Verfolgung und Bestrafung von Zauberei, Hexen, Teufelsfängern und Wahrsagern im Arenberger Land
Die Verordnung der Fürstin Margaretha von Arenberg von 1593
Peter Weber
Es ist wie verhext, so hört man hin und wieder sagen, wenn ein Vorhaben nicht in der gewünschten oder erwarteten Weise gelingt. Statt nach den möglichen Gründen für das Mißlingen zu fragen, vermutet man eine imaginäre Kraft oder man redet nur so daher.
Die Worte Hexe bzw. Hexen sind aus unserem Sprachgebrauch noch nicht verschwunden. Wir sprechen vom Hexenschuß, wenn wir plötzlich Rückenschmerzen verspüren, vom Hexenkraut (Johanniskraut), von der Hexensalbe (Bilsenkraut). Um 1449 taucht zum erstenmal das Wort Hexe in der Schweiz auf. Aber es dauerte lange, bis dieser Begriff allgemein gebraucht wurde. In der Volkssprache gab es verschiedene Umschreibungen, die von Landschaft zu Landschaft verschieden waren. Man sprach von Druden, Zauberinnen, Unholden oder von Teufelshuren. (Baschwitz, S. 53). Mit dem Hexenwesen haben sich im Laufe der Jahrhunderte viele Menschen befaßt und versucht, die Hexenverfolgung zu rechtfertigen (»Hexenhammer«) oder sie als Unrecht anzuprangern. Zu letzterem gehörte großer Mut, weil die Gefahr bestand, selbst als Hexe oder Zauberer angeklagt und verurteilt zu werden.
Über die Hexenverfolgungen und Hexenverbrennungen im Arenberger Territorium ist wenig berichtet. Das hängt damit zusammen, daß bereits 1593 Fürstin Margaretha von Arenberg, eine Verordnung erließ, die gegen den üblichen Umgang mit den als Hexen Verdächtigten anging. Bereits im Jahre 1565 hatte Margaretha von Arenberg ihren Amtmännern zu Arburgh in geistlichen Sachen strenge Ahndung der in der Grafschaft Arburgh und Commern überhand nehmenden Laster und Verbrechen, (Gotteslästerung, Ehebruch, Saufen u. a. m.) vorgeschrieben.
Mit ihrer Verordnung vom 30. November 1593 griff Fürstin Margaretha den zu ihrer Zeit wichtigen Komplex der Zauberei und des Hexenwesens auf. Nicht umsonst wählte sie den Andreastag für die Verkündigung. Beginnen doch mit diesem Tage die Zaubernächte, die bis zum Dreikönigstag dauern. Nach alter Überlieferung sind dann Hexen und Zauberer in den Lüften unterwegs. Hexen und Zauberer sah man als Verbündete des Teufels an. Deshalb trachtete man danach, dieselben auszurotten. Man kann diese Vorgänge nur dann richtig bewerten, wenn man sich die Anschauungen der damaligen Zeit vor Augen führt. Es ist verständlich, daß man bestrebt war zu wissen, ob eine Verdächtigte auch wirklich eine Hexe war. Dagegen ist es bewundernswert, daß es in dieser Zeit Persönlichkeiten gab, die sich dem Treiben entgegenstellten. Zu diesen gehörte Margaretha von Arenberg. Sie teilte wohl den Hexenglauben ihrer Zeit, versuchte aber das Problem auf andere Art und Weise zu lösen, als es damals üblich war.
Den Anlaß zu dieser Verordnung begründet die Fürstin im Vorwort gegenüber ihren Statthaltern, Rentmeistern, Scholteßen, Scheffen, Geschworenen, Land- und Unterpoten und allen geistlichen und weltlichen Untertanen mit dem unerträglichen Schaden, den die von Gott abgefallenen und dem höllischen Feind ergebenen Hexen und Unholde angerichtet hatten. (Joerres, S. 6) Sie zählt die Laster auf, welche die Hexen begangen haben sollen: Verleugnung Gottes, dem Teufel sich mit Leib und Seele ergeben und Unzucht mit ihm treiben, die Sakramente verunehren, Menschen und Vieh umbringen u. v. a. Der Tatbestand des Verbrechens der Zauberei und Hexerei war in verschiedene Teildelikte gegliedert. Dazu zählten der Abfall von Gott und das Bündnis mit dem Teufel, der Schadenszauber und das Ho-magium. Letzteres war die dem Satan persönlich in aller Form dargebrachte Huldigung, verbunden mit einer Beleidigung der Kirche und der Sakramente. Als das widerlichste Kennzeichen des in der Verordnung vermerkten Hexenbegriffes galt die Teufelsbuhlschaft, die Unzucht der Hexen mit den Dämonen.
