Adenau DIE JOHANNITERSTADT

VON JAKOB RAUSCH

Adenau, die junge Stadt, ist allgemein bekannt als die Stadt am Nürburgring, streift ja der nördlichste, tiefstgelegene Teil der Rennstrecke das Weichbild der Stadt.

Aber ein Name, den Adenau mit Recht und Stolz fast 800 Jahre führt, gerät in der modernen Zeit leicht in Vergessenheit. Als unser Bundeskanzler aber vor einiger Zeit das Großkreuz des Malteserordens erhielt, da erschien unter den ersten Gratulanten mit Recht die Stadt Adenau, indem sie sich als eine der ältesten deutschen Comturen des Johanniter- und Malteserordens bezeichnete und den jüngsten Malteserritter Konrad Adenauer beglückwünschte.

Von den drei Ritterorden ist der Johanniterorden der älteste. Er wurde schon fünfzig Jahre vor dem ersten Kreuzzug von reichen Kaufleuten von Amalfi (südlich von Neapel) gegründet. Diese Kaufleute unterhielten mit dem nahen Osten rege Handelsbeziehungen. Sie erhielten daher von dem ägyptischen Kalifen die Erlaubnis, zu Jerusalem in der Nähe der Grabeskirche ein Benediktinerkloster als Herberge für die erkrankten Pilger zu bauen. Da diese Herberge aber nicht ausreichte, wurde in der Nähe ein größeres Hospital gebaut, dessen Schutzpatron Johannes der Täufer wurde; daher .nannte sich dieser Orden „die Johanniter“. Sie trugen einen schwarzen Rock mit dem achteckigen weißen Johanniterkreuz auf der linken Brust; ihre Fahne zeigte ein rotes Kreuz.

Angeregt durch das Beispiel der nach ihnen entstandenen Tempelherren, widmeten sich viele Ordensmitglieder außer der Krankenpflege auch dem Waffendienste, um das hl. Grab vor den Ungläubigen zu schützen. So waren diese Ordensmitglieder nun Mönche und Ritter zugleich. An der Spitze des Ordens stand der Großmeister mit einem Generalkapitel.

Als leider 1189 Jerusalem wieder in die Hände der Türken fiel, siedelten die Ordensritter nach Phönizien und später nach Cypern über. Im Jahre 1309 eroberten sie die Insel Rhodos. Darum werden sie auch „Rhodiser“ genannt. Hier ist ja auch der Schauplatz der Schillerschen Heldenballade „Der Kampf mit dem Drachen“. Der Sage nach war dieser heldenhafte Johanniterritter der spätere Großmeister Dieudonne de Gozon aus der Gascogne in Südfrankreich. Der Orden blieb trotz aller türkischen Angriffe 215 Jahre in Besitz der Insel. Aber 1522 gelang es den Feinden nach einer sechsmonatigen Belagerung, die Insel zu erobern. Da schenkte der deutsche Kaiser Karl V. dem Orden die Felseninsel Malta unter der Bedingung, stets mehrere Galeeren bereit zu halten, um gegen die Türken und gegen die nordafrikanischen Raubstaaten im Mittelmeer zu kreuzen. So erhielten die Johanniter von der Insel Malta ihren dritten Namen: die Malteser. In Malta behauptete sich der Orden bis 1798; als Napoleon nach Ägypten segelte, bemächtigte er sich der Insel; jedoch entrissen ihm zwei Jahre später die Engländer die Insel Malta, und bis heute ist die Insel im britischen Besitz.

Der letzte Maltesergroßmeister, Ferdinand von Hompesch, der einzige Deutsche unter den 71 Großmeistern, die der Orden gehabt, starb 1803 in ärmlichen Umständen, da die Engländer ihm die versprochene geringe Pension nicht zahlten. So wurde der Orden aufgelöst.

