Adenau als städtisches Gemeinwesen
Dr. Peter Neu
In der Reihe „Rheinischer Städtealtlas«, die Materialien zur Geschichte von 170 rheinischen Städten und Stadtrechtsorten wissenschaftlich fundiert darbieten will, liegt inzwischen die Mappe Nr. 42, Adenau, vor. Der Autor des Textteils, Dr. Peter Neu, ging bei der Vorstellung auf einige interessante Aspekte ein, die im folgenden Beitrag zusammengefaßt werden. D. Red.
Im Jahre 1580 klagte der Amtmann der Nürburg, die damals im Pfandbesitz der gefürsteten Grafen von Arenberg war, daß es in »diesen unfruchtbaren eyfflischen orttern« unmöglich sei, die geforderten Abgaben einzutreiben, denn dieses „unfruchtbare zwischen filtzen, Rutschen und Bergen gelegene rawe land« bringe kaum das Notwendigste hervor, um die Einwohner am Leben zu erhalten. Und rund 200 Jahre später lobte der Prior des Franziskanerklosters zwar den religiösen Eifer der Einwohner, er jammerte aber über »unser ohnedem in hiesiger mageren Eifel nothleydendes Kloster«. Und noch viele Zeugnisse ließen sich anfügen, in denen von der Not und Armut der Bewohner des Adenauer Landes gesprochen wird. Bis an die Schwelle unseres Jahrhunderts reichen diese Berichte. Als so 1821 der Landrat von Adenau den Plan unterstützte, in seiner Stadt ein Krankenhaus zu errichten, wandte er sich hilfesuchend an die Regierung in Koblenz und führte dabei als Argument ins Feld: »Billig wäre es, wenn zu Einrichtungen, wovon im gegenwärtigen die Rede ist, der Staat einer so armen Gegend hilfreich die Handt darböthe; so lange letztes nicht geschieht, kann die Einrichtung eines Krankenhauses nur zu den frommen Wünschen gerechnet werden …“ Und noch vor 100 Jahren, als es darum ging, eine Eisenbahnlinie nach Adenau zu erhalten, richtete der Landrat ein Gesuch an die zuständigen Stellen mit den Argumenten: »In diesem durch seine Armut traurig berühmten Kreise Adenau ist der Bahnbau notwendiger als an anderen Orten . . . Und ist den Einwohnern des Kreises Adenau ein bei aller Kraftanstrengung entbehrungsreiches Los auferlegt und daß daher der Kreis dem dauernden Wohlwollen des Staates wird anvertraut bleiben müssen.«
So hatte also Adenau in den vergangenen Jahrhunderten sein unumstößliches »Image« -Adenau als typisches Beispiel für eine »arme Kreisstadt«. Schaut man sich heute in der Stadt um, von diesen Klagen scheint nicht mehr viel zuzutreffen, wenn auch nach wie vor das ländlich geprägte Umland mit seinen kargen Böden sicherlich nicht zu den gesegnetsten Landstrichen unseres Staates gerechnet werden kann.
Neben der Armut sind es immer wieder dieselben Probleme, die in den Quellen vergangener Jahrhunderte angesprochen werden. So schrieb noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Kinkel: »Die Kreisstadt Adenau zieht sich mit ihren Häusern sehr lang und kotig an beiden Ufern des Adenaubaches herauf.« In der Tat brachte die geographische Lage in dem engen Tal ihre Probleme mit sich, für die Entwicklung eines Ortes mit städtischen Freiheiten war diese Lage nicht gerade förderlich. In den meisten Städten des Rheinlandes ging die Stadtwerdung von einer Burg aus, die innerhalb der Siedlung ein gewisses Zentrum darstellte. Die für die Entwicklung Adenaus wichtige Burg war die Nürburg, die in einiger Entfernung liegt und die hier nicht Kernpunkt der Stadtentwicklung werden konnte. Daß Adenau dennoch Stadt wurde, verdankt es zunächst seiner zentralen Lage.
Die Johanniter gründeten schon früh hier eine Kommende, die sie mit Mauern umgaben, Adenau selbst hatte nie Mauern, Türme und Tore, wie man sie sonst bei städtischen Siedlungen gewohnt ist. Nachdem in den französischen Eroberungskriegen Ludwigs XIV. die nahe Nürburg zerstört worden war, suchte die Verwaltung des Amtes Nürburg um 1690 in Adenau eine neue Bleibe, Adenau wurde »Vorort des Amtes«. Offiziell konnte es sich nicht auf Stadtrechte berufen. Nach Napoleons Zeit sollte sich das ändern.