Die Sorge der Fürstin war nicht unbegründet, ihre Untertanen waren in gleicher Weise wie die anderer Fürsten vom Hexenwahn und der Furcht vor Hexen durchdrungen. Die zahlreichen Hexentanzplätze in der Nähe der Arburg, in Lommersdorf, Mühlheim und Aremberg, sowie der Sammlungsplatz am Mühlenbach bei Freilingen zeugen davon. (Joerres, S. 43)
Besonders gefürchtet war die Hexe von Lommersdorf, sie konnte Menschen anbinden, d. h. wenn sie jemand berührte und ein Sprüchlein über ihn murmelte, mußte der den ganzen Tag auf derselben Stelle stehen und konnte sich nicht fortbewegen. Erst wenn die Sonne unterging, war der Zauber gebrochen. Wenn sie Vieh anrührte und einen Spruch sagte, wurde es lahm und krank und verendete in wenigen Tagen. Das Aussehen der Hexen der Grafschaft Arenberg wurde als abscheulich geschildert. Um einen Zauber zu erkennen, wurde in den rheinischen Gebietsteilen dieser Grafschaft folgendes als sicher geltendes Mittel angewandt: Mit der Hilfe Gottes sollte die Unholdin entdeckt werden. Neun Tage lang waren morgens, mittags und abends fünf Vater Unser zu beten. Am achten Tage sollte man an einen Galgen gehen und ohne zu sprechen drei Späne davon schneiden und diese mit einem Stück von einer Osterkerze am neunten Tage unter eine Türschwelle legen, über die die verdächtigte Person gehen mußte. (Joerres. S. 45) Als Beweis für die Schuld einer Hexe wurde auch der Mangel an Tränen bei der Folter angesehen. Man erzählte, daß nur das rechte Auge einer Hexe bei Schmerzen drei Tränen vergießen könne. Die Redensart: Hexen weinen nicht, war bekannt.
Fürstin Margaretha von Arenberg.
Über Hexenverbrennungen in der Grafschaft Arenberg gibt es nur wenige Nachrichten. Daß dennoch Hexen hingerichtet wurden, erklärt Margaretha in ihrer Verordnung. Da heißt es, daß sie »etliche Personen auf ihr eigenes Bekenntnis hin wegen ihrer als zutreffend befundenen Missetaten« habe hinrichten lassen. (Joerres, S. 47) Es ist nicht festzustellen, wann und wo die Hexenverbrennungen stattfanden. Man kann davon ausgehen, daß es der Toleranz Margarethas zu verdanken ist, wenn in ihrer Grafschaft nicht viele Scheiterhaufen loderten. Sie hat Zauberer und Hexen nur dann dem Henker überliefert, wenn alle Maßnahmen zur Besserung vergeblich waren und sie keinen anderen Ausweg mehr sah. Die Verordnungen der Gräfin enthalten keinerlei Vorschriften über die Führung der Hexenprozesse. Sie gibt aber an, daß die Obrigkeit entschlossen sei, „ihres Amtes zu walten und die verstockten Hexen zu verfolgen und zu strafen aller Maßen und mit der gleichen Strafe, mit der, wie sie gesehen hätten, die bisher Hingerichteten verfolgt und gestraft worden seien.« Daraus kann man schließen, daß Margaretha die prozessualen Vorschriften, wie sie im »Hexenhammer« niedergelegt waren, anwenden ließ. (Joerres, S. 51 – 52) In der Verordnung forderte Margaretha ihre Untertanen mehrfach auf, Hexen und Zauberer anzuzeigen. Sobald ein Mensch oder Tier geschädigt wurde, mußte es ihr oder ihrem Rentmeister gemeldet werden. Es waren nicht nur die Zauberer anzuzeigen, sondern auch diejenigen, die bei ihnen Rat und Hilfe suchten. Sie gebot ausdrücklich, auf die Personen zu achten, die die Angehörigen der Hingerichteten schmähten und belästigten. Wer erwischt wurde, mußte gemeldet werden. Für Margaretha war es selbstverständlich, daß Hexen und Zauberer nur durch weltliche Gerichte ihrer Grafschaft abgeurteilt wurden. Die Berufungsinstanz gegen eine Entscheidung war das Hauptgericht in Lommersdorf. Eine Revision war bei der Kammer des Hauses Arenberg möglich. (Joerres, S. 59)
