Lokale Demokratie im Wandel -Zum Verhältnis von Bürgern, Räten und Behörden
Beispiel: Die Planung der neuen Bundesstraße 266 in Bad Bodendorf
Jürgen Haffke
Die neue Bundesstraße 266 »biegt frühzeitig von der Bodendorfer Betonstrecke ab und überquert auf einem Brückenwerk die Ahr, schneidet Ehlingen und Green an und wird bei Heimersheim dann wieder über die Ahr geführt. (…) Möge dabei berücksichtigt werden, daß die Landschaft und die Landwirtschaft nicht allzu hart betroffen werden.« So hieß es am 7./8. April 1962 in der Rhein-Zeitung (= RZ). Unter dem Titel »Neuenahr Schnittpunkt großer Europastraßen« stellte sie die Planungen für eine B 9 A (ein Vorläufer der heutigen linksrheinischen Autobahn A 61) und den Ausbau der B 266 vor. Seit diesem Augenblick gehört das Thema »B 266« zu den Standardthemen der Kommunalpolitik des östlichen Ahrkreises und besonders Bodendorfs. Sind für die Strecke von Ehlingen bis Bad Neuenahr schon asphaltierte und betonierte Realitäten geschaffen worden, so geht Bad Bodendorf inzwischen in das 25. Jahr der Tras-sendiskussion – ein Jubiläum besonderer Art, weniger zur Freude als vielmehr zum Nachdenken Anlaß. Ein Rückblick auf diese Zeit verdeutlicht nicht allein, daß sich die Voraussetzungen für das Bauprojekt zwischenzeitlich mehrfach geändert haben und wohl auch noch einige Male ändern werden. Ebenfalls zeigt er, wie sich der Stil der Diskussion, die Art und der Umfang der Bürgerbeteiligung im Planungsprozeß gewandelt haben. Über seine Bedeutung für die Lokalhistorie Bad Bodendorfs hinaus dokumentiert der Verlauf der Trassendiskus-sion somit auch ein Stück Demokratiegeschichte im Kreis Ahrweiler, in dem allgemeine gesellschaftliche und politische Strömungen der jüngeren deutschen Vergangenheit ihren Niederschlag gefunden haben.
1963/64: »Nein« zur Südtrasse
Bodendorf hatte in den 50er Jahren nicht nur einen beachtlichen Aufschwung seines Fremdenverkehrs erlebt, auch seine Einwohnerzahl war nach jahrzehntelanger Stagnation vor allem durch Zuzug gewachsen. 1961 zählte man schon 1 152 Einwohner. Im Gemeinderat, die letzte Wahl der 15 Mitglieder war im Oktober 1960 erfolgt, saßen vornehmlich Handwerker und Gewerbetreibende, die am Ort ihren Lebensunterhalt verdienten, einige auswärts beschäftigte Angestellte und nur noch zwei Landwirte, von denen der eine schon seit Juni 1945 das Bürgermeisteramt ausübte (Josef Bauer). Diese Zusammensetzung spiegelt deutlich den Wandel der Wirtschafts- und Sozialstruktur wider, den das ehemalige Ackerer- und Winzerdorf seit der Jahrhundertwende erfahren hatte. Obwohl bereits bei der Gemeinderatswahl 1952 die CDU eine eigene Liste aufgestellt hatte, spielten die überregionalen Parteien in der Lokalpolitik keine Rolle. »Wählergruppen«, immer unter dem Namen des Spitzenkandidaten firmierend, bestimmten das politische Spektrum. Wähler und Kandidaten kannten einander persönlich. Bei den Gemeinderatswahlen 1956 und 1960 standen den zwei bzw. vier Wählergruppen auch keine Parteien mehr gegenüber.
Schon einige Male hatte es in der Bodendorfer Geschichte dorfpolitische »Dauerbrenner« gegeben wie die mehr als dreißig Jahre andauernden Auseinandersetzungen um die Anlage der Wiesenbewässerung oder den Bau der Dorfwasserleitung. Aber das waren eher interne Angelegenheiten gewesen. Jetzt war der Anstoß von außen gekommen und damit waren auch überörtliche, regionale, sogar internationale Interessen ins Spiel gebracht. Die neue B 266 sollte nämlich Teilstück einer vierspurigen Querspange zwischen der links- und rechtsrheinischen Autobahn werden. Nicht mehr für die Eisenbahn sondern für den im Wirtschaftswunderland wachsenden Autoverkehr sollte eine neue »Brücke von Remagen« eine Verbindung zur Westerwaldautobahn schaffen und der damals noch jungen Bundeshauptstadt Bonn zu einer großräumigen Südumgehung verhelfen.
