„selbst gemacht“ ist die schönste Bauerntracht
VON JAKOB RAUSCH
Unser Bauer sorgte durch Selbsterzeugung in früheren Zeiten nicht nur für seine Nahrung, sondern auch für seine Kleidung. Von seinen Schafen erhielt er die Wolle. Auf seinen Äckern zog er Flachs und Hanf. Die wichtigste Gespinstpflanze war der Flachs oder Lein, dessen Fasern lang und weich waren. Aus ihm wurde das Leinentuch hergestellt, das für Kleidung und Bettwäsche eine große Rolle spielte.
Der Hanf lieferte auch eine Lang-, aber Hartfaser. Die Hartfasern des Hanfes sind stärker als die des Leines, aber grob und weniger elastisch. Der Hanf lieferte daher gröbere Gespinste und Gewebe wie Gurte, Segeltuch, Plane, Seile, Stricke, Taue und Kordeln. Der Hanf wird auch Galgenkraut genannt, weil die Stricke für den Galgen daraus gefertigt wurden. So steht daher auch bei einem „Galgenstrick“ (leichtfertiger Bursche) der Hanf als Pate. Und wenn im Kreise der Flurnamen „Galgenfeld“ öfters auftaucht, so hat dort in den seltensten Fällen ein Galgen gestanden, sondern es wurde dort Hanf, das Galgenkraut, gezogen.
Auch die Wolfsnetze wurden aus starkem Hanf hergestellt. Zu den Gespinstpflanzen gehörte ehedem die große Brennessel, ein Unkraut, das man früher aber auch anbaute, um dessen Bastfasern zu Garnen und Geweben zu verarbeiten. Schon die Germanen kannten das „Nesseltuch“. Aus den Nesselfäden stellten sie Netze, her. Das Nesselgarn wurde durch die Baumwolle verdrängt, jedoch blieb der Name „Nesseltuch“ erhalten für die Baumwollstoffe, die nach Art des eigentlichen Nesseltuches gewebt werden.
In jedem Bauernhause stand ein Spinnrad. An den langen Winterabenden wurden Wolle, Flachs, Hanf und Nessel zu Garn gesponnen. In den Spinnstuben wurde aber nicht nur „gesponnen“, sondern auch „gesonnen“, und es lebten hier die Volkslieder, Märchen und Sagen, Dorf- und Volksgeschichten auf.
In den meisten Bauernhäusern stand auch ein Webstuhl. So liegen noch Statistiken von Eifeldörfern aus dem 19. Jahrhundert vor, daß noch zwei Drittel der Haushaltungen Webstühle besaßen. Aber im 19. Jahrhundert kam der Webstuhl außer Gebrauch. Man gab die Garne den Webereien in Adenau, Waldorf, Blankenheim und Euskirchen und erhielt gute gewebte Stoffe zurück.
Und sie färbten! Unsere Bauern färbten ihre Garne, aber auch schon gewebte Tuche selbst. Die Farben gewann man aus einheimischen Farbpflanzen.
Der Färberwaid diente zum Blaufärben. Der Waid wurde als Kulturpflanze angebaut, und heute noch bewundern wir am Ahrufer im Sommer den großen gelbblühenden Färberwaid. Die lufttrockenen Blätter, die 3mal im Jahre geerntet wurden, mahlte man in der Waidmühle; nachher wurden sie im heißen Wasser ausgelaugt. Den gärenden Laugenbrei mischte man mit Kalkmilch, wobei sich ein blauer Farbstoff bildete. Dieses Blau benutzten die Blaufärber und Blaudrucker.
Die wichtigste Pflanze zum Rotfärben war der Krapp; er wurde daher auch Färberwurzel und Färberröte genannt. Die Blattränder und Stengelknoten weisen hakenförmige Stacheln auf, wovon sie ihren Namen hat (krap = Haken). Das Rot wird aus der langen hellblutroten Wurzel gezogen.
Die getrockneten Krappwurzeln wurden zu Farbpulver vermählen, woraus das leuchtende Krapprot und Türkischrot entstand.
Während man den Krapp heute sehr selten findet, treffen wir den Wau an Rainen und Bachufern häufig an. Der Wau, auch Färberreseda genannt, ist eine bis l m hoch werdende Pflanze, deren lange, gerade Stengel und Blätter den gelben Farbstoff‘ enthalten.