Ohne das Geständnis eines Angeklagten gab es keine Verurteilung. Um ein Geständnis zu erreichen, wandte man die Folter an. Zur Zeit Margarethas begann diese gewöhnlich mit dem Daumenstock. Die Daumen einer Angeklagten, die festgebunden war, wurden in Schrauben gebracht, die dann langsam zugeschraubt wurden und die Daumen quetschten. Danach kamen die Beinschrauben, womit Schien- und Wadenbein zusammengepreßt wurden. Als nächstes folgte der Zug. Der Angeklagten wurden die Hände mit einem Seil auf dem Rücken zusammengebunden. An diesem Seil wurde sie dann in die Höhe gezogen und wieder fallengelassen. Um die Wirkung zu erhöhen, wurden der Gefolterten Gewichte an den Füßen befestigt. Wenn alles erfolglos blieb, nahm man das Feuer zur Hilfe. Brennendes Pech, auf den nackten Körper geträufelt, brach den Mut der Trotzigsten. Es gab noch viele Variationen der Foltermethoden in dieser Zeit. (König, S. 112 ff.) Wie sich auch die Betroffenen verhielten, sie wurden verurteilt. Einen völligen Freispruch sollte es nach dem »Hexenhammer“ nicht geben. Die Freigelassenen wurden auch weiterhin unter Aufsicht gestellt. In der Kirche war ihnen ein besonderer Platz zugewiesen und zu Hause ein besonderer Raum. Manchmal wurden die angeblichen Hexen und Zauberer des Landes verwiesen, nachdem sie vorher nur mit dem gelben Hexenhemd und dem spitzen Hexenhut bekleidet auf dem Markt öffentlich zur Schau gestellt worden waren. Diese »milden« Strafen galten nach den Bestimmungen Margarethas nur für diejenigen, welche die Angehörigen der Hingerichteten betrübt und deren Leid und Schmerz vermehrt hatten. Als Todesart für Hexen und Zauberer galt gewohnheitsrechtlich der Feuertod auf dem Scheiterhaufen. Manchmal wurden die Delinquenten auch ertränkt oder am Galgen hingerichtet. Der Urteilsspruch lautete in der Eifel meistens: »So ihre gestanden und mit dem Teufel im Bunde gewesen und allerlei Hexenwesen getrieben, trifft euch nach Recht und Sitte der Tod durch das Feuer«. Den Zug zur Richtstätte begleiteten Geistliche, Bewaffnete, Schöffen, der Henker und Menschen von nah und fern. Letztere wollten sich das Schauspiel der Hinrichtung nicht entgehen lassen. Mit Lärmen und Schreien übertönten sie das Wehgeschrei der Verurteilten. Auf einem Holzschnitt aus dem Ende des 16. Jahrhunderts ist die Hexenverbrennung in der Eifel dargestellt, wie sie sich zu Margarethas Zeiten abgespielt hat. Das Opfer, nur mit dem Hexenhemd bekleidet, wurde mit Stricken an einem Baumpfahl festgebunden. Der Henker schichtete mit Stroh rundherum eine »Hütte« auf. Man bedeckte diese mit Reisig und zündete sie mit einer Pechfackel an. In einzelnen Fällen gab es Linderung (das Töten des Opfers vor der Verbrennung) oder Verschärfung der Strafe (Peinigen mit glühenden Zangen oder Abschlagen einer Hand). (Joerres, S. 73)
Die Kosten der Hexenprozesse waren beträchtlich. Alle Mitwirkenden, Richter, Notare, Schöffen, Henker mußten bezahlt werden, dazu das Material für die Verbrennung und auch die Getränke, die von den Richtenden während des Prozesses verzehrt wurden. In vielen Fällen wurde auch das Vermögen des Verurteilten eingezogen. Es war ungeheuerlich, was damals den Menschen zu Unrecht angetan wurde. (Joerres, S. 46)
