Content-Type: text/html

Erinnerungen an das Ahrtal

Aus dem Skizzenbuch des Malers F. Baudri aus dem Jahre 1845

Ludwig Gierse

Der Porträtmaler Friedrich Baudri, geboren 1808 in Elberfeld, gestorben 1874 in Köln. war nach seiner Ausbildung an der Akademie in München unter Cornelius und einer längeren Reise durch Österreich und Ungarn1 1840 wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Nach so langer Abwesenheit war es für ihn nicht leicht, im Rheinland Fuß zu fassen und sich als Porträtmaler zu etablieren. Denn auch schon vor dem Siegeszug der Photographie war der Beruf des Porträtmalers in unserer Gegend überbesetzt. Es fiel schwer, genügend Aufträge zu erhalten, um davon leben zu können. Er besuchte noch einmal die Akademie in Düsseldorf, um sich weiter auszubilden und eventuell das Genrefach zu ergreifen, wofür er in Ungarn reichliche Anregungen erhalten hatte. Schließlich blieb er doch bei der Porträtmalerei und lebte von gelegentlichen Aufträgen.

Baudri hatte aber auch ausgeprägte soziale und journalistische Interessen und war sich in diesen Jahren nicht klar, welchen beruflichen Weg er einschlagen sollte. Im Jahre 1848 ließ er sich endgültig in Köln nieder, arbeitete hier zunächst als Maler, beteiligte sich zu Anfang der 50er Jahre mit dem Baumeister Vinzenz Statz2 an einer Werkstatt für kirchliche Glasmalerei, die er ab 1854 allein weiterführte. Seit 1851 gab er die Zeitschrift »Organ für christliche Kunst« heraus, die im Kulturkampf 1873 ihr Erscheinen einstellen mußte. Darüber hinaus wirkte er in Köln und im Rheinland als eifriger katholischer Politiker, zunächst viele Jahre im Kölner Stadtrat, später auch im preußischen Landtag und im Reichstag.

Sein älterer Bruder Johannes Baudri, der den geistlichen Stand erwählt hatte, war zunächst Pfarrer und Dechant in Barmen, seit 1843 wohnte er als Domkapitular in Köln. Er wurde 1846 Generalvikar der Erzdiözese und 1850 Weihbischof3. Seit dem gemeinsamen Besuch des Bonner Gymnasiums war er mit Carl Praessar‘ befreundet. Praessar studierte in Bonn Medizin und ließ sich 1827 als Wundarzt in Ahrweiler nieder. Später wurde er dort Distriktsarzt.

Im Sommer des Jahres 1845 wandte sich Carl Praessar an den Maler Baudri und bat ihn, nach Ahrweiler zu kommen mit der »freundlichen Einladung ein Kniestück zu malen«. Ein willkommener Auftrag, dem Baudri gerne Folge leistete. Gleichzeitig lud er Baudris Schwester Maria ein, die sich nach einer längeren Krankheit in Ahrweiler erholen sollte. Anfang August reiste der Maler ins Ahrtal und blieb dort bis Ende Oktober 1845.

Während seines Aufenthaltes an der Ahr entstanden nicht nur die beiden Porträts von Carl Praessar und seiner Frau Agnes geb. Knieps, sondern auch ein kleines Skizzenbuch. Baudri war zwar kein Landschaftsmaler, aber er war gewohnt, auf seinen Reisen Menschen und Umwelt mit wachen Augen zu betrachten und sie in seinen Skizzenbüchern festzuhalten. Mit zarten Strichen und Farben hält er das Gesehene — oft nur in Andeutungen — fest. Es handelt sich hier meist um Bleistiftzeichnungen, nur fünf Blätter sind in Tusche und Aquarellfarben ausgeführt. Einige Bilder haben geradezu einen intimen Charakter, besonders wenn er Personen unbeobachtet skizziert. Seine Landschaftsbilder entbehren völlig der in jener Zeit so beliebten romantischen Übersteigerung. Es fehlen auch die rahmenden Staffagen, die damals bei Landschaftsbildern üblich waren, wie es die Stiche bzw. die Lithographien von August Lange und J. Nicolas Ponsart von Rhein und Ahr zeigen.

Der Reiz dieser kleinen Bilder aus den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts liegt vor allem in ihrer natürlichen Frische und Unmittelbarkeit, mit der Baudri seine Umwelt festhielt.

