850 Jahre Wassenach am Laacher See
Werner Müller
850 Jahre ist es her, daß der Ort Wassenach in einer von Papst Innozenz II. unterzeichneten Urkunde des Klosters Laach schriftlich erwähnt wird. In der aus dem Jahre 1139 stammenden, im Landeshauptarchiv Koblenz aufbewahrten Urkunde vermacht ein Ritter Enricho von Was-zenacum dem Kloster Laach ein Mansum, etwa 30 Morgen Ackerland, um als Vasall des Klosters anerkannt zu werden, und damit nach dem Tode für sein und seiner Ehefrau Seelenheil gebetet werde.
Dies ist zwar der erste schriftliche Hinweis und der Anlaß für die 850-Jahr-Feier, die Wassenach im Juni 1989 beging, aber die Besiedlung reicht, wie zahlreiche Bodenfunde belegen, noch viel weiter zurück, unter diesen Funden sind zu nennen ein Reibstein, der etwa 4 000 Jahre alt ist, Stücke aus der Hunsrück-Eifel-Kultur, Urnen aus der Hallstadt-Zeit, eine Lanzenspitze aus einem Keltengrab sowie zahlreiche Funde aus der Römerzeit. Festgestellt wurde auch ein Wasserleitungsstollen, der aus dem heutigen Quellschutzgebiet zu einer Römervilla im benachbarten Wiesental führte. Ein Münzfund im Bereich des Römerbrunnens aus der Zeit des Kaisers Vespasian (69 – 70 n. Chr.) sowie zahlreiche Ziegel- und Scherbenfunde weisen auf das Vorhandensein von zahlreichen römischen Höfen im Umfeld von Wassenach hin. Selbst an den Basaltsteinen in der Mauerlei erinnern heute noch die Keilstellen in den Geröllhalden an die Arbeit römischer Steinmetze.
Im Anschluß an die Römer wurden die Franken um 400 n. Chr. hier seßhaft. Zahlreiche Grabfunde rund um den alten Ortskern mit zum Teil sehr interessanten Grabbeigaben belegen ihre Anwesenheit.
Auch anhand des Ortsnamens, der ja in der erwähnten Urkunde mit waszenacum angegeben wird, läßt sich — wie die Sprachforscher sagen — das ältere Wassenach belegen. Der erste Teil, »Wasze«, ist keltischen Ursprungs und bedeutet in dieser Sprache »Wasser«. Der zweite Teil, »Nacum«, stammt aus dem fränkischen Sprachraum und bedeutet ebenfalls »Wasser«. Wenn wir nun den Sprachforschern folgen, so heißt Wassenach wörtlich übersetzt »Wasser Wasser«.
Mit der oben erwähnten Urkunde aus dem Jahre 1139 ist uns ein durch glückliche Umstände erhaltengebliebenes Dokument des jungen Klosters Laach überliefert, dem dann — in kürzeren oder längeren Zeitabschnitten — weitere folgten. Um 1320 wird im Zusammenhang mit einem Kapellenbau in Wassenach zum ersten Mal das Geschlecht der Herren von Kolb erwähnt, die auch in den folgenden fast 500 Jahren die Herren des Ortes blieben.
1485 erbaute Adam von Kolb die erste geräumige Kirche, deren Turm heute noch erhalten ist. Seit dieser Zeit hatte Wassenach als Filialort von Nickenich fast die gleichen kirchlichen Rechte wie die Mutterpfarrei: Sendschöffen, Sonn- und Feiertagsmessen, Eheschließungen, Salböl, Allerheiligstem, Taufen und Beerdigungen auf dem um die Kirche angelegten Friedhof, wo man heute noch Basaltkreuze aus dieser Zeit sehen kann. Selbst die Grabplatten des Adam von Kolb und seiner Frau Margareta von Daun sind noch erhalten und in der Nordwand der Kirche eingelassen.
Neben den Herren von Kolb gab es aber noch mehrere Grundherren im Ort, u. a. die Karthäuser von Trier und Köln, die Hausten von Ulmen, Kloster Laach, die von EIz, von Bourscheid zu Burgbrohl, von Olbrück und Kloster Tönisstein, um hier nur noch einige anzuführen. An diesem Bild änderte sich nicht viel, bis die französischen Revolutionstruppen im Jahre 1794 das Rheinland besetzten und anektierten. Mit Na-poelon wurden von heute auf morgen die alten Feudalstrukturen geändert. Die Bürger wurden frei und der große Landbesitz von Herrschaften und Kirchen wurde öffentlich versteigert. So kam eine breite Bevölkerungsschicht zum langersehnten Landbesitz, zur eigenen Scholle.
Mit dem Sturz Napoleons kam Wassenach mit dem Rheinland zu Preußen. Wassenach, Amt Burgbrohl, Kreis Mayen, Regierungsbezirk Koblenz, Rheinprovinz, Königreich Preußen, lautete der genaue Steckbrief. In den ersten preußischen Jahren geschah außer dem Aufbau einer straffen Verwaltung nicht viel. Um 1830 ließ die preußische Regierung in einem Aufforstungsprogramm große, für die Landwirtschaft ungeeignete Flächen im gesamten Eifel-gebiet aufforsten. Hier bei uns bedeutete das die Aufforstung des gesamten Nordabhangs des Veitskopfes, der bis dahin als Schafweide genutzt worden war. Die Aufsicht über diese Aufforstungsarbeiten übernahm die junge Revierförsterei Burgbrohl, der sich die Gemeinde Wassenach als eine der ersten im Amte Burgbrohl angeschlossen hatte. Die letzten Reste des damals gepflanzen Buchenwaldes fielen in den vergangenen Jahren Winterstürmen zum Opfer, nachdem unausgereifte Waldbaumethoden der heutigen Forstbehörde am Gipfel des Berges einen riesigen Kahlschlag geschaffen hatten.