Im Februar 1963 wurden im Landratsamt Ahrweiler genauere Pläne zur Linienführung der B 266 im unteren Ahrtal der Öffentlichkeit vorgestellt, »über die wahrscheinlich die Bodendorfer enttäuscht sein werden« (Bonner Rundschau = BR 17. 2. 1963). Der Plan: Auf einem 6 m hohen Damm – es war auch von 7 m die Rede (RZ 20. 4. 1963) – verläuft die Straße vierspurig zwischen der Ahr und der nördlich angrenzenden Bebauung durch die Aue. Auf- und Abfahrten für Bodendorf sind nicht vorgesehen. Die »Ur-Südtrasse» lag auf dem Tisch. In jenen Wochen der ersten lebhaften Diskussion besuchten die Planer des Straßenneubauamtes Bodendorf und versprachen auf die Einwände des Gemeinderats hin, »eine wohlwollende Prüfung des Planentwurfs vorzunehmen« (BR 12. 3. 1963). Das Landschaftsbild werde zu stark geschädigt und die Existenz des Ortes sei gefährdet, insbesondere der Fremdenverkehr, meinten die Ratsmitglieder. Im Gegenzug schlug der Gemeinderat vor, die Straße nördlich Bodendorfs über die Höhen, vorbei am Köhler- und Landskroner Hof zu bauen (RZ 20. 4. 1963). Da man auch am Rächennutzungsplan für die Gemeinde arbeitete, sah der Rat für den Bereich der vorhandenen und der von der Behörde geplanten Bundesstraße Wohnbebauung vor. Dagegen erhob allerdings das Straßenneubauamt Einspruch. Als dann die Behörde im September in der Ahraue mit Vermessungsarbeiten begann, fühlten sich einige Bürger, aber auch der Gemeinderat brüskiert (BR 24. 9. 1963). Ein Leserbrief forderte ein »Plebiszit« für eine »derart lebenswichtige Frage« und warf dem Gemeinderat vor, die Planungen nicht rechtzeitig bekämpft zu haben (BR 23. 10. 1963). Zwar hatte der Gemeinderat selbst Einspruch erhoben und war über Eingaben beim Bundes-verkehrsministerium, dem Landesverkehrsmi-nisterium, einem Landtagsabgeordneten und der Kreisverwaltung vorstellig geworden. Aber das Straßenneubauamt hatte bisher keine Reaktion gezeigt. Zusätzlich beschloß der Gemeinderat jetzt, Klage gegen den Einspruch der Behörde bezüglich des Flächennutzungs-plans zu erheben (RZ 24. 10.1963). Gleichzeitig trat man einer Arbeitsgemeinschaft der Nachbargemeinden gegen die Trassenführung bei.
Diese Proteste verhallten nicht mehr ungehört. Anläßlich eines Gesprächs bei Landrat Urbanus Ende November äußerte der Präsident der Landesstraßenverwaltung, Klaas, gegenüber den Vertretern der Ahrtalgemeinden, die neue Straße müsse auf jeden Fall vierspurig sein. Im Bodendorfer Bereich könne sie auch als » Tiefstraße« angelegt sein, worunter er eine höchstens 2,50 m hohe Dammstraße verstand. Falls die Ahr reguliert werde, sei sie sogar nur 2 m hoch. Bodendorf erhalte zudem eine eigene Abfahrt. Kommentar in der Lokalpresse dazu -treffend für den Zeitgeist – : »So oder so: Um 1970 herum werden wir auf dieser Straße fahren können. Dann wird das Ahrtal großzügig erschlossen sein und Anschlüsse ersten Ranges haben an die B 400 (= heutige A 61, J. H.) und die B 9, und das Ahrtal wird erschlossen sein von diesen Straßen her, wie es sich das wünscht für seinen Fremdenverkehr« (RZ 27. 11. 1963).
In Bodendorf hielt die Diskussion an. Dabei ging es nicht allein um eine rational nachvollziehbare, am Wohle des Ortes orientierte Entscheidung, sondern es kamen Vorwürfe auf, einzelne Ratsmitglieder suchten lediglich ihre persönlichen Vorteile auf Kosten anderer durchzusetzen. Ein Besucher einer Ratssitzung – mit 6 (!) interessierten Zuhörern -schrieb im Mai 1964 (BR 19. 5. 1964): »Ein Drittel des Gemeinderats verzichtete auf die Teilnahme an der Sitzung, aus Unbehaglichkeitsgründen, wie man aus dem Gemunkel der sich ebenso unbehaglich fühlenden anwesenden Gemeinderatsmitglieder entnehmen konnte. (…) Es war erschütternd, welch geringer Kampfwille um die Existenz des Kurortes und der nächsten Generation sichtbar wurde. Weshalb besuchte niemand die Sitzung? Wußte man nicht um sie? (…) Der Protest muß so laut sein, daß niemand ihn überhören kann. Die Bevölkerung sollte erkennen, daß ein einstimmiges »Nein« sie retten muß, kein Aushandeln, kein Zögern, ein klares »Nein« zu dem vorgelegten Plan der B 266.«
Am 26. Mai 1964 traf der Gemeinderat mit 9 gegen 4 Stimmen einen Beschluß gegen die Planungen des Straßenneubauamtes, den er Anfang Juli bekräftigte (RZ 3. 7. 1964). Damit waren die Würfel gefallen. Wirklich?
1965/66: Ein notgedrungenes »Ja« zur Südtrasse
Nach den Kommunalwahlen im Oktober 1964, die neben 13 Vertretern von Wählergruppen auch zwei SPD-Kandidaten in den Gemeinderat gebracht hatten, wartete man in Bodendorf jetzt auf Alternativen des Straßenneubauamtes. Inzwischen waren die Bauarbeiten vom Sinziger Kreisel westwärts bis zur Gärtnerei Ippendorf vorgestoßen. Wie würde es weitergehen?