Obwohl Margaretha von der Existenz von Hexen und Zauberern überzeugt war und den Kampf gegen sie aufnahm, wollte sie keine Verbrennung der Betroffenen. Sie betonte die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen, um eine Zuwendung zur Hexerei zu verhindern. Durch erzieherische Einwirkung auf bereits dem Laster Verfallene wollte sie dem Hexenwesen begegnen. Erst dann, wenn sie keinen Weg zur Besserung der Hexen und Zauberer mehr sah, überantwortete sie diese dem Feuertode. Mit dieser Verordnung ragt sie weit über die das Hexenwesen betreffenden Gesetzeswerke des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit hervor. Erst knapp vier Jahrzehnte später wurde die »Cautio Criminalis« von dem Jesuitenpater Friedrich von Spee, dessen Vorläufer und Vorbild Pater Adam Tanner war, veröffentlicht. (Rosenfeld, S. 277) Friedrich von Spee (1591 -1635) versuchte, »seinen Zeitgenossen den Schleier des Hexenwahns zu nehmen. Als Beichtvater der Hexen, die in einem förmlichen Gerichtsverfahren abgeurteilt wurden, gewann er den Eindruck, daß die meisten Angeklagten zu Unrecht als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.« (Geilen, S. 1) Er griff den Prozeßverlauf an, weil er davon ausging, daß nur wenige oder gar keine Personen als Hexen verurteilt werden könnten, wenn sämtliche Prozeßregeln peinlich genau beachtet würden.
Als Hauptgrund der Verbreitung des Hexenwesens betrachtete Margaretha die durch Unwissenheit hervorgerufene Angst der Bevölkerung vor den Hexen. Sie betont in der Verordnung ausdrücklich, »sie verspüre im Werk und mit der Tat, daß diese teufliche, verfluchte und verdammte Verführung aus keinem anderen Grunde herrühre, als dem Unglauben, das sei Unwissenheit in den Hauptstücken des christlichen Glaubens, wie des gemeinen Gebetes, der heiligen sieben Sakramente und der sonstigen Lehren, die die allgemeine, heilige christliche Kirche zu glauben und zu halten vorgeschrieben und befohlen habe.“ Auch Martin Luther vermerkt in dem Vorwort zu seinem kleinen Katechismus vom Jahre 1529, »daß der kleine Mann doch so garnichts weiß von der christlichen Lehre, sonderlich auf den Dörfern …“ (Joerres, S. 84)
In den Hexenprozessen in der Eifel wurde öfter festgestellt, daß die Angeklagten weder die zehn Gebote hersagen noch das Kreuzzeichen machen konnten. Von den 16 Zeugen eines Hexenprozesses konnte keiner schreiben. T. Cremer hat berichtet, daß ein bodenloser Unglaube und Aberglaube in der Eifelbevölkerung im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts vorherrschte. In einer Pfarrei ging der Pfarrer abends von Haus zu Haus, um das Vater Unser zu lehren. (Cremer, S. 343)
Wenn man diese Verhältnisse berücksichtigt, kann man verstehen, weshalb Fürstin Margaretha größten Wert auf die Verkündung der Glaubenswahrheiten legte. Nur unwissende Menschen vermuteten überall Gespenster, weil sie Vieles nicht auf natürlichem Wege erklären konnten. Die Fürstin brachte in der Verordnung auch zum Ausdruck, daß das Hexenwesen ferner auf die Verflachung der sittlichen und moralischen Ansichten zurückgeführt werden könne und vermerkt, »etliche seien aus Unzucht und Hurerei in Strick und Bande des Teufels erbärmlich gefallen.“
Als einen wichtigen Grund nannte Margaretha die Tatsache, daß sich die Eltern nicht um ihre Kinder und die Dienstherren nicht um ihr Gesinde kümmerten, sondern sich selbst überließen. Deshalb wandte sie sich in höchster Entrüstung an die säumigen Eltern und warnte sie mit dem Richterspruch am Jüngsten Tag, wenn durch ihre Schuld die Seligkeit ihrer Kinder verlorenging.