Zeichnung1.gif (29921 Byte)
Zeichnung2.gif (34004 Byte)
Zeichnung3.gif (35515 Byte)
Zeichnung4.gif (63993 Byte)

Die wenigen architektonischen Detailzeichnungen sind besonders genau ausgeführt und geben Einzelheiten, wie Dachreiter. Dachgauben usw. exakt wieder. Das Skizzenbüchlein hat ein Format von 8,5 zu 11 cm und umfaßt 50 Blätter. Es enthält neben 38 Zeichnungen Notizen, die Baudris Aufenthalt in Ahrweiler und seine damalige journalistische Tätigkeit betreffen. Baudri schloß Freundschaft mit der Familie des Dr. Praessar und besuchte ihn, wie seine Tagebücher ausweisen, auch in den kommenden Jahren und nahm regen Anteil an den Bemühungen von Dr. Praessar, eine Quelle— den Mariensprudel — im nahegelegenen Beuel, dem heutigen Neuenahr, zu bohren und dort ein Sanatorium zu errichten. In Ahrweiler lernte er auch seine spätere Frau Gertrud Menn‘ aus Koblenz kennen, die wohl auf dem Calvarienberg im Internat gewesen war.

Wenden wir uns nun dem Skizzenbuch und seinen Bildern zu. Mächtig erhebt sich der Berg mit der Ruine der Landskrone am Eingang des Ahrtales über dem sich sanft dahinschlängeln-den Fluß. Im Hintergrund erscheinen im zarten Blau die Höhen des Westerwaldes. Die kleine Kapelle kann man gut als hellen Punkt ausmachen. Vor dem Berg die Silhouette des Dorfes Heimersheim (Abb. 1). Auf seinen Wanderungen ist Baudri auch in das kleine Dorf Staffel in der Umgebung von Kesseling gekommen. Die schmal und schlank aufstrebende Kapelle mit dem kleinen Dachreiter und ein paaar Bauernhäuser an der Dorfstraße hat er in zarten Farben festgehalten (Abb. 2).

Den Calvarienberg bei Ahrweiler und seinen Kreuzweg hat Baudri mehrfach — auch mit Detailskizzen — gezeichnet. Auf dem kleinen Bergrücken steht die Kirche und die wenigen Klostergebäude. Am Fuß des Berges sieht man eine der vierzehn Stationen (Abb. 3).

Ein weiteres Bild zeigt eine Gruppe von drei frommen Pilgern, die den Kreuzweg hinaufgehen. (Abb. 4).

Die nächsten zwei Bilder aus Heimersheim und Wadenheim muten uns heute wie eine ländliche Idylle an: Der Hofhund auf seiner Hütte und der kleine Junge, der barfüssig ein Bündel Reisig nach Hause bringt, damit die Mutter die Abendsuppe kochen kann (Abb. 5 und 6).
Die folgenden Bilder zeigen, wie einfach — man ist versucht zu sagen, wie armselig — man damals an der Ahr gelebt und gewohnt hat.
In Mayschoß erregte das verbaut-winklige Fachwerkhaus die Aufmerksamkeit des Malers (Abb. 7).

Der Ausblick auf das Dach eines Hauses in Ahrweiler mit seinem »Wasserspeier« zeigt, daß man damals in der Stadt schon Dachziegel verwandte (Abb. 8).

Zum Schluß ein Bild, das uns den Maler bei einem Ausflug zur Saffenburg im Jahre 1846 zeigt. Er sitzt oben auf einem Felsen, ihm zu Füßen seine Begleitung, in der Hand hält er das kleine Skizzenbuch, dem diese Bilder entnommen sind (Abb. 9).

Anmerkungen:

  1. Das Tagebuch dieser Reise erscheint Ende 1988 im Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks in München
  2. Vinzenz Statz (1819-1898). bedeutender Vertreter der neugotischen Stilrichtung im Rheinland
  3. Johannes Baudri (1804-1893), s. H, Linn, Ultramontanismus in Köln -Domkapitular Baudri an der Seite Erzbischof Geissels während des Vormärz. Siegburg 1987.
  4. Carl Praessar. geb. 1804 in Düsseldorf, ab 1818 Besuch des Gymnasiums in Bonn. 1822 • 26 Studium der Medizin. 1827 Wundarzt in Ahrweiler, 1858/59 Bohrung des „Mariensprudels“ in Beuel, 1860 Errichtung des Hotels zum Mariensprudel. 1868 Verkauf des Sprudels an die Badgesellschaft, gest. 1875 in Ahrweiler.
  5. Gertrud Menn. geb. 1823 in Koblenz, heiratete 1849 Friedrich Baudri, gest. 1856 in Köln