Daß man in Bodendorf selbst kleinste Begebenheiten wahrnahm, die als ein Hinweis auf Aktivitäten der Behörde verstanden werden könnten, zeigte sich im Januar 1965. Gegen Ende jenes Monats hielten sich einige Männer mit großen Planrollen im Bereich der Ahrbrücke auf: Zeichnungen zum Verlauf der Südtrasse! In einem geharnischten Leserbrief (BR 28. 1. 1965) äußerte eine Beobachterin des Vorgangs den Verdacht, die Behörde betreibe entgegen dem Ratsbeschluß die alten Planungen weiter und setze sich damit über demokratische Abstimmungen hinweg. »Bodendorf soll nicht der Ort des geringsten Widerstandes sein, den man opfert, weil das Opferlamm geduldig ist«, und sie warnte, »Bodendorf, sei wachsam!« In den nächsten Tagen erhielt sie Unterstützung in einem weiteren Leserbrief (BR 31. 1. 1965), der dem Straßenneubauamt die Mühe um einen Alternatiworschlag abnahm: »Meines Erachtens sollte die jetzige Trasse (der bestehenden B 266, J. H.) beibehalten werden. Sie ist leicht mit wenig Grunderwerb vierspurig auszubauen. Der neuralgische Punkt, die Kreuzung mit der Bäder- und Bahnhofstraße kann durch die Absenkung der B 266 auf diesem Abschnitt einwandfrei bewältigt werden.« Das war die Geburtsstunde der »Nordtrasse« – eine echte Alternative? Obwohl das einige Leserbriefe in der Folgezeit so sahen und die Vorteile für den Ausbau des Kurbereichs aufzeigten (BR 15. 2. 1965), nahm der Lauf der Dinge zunächst einen anderen Weg. Noch im gleichen Monat wurden die Grundstücke entlang der bestehenden B 266 wieder zur Bebauung freigegeben, der Einspruch des Straßenneubauamtes von 1963 zurückgezogen; dagegen blieb die Veränderungssperre im Planungsbereich der Südtrasse bestehen! Deutete dieses Verhalten der Behörde nicht tatsächlich auf eine Mißachtung des Ratsbeschlusses gegen die Südtrasse? Hatte nicht noch Anfang des Monats (BR 1. 2. 1965) der Landtagsabgeordnete Dr. Grotmann/Sinzig betont, es sei alles noch nicht spruchreif, man werde sich weiter mit der Gemeinde unterhalten?
Im April legte das Straßenneubauamt die Pläne für den Anschluß der neuen B 266 vom Sinziger Kreisel an die bestehende Strecke nahe der Sebastianus-Kapelle vor (BR 12. 4. 1965). Wenn ein solcher Anschluß möglich war, warum dann nicht auch eine Beibehaltung und Tieferlegung der vorhandenen Trasse? Nachdem im November Landrat Korbach die Querspange zwischen rechts- und linksrheinischer Autobahn mit einer Rheinbrücke bei Remagen/ Sinzig eine »lebenswichtige Ost-West-Verbindung« genannt hatte (BR 12.11.1965), konnte man da nicht einfach die Strecke erweitern und auf einem Teilstück absenken? So dachte man im Gemeinderat und beschloß im Dezember, ein Architekturbüro mit der Aufstellung eines Gegenplanes zur Südtrasse zu beauftragen, der die Machbarkeit einer 3 m-Tieferlegung im Bereich der bisherigen Trasse nachweisen sollte. Mit diesem Plan als Beweismittel wollte man dann beim Bundesverkehrsministerium, bei dem die Südtrassenpläne inzwischen lagen, vorstellig werden (RZ 23. 12. 1965). Der Gemeinderat hatte also die Vorschläge der Leserbriefe vom Jahresbeginn aufgegriffen und verfolgte sie selbst mit Nachdruck. Auch mit Erfolg?
Ende Februar 1966 hing in der Gaststätte Bauer ein neuer Plan der Baubehörde, der dem Gemeinderatswunsch nach einer Nordtrasse entgegen kommen wollte: Direkt südlich neben der bestehenden B 266 sollte ebenerdig die vierspurige Trasse verlaufen; eine Fußgängerüberführung hatte man an der bisherigen Kreuzung, Auf- und Abfahrten weiter westlich vorgesehen; 7 Häuser seien abzureißen. Dieser Plan stieß auf »fast einhellige Ablehnung« der Bevölkerung (RZ28. 2. 1966). Das Bodendorfer Hin und Her in der Trassendiskussion fand in den Nachbargemeinden nicht nur Verständnis. Zwei Automobilclubs aus Ahrweiler und Bad Neuenahr drängten in offenen Briefen den Gemeinderat zu einer baldigen Entscheidung und empfahlen die Südtrasse mit dem Argument: »Mancher Besucher des Ahrtals, wenn er auf einer höher gelegenen Straße den anerkannt schönen Kurort Bodendorf sieht, wird diesen besuchen. Bei der Tiefstraße sieht der Verkehrsteilnehmer von Bodendorf nichts mehr, und dies dürfte doch wohl für einen Kurort von erheblicher Bedeutung
sein« (RZ und BR 26. 3. 1966). Selbst die Landesregierung, die bislang im Hintergrund geblieben war, griff jetzt ein und forcierte den Entscheidungsprozeß. Am 5. April besuchte Staatssekretär Dr. Eicher (Wirtschafts- und Verkehrsministerium) Bodendorf. Obwohl er angesichts der Südtrassenplanung meinte, »von einer Störung des Kurviertels oder der Landschaft könne hier keine Rede sein«, zog er den Vorschlag aus der Tasche, man könne einen Teil der alten B 266 absenken, die ebenerdigen Passagen aber weiterhin neben der bestehenden Straße belassen; Probleme gebe es allerdings mit dem Hauptsammelkanal des Abwasserverbandes »Untere Ahr« (RZ und BR 7. 4. 1966). Details werde das Straßenneubauamt ausarbeiten. Dessen überarbeitete Pläne stellten Behördenvertreter Anfang Mai dem Gemeinderat vor: Die Nordtrasse beanspruche 45 m für die Fahrbahnen und inclusive der Böschungen 85 – 90 m Breite; 2 Häuser kämen zum Abriß, eine Fußgängerüberführung binde die Bäderstraße an, die westliche Abfahrt werde verkleinert. Die Südtrasse liege 1,98 m über der Bäderstraße und besitze bei einer Fahrbahnbreite von 18.50 m eine Gesamtbreite -inclusive der Böschungen – von 30 m. Die Behörde bevorzuge die Südtrasse (RZ 6. 5. 1966).