In seiner Glanzzeit war der Orden das Bild des weltanschaulich geeinten christlichen Abendlandes. Acht verschiedene Zungen (Sprachen) aus Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien und England waren in ihm vertreten. Jeder Zunge stand ein Prior oder Baillif vor. Der Baillif von Deutschland war Großbaillif, und sein Großpriorat war das bedeutendste. Kaiser Karl V. erhob den Großprior Georg Schilling sogar in den Fürstenstand. Auch sämtliche Nachfolger waren nun Fürsten des Heiligen Römischen Reiches. Die Residenz des fürstlichen Johanniterordens in Deutschland war Heitersheim im Breisgau. Durch den Reichsdeputationsausschuß wurde der Ritterorden im Jahre 1803 auch in Deutschland aufgelöst.

Das Großpriorat Deutschland zählte in seiner Blütezeit 67 Comtureien.

Adenau nennt sich mit Recht eine der ältesten und die älteste rheinische Comturei. Graf Ulrich von Are, der Stammvater der Grafen von Nürburg und Neuenahr, dessen Güte und Gerechtigkeit die Sage vom „Schilde von Nürburg“ ein so feines Denkmal setzt, hat um 1160 die Comturei, das „Haus des hl. Johannes zu Jerusalem“ genannt, gestiftet.

Im Jahre 1224 schenkte Graf Gerhard, Ulrichs Sohn, die Kirche in Adenau der Johanniterkommende, die sie als Ordenskirche benutzte und den Pfarrgottesdienst versehen ließ.

Der Johanniterorden erweiterte noch im 13. Jh. das Langhaus und führte später auch einen neuen Chor auf. Wahrscheinlich ließ der Johanniterkomtur Gottfried von Heimbach in der zweiten Hälfte des 15. Jh. das sogenannte Katharinenchörchen erbauen, das in der Ecke zwischen dem Langhaus und dem südlichen Kreuzflügel liegt. Später hatten die Johanniter nur das Chor, die Gemeinde die übrigen Bauteile zu unterhalten.

Im Jahre 1269 schenkte Graf Johann von Nürburg, Gerhards Sohn, der „Comthurey“ den Zehnten von allen Ländereien, welche das Haus Nürburg besaß, für ewige Zeiten. Auch erließ er den Brüdern 14 Denare und 1 Malter Hafer, den sie bislang den Grafen von Nürburg für eine Äcker schuldig waren. Zudem schenkte er ihnen wiederum Zehnten, die dem Orden vorher widerrechtlich entrissen worden waren. Zur Schenkung gehörte ein dem Ordenshause nahegelegener Bongert (Baumgarten).

Diese Schenkungsurkunde von 1269 unterzeichnen der Commendator Franz Arnold und die Brüder Hermann von Ehrenburg, Richard von Bürresheim, Gottfried von Vischenich und Theodor von Scheven. Aus dieser Urkunde schließen wir, daß 1269 die Comturei Adenau fünf Ritter zählt; diese mußten adeliger Abstammung sein und wenigstens sechzehn Ahnen nachweisen können. Die Anzahl der Ordensritter in Adenau schwankte zwischen fünf und fünfzehn.

Johanniter-Commende Adenau
Foto: Lorenz

Außerdem hatte die Comturei noch einen bis drei Capeliane, Johannispriester, die den Gottesdienst versahen und auch das Ordenskreuz trugen. Dazu kamen noch einige dienende Brüder.

Aber nicht nur die Grafen von Are-Nürburg, sondern auch die benachbarten Grafen von Virneburg beschenkten den Orden. So erhielten die Johanniter den hundert Morgen großen Wald bei Retterath von den Grafen von Virneburg. Dieser Wald führt daher heute noch den Namen Johanniswald.

Im Jahre 1387 tritt Ritter Heinrich Roylmann von Dattenberg seine Rechte an der Herrschaft Schuld an die Adenauer Comturei ab. Das Cunibertusstift in Köln übergibt 1494 seinen Hof zu Hönningen an der Ahr und die Pfarrkirche daselbst mit der Kapelle in Dümpelfeld dem Orden. In der Gemarkung Adenau besaß der Orden 175 Morgen Ackerland, Wiesen für 24 Wagen Heu, 20 Morgen Wald und 6 Morgen Wildland. Von den vielen auswärtigen Besitzungen gehörten u. a. das 100 Morgen große Johannisholz bei Retterath und Güter in Clotten und Andernach. Das Clottener Gut bestand aus Haus, Garten und 3847 Weinstöcken (fast 2 Morgen).