An die gesindehaltenden Hausväter und Hausmütter richtete sie die gleiche Ermahnung, weil sie Kinder und Gesinde vor allen Dingen zur Nachtzeit aus dem Haus gehen ließen zu verbotener Leichtfertigkeit, wie Tanzen und Spielen. Daraus entstehe Verführung, Kuppelei, Unzucht und Hurerei und letztlich des Teufels Anstiftung zur Verzweiflung. (Joerres, S. 86 -88) Margaretha wurde in dieser Auffassung bestärkt durch die vielen Hexenprozesse gegen Kinder seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Pflichten der Dienstherren basierten auf dem Gesindevertrag. Danach wurde das Gesinde in der Regel in die Hausgemeinschaft des Dienstherren aufgenommen, unterstand der Gewalt des Hausherren und hatte Anspruch auf Kost, Fürsorge und Vertretung.
Das Fluchen und Schwören scheint damals überhand genommen zu haben, so daß die Fürstin sich genötigt sah, in zwei Kapiteln dagegen Stellung zu nehmen. Da heißt es, die »fluchen und schwören bei den heiligen Wunden und Sakramenten des Erlösers und Heilandes, auch noch sich selbst vermaledeien und verwünschen; denn bei allsolchen sei gewiß der leidige Satan mit all seiner Kraft und Macht gegenwärtig.« Sie vertrat die Ansicht, daß diejenigen, die den Teufel allezeit im Munde führten, fluchten und schwörten, sich selbst, ihre Kinder, ihr Gesinde oder ihr Vieh verfluchten und dem Teufel übergäben, Zauberer seien.
In der hartherzigen und rohen Behandlung der Ehefrauen durch die Ehemänner sah Margaretha einen weiteren Grund für die große Verbreitung der Hexerei und des Aberglaubens. Sie befahl den Ehemännern, »fleißig jederzeit zu betrachten, daß ein Weibsbild ein schwaches Gefäß sei, an Schwachheit einem Glas vergleichbar, das, sobald es falle, zerbreche, und daß deshalb Gott der Vater das Weib als blöd von Verstand, schwach an körperlichen Kräften dem Mann gegeben habe und ihm befohlen habe, es nicht wie ein Tier oder einen Hund mit Jagen, Schlagen, Schleifen, Rupfen zu behandeln, sondern wie ein Hirt sein Lämmlein, das ihm lieb und wert sei, zu lieben, zu versorgen, zu ernähren, zu verteidigen, zu schützen und zu schirmen, vor allen Dingen, wenn ein Ehe-genosse traurig, schwer- und kleinmütig, freundlich zu trösten, zu stärken und zur Stand-haftigkeit zu ermahnen und auf Gott zu vertrauen, und wenn sie zornig und rachgierig sei, sie zu ermildern und zu erinnern, des Teufels Anfechtung zur Verführung nicht stattzugeben.« (Joerres, S. 94)
Im »Malleus Maleficarum« war das Hexentreiben grundsätzlich auf das weibliche Geschlecht abgestellt. (Joerres, S. 98) Dort heißt es: »Wäre nicht die Schlechtigkeit der Weiber, so wäre die Welt von unzähligen Gefahren befreit«. Die Frau galt während des ausgehenden Mittelalters als ein beliebtes Werkzeug des Teufels und als ein Mensch zweiter Klasse und für Zauberei besonders empfänglich. (Joerres, S. 94)