Ohne große Formalitäten wurde der Ort 1817 in den Kreis der Städte aufgenommen. Das.hing zweifellos damit zusammen, das hier ein Friedensgericht tagte, daß hier auch ein Landrat residierte. Die vielen kleinen Handwerker und Händler aber befürchteten eine höhere Besteuerung und eine weitere Belastung. So lehnten die Einwohner von Adenau es noch 1833 kategorisch ab, Stadt zu bleiben. Erst wieder in unserem Jahrhundert wurde Adenau Stadt, und zwar zu einer Zeit, als es bereits 20 Jahre lang keine Kreisstadt mehr war. Ein Kuriosum besonderer Art war zweifellos, daß Adenau einem Kreis seinen Namen gab, daß es in dieser Zeit aber keine Kreis-Stadt war, sicherlich der einzige Ort der preußischen Rheinprovinz, der einen Landrat und eine Kreisverwaltung beherbergte, aber nicht Stadt sein wollte. Seit dem Mittelalter hatte man in Adenau seine Probleme mit der Lage im engen Tal an den Ufern eines Baches. So heißt es 1776: »Den vorigen Montagh, alß das Eyß ist anbrechen, denen leuthen, die grosse muhe angewendet haben, daß die brücken nicht seindt forth gangen, an brandwein geben vur 4 Gulden 6 Albus.« Immer wieder gingen die Brücken beim Eisgang oder bei Hochwasser zu Bruch, immer wieder mußten neue Brücken und Stege gebaut werden. Die erhaltenen Stadt-Rechnungen des 18. Jahrhunderts führen häufig Handwerkerlöhne für den Unterhalt der Brücken auf. Der Bach hatte natürlich auch seine positiven und angenehmen Seiten für die Einwohner. Forellen und Krebse gab es reichlich im Wasser, und so war auch der Fischfrevel keine Seltenheit. Wer bei unerlaubtem Fischen erwischt wurde, hatte den Korb zu schütten, das bedeutete, er mußte dem Amtmann seinen Fang aushändigen. Nur für Kranke war das Fischen erlaubt. Wie der Bach zum Fischen verleitete, so hat der Waldreichtum der Umgegend zu der läßlichen Sünde des Holzfrevels verführt. Allzu streng aber ging man offenbar auch nicht mit den Holzfrevlern zu Gericht. So heißt es in einem Weistum von 1515/1553, daß der, der im kurfürstlichen Wald unerlaubt einen Baum fällt, frei von Strafe bleibt, wenn es ihm gelingt, den Weg zu erreichen, ohne ertappt zu werden. Wer das nicht schaffte, zahlte allerdings 5 Mark Strafe.
Eine große Bedeutung hatte in Adenau – wie allenthalben in der Eitel – die Religion. So berichtet uns ein Pater im 17. Jahrhundert, daß auf dem Ölberg an gewöhnlichen Sonntagen 400 Personen zur Beichte kämen. Und er fügte hinzu: »In dieser ach so kalten Eifel gibt es einen heißen Eifer in religiösen Dingen!« Davon zeugt wohl auch die Tatsache, daß man in Adenau 1612, also kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg, ein Spiel »Vom riehen Man und von Lazaro« aufführen ließ, ein Ereignis, zu dem die Leute von weither pilgerten.
Adenauer Wirtschaftsleben, das hieß im Mittelalter: Zünfte, Markttage, Landwirtschaft. Zu den festgesetzten Markttagen strömte das Volk von weither zusammen. In den engen Gassen kam es dabei wohl manchmal zu tumultartigen Szenen, und selbst auf dem Friedhof stellte man in Ermangelung anderer Orte Buden auf oder handelte mit Vieh – und das trotz der Entrüstung und der verständlichen Empörung des Pfarrers. Und der Stadtrat von Adenau hielt in einem Protokoll 1834 dazu wörtlich fest:
»Seit geraumer Zeit wird von den Einwohnern des unteren Theiles von Adenau darüber Klage geführt, daß an den Marckttagen ihre Wohnungen sowohl mit Vieh wie mit Buden aller Art dergestalt belagert sind, daß sie kaum dieselben verlassen und anderen Tages des zurückgelassenen Koths beinahe nicht Meister werden können.« Übrigens lassen sich die Märkte in Adenau nachweisen bis lange vor der offiziellen Einrichtung durch den Kurfürsten von Köln im Jahre 1601. Die Zahl stieg bis in unser Jahrhundert kontinuierlich an, sie erreichte 1912 die Rekordzahl von 20 Märkten im Jahr. Und wie stand es um die Handwerker? Der erste in Adenau überhaupt nachweisbare Beruf ist der des »carnifex« – des Henkers – der zu Beginn des 13. Jahrhunderts genannt wird. Besonderes Interesse widmeten die Bewohner wohl dem Gastgewerbe, schon Ende des 15. Jahrhunderts werden 2 Gastwirte genannt, und das bei nur etwa 200 Einwohnern. Im Jahre 1850 wird die Rekordzahl von 22 Gast- und Schankwirten registriert, die aber zum Teil auch als Handwerker arbeiteten und die offenbar an den Markttagen als Wirte ein zusätzliches Einkommen hatten.
Neben dem Gastgewerbe hat die Tuchherstellung in Adenau stets eine besondere Rolle gespielt. Als 1595 holländische Reiter und Freibeuter in Adenau einfielen, raubten sie vor allem Tuche. Um 1700 waren 70 Meister in der Wollenweberzunft registriert, und als die französischen Revolutionsheere um 1800 unseren Raum besetzten, mußte Adenau Tuche und Strümpfe abliefern. Im 18. und 19. Jahrhundert gingen Adenauer Tuche auf die Märkte in Frankfurt und Leipzig. In einer Beschreibung des Kurfürstentums Köln von 1783 heißt es:
»Der Marktflecken Adenau hat viele Wollenweber-Stühle im Gange, welche besonders Waa-ren, wie sie der Landmann und die mittlere Klasse von Leuthen braucht, liefert, und also viel Geld im Lande erhalten.«
Die Tradition des Zunftlebens wird bis auf den heutigen Tag in der Stadt gepflegt. Die Adenauer Tuchindustrie erlebte auch nach dem 2. Weltkrieg noch einmal eine kurze Blüte, sie gehört nun wohl für immer der Vergangenheit an.
Adenau hat sich gewandelt. Es ist eine Schulstadt geworden, viele ehemalige Verwaltungen und Ämter sind zu »Nebenstellen degradiert«. Und doch hat der Ort sein eigenes Gepräge gewahrt. Die neue Selbstsicherheit der Adenauer kam vielleicht auch durch den Nürburg-ring, der mit dem Namen der Stadt verbunden ist und ohne den man sich Adenau kaum vorstellen kann. Von den einstigen »kotigen Straßen« ist nichts mehr zu merken. Das Gedränge, das es früher an Markttagen gab, ist längst dahin.
Adenau, Markt 1909