In Andernach lagen ein Haus mit Bering, Garten, Weinberg und 12 Morgen Ländereien. Weitere Besitzungen lagen in Wirft, Pomster, Trierscheid, Rupperath, Wimbach, Quiddelbach, Leimbach, Breidscheid, Reimerath, Dernau, Rodder, Schuld, Herschbroich, Liers, Wadenheim, Beul und Lantershofen.

Die Comturei Adenau hatte eine ihr untergeordnete Comturei in Kronenberg bei Stadtkyll. Der Commendator von Adenau war auch der Vorsteher von Kronenberg und hatte das Recht, den Pfarren von Kronenberg zu präsentieren. Auch in Adenau, Alendorf und Kirmutscheid stand der Comturei die Bestallung des Pfarrers zu. Im Jahre 1709 erbaute die Comturei in Kirmutscheid ein neues Pfarrhaus.

Im Jahre 1518 wurde die selbständig bleibende Comturei Adenau mit Kronenberg mit der Comturei Trier durch Personalunion vereinigt. Der Orden war von keinem Landesfürsten abhängig; er bildete eine souveräne „Adelsrepublik“. Er war frei von jeder Staats- und Kirchensteuer. Zudem wurde der Orden von weltlichen und kirchlichen Stellen mit Privilegien überhäuft. So besaß die Comturei in Adenau auch ihre eigene Gerichtsbarkeit und ihren eigenen Schultheißen, dem auch die Güter der Commende mit ihren Bauern und Tagelöhnern unterstanden. Die „Freiheit“ und die Rechte der Comturei waren größer als die einer freien Reichstadt.

In der Herrlichkeit Schuld mit Dümpelfeld, Niederadenau, Insul, Harscheid, Sierscheid und Winnerath besaß die Adenauer Comturei mit Kurköln gemeinsam die hohe und mittlere Gerichtsbarkeit.

So gab diese „Freiheit“ Adenau eine Vorzugsstellung vor allen anderen Eifelorten. Zudem trat der Ort durch die Malteser, die die Pilger betreuten, als Hauptpilgerstation auf der Pilgerstraße Köln— Trier hervor, weshalb auch hier die Matthiaskapelle entstand.

Über die Gebäude der Comturei geben uns die Lagerbücher Aufschluß. Im Jahre 1657, also nach dem 30jährigen Kriege, bestand die in der „Freiheit“ gelegene Commende aus drei großen Wohngebäuden, die in Hufeisenform einen kleinen Hof umschlossen. Ein Flügel war ganz aus Stein, die zwei anderen im oberen Stockwerk aber aus Fachwerk. Von den beiden wurde der links vom Eingang gelegene 1766 von dem Comtur Freiherr von Schönau neu errichtet. Er enthielt Spind-, Back- und Räucherhaus, 3 Kammern, 3 Zimmer und 2 Speicher. Der rechte Flügel war schon 1750 erneuert worden. Er enthielt die Wohnung des Pfarrers. Das quergestellte Hauptgebäude wurde schon vor 1750 erneuert. Ställe und Scheune waren in Fachwerk gebaut. „Nach dem Bach zu“ befand sich die Toreinfahrt, „Fahrpforte“ genannt; nach dem Kirchhof zu führte eine kleine Pforte. Von diesen Gebäuden ist der Hauptbau, ein zweigeschossiger Barockbau mit sieben Achsen, dessen Fenster mit einfacher Basalteinfassung versehen sind, noch erhalten. Über der Tür ist ein Wappen mit drei nebeneinander stehenden Vögeln. Daneben steht der Name „von Vehlen“ mit der Jahreszahl 1743. Im Gesellensaal befindet sich eine rechteckige Ofenplatte mit Johannes dem Täufer und einer Taube.

