Rotwein bringt Feuer ins Leben
Wissenswertes über die roten Rebsorten an der Ahr
Hanspeter Kees
,,Aus dem Flaschenbauche,
Funkelnd von Rubinen,
Gluckert er nach altem Brauche
Sonnendurchschossen, lichtdurchschienen,
Und im Glase flammt
Schwärzlich er wie Samt“.
In diesen Versen von Heinz Graef mit dem Titel „Sommers, so im Garten‘, wird der Ahrrotwein besungen, ohne den das Weinbaugebiet „Ahr“ nicht denkbar wäre und der ihm die Bezeichnung „Deutschlands Rotweingarten“ einbrachte.
In Rechnungen der Stadt Ahrweiler wird ab dem Jahre 1490 zwischen „roids und weis weyns“ unterschieden. Spätere Kunde über die Erträgnisse von Kirchenweinbergen lassen den Schluß zu, daß die Ahr seinerzeit schon überwiegend Rotweinanbaugebiet war. Der Name rubellum für Wein überhaupt (Rubin und belle = schön) gibt ebenfalls einen diesbezüglichen Hinweis.
Über die Einführung des Blauen Burgunders als Qualitätsrebsorte berichtet der Rentmeister Delhees in Altenahr an den Erzbischof von Köln im Jahre 1788 ,,. . . haben kurfürstliche Durchlaucht in den besten Plätzen meistens weisse Kleinbergertrauben angepflanzt, die einen schlechten Wein bekanntermassen geben, der Höchstderoselben nicht angenehm seyn kann. Ich habe daher in Erwägung gezogen, ob nicht eine andere und bessere Art Trauben an deren Statt auf die so ausnehmend guten Plätze eingepflanzt werden könnte und dann befunden, dass der Rothe Burgunder Traube, der zu Assmannshausen sich häufig vorfindet, am nützlichsten auch … eingeführt werden könnte. Die Güte der von diesem Traube zu Assmannshausen gemachten Weine ist bekannt.
Gottfried Kinkel schreibt 1846 in seinem Reiseführer „Das Ahrtal über die Ahrweine: „Die Mönche und geistlichen Herren des Ahrtales haben vorlängst entdeckt, dass man den weissen Wein trinken soll als Kur wider den zu stark genossenen roten: das Mittel ist probat. Bei weitem vorherrschend an Masse und Güte ist gegenwärtig (1846) der Rotwein: er ist von dunkler Farbe, hat, wie die meisten Rotweine wenig Duft . (Diese Feststellung hat sich bis auf den Duft im wesentlichen bis heute so gehalten, denn die neuzeitliche Gär- und Filtrationstechnik sorgt auch für einen sortentypischen Duft.) „Ein herbes, doch höchst angenehmes Feuer und ist ausgezeichnet gesund“, führt Kinkel sodann weiter aus. Dem ist nichts hinzuzufügen. Deckrot, Color, Dunkelfelder, Dornfelder, Domina und Rotber-ger bilden derzeit die Palette der interessanten Neuzuchten für Deck- bzw. Rotwein. Schlägt man eines der alten vergilbten Ratsbücher von Ahrweiler auf. so setzte der Stadtrat für das Jahr 1636 die Lese mit folgenden Worten an: „Nach geschehenen Besichtigung der roten Trauben und Relation (Bericht) der Deputierten wird die rote Traubenlese gegen nächtskünftigen Donnerstag, den 18. September, einstimmig angesetzt. Ebenso wird das Mundstoppeln, Setzholzschneiden und Krauten in anderen Weinbergen verboten“. A propos Setzholzschneiden: ob man damals bereits sich die besten Stöcke im Weinberg des Nachbarn eifersüchtig besah und Vermehrungsabsichten hegte und man beim Krauten mundstoppeln wollte? Schließlich sind Ratsherrn ja gescheite Leute, die sich bei derlei Verordnungen was gedacht haben und sich dem Amt gemäß an den Realitäten orientieren sollen.
