Beziehungen oder die Macht des kleinen Mannes Die Ahrweiler Schützen, der preußische König Friedrich-Wilhelm IV. und ein ausgehebelter Landrat
Er ist eine rheinische Institution, gehört zu den Menschen am Strom wie der Dom – der Klüngel. Er wird beherrscht, ist salonfähig, wird gehegt und gepflegt – auch in der einstigen kurkölnischen Mithauptstadt Ahrweiler. Eines der schönsten Beispiele der Allmacht des Klüngels gibt die Ohnmacht der Mächtigen gegen die Macht der Kleinen preis, berufen die sich auf den Allmächtigen. Doch alles schön der Reihe nach. Es begann mit dem Besuch eines Mächtigen, der eigentlich noch gar nichts zu melden hatte, war er doch nur Sohn eines noch Mächtigeren. 1833 wurde der Straßentunnel in Altenahr durchbrochen. Für die damalige Zeit ein Ereignis von Welt. Wichtig genug für den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, von Berlin an die Ahr zu kommen. Die Königskrone trug er damals noch nicht, stieg indes aber im Ahrweiler Hotel „Drei Kronen“ ab. Und wie es sich für treue Untertanen gehörte, brachten die Ahrweiler Schützen dem blaublütigen Hohenzollernspross einen Fackelzug dar. Königliche Hoheit geruhte sich zu revanchieren, trug sich in die Mitgliederliste der 1403 erstmals erwähnten Sankt Sebastianus-Bürgerschützengesellschaft ein und hatte damit für das nächste Jahrzehnt seine Ruhe vor den Ahrweilern.
Dass diese Ruhe dann doch gestört wurde, verdankte der mittlerweile König gewordene Friedrich-Wilhelm IV. erstens einem Unfall und zweitens seinem anscheinend unbelehrbaren königlich-preußischen Landrat. Denn 1839 explodierte ein von einem Polizeidiener zu nahe an der Fronleichnamsprozession aufgestellter Böller und zerschmetterte dem Fähnrich der Bürgerschützen, Johann Josef Kreuzberg, beide Beine. Verantwortlich für den Unfall war also ein Staatsorgan, aber schon damals war es üblich, den Schuldigen immer im kleinen Mann zu suchen. Der Landrat verbot schlicht und ergreifend den Schützen jedes weitere Schießen, sicherte sich sogar noch über die königlichen Regierung zu Koblenz ab.
Damit begann ein Streit der Kleinen gegen die Mächtigen, denn die Schützen wollten sich partout nicht verbieten lassen, dem Allmächtigen bei der jährlichen Prozession durch Salutschüsse zu huldigen. Eine Krisensitzung jagte die andere, dito die schriftlichen Eingaben. Doch der Preuße im Landratsamt blieb stur, zeigte keinen Deut Verständnis für althergebrachte Tradition.
Wissend, dass Ahrweiler schon Hauptstadt war, als die Berliner ihr erstes Rathaus bauten, platzte den Schützen nach fünfjährigem Hin und Her 1844 der Kragen. Entgegen der alten Devise „Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen würst“ besannen sie sich auf ihr königliches Mitglied, das ja schließlich oberster Chef besagten Landrates war – Beziehungen muss man eben haben. Und der Souverän gab sich deutlich souveräner als sein beamteter Statthalter. Die Trickkiste der Macht barg schon damals viele Geheimnisse, doch dass eine Goldmünze mehr wert ist als das Wort eines Landrates, war schon etwas Neues. Denn eine Goldmünze mit seinem Konterfei übersandte Majestät den Schützen am 1. August 1844. Beiliegend eine königliche Dienstanweisung: Der Vorstand, sprich Hauptmann der Schützen, habe ihn, also den Landsherrn, beim Schützenfest zu vertreten und gefälligst jeweils den ersten Schuss zu tun. Soviel zum Thema Schießen. Der Landrat wurde vornehm ausgehebelt, und es wurde weitergeschossen. Die Goldmünze Friedrich-Wilhems IV. trägt übrigens der Hauptmann heute noch in seiner Kette, wenn er den ersten Schuss tut. Johann-Josef Kreuzberg trug seinen Unfall übrigens mit Fassung. Er schnitzte aus einem seiner Unterschenkelknochen ein Miniaturkruzifix, das sich heute im Schützenmuseum in Ahrweiler befindet.
Hauptmannskette der Ahrweiler Bürgerschützengesellschaft mit Medaille des preußischen Königs Friedrich-Wilhelm IV.