Beten und Arbeiten
Männer aus dem Kreis Ahrweiler lebten als Benediktiner in der Abtei Maria Laach
P. Dr. Emmanuel v. Severus OSB
Beständigkeit schafft Heimat
Das erste der Gelübde, mit dem ein Benediktiner sein Leben Gott weiht, heißt »Beständigkeit«. Sein reicher Inhalt kann weder von seinem Ursprung in der Bibel noch von seiner Verwirklichung im Leben des einzelnen Mönches und seiner klösterlichen Gemeinschaft mit wenigen Worten erschöpfend beschrieben werden. Ein Element seines Inhalts ist in unserer von Beweglichkeit, Tempo und Freizügigkeit geprägten Gegenwart von besonderer Bedeutung. Es bindet den Mönch unverbrüchlich an das Fleckchen Erde, auf das sein Kloster gegründet ist, und wo er den Sinn seines Lebens in Kirche, Staat und Gesellschaft finden und verwirklichen soll.
Darum hat dieses Gelübde für den Mönch neben der Verpflichtung auch diese Gabe bereit: es schenkt Heimat. Deshalb haben die Geschichtsschreiber der benediktinischen Klöster in diesem Gelübde auch stets den Samen gesehen, der keimkräftig in Europa viele Früchte hervorgebracht hat: eine Kultur, in der die Werte der klassischen Antike der Welt erhalten blieben und den jungen germanischen Völkern des Mittelalters vermittelt wurden. Eine vielfältige Sachkultur, die immer dann entsteht, wenn der Mensch seßhaft wird und durch Acker-, Garten- und Weinbau die urwüchsige und oft wilde Natur zur Landschaft verwandelt. Eine Kunst, mit der den Bauwerken für den Gottesdienst und für die Siedlung der Menschen neben der Zweckmäßigkeit und über sie hinaus Schönheit geschenkt wird.
Diese und andere Segensgaben der Beständigkeit bezeugen die Klöster am Rhein und an der Mosel, an Nahe und Ahr, in der Eifel und auf dem Hunsrück. Aus der Landschaft der Klöster, ihrer Umwelt kommt auch die Mehrzahl der Menschen, die sie bewohnen. Zwischen der natürlichen Heimat unserer Dörfer und Städte entsteht dann ein fruchtbarer Lebensaustausch.
Von einigen dieser Männer soll auch das Heimatjahrbuch berichten, die aus dem Gebiet des Kreises Ahrweiler stammten – von tüchtigen Gelehrten und unermüdlichen Seelsorgern, arbeitsamen Bauern und Handwerkern, stillen und bescheidenen Betern. Aber es gab, wie stets im menschlichen Leben, auch Fügungen und Führungen auf verschlungenen Wegen. Jedoch erwies Gott sich auch im Leben von ideal gesinnten und hochbegabten frommen Mönchen als der, von dem der Dichter sagt, er schreibe auf krummen Linien gerade.
P. Bruno Albers aus Adenau
Das gilt sicher von einem Gelehrten, dessen an dieser Stelle zuerst gedacht werden muß, dem in Adenau am 29. Juni 1866 geborenen Paul Maria Albers. Wenn die nun von Professor H. Rollmann an der Memorial University of New-foundland, St. John’s Nfld in Canada begonnenen Untersuchungen über ihn nichts Neues zutage fördern sollten, wissen wir von ihm nur wenig.
Albers trat 1887 in Beuron im Donautal ein, da Maria Laach noch nicht wieder besiedelt war. Am Allerheiligentage 1888 legte er dort seine ersten Gelübde ab und wurde am 14. September 1892 zum Priester geweiht. Seiner Begabung entsprechend begann er, wie andere Mönche der Beuroner Benediktinerkongregation, sein spannungsreiches Gelehrtenleben auf einem Forschungsgebiet, das z. T. an die gelehrte Tätigkeit vergangener Jahrhunderte anknüpfte, z. T. aber auch im Deutschland der
Jahrhundertwende vor einer neuen Blüte stand: es galt, die Lebensformen der Mönche vor dem heiligen Benedikt aufzuhellen, der durch seine nach 530 geschriebene Regel zum Vater des abendländischen Mönchtums und einem der Mitbegründer Europas werden sollte. Es galt vor allem, die unendlich vielen Bräuche zu sammeln, zu ordnen und zu erläutern, mit denen die Benediktiner das Haus eingerichtet hatten, das Benedikt ihnen in seiner Regel gebaut und hinterlassen hatte.