Hier finden wir jedenfalls einen Hinweis darauf, daß es in diesem Jahr rote Trauben in weinbergsmäßigem Anbau gab, denn „nach eingenommenen Augenschein und Befund ist die weisse Traubenlese gegen nächsten Freitag (3. Oktober) verordnet und anbestimmt worden‘
Was die Weinpreise angeht, entnehmen wir dem Ratsprotokoll vom 22. Oktober 1636: ,, . . . ist nach altem Gebrauch und löblicher Gewohnheit nach der Weinpreis dergestalt durch die mehreren Stimmen (mit Stimmenmehrheit) beschlossen, daß die Ahm (Ohm) roten und weissen Weines in gleichem Kauf (Preis) gelten soll 13 Taler kölnisch ohne das Fass“.
Die bis heute bekannte Bezeichnung „Ahr-bleichert sagt aus, daß die Trauben, rote sind gemeint, vor der Gärung abgepreßt, gekeltert wurden. Der in den Beerenhülsen enthaltene rote Farbstoff konnte sich nur wenig mit dem Saft verbinden, wodurch er eine hellrötlich-bleiche Farbe erhielt.
Seit dem 19. Jahrhundert gilt die Ahr als das größte zusammenhängende Rotweinanbaugebiet nördlich der Alpen.
Die roten Rebsorten
Die Rebsortenbezeichnungen sind im Laufe der Jahrhunderte aus den jeweils gegebenen Bedürfnissen entstanden. Sie leiten sich meist von der Farbe der Beeren oder der Weine ab, können auf Geschmacksrichtungen der Beeren hindeuten, Hinweise auf die Herkunftsbezeichnung der Sorte sein oder die Namen von Personen, die mit ihrer Züchtung oder Verbreitung im Zusammenhang stehen, beinhalten. Die moderne Rebenzüchtung gibt zuerst Sortenbezeichnungen mit Buchstaben und/oder Nummern.
Wenn der Blaue Spätburgunder das Oberhaupt der großen Familie Burgunder ist, so repräsentiert er die „rote Würde“ unter den Burgundern und gilt zu Recht als ungekrönter Herrscher aller Rotweinsorten der Welt. Der Kaiserstüh-ler Winzer Wilhelm Stuber aus Oberrotweil vermehrte 1933 aus einer stark verrieselten Spätburgunderanlage nur diejenigen wenigen Typen, bei denen dies nicht der Fall war. Diese leistungsfähigen Rebennachkommen sind als „Stuber-Klon“ auch an der Ahr zu einem Begriff geworden. Gut bewährt haben sich im planmäßigen Wiederaufbau die Selektionen von Professor Fritz Ritter: Garanten der jetzigen „Burgunderhochleistungsneuzeit“, in Erfüllung gegangene Träume ganzer Winzergenerationen.