Nach Meinung der Margaretha von Arenberg war die Ausrottung des Hexenwesens in der Grafschaft nur im Zusammenwirken mit einer Erneuerung des religiösen Lebens möglich. In diesem Zusammenhang muß man darauf hinweisen, daß Margaretha eine tief religiöse Persönlichkeit war. Darüber berichtet H. Neu: »Bei den Festlichkeiten zum Jubiläum im Jahre 1575 in Rom rief die Gräfin von Arenberg durch ihre tiefe Frömmigkeit Bewunderung hervor.« (NEU 1959, S. 14) Sie ordnete deshalb eine bessere und intensivere Unterweisung ihrer Untertanen in den Hauptstücken des heiligen und seligmachenden Glaubens an. Sie befahl ihren Pfarrern, jeden Sonn- und Feiertag nachmittags zu angemessener Zeit Vesper zu halten und danach den Katechismus zu nehmen und die Kinder seines Kirchspiels zu unterweisen. Sie sollten darüber unterrichtet werden, was sie glauben sollten und wie sie sich in allen Dingen zu verhalten hätten, um die Seligkeit der Seele zu erlangen. Die Pfarrer waren fast die einzigen, die des Lesens und Schreibens kundig und imstande waren, Unterricht zu erteilen. Damit kein Pfarrer an der Ernsthaftigkeit ihrer Forderung zweifeln konnte, drohte die Fürstin den nachlässigen und säumigen Geistlichen Strafen an, die Entsetzung ihrer Pfarreien und den Verlust aller ihrer Renten und »Guelden«. Den Schöffen und Geschworenen eines Kirchspiels befahl sie darauf zu achten, daß die Pfarrer ihrer Anordnung folgten und diejenigen anzuzeigen, die ihr Amt vernachlässigten. Diese innerkirchliche Einflußnahme war deshalb möglich, weil damals die Territorialherren auf ihr Kirchenpatronatsrecht pochen konnten, das sich aus dem Eigentum des Grundherren an der auf seinem Boden stehenden Kirche herausgebildet hatte. Wenn Margaretha die Schulfrage nach eigenem Ermessen regelte, entsprach dies den Verhältnissen der damaligen Zeit. Um eine einheitliche Unterrichtung in allen Pfarreien zu erreichen, ordnete sie an, daß der Katechismus des Jesuiten Petrus Canisius zu verwenden sei.
Darin wurde nicht näher auf das Hexen- und Zauberwesen eingegangen. Zur Steigerung des allgemeinen Interesses sollten von den Pfarrern alt und jung an allen Sonn- und Feiertagen öffentlich in der Kirche examiniert werden. An Hand eines Registers, in dem alle Untertanen vom 7. Lebensjahre an nach Häusern aufzuführen waren, wurde während der Vesper die Anwesenheit überprüft. Die unentschuldigt Fehlenden mußten zur Bestrafung gemeldet werden.
Von großer Bedeutung ist, daß Margaretha begabte Kinder fördern ließ. Sie sollten von den Pfarrern besonders im Lesen und Schreiben unterrichtet werden und auch sie mußten in der Kirche Rechenschaft über ihre Fortschritte ablegen. Die Eltern waren aufgefordert, die Kinder regelmäßig zum Unterricht zu schicken und den Pfarrer zu unterstützen. Für den Fall, daß das nicht geschehe, sollten die Eltern »mit gebräuchlicher Strafe“ belegt werden. Es wird sich bei diesen Strafen um Geldstrafen gehandelt haben. (Joerres, S. 101 ff.)
Die Fürstin legte in ihrer Verordnung ihren Untertanen ans Herz, sich vor dem Fluchen und Schwören zu hüten. Die Pfarrer sollten in jeder Predigt vor der Verführung durch Fluchen, Schwören und Selbstverwünschung warnen. Neben den generellen Maßnahmen zur Hexenbekämpfung stehen auch Bestimmungen für die Behandlung von Hexen. Die Fürstin unterschied dabei zwischen verstockten und reuigen Hexen. Die reuigen Hexen bezeichnete sie als arme Leute und empfahl ihnen, den Teufel mit seinen Verführungen, Listen und seinem Rat zu verlassen und sich zu dem dreieinigen Gott zu bekennen. Der würde in seiner Allmacht und Barmherzigkeit sich ihrer erbarmen, sie aus den Banden des Teufels lösen und durch