Die Diskussion in der Gemeinde erlebte in den folgenden zwei Monaten einen Höhepunkt. Es kam zum heftigen Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der einen oder anderen Lösung. Als Staatssekretär Hamm, Nachfolger des inzwischen nach einer Landtagswahl zum Minister beförderten Dr. Eicher, Anfang Juni Bodendorf besuchte, erklärte ihm Bürgermeister Bauer, »3/4 der Bevölkerung neige zu der südlichen Linie entlang der Ahr. Für die alte B 266 wäre man, wenn diese so tief gelegt werden kann, daß bequeme Querüberführungen möglich sind« (BR9. 6. 1966). Am 22. Juni 1966 war es soweit: Der Gemeinderat versammelte sich erneut zur Beschlußfassung über die Trassenführung der B 266. Die vom Bürgermeister angefertigte Niederschrift über den Sitzungsverlauf hält lediglich Abstimmungsergebnisse fest: Letztendlich fielen 9 Stimmen auf die Südtrasse, 2 dagegen; 4 nicht abgegebene Stimmen wurden als Enthaltung gewertet. Die Presseberichte über die Sitzung vermitteln allerdings noch heute einen Eindruck von der Stimmung im Saal der Gaststätte Cholin (BR 23. und 24. 6. 1966, die folgenden Zitate aus RZ 24. 6.1966): Über 120 Bürger verfolgten den Streit um die »Sonderinteressen« einzelner Ratsmitglieder. Man hätte »zeitweilig glauben können, Zeuge einer Volksbelustigung zu sein. Mit Mitteln und Mätzchen wurde versucht, die entscheidende Abstimmung zu torpedieren … Die Ratsherren hielten sich gegenseitig Grundstücksbesitz und andere Interessen vor. Ich habe ein Grundstück, du hast ein Grundstück, er hat ein Grundstück. Bei diesem mußte das Grundstück der Schwiegermutter herhalten, bei jenem die gepachtete Pension. Die allgemeine Offenbarungsstimmung ging sogar soweit, daß ein Ratsherr bekannte, er gehe seit vier Wochen mit einem Mädchen und bitte, auch dieses Interesse zu prüfen.«
Nun hatte das Straßenneubauamt den Segen für seinen alten Vorschlag erhalten. Die Planer konnten davon ausgehen, daß ihre Überlegungen in absehbarer Zukunft Wirklichkeit würden. Bald würden die Autos mit 100 Sachen durch die Bodendorfer Ahraue brausen. Wirklich?
1973/74: »Nein« zur Südtrasse -»Ja« zur Nordtrasse
Im seit dem 8. 6. 1969 in allen Bodendorfer Angelegenheiten zuständigen Rat der Stadt Sinzig befanden sich zwar auch Mitglieder des alten Bodendorfer Gemeinderats; aber diese mußten sich fortan um die Belange der gesamten Stadt mit ihren fünf Stadtteilen kümmern. Man saß weniger als Vertreter Bodendorfs sondern mehr als Bodendorfer Mitglied einer überörtlichen Partei im Rat. Die meisten lokalspezifischen Wählergruppen boten für eine die heimatlichen Dorfgrenzen überschreitende Politik weder eine inhaltliche noch eine organisatorische Grundlage. Da viele ehemalige Gemeinderatsmitglieder der Wählergruppen nicht als Kandidaten einer Partei in den Stadtrat einziehen wollten, nahmen sie Abschied vom aktiven politischen Einsatz für ihren Heimatort, denn auch die Ortsbeiräte setzten sich nach dem Parteienproporz zusammen. Mit diesem völlig veränderten Verfahren der politischen Mitbestimmung sank bei den Ratsmitgliedern natürlich das Risiko der Verflechtung privater und öffentlicher Interessen. Die Diskussionen wurden sachlicher. Aber die Vielfalt der Bürgermeinungen auf lokaler Ebene, wie sie von den Wählergruppen erfaßt worden war, konnte nicht mehr repräsentiert werden. Der Abstand zwischen den Bürgern und ihren lokalen Repräsentanten wuchs. Das mußte andere Formen der politischen Meinungs- und Willensbildung zur Folge haben.
Im Mai 1970 befaßte sich der Stadtrat Sinzig im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum ersten Mal mit der B 266: Die auf den Plänen vorgesehenen Zugänge zu den Ackerflächen zwischen Sinzig, Bodendorf und Lohrsdorf seien zu niedrig und schmal; die Anbindung der alten Bundesstraße am Ostrand Bodendorfs über einen 7 m hohen Damm und eine Brücke über die neue Trasse beeinträchtige zu sehr das Landschaftsbild, man fordere eine Unterführung; die Bepflanzung der Südtrasse reiche als Lärmschutz für das Kurgebiet nicht aus (RZ 22. 5. 1970). Im Juni 1972, wenige Wochen nach der Bad-Erhebung Bodendorfs (12. 5. 1972), präzisierte die Stadt ihre Vorstellungen zum Lärmschutz, indem sie Dammschüttungen entlang der Trasse vorschlug. Im Herbst des gleichen Jahres erwarb die Münchener Firma Wetterstein (Dr. h. c. Hubmann) das Bodendorfer Kurgelände.