Der Blaue Spätburgunder hat dem Ahrtal den Titel „Rubin unter den deutschen Weinlandschaften“ eingebracht. Diese Sorte entstammt einer Rebenfamilie, von denen 20 Abkömmlinge bekannt sind, u. a. Ruländer als Grauer Burgunder (Pinot gris), Weißer Burgunder (Pinot blanc), Schwarzriesling oder Müller-Rebe (Pinot meunier) und Samtrot. Die Sorte liebt warme, tiefgründige, nahrhaft gut mit Humus abgepufferte und mit Kalk versorgte Böden mit ausreichender Feuchtigkeit. In nassen Herbsten kann Fäulnis den roten Farbstoff zerstören. Der Wein baut sich langsam aus, ist als Jungwein bisweilen rauh und herb. Er wird mit wachsender Reife weicher, entwickelt ein samtig-volles Sortenbukett mit Kraft und Fülle. Fruchtig-erdig, charmant und angenehm im Abgang bringt er Feuer in unser Leben. Das Holz ist graubraun, dunkel gestreift, fein gerieft und oft schwarz gefleckt. Das drei- bis fünflappige Blatt ist mittelgroß, rauh und blau-grün. Die Herbstverfärbung präsentiert sich im leuchtenden Rot. An den klein-mittelgroßen, gedrungenen Trauben sitzen dichtbeerig angeordnet mehr kleine, runde Beeren. Mit Beginn der Reife sehen wir eine deutliche Beduftung, dünnhäutig und saftig nehmen sie eine dunkelblaue bis tief violette Färbung an. Wird der Most nicht, wie bei der klassischen Rotweinbereitung, mit den farbträchtigen, gerbstoffhaltigen Beerenhülsen vergoren, so ergibt die alsbald abgepreßte Maische den Weißherbst: hellrötlich bis pfirsich-farben schimmernd, ein herzhafter, frischer und eleganter, gerbstoffarmer Wein. Spitzenjahrgänge, wie 1975 und 1976 lassen die öchslewaage bis weit über 100 Grad kommen. Als künftiger Wegweiser des Rotweinqualitätsweinbaues an der Ahr nimmt diese Sorte im Spiegel des planmäßigen Wiederaufbaues fast 50 % ein, rund im Körper, tiefrot in der Farbe, reich an Alkohol mit speziellem Aroma schlägt die Kenner- und Genießerzunge Purzelbäume.
Der Blaue Frühburgunder ist in allen Merkmalen identisch mit dem Spätburgunder, nur liegt er in der Reife um 10 Tage früher, ist weniger gefärbt: ein Wein für Individualisten im heutigen Jahrhundertstreß.
Der Blaue Portugieser wird seit Jahrhunderten in Niederösterreich und Ungarn angebaut. Von dort aus kam er 1860 nach Deutschland (Bad Dürkheim/Pfalz). Er bevorzugt tiefgründige, lockere und mäßig feuchte Böden in den mittleren und oberen Hanglagen. Das Holz ist fein gestreift, kräftig, frohwüchsig.
Das nicht gleichmäßig große unbehaarte fünflappige Blatt ist tiefgrün und färbt sich rot gegen den Herbst zu. An den großen Trauben sitzen recht dicht placiert große rund bis leicht ovale Beeren, pflaumenblau beduftet. Das zarte Beerenfleich läßt diese Sorte auch als Tafeltraube geeignet sein. Die reich tragende Traubensorte eröffnet aufgrund ihres Reifezeitpunktes die jährliche Rotweinlese. Während der Blaue Spätburgunder winterfrosthart ist, führen strenge Winterfröste zu bisweilen erheblichen Augenausfällen beim Portugieser. Aufgrund seiner Frohwüchsigkeit verlangt er nach großzügiger Standweite. Der Wein ist mild in der Säure, meist gut in der Farbe und angenehm im Geschmack. Das Sortenbukett ist schwächer ausgebildet als beim Spätburgunder (Heinrich Moog, 1957: Einführung in die Rebsortenkunde). Auch bei dieser Rotweinsorte stehen bewährte Rebklonen zur Verfügung.
Über die Zuchtziele von Rotweinsorten unter Berücksichtigung der Züchtungen des Gei-senheimer Zuchtprogramms hat Prof. Dr. Helmut Becker im Deutschen Weinbaujahrbuch 1979 berichtet. Es wird dabei zwischen vegetativen und generativen Eigenschaften unterschieden:
vegetative Eigenschaften
1. kräftiger, aufrechter Wuchs
2. gesundes Blattwerk, das lange grün bleibt
3. gute Holzreife, verbunden mit guter Winterfrostigkeit
generative Eigenschaften
1. Fruchtbarkeit und Ertragssicherheit
2. kräftiges, botrytisfestes Stielgerüst der Trauben
3. Botrytisfestigkeit der Beeren
4. Qualitätsleistung
5. harmonischer Geschmack, ausreichende Farbentwicklung
Geschmacksharmonie und Farbstoffbildung sind von besonderer Bedeutung, aber züchterisch erzielbar auch von besonderer Problematik. Weltweit gelten nämlich französische Burgunderweine und Bordeauxweine als ideales Vorbild von Qualitätsrotwein. Dem pari bieten jedoch die von Sorte und Klima geprägten deutschen Rotweine mit ihren eigenen Nuancen, ihrer Spezialität.
Neue Sorten müssen in das Spektrum dieser heimischen Rotweine eingefügt werden. Die Sorten Deckrot und Kolor, von Freiburg als erste deutsche Farbrotweinsorte gezüchtet, haben einen dunkelroten Beerensaft, weisen jedoch an der Ahr zu hohe Säurewerte auf. Die Sorte Dunkelfelder ist mit dem Prädikat wertvoll zu bezeichnen, weil sie neutrale Deckrotweine mit hohem Farbenwert bei harmonischer Säure aufweist. Demgegenüber wird ihr Anbau an der Ahr bevorzugt.
Die Verschnittfähigkeit mit Weinen des Blauen Spätburgunders wurde geprüft, auch mit anderen Sorten. 5-10% reichen meist aus, um die erforderliche Deckwirkung zu erzielen. Der Sortencharakter des Grundweines Blauer Spätburgunder, Portugieser bleibt erhalten. Der Dunkelfelder ist als freie Sorte zur Eintragung in die Sortenliste angemeldet.
Die geschützte Geisenheimer Rotweinsorte „Rotberger“, eine Kreuzung zwischen Trollin-ger und Riesling, frühere Zuchtnummer 3/37 GM, ähnelt dem Trollinger hinsichtlich des reichen Ertrages, übertrifft diesen im Mostgewicht um 5—10 Grad öchsle. Die Weine sind hell rubinrot, von fruchtiger Trollinger Art und körperreicher. Sie ergeben ansprechende Qualitätsweine, sind jedoch deckungsbedürftig. Zu betonen ist ihre besondere Eignung als Rotsekt bzw. für Rose-Weine.
Die Weinberger Rotweinsorte Dornfelder ist auch im Anbau und hat bisher recht erfolgsversprechende Ernteergebnisse gezeigt.
Rebenpflanzgut in geprüfter Qualität
Basispflanzgut dient zur Erstellung von Vermehrungsanlagen, wird unter Aufsicht des Züchters gewonnen und nach den Grundsätzen systematischer Erhaltungszüchtung bearbeitet.
Zertifiziertes Pflanzgut erwächst aus Anlagen mit Basispflanzgut. Zertifizierte Pfropfreben sind amtlich anerkannte Propfreben zur Errichtung von Ertragsanlagen, Zertifizierte Reben bringen Ertragssicherheit und Qualität. Die Leistungsfähigkeit ist im Erbgut verankert. Qualität, Ertragssicherheit und Gesundheit der Weinberge sind die Grundlagen der Weinwirtschaft an der Ahr. Die Edelreis-, Unterlagenbestände sowie Rebschulen werden einer intensiven amtlichen Kontrolle durch die Anerkennungsbehörden unterworfen. In der Klonenzüchtung werden die Erfolge für die Weinwirtschaft durch das Pflanzgut auf breiter Grundlage in die Praxis übertragen.
Die Früchte sind in den planmäßigen Aufbaugebieten sichtbar und können sich sehen lassen. Da der Winzer die Unterschiede in der Bodenformation und in den großräumigen Klimaregionen nicht grundsätzlich ändern kann, muß er den Vorrat an Humus, die Nährstoffe und Pflanzweiten so halten, daß sich ein für die gewählte Rebsorte günstiges Milieu (Boden/Kleinklima) entwickeln kann. Die derzeit laufenden Anbauversuche mit Rotweinsorten können sich durchaus bedeutungsvoll und zukunftsweisend für die Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit bei der Ahrrotweinerzeugung bemerkbar machen.