »Bunten Kuh« rief: »Einaug, wo bist Du?« Und es klang aus dem Sack »In Peterchens Sack«. Als sei Peter vom Blitz gerührt worden, läßt er Angel und Sack fahren und läuft fort, so gut es seine Beine vermochten. Lange zeit wagte es Peter nicht mehr, an der Ahr zu fischen. Wohl sah man ihn da lauschend sitzen und das Spiel der Wellen beobachten. Nach Meinung uralter Walporzheimer Bürger verstand er die Sprache der Fische, und man war der Ansicht, daß sie ihn in die Tiefe des Wassers hinabgezogen hatten. Eines Morgens fand man seine Mütze auf der Felsplatte, ihn selbst sah man nie wieder. In stillen Mondnächten wie auch bei heftigem Sturm wollen die Fischer ihn gesehen haben, nackt und mit Schilf und aderen Wasserpflanzen gekrönt, über den Wogen schwebend, von Hunderten von Fischen umgeben. War freundlich seine Miene, gab es keinen Fang, war sie kummervoll, dann stand ein reichter Fang bevor«.
So schließen die Sagen um die »Bunte Kuh« sich zu einem geheimnisvollen Zauber zusammen, der die Bergenge hier erfüllt.