Erstes Abitur nach dem Zweiten Weltkrieg am Ahrweiler Gymnasium
Das Abitur gehört zu den herausragensten Ereignissen im Leben eines jungen Menschen. Das gilt auch für die äußerst harten Lebensbedingungen der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Das letzte Abitur vor Kriegsende fand am Gymnasium Ahrweiler mit 6 erfolgreichen Abiturienten am 01.02.1944 statt. Am 30. Juli 1946 folgte erstmals nach dem am08./ 09. Mai 1945 beendeten Krieg die Abiturprüfung für 18 Schüler. Diese waren zuvor Soldaten und teilweise Kriegsgefangene gewesen. Drei von ihnen waren 1935, drei im Jahre 1936und die restlichen 1937 in die Sexta eines Gymnasiums aufgenommen worden. Da alle18 Schüler vor Erreichen des regulären Abiturs zur Wehrmacht, zum Reichsarbeitsdienst (RAD) oder zur Heimatflak einberufen wurden, erhielten sie – ohne Prüfung – anstelle eines Abiturzeugnisses den sogenannten „Reifevermerk“. Dieser sollte nach dem Krieg die Zulassung zum Universitätsstudium garantieren. Nach dem Krieg stellte sich jedoch heraus, dass diese Garantie nur für einen Reifevermerk Gültigkeit hatte, der vor dem 31. Oktober 1942 erteilt worden war.
Abiturienten im Jahrte 1946 am Ahrweiler Gymnasium mit Direktor Japtok (unten 3. v. l.) und Studienrat Graef (unten 4. v. l.)
Nach der Zerstörung des Ahrweiler Gymnasiums 1944/45diente die Weinbauschule in Walporzheim bis Anfang der1950er Jahre als Schulgebäude.Demzufolge mussten die vorgenannten18 Schüler sich entschließen, zur Erlangung der Studienberechtigung erneut die Schulbank mit dem Ziel des Abiturs zu drücken. Das war für manchen ein schwieriger Entschluss unter Überwindung einer starkenpsychologischen Hemmschwelle. Diese Entscheidung war keineswegs einfach, wenn man bei der Wehrmacht Offizier mit Befehlsgewalt gewesen war oder schwerste Zeiten in Kriegsgefangenschaft in Sibirien und einem über einen Monat dauernden Heimtransport hungernd in einem überbelegten Güterwagen verbracht hatte.
Nachdem das Gymnasium in Ahrweiler in der Wilhelmstraße am 23.12.1944 durch Bombentreffer weitgehend zerstört worden war, konnte am 01. Oktober 1945 unter schwierigen Verhältnissender Unterricht in der Weinbauschule zu Walporzheim wieder aufgenommen werden. Das Schulleben litt neben der erheblichen Raumnot unter anderem an fehlenden Schulmöbeln, Büchern und Schreibmaterial. Im Winter konnte nicht ausreichend geheizt werden.
Trotz aller durch die Nachkriegsnot bedingten Einschränkungen gelang es in der zusammen gewürfelten Oberprima, den Unterricht positiv zu gestalten. Dazu trug wesentlich bei, dass die18 Schüler dieser Oberklasse bestrebt waren, für einen späteren Beruf Boden unter die Füße zu bekommen. Entscheidenden Einfluss auf den schulischen Erfolg hatte jedoch das damalige besonders qualifizierte Lehrerkollegium. Es bestand im Schuljahr 1945/1946 aus folgenden Lehrkräften:
Oberstudiendirektor Japtok, den Studienräten Peters, Dr. Lackas, Graef, Dr. Kölsch, Dr. Spronk, Lehmann und Frau Dr. Roeckerath. Klassenlehrer der Oberprima war Studienrat Heinz Graef, der in den Fächern Deutsch und Englisch unterrichtete.
Besonders erfreulich war, dass nach dem Verbot in der Nazizeit nunmehr wieder Religionsunterricht in den Lehrplan aufgenommen wurde. Den katholischen Religionsunterricht übernahm erneut Dr. Lackas, der nach Verfolgung durch die Geheime Staatspolizei (GESTAPO) seit 1941 Gefängnis und Ausweisung erlitten hatte.
Anfang Juli 1946 wurden die schriftlichen Abiturarbeiten in Deutsch, Mathematik und Latein gefertigt. Am 29. und 30. Juli 1946 erfolgte die mündliche Abiturprüfung unter Vorsitz von Oberschulrat Dr. Lötschert.
Nach bestandener Prüfung nahmen die meisten Abiturienten das Universitätsstudium auf. Dieses absolvierten sie erfolgreich – vielfach mit Promotion und in einem Fall mit Professur- getreu dem auf dem alten Schulportal angebrachten Satz: „non scholae, sed vitae discimus“ (Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir).