Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr: Glanz und Elend des „Palasthotels“

Aus der Geschichte des Heilbades Neuenahr:

Glanz und Elend des „Palasthotels“

Hubert Rieck

Im Jahre 1993 erlebte das 1974 abgerissene Palasthotel eine zweifache „Wiedergeburt“: Plakate mit einem großformatigen Foto des Hotels aus dem Jahre 1906 warben für die Festveranstaltung „125 Jahre Verschönerungsverein für das Bad Neuenahr“. Zuvor hatte die Karnevalsgesellschaft „Blau-Weiß Schinnebröder“ ihren offiziellen Orden der Session 1992/93 mit dem Motiv „Palasthotel“ versehen.

Sentimentalität? Wehmut? Nostalgie? Oder Erinnerungen an etwas Besonderes, gar Wertvolles, dessen Verlust durch die nicht mehr vorhandene Existenz deutlich hervortritt?

Die Anfänge

Das am 5. Juni 1902 eröffnete Palasthotel setzte städtebauliche Akzente im aufstrebenden Heilbad. Die besondere architektonische Note des Hotels war zum einen bedingt durch seine eleganten, üppigen Fassaden, mit verschlungenen Ornamenten, Türmen und einer mächtigen Kuppel, die von kleinen Gauben und einem aufgesetzten Säulenturm verziert wurde. Zum anderen hatte der Besitzer, der Weinhändler P. Schlagwein, seinen „Palast“, der die wilhelminischen Repräsentations- und Imponierformen so treffend widerspiegelte, an der exponierten Stelle Post-/Kreuzstraße errichten lassen. Somit bildete das Palasthotel im harmonischen Ensemble mit den unmittelbar benachbarten Häusern „Germania“, „Sievers“, „Lohmann“ und dem renommierten „Cafe Veelmann“ einen städtebaulichen Glanzpunkt, gab dem sich neu entwickelnden Zentrum Neuenahrs ein unverwechselbares Gesicht.

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Stadtbildprägend in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts: 
Das Palasthotel von P. Schlagwein

Bemerkenswert, aber geradezu typisch für viele Grand Hotels in Neuenahr, war die Entwicklung zum „Palasthotel“. Aus einem noch recht einfachen Hotel mit Wein-Restaurant, das 1889 eröffnet wurde, entstand, nach mehreren umfangreichen Um- und Erweiterungsbauten, ein Prachtbau.

Blütezeit

Bis 1914 erlebte Neuenahr, das „Deutsche Karlsbad“, einen rasanten Aufstieg zum internationalen Badeort. 1913 erreichte das Heilbad die Rekordmarke von 15.226 Gästen. Auch das Palasthotel profitierte vom starken Zuspruch. So ließ der Eigentümer P. Schlagwein sein Haus 1910 wiederum großzügig umbauen und warb 1912 im örtlichen „Führer für Kurgäste“:

„Kurpension l. Ranges. Pension inkl. Zimmer von 7 M. an. Lift. Zentralheizung, Grosses Vestibül nach der Neuzeit 1910 erbaut. Grosser schattiger Garten mit Veranda. Die Speisen werden den verehrten Gästen an separaten Tischen serviert, sodaß jeder Kurgast auch wirklich nach Vorschrift des Arztes speisen kann.“ Die großen Häuser, wie „Kurhotel“, „Bonns Kronenhotel“, „Hof von Holland“, „Flora“, „Germania“, „Rheinischer Hof“, „Viktoria“, „Westend“ und selbstverständlich das „Palasthotel“ wetteiferten im Komfort und Service ihrer Einrichtungen. Der Kuraufenthalt im Heilbad war für die betuchten Privatkurgäste auch ein gesellschaftliches Ereignis. Die Hotels trugen dem Wunsch nach Komfort, Service und Unterhaltung Rechnung. So veranstaltete das Palasthotel regelmäßig Festbälle. 1903 annoncierte P. Schlagwein stolz in der Ahrweiler Zeitung: „Die Musik wird ausgeführt von der Kapelle des Pionier-Bataillons aus Coblenz“. Heerscharen von Personal, das in den unterschiedlichsten Funktionen arbeitete, betreute während der offiziellen Saison, die vom 1. Mai bis zum 30. September dauerte, die „Palast-Gäste“. Selbstverständlich holten die Hausdiener des Hotels, in schmucker Livree, die Gäste mit der hoteleigenen Kutsche bzw. mit einem Elektromobil vom Bahnhof ab und fuhren sie am Abreisetag zur Bahn zurück. Die Namen der Besitzer jener vielen Grand Hotels in Neuenahr, ob sie Bonn, Hörn, Schlagwein, Schroeder, Seckler oder Stange hießen, sind fast vergessen, aber durch Ihre Hotelbauten prägten sie über Jahrzehnte hinweg nachhaltig das Stadtbild. Des weiteren hoben sie durch ihr unternehmerisches Engagement die Gastronomie auf ein so hohes Niveau, daß Neuenahr auch auf diesem Gebiet mit den etablierten europäischen Kurorten konkurrieren konnte.

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Nichts mehr vom früheren Glanz: Ehemaliges Palasthotel in den 1970er Jahren

Krisenjahre

Nach dem 1. Weltkrieg geriet das Heilbad in den Sog der allgemeinen Wirtschaftskrise. Die Gästezahlen gingen dramatisch zurück und beliefen sich im Inflationsjahr 1923 auf 2.633 Personen.

1921/22 ließ der Eigentümer des Palasthotels den großen Speisesaal zu einer „Weindiele mit Orchesternische“ umbauen. Die „goldenen zwanziger Jahre“, mit dem Wunsch der Menschen nach Amüsement, bewirkten, daß in den großen Hotels Tanzdielen eingerichtet wurden. „Astoria“, „Stern“, „Westend“, aber auch das „Palasthotel“ entwickelten sich zu den führenden Tanzdielen für Kurgäste und Einheimische. So warb das Palasthotel in der Ahrweiler Zeitung vom 1.10.1927: „Eintritt frei – Tanzen frei! Kirmes im Palast-Hotel … Tanz in der Palast-Diele ab 5 Uhr mit der bekannten Stimmungskapelle Wirtz. Große Überraschungen! Kaltes Büfett! Zivile Preise!“

Die Besitzerverhältnisse des Palasthotels wurden in den 20er und 30er Jahren so turbulent wie die Jahre selbst: Ende der 20er Jahre ging das Hotel in den Besitz eines Diamantenhändlers aus Antwerpen über. 1931 mußte das Hotel, das zwischenzeitlich erneut den Besitzer gewechselt hatte, zwangsversteigert werden. Neuer Eigentümer wurde die Kölner Familie Balsam, Bergische Löwenbrauerei. In der Kur-saison 1935, als sich in Bad Neuenahr die Gästezahlen auf ca. 20.000 Personen einpendelten, warb der neue Inhaber Ernst Clees:

„Palast-Hotel. Vornehmes Kur- und Passantenhaus. Schönstes Bier- u. Wein-Restaurant am Platze. 70 Zimmer mit 100 Betten. Fließend warm und kalt Wasser. Gesellschaftszimmer – Großer schattiger Garten – Zentralheizung – Lift – Bäder – Garagen am Hause. Streng kurgemäße Küche. Pension von 6.- Mk an – Zimmer von 2,50 Mk an. Auto für meine Hotelgäste an jeden Zug kostenlos – vollständig renoviert.“

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Den Standort des Palast-Hotels markiert noch ein Parkplatz: 
Die Neugestaltung mit entsprechender Bebauung steht bevor

Die Jahre nach 1945

Nach dem 2. Weltkrieg kam 1947 ein äußerst bescheidener Kurbetrieb in Gang. Viele der großen Hotels wurden zweckentfremdet. Das Palasthotel beherbergte nun u. a. eine chinesische Teestube und eine Tanzdiele. Seine große Zeit war endgültig vorüber. In den 60er Jahren nutzte die Bundeswehr die Räumlichkeiten des Hauses. Doch die Bausubstanz verschlechterte sich dermaßen, daß in einigen Räumen Deckenstützen angebracht werden mußten. Die Nobelfassaden, insbesondere die wuchtigen Balkons, bröckelten und wurden allesamt abgetragen. Die wirkliche Zerstörung der Fassaden verursachten nicht die beiden Kriege, sondern fehlende Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen. Man beging Flickwerk, man „verschlimmbesserte“, und letztlich verunstaltete man das schöne Gesicht des einstigen Prachthotels, so daß es ein jämmerliches Bild bot und unbewohnbar wurde.

1973 kaufte die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler von der Bundesfinanzverwaltung das Anwesen, im Februar 1974 riß man das Hotel ab. Die Mehrheit der Einzelhändler der Stadt forderte damals, im Rahmen der Diskussion um die Errichtung einer Fußgängerzone, das Gebäude des Palast-Grundstückes „ganz und gar“ als Parkplatz mit Randgrün zu nutzen. Die Rhein-Zeitung meldete am 5.3.1974:

„Das Unvermeidliche geschieht in Bad Neuen-ahr an der Ecke Poststraße/Kreuzstraße. Der Abbruch des einstigen Palasthotels, in dem zuletzt die Bundeswehr ‚logierte‘, hat von der Hofseite her begonnen. Nach übereinstimmender Ansicht der Stadterneuerungsplaner, der Stadtverwaltung und des Stadtrats muß das – ohnehin baufällige – Hotelgebäude verschwinden. damit Stadterneuerung und Fußgängerzone verwirklicht werden können.

Der Stadtrat sprach sich in seiner jüngsten Sitzung einstimmig dafür aus, daß auf dem Hotelgrundstück zunächst ein begrünter Parkplatz entstehen sollte, der für die Ausweisung der Poststraße als erste Fußgängerzone der Badestadt unbedingt Voraussetzung ist…“.

Eine 1982 herausgegebene Schrift mit Vorschlägen zur Stärkung der Heilbadfunktion postulierte, daß der bestehende Parkplatz auf dem Gelände des Palasthotels in einen attraktiven Fußgängerbereich umgewandelt werden solle: „Die jetzige Blechwüste in unmittelbarer Nachbarschaft der Fußgängerzone mache einen unschönen Eindruck, der durch das teilweise Fehlen einer den Platz umgebenden Bebauung noch verstärkt werde … Stellplätze sollten daher künftig in diesem Bereich nicht mehr als öffentliche, sondern als private in einer unter dem jetzigen Platz zu bauenden Tiefgarage ausgewiesen werden. Die Platzoberfläche sollte zu einer attraktiven platzartigen Erweiterung der Fußgängerzone ausgebaut werden. Hier sei die Einrichtung eines Cafes oder Restaurants mit Bewirtschaftung im Freien wünschenswert…“

Die Stadtverwaltung griff diese Anregungen 1992 in einer schriftlichen „Begründung zum Bebauungsplan Poststraße – Kreuzstraße“ auf und legte für die Umgestaltung des Areals richtungsweisende und verbindliche Planungsziele fest. Eine „Bauherren-Gemeinschaft Palasthotel“ will hier ein Wohn- und Geschäftsgebäude errichten.

Fazit

Das Palasthotel war bis in die 1930er Jahre ohne Zweifel ein architektonisches Glanzstück, ein „verkleinertes Negresco“, nicht an der Cöte d’Azur, sondern an der Ahr. Die zeitgeschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen veränderten die Nutzung und die Bausubstanz des Hotels sowie das städtebauliche Ensemble, innerhalb dessen das Palasthotel eine exponierte Stelle einnahm.

Der Verfall und der Abbruch des Gebäudes werfen Fragen auf. Verkannte man damals mit Arroganz und unkritischem Modernitätsglauben, der oftmals den 50er und 60er Jahren zu eigen war, das Besondere dieses Hauses? Handelte es sich um einen „alten, unmodernen Kasten“, der nur noch zum Abriß taugte? Oder fand man keine finanziell potenten Unternehmen oder Behörden, die sich den enormen Aufwand leisten konnten, solch ein Glanzstück von einst zu sanieren?

Das Palasthotel sowie die betuchte, elegante Gesellschaft von 1914 existieren nicht mehr. Merkwürdig ist jedoch, daß die Erinnerung an das Besondere dieses Hauses gleichwohl geblieben ist und weiter lebt, ein Mythos seiner selbst. Somit ist der Schatten „Palasthotel“ groß, gerade für diejenigen, die Verantwortung für die Neugestaltung des städtebaulich exponierten Areals „Palasthotel“ tragen. Man darf gespannt sein, inwieweit ihnen eine moderne und zugleich humane Konzeption von urbanem Wohnen und Leben im Heilbad Neuenahr gelingt.

Anmerkung:
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Beigeordneten Winfried Schneider sowie den Mitarbeitern der Stadtverwaltung Helmut Knechtges, Edgar Ropertz und Hubert Paque, die mir die Arbeit im Stadtarchiv und die Einsichtnahme in die alten Bauakten ermöglichten. Des weiteren danke ich besonders Philipp Bichler und Hans-Jürgen Ritter, deren heimatgeschichtliche Sammlungen ich einsehen und verwerten durfte.