Nach langen vergeblichen Bemühungen gelang es der Gemeinde Wassenach im Jahre 1844, den Status einer Pfarrei zu erhalten. Am 6. April 1844 genehmigte die Regierung in Berlin die Lösung aus der Pfarrei Burgbrohl -Wassenach war in der französischen Zeit durch Einflußnahme des Herrn von Bourscheid aus Burgbrohl von der Pfarrei Nickenich getrennt und Burgbrohl einverleibt worden. Am 21. Juni 1844 verkündete Dechant Schnitzler aus Mayen den Wassenachern von der Kanzel, daß Wassenach ab sofort eine selbständige Pfarrei sei.
In den Jahren 1850 – 1852 wurde die alte Kirche abgebrochen und nach Plänen des Baumeisters Nebel aus Koblenz die heutige Pfarrkirche erbaut. Da das Geld nicht mehr für einen neuen Glockenturm reichte, ließ man den alten Turm von 1485 stehen. 1898 wurde ein der Größe der Kirche entsprechender Glockenturm neu gebaut. Glücklicherweise ließ man den alten Turm stehen. Aus diesem Grund hat die Wassenacher Kirche heute 2 Glockentürme. Mit dem Beginn der Industrialisierung um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wuchs in den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr die Bevölkerungszahl sprunghaft an. Der Bedarf an Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Kartoffeln stieg entsprechend. Die hiesigen Landwirte machten sich dies zunutze, indem sie die Kartoffelanbauflächen stetig ausdehnten. Unbewußt nutzten sie den Kalireichtum der heimischen vulkanischen Ackerböden, der für die Stärkebildung und die Ausreifung der Kartoffel unbedingt notwendig ist. Mit dem Aufkommen der Mineraldünger ging dieser Standortvorteil nach und nach verloren. Die heute in der Wassenacher Feldflur angebauten Kartoffeln reichen nicht mehr zur Dorfversorgung aus. Lediglich der Spitzname vom »Wassenacher Klie-burger« zeugt noch vom Kartoffelboom des vergangenen Jahrhunderts.
In den Jahren 1852 und 1857 brannte bei zwei Großfeuern fast der gesamte alte Ortskern ab. Alle notwendigen Neubauten wurden mit den kurz vorher als Baumaterial entdeckten Krot-zensteinen vom Kunkskopf ausgeführt. Bis etwa 1930 wurde die Bauweise der Neubauten durch diese Krotzensteine geprägt, während von da an die genormten Bimssteine das Bauen bestimmten.
Auch die Kriege gingen an Wassenach nicht spurlos vorüber. Kamen aus dem Kriege 1870 / 71 gegen Frankreich alle eingezogenen Männer bis auf einen gesund nach Hause — für eine erlittene Verwundung erhielt dieser eine Jahresrente von 60 Thaiern —, so kehrten von den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges 25 Wassenacher nicht mehr in die Heimat zurück. Im 2. Weltkrieg hatte Wassenach 58 Tote und Vermißte zu beklagen. Bei einer Einwohnerzahl von 561 Personen im Jahre 1939, ein hoher Blutzoll, den der unselige Krieg von der Gemeinde forderte. Nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 begannen auch bei uns wieder normale Verhältnisse. Ab 1950 setzte die Bautätigkeit wieder, die den Ort bis heute auf mehr als das Doppelte seiner früheren Grundfläche anwachsen ließ. Auch die Einwohnerzahl hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt. Am 5. Dezember 1954 feierte die gesamte Ortsbevölkerung die Einweihung der Wasserleitung. Damit ging für die Wassenacher ein langgehegter Wunsch in Erfüllung.
Eine einschneidende Veränderung kam für Wassenach mit der Gebietsreform im Jahre 1970. Gegen den Willen der Dorfbevölkerung, die sich in einem Wahlgang mit über 90 % für die Angliederung an die Verbandsgemeinde Andernach-Land aussprach, wurde unsere Gemeinde der Verbandsgemeinde Brohltal und somit — nach 155jähriger Zugehörigkeit zum Kreis Mayen — dem Landkreis Ahrweiler zugewiesen.
Von 1967 – 1975 wurde die ganze Gemeinde voll kanalisiert, alle Ortsstraßen wurden ausgebaut und mit Schwarzdecken und Bürgersteigen versehen. Wenn auch die Bürger für diese Baumaßnahmen tief in die Tasche greifen mußten, so blieb doch noch ein Großteil an der Gemeinde hängen. Der Gemeindeanteil konnte nur aufgebracht werden, weil seit 1954 kontinuierlich Lava am Kunkskopf abgebaut wurde, was andererseits dazu führte, daß der Berg heute fast verschwunden ist. So geht es halt im Leben: Will man das Schöne, so muß man auch weniger Schönes in Kauf nehmen.
Die wiederholten Teilnahmen am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden«, die vom rührigen Verkehrs- und Verschönerungsverein e.V. getragen wurden und die der Gemeinde mehrfach Siege auf Kreisebene einbrachten, bestätigen die Schönheit des Ortes und sein für den Fremdenverkehr wichtiges Prädikat »Staatl. anerkannter Erholungsort am Laacher See«. Gebe Gott, daß die Zeiten friedlich bleiben und die nachfolgenden Generationen unter seiner Obhut und unter Beachtung seiner Gebote hier in Wassenach ihre Heimat und Geborgenheit behalten, die unsere Vorfahren bereits seit nachweislich 850 Jahren hier fanden.