Alte Hausinschriften in Oeverich
Ottmar Prothmann
In früheren Zeiten war es eine weit verbreitete Sitte, über der Haustür, über der Toreinfahrt oder über dem Scheunentor eine Inschrift in den Balken zu schneiden. Sie enthielt meist die Namen des Erbauers und seiner Ehefrau oder derjenigen, die in das Haus einzogen, sodann das Datum der Erbauung bzw. des Einzugs und manchmal auch noch einen sinnreichen Spruch. Jedes dieser drei Bestandteile verwendete man auch einzeln. Während der vergangenen Jahrzehnte wurden leider viele dieser alten Inschriften entfernt oder überdeckt. In neuerer Zeit jedoch sieht man zunehmend Häuser, an denen die Eigentümer liebevoll diese alten Zeugnisse der Vergangenheit wieder sichtbar machten und ausmalten. So möchte auch dieser Beitrag den Sinn für diese Dinge wecken und dazu anregen, diesem Beispiel zu folgen.
In dem auf der Grafschaft gelegenen Dorf Oeverich bestimmen noch alte Fachwerkhäuser aus drei Jahrhunderten streckenweise das Bild der Straßen, und an einer Reihe von ihnen sind noch Inschriften vorhanden.
Der älteste datierte Balken mit der Schrift ANNO 1672 fand sich vor einiger Zeit an der Scheune des Hauses Alte Straße 8. Er war an nicht mehr ursprünglicher Stelle im Giebelfachwerk eingefügt worden. Da früher beim Abbruch eines Hauses alle noch brauchbaren Balken wiederverwendet wurden, ist es gar nicht erstaunlich, daß man hier, wie anderswo auch noch, manche Inschriften an versteckten Stellen antrifft.
Am ältesten bekannten Haus des Dorfes, Josefstraße 16 (genannt „Heckesch Hus“), war noch am Ende des letzten Jahrhunderts folgende Inschrift zu lesen:
DIESER BAUW STEHET IN GOTTES
HANT GOTT BEHUET IHN
VOR FEUR UNT BRANT STE:
PHANUS KPUP UNT GEIRTRUDIS
UXOR ANNO 1680.
Nach der Dorfüberlieferung soll dieses von Stephan und Gertrud Krup („KPUP“ ist verschrieben statt „KRUP“, und „UXOR“ heißt Ehefrau) erbaute Haus das einzige sein, das die große Brandkatastrophe von 1690 überstanden hat.
Eine weitere schöne Inschrift ist nach der Ausmalung wieder deutlich über der Toreinfahrt zum Hause Josefstraße 19 zu bestaunen:
PAX INTRANTIBVS ET SALVS EXEVNTIBVS ANNO DOMINI 1840 ben 31 AUGUS
Übersetzt heißt das: Friede den Eintretenden und Heil den Herauskommenden, im Jahre des Herrn 1840, den 31. August. Die kleinen Rechtschreibefehler, also die Verwechslung von ,,d“ und ,,b“ und das Weglassen des Schluß-T in dem Wort „AUGUS“, liegen in der fehlenden Schreibgewandtheit und dem Verwurzeltsein in der Mundart begründet. Hier sagt man ja „Aujus“ statt „August“. Der Erbauer des Hauses war Peter Münch (1808 bis 1884), verheiratet mit Anna Maria Kerzmann (1805-1876). Wie alle alten Häuser so trägt auch dieses Haus einen eigenen Namen, der heute fast vergessen ist. Man sagt ,,En Aufemännesch“. Der Name leitet sich von Opfermann her. So bezeichnete man volkstümlich den Sendschöffen, zu dessen Aufgaben auch das Einziehen des Opfers (Kollekte) in der Kirche gehörte. Dieses ehrenvolle kirchliche Amt muß einer der Hausbesitzer, vermutlich der Erbauer selbst, innegehabt haben.
Als Peter Münch sich Gedanken über eine an seinem Neubau anzubringende Inschrift machte, hat er sich gewiß die anderen Inschriften im Dorfe angesehen und ist dabei wahrscheinlich auch auf die Inschrift am Eingang zum Hause Bellerstraße 7 („Wollefs Hus“) gestoßen, wenn er sie nicht schon vorher kannte. Diese schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr vorhandene Inschrift lautete:
BAx INDRANDeBUS ET SALIS NExAGUNDeBUS. MARIA SCHAeFFeR WldlB WULFFS. CORARUNT ecSTROL. 178(4)
Diese entstellte und wohl aus dem Gedächtnis niedergeschriebene Inschrift müßte richtig wie folgt heißen: Pax intrantibus et salus exeuntibus. Maria Schäfer, WitibWolff.curavit exstrui (zu ergänzen: domum) 1784. Zu deutsch: Friede den Eintretenden und Heil den Herauskommenden. Witwe Maria Wolff geb. Schäfer ließ das Haus erbauen, 1784.
Es ist gut möglich, daß Münch diesen Spruch notierte und die Sache vielleicht mit dem Pastor besprach, der dann als Kenner der lateinischen Sprache die Verbesserungen vornahm, so daß die Inschrift am vorgenannten Hause Josefstraße 19 richtig geschrieben wurde.
Abb. 1
Eine außergewöhnliche Inschrift ist über dem Eingangstor zum Haus Meckenheimer Straße 2 zu lesen. Außergewöhnlich deshalb, weil sie eine der wenigen bekannten Chronogramme in deutscher Sprache darstellt, die man bisher im Kreise Ahrweiler an Wohnhäusern fand. (Abb. 1).
Addiert man die höher hinausragenden Buchstaben, die römischen Zahlzeichen entsprechen, so erhält man die Zahl 1755, das Jahr der Erbauung. Als der in der Inschrift genannte Edmund Schaaf das Haus fertigstellte, war er übrigens 37 Jahre alt. Ein Jahr zuvor hatte seine Frau ihr neuntes Kind zur Welt gebracht.
Dreißig Jahre später begann die Geschichte eines anderen Hauses, Landskroner Straße 11 (genannt ,,en Blowesch“, heißt: In Blaufärbers), von dem heute nur noch ein Teil der Fassade steht. Erbauer waren der aus Birres-dorf stammende Anton Schäfer und seine Frau Katharina Nettekoven aus Oeverich. Zum Zeitpunkt des Einzugs war er 33 Jahre alt und seit drei Jahren mit seiner Frau verheiratet, die ihm, soweit bekannt, neun Kinder schenkte. Stolz verkündete eine Inschrift mit dem Datum 18. Oktober 1784 das Ereignis der Vollendung des Neubaues oder des Einzugs in denselben. (Abb. 2).
Abb. 2