Schulrat a. D. Heinrich Olbrich — ein Bildnis
Ein Leben zwischen Ost und West
VON HARRY LERCH
Foto: Jakob u. Helena Steinborn Schulrat a. D. Heinrich Olbrich | Am 3. Juni 1961 wurde Schulrat a. D. Heinrich Olbrich 80 Jahre alt. Er gehört zu den rührigen Mitgliedern des Redaktionskollegiums für das Heimat-Jahrbuch. Insbesondere die Beiträge aus ostdeutscher Heimat hat er geschrieben und damit Verständnisfür diesen Teil Deutschlands im rheinischen Raum geweckt.Die Redaktion |
Im Osten ein wackerer Streiter einst — im Westen nun der Lebensabend. Indessen: kein Leben im Sessel, vielmehr ungebrochen an Regsamkeit, Verständnis weckend für die ostdeutsche Welt, ihre Fährnisse im Volkstumskampf, ihren Kulturbesitz, ihr Sagengut und ihre Gestalten.
Wenn Heinrich Olbrich von OS. erzählt, von Oberschlesien, werden Jahrzehnte wach von historischem Gewicht. Man sollte einmal im Geschichtsbuche der Neuzeit nachlesen, wie der Osten gefährdet war nach dem Ersten Weltkrieg, wie deutsches Siedlungsland belegt und entvölkert werden sollte.
Es liegt auf der Hand, daß dies mutige Männer auf den Plan rief. Zu ihnen gehörte Heinrich Olbrich. Er war führend im Abstimmungskampf von Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg. Als der junge Erzieher 1918 aus dem Feld heimkehrt in seine oberschlesische Heimat, findet er sie unter Besatzung. Es lodern die Meinungs- und Gewissenskämpfe, ob man klein beigeben und sich „auf die neue Situation“, das heißt auf die polnische, einstellen wolle. Das ist bequem, das vermeidet Konflikte der Karriere …
Nichts davon bei Heinrich Olbrich. Er tritt als Geschäftsführer an die Spitze des „Deutschen Blocks“, während dieser Zeit vom Schuldienst suspendiert. Er wird Mitglied im Reichsvorstand des Verbandes der Deutschen im Ausland, und die Sternstunde dieses Lebens ist die Gründung des „Verbandes der deutschen Katholiken in Polen“.
Das Auswärtige Amt beauftragt ihn, von Kattowitz für die Neuordnung im abgetretenen Teile Oberschlesiens zu wirken. Das vollzieht sich in der Geschäftsführung der „Deutschen Katholischen Volkspartei“, nicht ohne Gefahren, nicht ohne Anfechtungen. Das Arbeitsfeld umfaßt Westpreußen, Posen, Oberschlesien, Lemberg und Stanislau.
Er hat Verbindungen zu den Banater Schwaben wie zu den Siebenbürger Sachsen — ein Leben nicht ohne Gefahren, aber seinem Wirken ist es zu danken, daß die Welt auf diese deutsche Landschaft blickt.
Krönung ist das Jahr 1925: Heinrich Olbrich führt einen deutschen Sonderzug zum Heiligen Vater in Rom. Der Papst lauscht aufmerksam diesem Bericht vom Leben zwischen den Grenzen und Völkern. Fast fragt man sich, wie er Zeit gewann, das später ihm angetragene Amt eines Schulrates auszuüben. Das ist er gewesen in Kattowitz wie in Duisburg, in Stuhm, in Greiffenberg, in Brilon im Sauerland. Ein Wunder auch, daß dieser stets engagierte Geist Bücher schrieb, die der Stille wahrhaft bedürfen sollten: das dreibändige pädagogische Werk „Rüstzeug des Erziehers“ oder „Unsere Ausländsdeutschen“ und vor allem das histroische Buch „Der Leidensweg des Oberschlesischen Volkes“.
Zwischen Ost und West ist dieses Leben gebunden. Diese Gebundenheit zwischen zwei Geisteslandschaften hat ihn dazu geführt, für dieses Heimat-Jahrbuch so intensiv tätig zu sein. Die Beiträge über die Ostlandschaft sind von ihm geschrieben oder veranlaßt. Wie es nicht ausbleibt, hat seine Aktion ihm Ehren eingetragen: den Schlesischen Adler I. und II. Klasse und die Goldene Nadel des Abstimmungskampfes, nach dem Kriege das Bundesverdienstkreuz I. Klasse, auch die landsmannschaftliche Auszeichnung mit der Goldnadel der vereinigten Verbände „Heimattreue Oberschlesien“.
Hier Ost, hier West — beides ist ihm Vaterland. Heinrich Olbrich hat es vermocht, eines Volkes Orient und Okzident übereinzubringen, eines aus dem anderen zu begreifen, eines dem anderen verständlich zu machen. Das ist sein Anteil an diesem Heimat-Jahrbuch des Kreises Ahrweiler.