Mit Weinstein und Alaun bearbeitet, ergab sich eine hellgelbe dauerhafte Farbe.
Auch gibt dieses Gelb in Verbindung mit Blau eine grüne Farbe. Man kann dieses Waugelb auch zur Schattierung anderer Farben gebrauchen.
Außer diesen drei Farbpflanzen Waid, Krapp und Wau, die der Bauer auf seinen Ackern zog, gebrauchte er noch andere wildwachsende Pflanzen zur Farbgewinnung.
Heute noch finden wir an sonnigen Waldrainen den Färberginster, der ähnlich wie Birkenblätter eine feine gelbe Farbe ergab. Auch die Färberkamille lieferte einen gelben Farbstoff. Die Färberdistel, auch Scharte genannt, und die Beeren des Faulbeerbaumes ergaben ein Schüttelgelb. Mit den äußeren grünen Schalen der Walnuß erzeugte man ein feines Braun. Aus den Galläpfeln wurde eine schwärzliche Farbe gewonnen.
Unseren heimischen Farbpflanzen entstand nach der Entdeckung Amerikas eine starke Konkurrenz. Der Gebrauch von „Brasilholz“ zum Rotfärben verdrängte den Krapp.
Dem Krapp erwuchs ein weiterer Konkurrent, der ihn besiegte, in einer mexikanischen Schildlaus, Cochenilla genannt. Dieses mit Pflanzen-säftcn vollgesogene Insekt lieferte einen kostbaren roten Farbstoff.
Allmählich wurden die natürlichen Farbstoffe durch künstliche völlig zurückgedrängt. Dr. Leverkus stellte 1834 in Wermelskirchen einen Farbstoff aus Soda in Verbindung mit Kohle, Schwefel und Ton durch ein Glühverfahren her. Der Preis für das Kilogramm sank dadurch von 3200 auf 1,75 DM. Leverkus verlegte nach 1850 sein Werk unmittelbar an den Rhein nach Leverkusen, dem heutigen Sitz eines der Hauptwerke der I.G.-Farbenindustrie (I.G. = Interessengemeinschaft). Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts machten die aus der Steinkohle gewonnenen Teerfarbstoffe den bisherigen Naturfarben stärkste Konkurrenz. Der natürliche Indigo wurde in den 1880er Jahren verdrängt durch den synthetischen Indigo, den der Chemiker Dr. Bayer im Steinkohlenteer entdeckte. Der Kolonialindigo mußte nun dasselbe Schicksal erleiden, das er vorher dem Waid bereitet hatte. Der Krapp hatte weichen müssen, nachdem der Chemiker Liebermann die Abstammung des Krappalizarins vom Anthrazen entdeckt hatte und seitdem künstliches Alizarin hergestellt wurde. Mit der Einführung der Teerfarben verloren die Pflanzenfarbstoffe in der Färberei immer mehr an Bedeutung. Die größten deutschen Teerfarbenfabriken befinden sich heute am Rheinstrom (I.G.-Farbenindustrie). Auch die Nebenerzeugnisse der rheinischen Farbenindustrie (Präparate) wurden von größter Wichtigkeit, z. B. für die Heilkunde.
Zur Besinnung!
Der Winzer rühmt mit Stolz: „Wein ist aufgefangener Sonnenschein.“ So ist auch Farbe durch Einwirkung des Sonnenlichtes und der Sonnenwärme entstanden, ebenso die Farben, die wir aus Kohle und Teer gewinnen, denn schon vor 300 Millionen Jahren fingen die Bäume und Pflanzen, die hernach die Steinkohlenlager bildeten, die Sonnenstrahlen auf, und der Chemiker der Gegenwart bringt diese Farben wieder zum Leuchten.
Ein Blick in ein Bauernhaus der Gegenwart belehrt uns, daß die Textilindustrie heute die Webstoffe liefert; diesen aber erwächst ein starker Konkurrent in den chemisch hergestellten Kunststoffen.
Und unsere Überschrift müßte daher heißen: „Selbstgemacht war einst die schönste Bauerntracht.“