Erleuchtung des Heiligen Geistes durch wahre Reue zu sich führen. Sie riet ihnen, den Abfall von Gott ihrem Pfarrer oder Beichtvater zu bekennen, sich von diesen belehren zu lassen und ein besseres Leben zu beginnen. Den Pfarrern befahl sie, diesen Trost den vom Teufel verführten mitzuteilen, und zwar unabhängig davon, welche Verbrechen sie bereits begangen hatten. Sie berief sich dabei auf die Heilige Schrift, wo im Buche Ezechiel, Kap. 18 im Vers 21 steht: »Wendet sich aber der Frevler von all seinen Sünden ab, die er begangen hat, beobachtet er alle meine Satzungen und übt Recht und Gerechtigkeit, dann bleibt er gewiß am Leben und wird nicht sterben.“ Ebenso stützte sie sich auf Isaias, Kap. 35, Vers 4: »Zu den Mutlosen sprecht: Seid stark und fürchtet euch nicht! Seht da, euer Gott! Es kommt die Rache, die Vergeltung Gottes. Er selbst wird kommen und euch erlösen!“
Margaretha kam es – im Unterschied zu den meisten Fürsten ihrer Zeit – nicht darauf an, die Verdächtigen durch ein mit Hilfe der Folter erpreßtes Geständnis auf den Scheiterhaufen zu bringen. Sie gab den Betroffenen Gelegenheit, ihre angeblichen Fehler zu bereuen und ein neues Leben zu beginnen. Auf Grund ihrer religiösen Einstellung hielt sie sich zur Bestrafung nicht befugt, wenn Gott die Verfehlungen vergebe. Dagegen war sie hart gegen diejenigen, die trotz aller Belehrung verstockt blieben und sich nicht bessern wollten. Diesen sollten die Pfarrer mitteilen, daß die Obrigkeit fest entschlossen sei, »sie zu verfolgen und zu strafen, aller Maßen und mit der gleichen Strafe, mit der, wie sie gesehen hätten, die Hingerichteten verfolgt und gestraft worden seien.“ Wenn von diesen Unverbesserlichen im Kirchspiel Menschen oder Tiere geschädigt würden, dann werde die Obrigkeit »ohne Verzug und Nachsehen zugreifen und die der Zauberei Verdächtigen heimsuchen und zu obgedachter Strafe anhalten und austilgen.“ Also auch diesen Hexen und Zauberern sollte nur dann von der Obrigkeit der Prozeß gemacht werden, wenn sie Schaden anrichteten und sich nicht bessern wollten. Die Verbrennung wurde von Margaretha nicht besonders erwähnt, aber man kann annehmen, daß die Betroffenen in der damals üblichen Weise exekutiert wurden.
In der Verordnung drohte die Fürstin auch Wahrsagern und Teufelsfängern Strafen an und auch denjenigen, die sich bei ihnen Rat holten. Die Wahrsagerei hielt sie ebenso gefährlich für die Religion und das Wohl ihrer Untertanen wie das Hexenwesen und die Zauberei.
Margarethas Großherzigkeit ging so weit, daß sie verbot, das Leid der Verwandten der Hingerichteten durch Schmähungen zu vergrößern. Sie verlangte, daß man Mitleid mit ihnen habe und betonte das Wort des Hl. Paulus: »Wer da stehe, sehe zu, daß er nicht falle.“ Für die erste Schmähung drohte sie eine Strafe von 12 Goldgulden, bei der zweiten eine von 24 Goldgulden an. Bei der dritten sollte der Täter öffentlich auf dem Markte zur Schau gestellt und bei der vierten mit Ruten aus dem Lande getrieben werden. Die Anordnungen der Gräfin sind um so höher zu bewerten, als es damals üblich war, die ganze Familie als »versengte Art« zu beschimpfen und zu meiden, wenn eine Angehörige als Hexe verbrannt oder auch nur als »Gespielin« einer Hexe genannt worden war.