Dem jungen P. Bruno, wie Albers nun hieß, schien das Forschungsgebiet wie ein „undurchdringliches Dickicht«, wie er selbst dies ausdrückte. Seine Mühen, hier einen Pfad zu finden, führten zwar ebensowenig zu einem befriedigenden Gesamterfolg wie bei seinen großen Vorgängern im 17. und 18. Jahrhundert; aber die in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts durch K. Hallinger wieder aufgenommene Forschung muß doch P. Albers immer wieder nennen. Da ihm die modernen Arbeitsmethoden mit Film und elektronischer Technologie nicht zur Verfügung standen, geriet P. Albers gerade mit der gelobten Beständigkeit in seinem Mutterkloster in schwierige Konflikte. So trat er 1905 in das benediktinische Stammkloster Monte Cassino über, hielt sich in den italienischen Abteien Cava und Farfa auf und erregte vielfach durch seinen Ernst, das für ihn typische Gefühl für Pünktlichkeit und Ordnung bei den italienischen Mitbrüdern Staunen, bei der Bevölkerung, zu deren Seelsorge man seinen Dienst oft in Anspruch nahm, Ablehnung. So kam er wieder über die Alpen und arbeitete in belgischen und deutschen Klöstern, ohne daß wir allerdings heute seine Reisen und Aufenthalte im einzelnen feststellen können. Ein 1902 veröffentlichter Aufsatz ist von Maria Laach aus datiert und die gleichgerichteten Interessen, aber auch die seelsorgliche Güte des weitblickenden nachmaligen Abtes lldefons Herwegen (Abt von 1913 – 1946) verhalfen ihm zu einer neuen Geborgenheit im Dienste der Erzdiözese Köln und als Lehrer an höheren Schulen im Rheinland, zuletzt in Siegburg. Man kann heute nicht ohne Schmunzeln lesen, wie gerade die Eigenschaften, die ihn die Sympathien der Italiener nicht gewinnen ließen, ihm in der preußischen Rheinprovinz zu Ansehen und Anerkennung verhalfen. Albers vergaß aber auch als Priester eines Bistums und Pädagoge seine erste Liebe nicht. Nach wie vor arbeitete er als Philologe an der Interpretation der Regel Benedikts, und häufte, im Ruhestand noch als Hausgeistlicher in Pützchen bei Bonn tätig, Zettel auf Zettel, um sprachliche Parallelen, Textverschiedenheiten und mögliche Überlieferungsrinnsale in sein Exemplar der Benediktregel einzutragen, das er zu diesem Zweck mit Blankopapier hatte durchschießen lassen.
So begegnete ihm der Schreiber dieser Zeilen während seiner Bonner Studienjahre, als er dem soviel jüngeren Benediktiner seinen Herzenswunsch eröffnete, in Beuron wenigstens eine ruhige Stätte zu finden, um zu verwirklichen, was der Mönchsvater Benedikt jedem seiner Schüler empfiehlt: »Die Ankunft des Todes täglich erwarten.« Wieder war es Abt Herwegen, der für ihn bat und erreichte, daß Bruno Albers, wenn auch nicht als Mönch im Vollsinne, so doch als willkommener Hausgenosse ab 7. September 1939 wieder in Beuron leben konnte. Dort starb er, gebrechlich und krank, am 19. März 1941, wo er 54 Jahre vorher mit der Bitte um die brüderliche Gemeinschaft sein Klosterleben begonnen hatte.
