Eine Dampfmaschine auf Abwegen . . .
Arnim Franke
Wenn das der schottische Mechaniker James Watt gewußt hätte … Da steht so ein schnaufendes, ächzendes Ungetüm namens Dampfmaschine inmitten einer gemütlichen Bierkneipe, nicht um Arbeit zu verrichten, sondern lediglich von den anwesenden Gästen bewundert zu werden. So etwa stellt sich Andreas Geschier die Zukunft der firmeneigenen und noch tadellos funktionierenden Dampfmaschine vor.
In der Vergangenheit leistete die Maschine aus dem Jahre 1905 dem alteingesessenen Ahr-weiler Sitz- und Polstermöbelunternehmen Georg Geschier u. Söhne KG wertvolle Dienste. Bis 1961 versorgte die in den dreißiger Jahren von der Trierer Paulinus-Druckerei erworbene Maschine mit immerhin 125 Pferdestärken den Betrieb mit Strom. Diese Eigenversorgung endete, als das Unternehmen schließlich Kunde des RWE wurde.
Alle in der Firma anfallenden Holzabfälle – und davon gab es aufgrund des Polstergestellbaus reichlich – wurden in einem Hochdruckkessel verfeuert. Noch heute erzeugt der Kessel mit einem Druck von 10,4 atü Dampf, der in die Dampfmaschine befördert wird. Der Dampf setzt einen Kolben in Bewegung, der wiederum ein eisernes Schwungrad in Drehung bringt. Das Rad versorgt mittels eines Treibriemens den Generator mit Energie, die schließlich in Strom umgewandelt wird.
Auf diese im Prinzip recht einfache Art und Weise ließen sich sämtliche Maschinen und Beleuchtungskörper mit Energie versorgen. Bevor die Stromerzeugung über den Generator erfolgte, waren alle Maschinen durch Transmissionswellen mit dem Schwungrad der Dampfmaschine verbunden. Selbst den Abdampf der Maschine wußte man zu nutzen -etwa für die Trocken- oder Biegedämpfkammern.
Eine unverhofft wichtige Bedeutung über den Firmenbereich hinaus erlangte die Dampfmaschine zu Ende des Zweiten Weltkrieges. Als die Stromversorgung zusammengebrochen war, versorgte sie alle lebenswichtigen Einrichtungen des unteren Teils der Stadt Ahrweiler mit Strom. Dazu gehörten u. a. das Krankenhaus und Bäckereien.
So rankt sich um dieses Relikt aus einem längst vergangenen Industriezeitalter so manches Histörchen. Die Dampfmaschine verdeutlicht aber auch den Prozeß der Industriealisie-rung und dessen rasante technische Entwicklung.
Heute ist der Betrieb jener Maschine, die weiland gute Dienste tat, unrentabel geworden. Allein für die Überwachung des Kessels, und des ständigen laufenden Betriebs der Dampfmaschine war Personal vonnöten, das im Laufe der Jahre hohe Kosten verursachte. Um den enormen Bedarf an Dampf zur Energie-und Wärmegewinnung zu decken, mußte der Kessel stets auf vollen Touren gefahren werden. Ein Heizer hatte deshalb von morgens bis abends für Heizmaterial zu sorgen. Zählt man die ständige Überwachung und Steuerung der Maschine hinzu, so galt es, eine Arbeit zu verrichten, die nicht nur anstrengend war, sondern auch höchste Aufmerksamkeit erforderte. Zur Erhaltung der Dampfmaschine und ihrer Funktionstüchtigkeit ist nach Aussage von Andreas Geschier ein Dampfautomat notwendig, dessen Anschaffung etwa 30 000 Mark erforderte. Geschier junior hofft auf Zuschüsse von Stadt und Kreis. Dies ist allemal überlegenswert, handelt es sich hierbei doch um ein Stück Industriegeschichte.
Immerhin: Selbst wenn die altehrwürdige Dampfmaschine in Zukunft ein Kneipendasein fristen sollte, es wäre nicht das Schlechteste.
Hinzu gesellten sich alte Fabrikleuchten, Biegemaschinen und andere stumme Zeugen vergangener Zeiten.
Diese Kuriosität ist Bestandteil eines Planes, mit dem das weitflächige Betriebsgrundstück, nahe der historisch gewachsenen Altstadt Ahr-weiler gelegen, neuen Nutzungsmöglichkeiten zugeführt werden soll. Die Realisierung dieses Konzeptes soll nicht zuletzt helfen, verlorengegangene Käuferschichten in den Stadtteil Ahr-weiler zurückgewinnen, da die Nähe zum pittoresken Altstadt-Teil und die Attraktivität neuer Angebote für eine Geschäftsbelebung sorgen dürften.
Mit einem Dampfdruck von 10,4 atü wird der Kolben in Bewegung gesetzt, die Kraftübertragung vom Schwung-
rad zum Generator erfolgt über einen Treibriemen