Alle Bestimmungen der Fürstin aus dem Jahre 1593, die im Gegensatz zur üblichen Praxis der Hexenbekämpfung standen, deuten darauf hin, daß sie eine außergewöhnliche kluge und edelmütige Persönlichkeit war. Es ist anzunehmen, daß Margaretha die Werke des Dr. med. Johannes Wieru$, des Leibmedikus des Herzogs Wilhelm III. von Jülich kannte. Dieser war ein Kämpfer gegen den Hexenwahn. Manche Gedanken, die er in seinem 1561/62 erschienenen Werk »De praestigiis Daemonum« äußerte, finden wir in der Verordnung wieder. Dennoch hatte sie diese nicht kritiklos übernommen oder kopiert. (Joerres, S. 127)
Wegen der Verteidigung des katholischen Glaubens und ihrer Treue zu Habsburg stand Margaretha in hohem Ansehen bei der Kaiserin und dem Kaiser. Es war ein Ausdruck des Dankes, daß der Kaiser Arenberg 1576 zum Reichsfürstentum erhob. Arenberg war ein Sonnenlehen, dessen Herrin nur Gott als Herrn über sich anerkannte. In Sorge um ihre Untertanen erbat sie vom Kaiser das Recht, daß diese sich mit dem im Lande gesprochenen Recht begnügen mußten, denn sie waren arm und sollten Geld sparen. Eine Land- und eine Waldordnung ergänzten die Maßnahmen Margarethas zur Förderung des Wohlstandes in ihrem Fürstentum. (Neu 1940, S. 34)
Die Verordnung der Fürstin hat in ihrem Territorium größere Hexenverfolgungen verhindert und die Grundlage für einen obligatorischen Unterricht geschaffen. Welchen Einfluß sie damit auf andere Territorien hatte ist nicht bekannt. Es scheint so, daß die Zeit für das Verständnis der vorausschauenden Verordnung noch nicht reif war. Anders ist es nicht zu verstehen, daß in vielen Orten der Eitel die Hexenverfolgungen noch lange kein Ende fanden. Im Herzogtum Jülich fanden, im Gegensatz zu anderen Gebieten, nur vereinzelt Hexenprozesse statt. Nach 1640 nahm die Zahl der Hexenverbrennungen im Rheinland schnell ab. Die Verordnung der Fürstin von Arenberg hatte darauf zwar keinen direkten Einfluß, hat aber gezeigt, daß Belehrung und Bildung ein probates Mittel zur Bekämpfung des Aberglaubens waren. Wenn ihre Anordnungen zu damaliger Zeit überall Geltung gefunden hätten, dann hätten die Hexenprozesse nicht zu einer der schlimmsten Geißeln der Menschheit werden können.
Literatur:
Baschwitz, Kurt: Hexen und Hexenprozesse. Die Geschichte eines Massenwahns und seiner Bekämpfung. München 196ß. Beitl. Richard: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, 3. Aufl.. Stuttgart 1981.
Cremer, Tillm(ann): Eine Hexenverbrennung in der Eifel, Kulturbild aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. In: Rhein. Geschichtsbl., Jg. 7, Nr. 11 (1904), S. 342 – 346.
Geilen, Heinz Peter: Die Auswirkungen der Cautio Crlminalis von Friedrich von Spee auf den Hexenprozeß in Deutschland. Diss. (Rechts- und Staatswiss. Fak.) Bonn 1963. Hoppstädter, Kurt: Hexenwahn und Hexenprozesse. In: Hoppstädter, Kurt/Herrmann, Hans-Walter (Hrsg.): Geschichtliche Landeskunde des Saariandes. Vom Faustkeil zum Förderturm, Bd. 1 (= Mitteilungen des historischen Vereins für die Saargegend N.F., Heft 3). Saarbrücken 1960, S. 214 – 228. Joerres. Johann Arnold Clemens: Die Verordnung Margarethas. gefürsteter Gräfin zu Arenberg, über die Verfolgung und Bestrafung der Zauberei, Hexen, Teufelsfänger, Wahrsager und Wiederherstellung eines religiösen Lebens in der Grafschaft Arenberg vom 30. November 1593. DIss. Bonn 1950
Kettel, Adolf (Bearb.); Von Hexen und Unholden, Hexenprozesse in der West- und Zentraleifel. Hrsg.: Geschichtsverein „Prümer Land“, o.0.1988.
König, Bruno Emil: Hexenprozesse. Berlin-Schöneberg 1935,
Kytl, Nikolaus: Volksmedizin In Hexenprozessen der Westeifel und der angrenzenden Gebiete. In Landeskundliche ViertelJahrsblätter, Jg. 9, Heft 1 (1963), S. 28 – 42.
Laven. H.: Die Hexenprozesse in Trier und Umgegend. In: Trierische Chronik, Nr. 4 (1908), S. 113 ff.
Neu, Heinrich: Das Herzogtum Arenberg., Euskirchen 1938, Ders.: Das Herzogtum Arenberg. 2. Aufl. Euskirchen 1940.
Ders.: Die Münzen, Medaillen und Jelons der Grafen, Fürsten und Herzöge von Arenberg. Beuel 1959.
Rosenfeld, Emmy: Friedrich Spee von Langenfeld. Eine Stimme in der Wüste (- Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker N.F., Bd. 2). Berlin 1958.