Dieses ehemalige Comtureigebäude wurde in französischer Zeit als Gendarmeriekaserne und in preußischer Zeit als Pfarrhaus und Oberförsterei benutzt. Heute befinden sich dort zwei Versammlungsräume, eine Schusterwerkstätte und Wohnungen für zwei Familien.

Was erinnert uns heute sonst noch an die Adenauer Johanniter? Neben dem kunstvollen Hochaltar befinden sich rechts und links die zwei Johannisstatuen, Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist. Die Pfarrei besitzt noch ein altes Siegel der Comturei, das ebenfalls die Bilder der beiden Johannes zeigt.

Das Stadtwappen zeigt das kurkölnische Kreuz und den Löwen der Grafen von Nürburg. An die Ordensritter erinnern die fünfzehn kleinen Schilder in den zwei Wappenfeldern. Sinnvoller wäre es, wenn das Wappen in einem dritten Felde das echteckige weiße Johanniterkreuz auf schwarzem Grunde aufwiese. Da aber das Wappen in seinen zwei Feldern die beiden Landesherren Grafen von Are-Nürburg und Kurköln darstellt, die Johanniter aber nie Landesherren des Amtes Adenau waren, so hat man ihnen innerhalb der beiden Wappenfelder durch fünfzehn kleine Schilder Erinnerungszeichen gegeben.

Der zweite Ritterorden der Tempelherren, der seinen Namen von der Lage seines ersten Hospizes auf dem Tempelberge in Jerusalem hatte, besaß in Breisig ein Haus, das nach Auflösung des Templerordens in die Hände der Adenauer Johanniter überging.

Wenn auch der dritte Ritterorden, der Deutschherren, in unserm Kreisgebiet keine Besitzungen hatte, so wollen wir ihn doch rühmend erwähnen, weil er Ost- und Westpreußen deutsch und christlich machte. Auch gab er dem „Deutschen Eck“ in Koblenz seinen Namen, denn hier lag nördlich der Castorkirche der Hof der Deutschherren, da wo die Mosel in den Rhein mündet. Leider wurde das Gebäude, das bis zum zweiten Weltkrieg das Staatsarchiv enthielt, durch Bomben zerstört.

Der Templerorden wurde schon 1502, der Johanniter- und Deutschritterorden durch die Säkularisation 1803 aufgelöst. Jedoch als Träger der Nächstenliebe lebte der Malteserorden im 19. Jh. wieder auf.

1859 gründeten acht rheinische und westfälische Adelsfamilien die Genossenschaft der Devotionsritter, die sich 1863 zum rhein.-westf. Johanniter-Ehrenverband erweiterte.

Papst Leo XIII. stellte 1888 die Großmeisterwürde wieder her. Der neue Malteserorden hat in den Kriegen von 1864 bis 1945 in Krankenpflege und religiöser Betreuung der Soldaten hervorragende Leistungen vollbracht. 1935 verfügte der Orden über viele caritative Anstalten, darunter das Malteserkrankenhaus in Bonn.

Seinen Sitz hatte er in Sonnenberg (Neumark). Dieser ging mit dem größten Teil der Krankenhäuser und des Grundbesitzes verloren. Der neue Ordenssitz liegt in unserem Kreis, in Rolandseck. Von Rolandseck beginnt man mutig wieder den Aufbau, und fünfzehn Krankenhäuser in Westdeutschland nennt der Orden noch sein eigen. Gewandelt haben sich die Aufgaben. Es braucht nicht mehr gekämpft zu werden gegen Türken, See- und Straßenräuber, aber gegen den Verkehrstod und gegen die Verkehrsgefahren kämpfen sie durch die „Johanniter-Unfallhilfe“, die zahllose Laienkräfte in der ersten Hilfe ausbildet. Auch sorgt der Orden für die Betreuung der Ostflüchtlinge und beschafft bedürftigen Kindern Erholungsaufenthalt im In- und Ausland.