Abb. 1: Der Plan zu der vierspurigen »Südtrasse« fand sogar Eingang in die amtlichen Kartenwerke. Ausschnitt aus der TK 25000 Bl. 5409 (Vervielf. m. Genehmigung des LVA Rheinland-Pfalz, Az. 3.4062/393/80, durch Jürgen Haffke)
Die Sensation, manch einer empfand es eher als Skandal, ereignete sich am 1. Februar 1973. Bürgermeister Holstein berichtete dem Stadtrat über einen Erörterungstermin betreffs der Südtrasse bei der Planungsbehörde. Für die Öffentlichkeit völlig überraschend beschloß daraufhin der Stadtrat einstimmig die Aufhebung des Südtrassen-Beschlusses vom 22. Juni 1966 und sprach sich für den Bau einer um 4 m tiefergelegten Nordtrasse aus. Hauptargument für den Sinneswandel: Der Lärmschutz des Kurgebietes sei durch die vorgesehenen Maßnahmen an der Südtrasse nicht gewährleistet. Auch der Bodendorfer Ortsbeirat sei deshalb gegen die Südtrasse (RZ 1. 2. 1973, Bericht Bgm. Holstein v. 2. 2. 1973, RZ 3. 2. 1973). So verständlich dieses Argument grundsätzlich war (und ist), es erklärte nicht den plötzlichen Entscheidungsdruck für den Rat. Die Vermutung lag nahe, die Firma Wetterstein habe ihr gewaltiges Investitionsvorhaben im Bodendorfer Kurgebiet (siehe RZ 8. 9. 1972, 27728. 1. 1973!) auch von einem Änderungsbeschluß in dieser Frage abhängig gemacht. Neben dem Einspruch der Stadt und dann auch Wettersteins waren bis zum November des Jahres 40 weitere Einsprüche gegen die Südtrasse beim Straßenneubauamt eingegangen (BR24. 11. 1973).
In Bodendorf erlebte man eine Neuauflage der Diskussion von 1965/66. Die Argumente pro und contra waren fast die gleichen geblieben, nur die Akteure und die Form der Auseinandersetzung hatten gewechselt. Vor allem die Anlieger der bestehenden B 266, die nach 1966 dort gebaut hatten, fühlten sich geprellt. Dem Beispiel vieler anderer Orte folgend gründeten sie und weitere Gegner des Ratsbeschlusses eine »Bürgerinitiative«, die ihre Forderung nach Aufhebung des Beschlusses nicht nur mit Leserbriefen in der Lokalpresse sondern auch mit Flugblättern und einer Unterschriftensammlung zu untermauern suchte. Allerdings nutzten auch die Befürworter des Ratsbeschlusses das in Bodendorf neue Mittel »Bürgerinitiative«. Sicherlich wurden diese bisher ungewohnten Formen der politischen Willensbildung vom starken Wachstum Bad Bodendorfs begünstigt. Gegenüber 1961 zählte man jetzt fast doppelt so viele Einwohner (1974: 2226 E.). In anderen gesellschaftlichen und politischen Traditionen stehende Neubürger engagierten sich in beträchtlichem Maße in beiden Initiativen. Dagegen traten die Hauptakteure von 1965/66, obwohl es um die gleiche Frage ging, kaum mehr offen in Erscheinung. Hatten sie resigniert, oder war ihnen der Stil der neuerlichen Auseinandersetzung fremd? Auch die Ratsparteien taten sich zunächst mit dieser Konstellation schwer.
Neu ins Gespräch kam bei einem »SPD-Frühschoppen« der Vorschlag, die Nordtrasse als 1 km langen Tunnel zu bauen, womit beide Bürgerinitiativen zufrieden gewesen wären (RZ u. BR 12. 5.1973). Dagegen verschwand die Idee einer »Bergtrasse« über die nördlichen Talhöhen und den Reisberg wieder schnell – wie schon 1963. Sicherlich wäre auch die Bürgerinitiative »Rettet den Reisberg«, die sich zur gleichen Zeit gegen die von Remagen erwogene Wohnbebauung dort richtete, über eine solche »Bergtrasse« nicht begeistert gewesen (BR 14. 1.1974, RZ 15. 1. 1974). Die »Tunnellösung« hielt sich jedoch in der Diskussion. Mitte August 1973 in den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit geraten, war Wetterstein bald darauf nur noch Konkursmasse für die Gläubiger. Dennoch fand sich ein Vorschlag des Unternehmens zur Trassenfrage noch im Dezember auf dem Tisch des Stadtrates, neben zwei weiteren Varianten (RZ 21. 12. 1973). Die ursprünglich für diese Sitzung vorgesehene Abstimmung über die Trassen bat die SPD-Ratsfraktion zu vertagen, da sie sich noch einmal mit eigenen Fachleuten über die Varianten beraten wolle. CDU und Freie Wählergruppe hatten sich schon für eine Nordtrasse ausgesprochen, unter anderem auch deshalb, weil die Südtrasse ein Zusammenwachsen Sinzigs mit Bodendorf erschwere.
Ein für den 11. Januar 1974 anberaumtes »SPD-Bürgergespräch« im Bodendorfer Winzerverein, dem dann rund 150 Zuhörer beiwohnten, sorgte für einen gewissen Schlußpunkt der öffentlichen Diskussion. Früher hatte man sich nur auf Ratssitzungen aus erster Hand informieren können, dieser Veranstaltungstyp war neu im Ort. Alle Seiten kamen noch einmal zu Wort (BR 14. 1. 1974, RZ 15. und 16. 1. 1974).