Br. Castor Dahm aus Engeln
P. Bruno Albers hatte in Adenau noch nicht das Licht der Welt erblickt, da war im Dörfchen Engeln bei Weibern bereits der kleine Joseph Dahm geboren, der schon in frühen Jahren gerne Franziskanerbruder auf dem Apollinarisberg geworden wäre, dem Wallfahrtsheiligtum unweit der Mündung der Ahr in den Rhein, das von jeher einen besonderen Platz in den Herzen der Ahrtalbevölkerung hatte und auch heute noch hat. Die familiären Verhältnisse – der frühe Tod des Vaters, Verlust eines Bruders und zweier Schwestern – ließen dies jedoch nicht zu: der 17jährige mußte der Mutter helfen, den kleinen Bauernhof zu bewirtschaften, um sie und noch zwei Schwestern durchzubringen. Und da unterdessen in Laach 1892 neues Leben erstanden war, trat er nach Ordnung der häuslichen Verhältnisse dort ein. Zwar ging sein Wunsch, hundert Jahre alt zu werden, nicht in Erfüllung, aber als Br. Castor lebte immerhin noch 70 Jahre im Kloster und entwickelte sich zu einem klösterlichen Original im besten Sinne. Denn obwohl er nie aus dem engsten Kreise seiner Heimat herauskam, war er beweglichen Geistes und an den vielen Arbeitsplätzen, an die er gestellt wurde, geradezu erfinderischen Verstandes und mit einer gewissen Schläue stets darauf bedacht, die Arbeitsvorgänge im klösterlichen Alltag durch technische Verbesserungen zu erleichtern und zu rationalisieren. Kindliche Frömmigkeit zeichnete ihn aus. Nicht ohne Stolz konnte er auf 6 Päpste, 4 Äbte, 4 Staatsformen und 2 Weltkriege hinweisen, die er erlebt hatte und die er alle in seiner Fürbitte eingeschlossen hatte. Bei all dem war Br. Castor von großer Unbefangenheit und unterhielt sich offen und nicht ohne ein gewisses Selbstbewußtsein mit Kardinalen ebenso frei wie mit den Menschen seiner Heimat. Er wußte, was die brüderliche Gemeinschaft des Klosters ihn hatte werden lassen: ein brauchbarer Bruder. Die Mitbrüder schätzten ihn, der überall ein bereitwilliger Helfer und Arbeiter, aber auch ein großer Beter war. Nicht nur im Gottesdienst, sondern als Kräutersammler, als Helfer auf der Mühle und in der Imkerei, im Fotoatelier und in der Buchbinderei und bei der Hausarbeit, bei der ihn bis zu seinem Tode im 98. Lebensjahr immer noch die Erfindung einer Teppichklopfmaschine beschäftigte.
Br. Castor Joseph Dahm, eb. 28.2.1865 in Engeln, gest. 6.1.1962 in Maria Laach
Br. Benno Linden aus Heppingen
Zwanzig Jahre jünger als Bruder Castor Dahm und schon vierzehn Jahre vor ihm aus dieser Welt gerufen, war ein anderer Mönch aus dem Ahrtal: Andreas Linden aus Heppingen, der 44 Jahre in der Laacher Klostergemeinde lebte. Auch in seinem Werdegang spielt der Name Apollinaris eine Rolle, freilich nicht im Zusammenhang mit dem heiligen Wallfahrtsberg, sondern mit dem Wasser, aus dessen Quelle die Welt trinkt. Denn als er den Wunsch hatte, in ein Kloster einzutreten, wie schon drei seiner Schwestern aus der siebenköpfigen Geschwisterschar, war er für den so ernsten Schritt noch zu jung. So suchte er auf der Buchhaltung der Firma Apollinarisbrunnen kaufmännische Kenntnisse zu erwerben.
Als er 1904 siebzehnjährig bei den Mönchen anklopft, war es nicht einfach, für den sehr nach innen gekehrten und körperlich nicht robusten jungen Mann eine angemessene Tätigkeit zu finden. Aber bescheiden und anspruchslos war Br. Benno, wie er nun hieß, der geborene Diener – sei es nun bei den Ehrendiensten der feierlich begangenen hohen liturgischen Feste in der altehrwürdigen Laacher Basilika, sei es in den häuslichen Arbeitsbereichen, unter denen er 1922 die Leitung der Weißnäherei übernahm. 1933 kam zu dieser von ihm umsichtig verwalteten Aufgabe als Ausgleich noch die Pflege der Bienenvölker hinzu, eine Arbeit, die ihm auch in bescheidenem Maße Kontakt zur Außenwelt bot und seinem tiefen und zarten Gemüt entsprach. So lebte er still und verborgen im Kloster, aber seine Frömmigkeit stärkte Tag für Tag den Willen, auch mit den bescheidensten Diensten den Brüdern zu helfen, denen in der Seelsorge, Wissenschaft, Kunst und Verwaltung große Aufgaben in der Kirche gestellt waren.
P. Justinus Hubert Dhein, geb. 4.10.1900 in Wassenach, gest. 27.12.1985 in Maria Laach
P. Justinus Dhein aus Wassenach
Die letzte unserer kurzen Lebensskizzen gilt einem Priestermönch, dessen Heimat erst vor wenigen Jahren mit dem Kloster Maria Laach dem Kreise Ahrweiler eingegliedert wurde: P. Justinus Hubert Dhein, aus der zwölfköpfigen Kinderschar des angesehenen Lehrers der Nachbargemeinde Wassenach. Ihn kann man mit gutem Recht einen Zeugen des Jahrhunderts nennen. Denn der weitblickende Vater, der schon vier Söhne hatte studieren lassen, ließ den begabten Jungen bei Pfarrer Hammes im benachbarten Burgbrohl die Anfangsgründe der klassischen Sprachen lernen und vertraute ihn dann den Benediktinern in Maria Laach zur weiteren Ausbildung an. Diese schickten ihn 1914, er war 1900 geboren, in das Internat der Beuroner Benediktinerkongregation, dessen Unterstufe sich in der Abtei Emaus in Prag, die Mittel- und Oberstufe jedoch in der steirischen Abtei Seckau befand. Hier erlebte der kleine Junge aus dem Brohltal noch die Welt des alten Europa in einer ihrer prächtigsten, kultur-und kunstgesättigten Städte, er war Zeuge eines Niedergangs und Zerfalls auf der weltgeschichtlichen Bühne, während der Weltkrieg im stillen Brohltal auch in der eigenen Familie die schmerzlichsten Opfer forderte: drei seiner Brüder fielen im Ersten Weltkrieg oder starben im Lazarett. Aber auch für ihn selbst stand der Weg in das Kloster am heimatlichen See noch nicht offen, denn noch während der Vorbereitung auf das Abitur hieß es für ihn zweimal Soldat werden, in den letzten Monaten des Jahres 1918 noch »bei den Preußen«, wie man im Rheinland stets sagte, und 1920, als die neugeschaffene Reichswehr auf Soldaten der alten Armee zurückgriff, um der Unruhen und Aufstände in den Industriegebieten Herr zu werden. So konnte er erst im August 1920 seinen Herzenswunsch erfüllen und Beständigkeit in der Laacher Klostergemeinde suchen und dort sein Bleiben finden. Hier diente er den Mitbrüdern in vielen Diensten, und unter diesen war es wohl die Aufgabe des Kantors, die ihn mit besonderer Freude und mit Stolz erfüllte. Aber darüber soll sein selbstloser Dienst in der Guts- und Klosterverwaltung nicht vergessen sein, in dem er während des Zweiten Weltkrieges bis zur letzten Kraft lausenden von verwundeten und kranken Soldaten in den Kriegs- und Reservelazaretten in Maria Laach unter den schwierigsten Umständen sowohl der Wehrmacht wie den amerikanischen, englischen und französischen Besatzungstruppen alles zur Wiederherstellung der Gesundheit Notwendige beschaffte und verwaltete.
Sein eigentliches Charisma war und blieb freilich die Seelsorge. Aufgeschlossen für alle theologischen und pastoralen Zeitfragen blieb er bis in sein hohes Alter geistig beweglich und anpassungsfähig und fand im Sprechzimmer des Klosters ein reich gesegnetes Feld der Beratung von jungen Brautleuten und alten Ehepaaren, verwirrten Gläubigen und Ordensleuten. Seine Lebenserfahrung und das ererbte pädagogische Talent schenkte ihm stets ein kluges, helfendes und tröstendes Wort. So hinterließ P. Justinus Dhein, als er am 27. Dezember 1985 still von uns schied, eine große und fühlbare Lücke. Die Beständigkeit des langen Klosterlebens erreichte aber ihr eigentliches Ziel im Bleiben bei Gott.