Auch wenn die CDU der SPD vorwarf, die Vertagung der Abstimmung sei nur aus taktischem Kalkül erfolgt – Kommunalwahlen standen demnächst an – alle Parteien und Gremien der Stadt nutzten die gewonnene Zeit zu weiteren intensiven Gesprächen mit der Planungsbehörde und den zuständigen Ministerien. Der daraus entstandene Beschlußvorschlag der Stadt ging über die Forderungen vom Dezember 1973 erheblich hinaus und übertraf selbst noch den Vorschlag der Firma Wetterstein: Ein Nordtrassentunnel »im gesamten Bereich der vorhandenen angrenzenden Bebauung«! Nachdem am 24. Januar 1974 der Bodendorfer Ortsbeirat die Südtrasse »endgültig« abgelehnt hatte, kam es am 4. Februar 1974 zur entscheidenden Abstimmung des Stadtrats: Mit den 18 Stimmen der CDU, Freien Wählergruppe und eines SPD-Mitglieds bei 4 Nein-Stimmen und einer Enthaltung unter den übrigen SPD-Mitgliedern forderte der Rat der Stadt Sinzig für seinen Stadtteil Bad Bodendorf einen Nordtrassentunnel (RZ und BR 6. 2.1974, Beschlußvorschlag, RZ 13. 2. 1974). Wieder waren »in spannungsgeladener Atmosphäre« die Würfel gefallen.
Im Februar 1973 hatte zwar der Änderungsbeschluß des Sinziger Stadtrats die lokale Diskussion um die Trassenführung ausgelöst, aber auch ohne diesen Akt wäre das Thema wenige Wochen später in die Schlagzeilen geraten. Die Arbeitsgruppe »Verkehrslösung Bonn«, der Vertreter des Bundes, des Landes NRW, der Bundesbahn, Bonns und des Rhein-Sieg-Kreises angehörten, verlangte die Fertigstellung einer vierspurigen B 266 bis Ende 1974; dann sei nämlich die neue linksrheinische Autobahn von Norden bis zur Anschlußstelle »An den Ulmen« in Bad Neuenahr-Ahrweiler befahrbar (BR 14. 4. 1973, RZ 27. 4. 1973).
Aber auch im Ahrtal selbst hörte man Stimmen, die sich für einen sofortigen Ausbau der B 266 einsetzten. Anläßlich des Baubeginns an der Ahrtalbrücke der A 61 am 7. Mai 1973 wiesen Demonstranten vor allem aus Bad Neuenahr und Heppingen auf die drohende Überlastung der B 266 mit ihren engen Ortsdurchfahrten hin, wenn die A 61 im Frühjahr 1974 Bad Neuenahr erreicht habe. Dann werde die B 266 nämlich zu einer Ausweichmöglichkeit für den B 9-Verkehr, über dessen Aufkommen schon jetzt Mehlem und Bad Godesberg stöhnten. Bonn wolle dann die B 9 zudem für den Lastverkehr sperren (RZ 8. 5. 1973). Viel schneller als befürchtet erhielten die Demonstranten mit ihrer Prognose Recht. Schon zwei Wochen später gab die NRW-Verkehrsbehörde bekannt, ab dem 6. Juni 1973 werde die B 9 für den gesamten Lastverkehr (über 7,5 t) gesperrt; dieser werde über die B 266 bis zur an jenem Tage eröffneten Anschlußstelle der A 61 bei Gelsdorf umgelenkt (RZ 19. 5. 1973). Obwohl die damit herausgeforderten Proteste besonders Bad Neuenahrs den Erfolg hatten, daß der Lastverkehr großräumig auf die rechtsrheinische Autobahn geleitet wurde, stieg der Verkehr auf der B 266 deutlich an (RZ 21., 30. 5., 6., 12. und 27. 6. 1973). Drei Tage vor dem Sinziger Beschluß für einen Nordtrassentunnel gab der zuständige Landes-verkehrsminister Holkenbrink am 1. Februar 1974 in Ahrweiler bekannt, der Bau der Stadtumgehung Ahrweilers habe Vorrang vor Bodendorf. Dennoch, die Rheinbrücke bei Rema-gen werde möglicherweise eher als bisher erhofft gebaut, um den Bonner Verkehr zu entflechten. Diese Maßnahme müsse den »forcierten Ausbau der B 266 zur Folge haben« (RZ4. 2. 1974).
Das Straßenneubauamt denkt um (1974-1986)
Während der folgenden Jahre (1974-1976) lenkte der spektakuläre Bau der Ahrtalbrücke die Aufmerksamkeit auf sich. Die eher staunen den als empörten Einheimischen beobachteten, wie das rasante Wachstum der Brückenpfeiler das vertraute Bild der Ahrlandschaft nachhaltig veränderte. Bezeichnend ein Bericht in der Presse (BR 5. 9. 1974): »Gesprächsweise äußern sich die Anwohner mit leiser Resignation, wenn sie auf das äußere Bild der Landschaft angesprochen werden. Lauter wurde der Protest schon in Heimersheim, wo stellenweise der Fernsehempfang durch die Brückenpfeiler gestört wurde.« Um die Trassenführung der B 266 in Bodendorf wurde es nach dem Stadtratsbeschluß von 1974 einige Jahre lang ruhig. Das Bundesfernstraßengesetz von 1976 ordnete das Projekt der Priorität II zu, was bedeutete, »eine Realisierung ist aus heutiger Sicht nicht abzusehen« (Sinziger Zeitung = SZ 25. 10. 1979). Im Januar 1977 wies Minister Holkenbrink wieder auf die Notwendigkeit eines vierspurigen Ausbaus der B 266 hin, schloß aber den Bau einer Nordtrasse in Bodendorf aus Kostengründen aus. Er trete nach wie vor für die Südtrasse ein (RZ 20. 1. 1977). Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Der Sinziger Stadtrat verabschiedete einstimmig eine Resolution gegen die Südtrasse, deutete aber seine Bereitschaft an, über eine offene, tiefergelegte Nordtrasse statt der Tunnellösung mit sich reden zu lassen (RZ 19.3.1977). Dieses Angebot erneuerte W. Graf Spee für die Sinziger CDU im November des Jahres (SZ 16. 11. 1977). Im Gefolge des Kommunalwahlkampfes 1979 gab es einige Äußerungen, welche an der Notwendigkeit des Ausbaus der Straße überhaupt zweifelten (SZ 30. 8., 13. und 27. 9., 25. 10. 1979). Die CDU-Ratsfraktion beschwerte sich »über geistige Trägheit der Planungsbehörden« und »festbetonierte Behördenmeinungen« und stellte fest, eine offene Tieferlegung der Nordtrasse im Ortsbereich, »möglicherweise unter Verengung der Fahrbahn bei einzuführender Geschwindigkeitsbegrenzung«, reiche aus (SZ 11. 10. 1979).
Im siebten Jahr nach dem Stadtratsbeschluß, 15 Jahre nach den Bemühungen des Bodendorfer Gemeinderats, geschah es dann doch: Auch das Straßenneubauamt bevorzuge jetzt die Nordtrasse, informierte Bürgermeister Holstein den Rat im Dezember 1980 (RZ 12. 12. 1980). In Zusammenarbeit der Behörde mit einem von der Stadt bestellten Gutachter (Dr. Hartog) entstand 1981/82 ein gegenüber den 1973/74 diskutierten Nordtrassen-Plänen modifizierter Vorschlag. Dieser legte den geplanten Hauptanschluß für Bodendorf an die Ostseite des Ortes. Daran schließt eine direkte Zufahrt zum Kurgebiet an. Westlich Bodendorfs soll eine Halbanbindung eingerichtet werden. Im Ortsbereich wird die Trasse 3,50 – 4 m tief verlaufen und von einer Bahnhof- und Bäderstraße verbindenden Brücke überquert. Nachdem die CDU im Juli 1982 u. a. diesen Plan bei einem Informationsabend im voll besetzten Saal der Gaststätte Cholin der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, entschied sich der Stadtrat am 17. Dezember 1982 einstimmig für die geschilderte Version (RZ 24. 7. 1982, SZ 27. 7. 1982, RZ und SZ 22. 12. 1982).
Im Rahmen des raumplanerischen Verfahrens beriet der Rat Ende November 1985 die inzwischen genauer ausgearbeiteten Pläne des Straßenneubauamtes. Die Behörde hat die Absicht, zunächst nur einen zweispurigen Anschluß der heutigen B 266 an die Auffahrt bei Ehlingen zu bauen. Dagegen fordern alle Ratsfraktionen – außer den zwei Vertretern der Grünen -, den tiefer zu legenden Abschnitt im Ortsbereich sofort in das Planverfahren mit aufzunehmen, »um die befürchtete Zunahme der Verkehrsgefahren an der Kreuzung Bäderstraße sowie die Zunahme der damit verbundenen Umweltbelastung an dieser Stelle zu verhindern« (SZ 28. 11. 1985). Anläßlich der jährlichen Bürgerversammlung in Bad Bodendorf wiederholten Bürgermeister Hesch und Ortsvorsteher Dr. Seel diese Forderung, weil der Bau der Tief läge nicht »mehr oder weniger bis zum >St. Nimmerleinstag< hinausgeschoben werden soll« (SZ 6. 2. 1986). Die Kritik an dem gesamten Bauprojekt, geäußert von einem Grüne-Mitglied des Ortsbeirats (SZ 6. 2. 1986), gleicht in wesentlichen Punkten der Meinung der CDU-Ratsfraktion vom Oktober 1979: Kein vierspuriger Ausbau der B 266, Tempolimit im Ortsbereich. Er rief dazu auf, »den Wahnsinn in vernünftigen Grenzen zu halten«, denn: »Noch rollen die Bagger nicht, Zeit ist genug!«
Daß sich 1986 die Voraussetzungen für das gesamte Projekt des Ausbaus der B 266 grundlegend geändert haben, wurde zunächst von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Was 1965 Politikermund eine »lebenswichtige Ost-West-Verbindung« nannte, was 1973 »so schnell wie möglich zu finanzieren und zu bauen« war, das ist 1986 gänzlich verschwunden! Der jüngste Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen hat das Vorhaben einer Querspange zwischen rechts- und linksrheinischer Autobahn mit einer Rheinbrücke bei Remagen vollständig gestrichen! Die B 266 soll lediglich die B 9 mit der A 61 verbinden, was sie ja seit 1975 tut. Der Tieferlegung der Nordtrasse in Bodendorf hat man die Dringlichkeit »Stufe II: Planungen« gegeben; das bedeutet, daß – aus heutiger Sicht – an eine Realisierung erst nach der Jahrtausendwende gedacht ist. Ob sich diese Terminierung bis zum nächsten Bedarfsplan 1990 wieder ändert, bleibt fraglich.
Fazit
Gegenüber den 60er Jahren hat sich heute der Abstand zwischen Bürgern und politischen Repräsentanten auf lokaler Ebene eindeutig vergrößert. Das liegt nicht allein in der kommunalen Gebietsreform von 1969 begründet, auch wachsende Einwohnerzahlen, bedingt vor allem durch Zuzug, verändern zwangsläufig die Möglichkeiten, bürgernah Politik zu gestalten. Im Lauf der 70er Jahre haben die Parteien und die kommunale Verwaltung allmählich erkannt, daß nur durch verstärkte Information in der lokalen Presse und bei eigenen Veranstaltungen dieser »Entfremdung« zu begegnen ist. Das Interesse an derartigen Informationen ist vorhanden, wie auch die beträchtliche Ausdehnung der lokalen Berichterstattung in den Tageszeitungen des Kreisgebietes zeigt. Erfreulich ist, daß neben der Koblenzer »Rhein-Zeitung« und der in Köln hergestellten »Bonner Rundschau« auch der Bonner »General-Anzeiger« zunehmend aus dem Kreis Ahrweiler berichtet. Eine Ausnahmestellung – nicht nur für den geschilderten Fall »B 266« – nimmt die alle 14 Tage erscheinende »Sinziger Zeitung« ein, die keine von eigenen Redakteuren verfaßten Artikel widergibt; sie ermöglicht Stellungnahmen und Meinungen von Bürgern, Parteien, Verwaltung, Vereinen und Kirchen zu lokalen Themen eine weite Verbreitung im Stadtgebiet, gewissermaßen ein »gedruckter Hyde Park«. Was früher nur die Theke der Dorfgaststätte und/oder das Schwätzchen beim Einkauf leisteten, findet so eine Ergänzung in schriftlicher Form auch über die Grenzen der alten Gemarkung hinweg – für die Lokalgeschichte eine Fundgrube ersten Ranges.
Abb. 2: Die 1982 beschlossene Nordtrassen-Variante aus dem Gutachten Dr. Hertog: vierspurig, im Bereich Bahnhof-/Bäderstraße tiefergelegt, mit Auf- und Abfahrten westlich und östlich des Ortes, neue Verbindung zum Kurgebiet durch die Ahraue. Der eingetragene Vorschlag einer zweiten Ahrbrücke ins Kurgebiet hat sich ebensowenig durchgesetzt wie die markierten Fußgängerzonen
Es liegt im Wesen der thematisch begrenzten »Bürgerinitiativen«, daß ihr Bestand nur vorübergehender Natur ist. Aber die Parteien rekrutieren gerade aus diesen Gruppen aktiver Bürger neue Mitglieder, die sich oft überdurchschnittlich in der Lokalpolitik engagieren. Leisten Bürgerinitiativen, die besonders von Neubürgern häufig ihre entscheidenden Impulse erhalten, auf diese Weise einen Beitrag zur politischen Integration der Zugezogenen, so ist nicht zu verkennen, daß die alteingesessene Bevölkerung sich eher aus der Lokalpolitik zurückzieht. In schnell wachsenden Gemeinden wie Bad Bodendorf, dessen Einwohnerzahl inzwischen bei 3017 (30. Juni 1986) liegt und sich damit gegenüber dem Beginn der Straßendiskussion 1962 fast verdreifacht hat, sind die »Eingeborenen« heute in der Minderheit. Das bodenständige Element der Lokalpolitik, die enge Verwurzelung mit dem Heimatort in familiärer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, die noch in der Zusammensetzung der Gemeinderäte vor 1969 spürbar waren, sind abgelöst worden von einer Entwicklung, deren wesentliche Merkmale auf der einen Seite eine größere Mobilität, auf der anderen Seite ein Rückzug ins Private zu sein scheinen. Viele Einwohner verlassen ihren Wohnort zur Arbeit, zum Einkauf, zur Bildung und zur Erholung und reduzieren damit ihren Aufenthalt zu Hause auf den geringeren Teil des Tages. Ist man dann überhaupt noch »zu Hause«, bildet der Wohnsitz auch die »Heimat«? Mit dem Wachstum der Gemeinde wird das gesellschaftliche Gefüge für viele Alteingesessene unübersichtlicher, nicht nur Kurgäste sondern auch Neubürger erlebt man jetzt als »Fremde«. Für viele Neubürger bedeutet der Umzug in einen Ort mit 3 000 Einwohnern dagegen ein Wechsel in überschaubare, gesellschaftlich recht homogene Verhältnisse. Was die einen vielleicht abschreckt, sich in der Gemeinde politisch zu engagieren, regt die anderen eher an. Daß sich unter derart gewandelten Verhältnissen der Wirtschafts- und Sozialstruktur einer Gemeinde auch die Beziehungen zwischen den Bürgern und ihren lokalpolitischen Repräsentanten in den Gemeinde- und Stadträten verändern, ist da nicht mehr verwunderlich.
Hat sich das Verhältnis zu überregionalen Behörden gewandelt? So wie man durch vermeintliche Sachzwänge in den 60er Jahren den Bodendorfer Gemeinderat zu ihm widerstrebenden Beschlüssen gedrängt hat, das ließe ein heutiger Stadtrat (hoffentlich!) nicht mehr mit sich machen. Demzufolge scheint die Einflußmöglichkeit lokaler Politik etwas größer geworden zu sein. Die wachsende Einbeziehung der Bürger und Räte schon in Frühphasen des Planungsprozesses, die der Gesetzgeber den Behörden zunehmend zur Auflage macht, möchte die Bedeutung lokaler Demokratie verstärken, was man nutzen sollte.
Informationen und zahlreiche Gespräche zwischen Bürgern, Räten und Behörden sind wohl auch zukünftig die wichtigste Grundlage lokaler Demokratie.