Gedenken zum ersten Jahrestag der Flutkatastrophe
Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Landrätin Cornelia Weigand und Bürgermeister Guido Orthen sprachen vor 1.300 Teilnehmern im Kurpark Bad Neuenahr
Björn Dobias
Am 14. Juli 2022 jährte sich die verheerende Flutkatastrophe an der Ahr zum ersten Mal. Aus diesem Anlass fand im Kurpark von Bad Neuenahr-Ahrweiler die zentrale und öffentliche Gedenkveranstaltung des Kreises Ahrweiler und der vier von der Flut betroffenen Verbandsgemeinden und Städte statt. Zentrales Element der würdevollen Veranstaltung war das Gedenken an die 134 Todesopfer sowie die weiterhin zwei Vermissten im Kreis Ahrweiler. Bürger und Betroffene aus dem Kreis
Ahrweiler sowie Einsatzkräfte und Vertreter von Landes- und Bundespolitik versammelten sich dazu im Kurpark von Bad Neuenahr. Unter den Teilnehmenden war auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Rund 1.300 Personen waren bei dem zentralen Gedenken anwesend. Der SWR übertrug die Veranstaltung live im Fernsehen und per Livestream.
Neben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprachen die Landrätin des Kreises Ahrweiler Cornelia Weigand und der Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler Guido Orthen als Stellvertreter für die von der Flut betroffenen Kommunen.
Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung bildeten solidarisch eine Menschenkette.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer erinnerte an die große Zahl an Flutbetroffenen und die Zerstörungen im Ahrtal. Das Gedenken am Jahrestag mache deutlich: „Sie sind damit nicht allein. Ganz Rheinland-Pfalz, ganz Deutschland und weit darüber hinaus schaut hierher, nicht nur heute“, betonte die Ministerpräsidentin. Das Versprechen nach der Katastrophe gelte weiter. „Das Ahrtal ist nicht vergessen.“ Sie bewundere zutiefst, welche „beeindruckende Kraft“ die Menschen aufbrächten. Im von der Flut getroffenen Kreis Ahrweiler gebe es inzwischen viele „Lichtblicke“. Sie könne es dennoch verstehen, wenn „Ihnen alles trotzdem manchmal nicht schnell genug geht, wenn Sie einfach nur wollen, dass es vorangeht“, richtete Dreyer an die Betroffenen. Man arbeite jeden Tag „hart“ daran, dass „für alle der Wiederaufbau gelingt“.
Landrätin Cornelia Weigand sagte in ihrer Rede: „Die Dimension der Verletzungen an Leib und Seele ist unfassbar. Am Ende aller Worte bleibt noch so viel Trauer.“ Die Trauer lasse sich nicht mit Worten beschreiben. Sie brauche Raum. „Sie darf sich diesen Raum nehmen, wann immer es nötig ist.“
Hoffnungen für die Zukunft
In ihrer Rede brachte die Landrätin auch ihre Hoffnungen für die Zukunft des Ahrtals zum Ausdruck. Auf den Brachen des Tals werde man wieder Leben entstehen lassen. Das erfordere Kräfte „von denen wir jetzt kaum glauben, dass wir sie haben.“ Man sei es aber den Opfern schuldig, den Blick nach vorn zu richten. Die Landrätin sagte: „Die Verstorbenen sind in uns, wir tragen sie in unseren Herzen. Und ich bin überzeugt, viele von ihnen hätten gewollt, dass wir zusammenhalten, dass wir weitermachen, dass wir aus dieser Nacht lernen, wie wir und wie auch andere es besser machen können.“ Auch wenn man sich allein fühle: Niemand müsse allein sein „in seinem Schmerz und seiner Trauer.“
Bürgermeister Orthen hielt ein Zwiegespräch mit der Seele eines Flutopfers. Die Seele appellierte an die Zuhörenden, beim Wiederaufbau nicht „alles so zu machen, wie es war“. Man sei es den Opfern schuldig, den Katastrophenschutz zu verbessern. Orthen berichtete auch von der großen Solidarität der „vielen, hunderten, tausenden Menschen, Freiwilligen mit und ohne Uniform, die Leben gerettet haben, die uns monatelang geholfen haben und vielfach heute noch da sind. Die Solidarität der Menschen war und ist unbeschreiblich“. Mit Blick auf den Wiederaufbau sagte der Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler: „Viele von uns sind müde, verausgabt und auch enttäuscht darüber, dass der Wiederaufbau zu Hause, aber auch der Wiederaufbau der öffentlichen Infrastruktur teilweise nur langsam vorangeht.“
Gedenken an die 134 Todesopfer: Landrätin Cornelia Weigand (v.l.), Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bürgermeister Guido Orthen auf der Bühne im Kurpark
Dennoch gebe es auch „jeden Tag Lichtblicke“. Orthen bedankte sich auch bei Helfenden und Bürgern: „Alle Helfer und Menschen hier im Tal geben jeden Tag ihr Bestes. Und deshalb ist der Tag des Gedenkens auch Gelegenheit Danke zu sagen. Danke, allen Helfern in der Not. Danke allen, für diese großartigen Beweise der Solidarität. Und nicht zuletzt danke den Menschen im Tal selbst: Für das Zusammenstehen und Zusammenbleiben. Das Hierbleiben und Heimat aufbauen! Für die Kraft, den Mut und die Zuversicht, die uns trägt.“
Solidarisch eine Menschenkette gebildet
Während einer Schweigeminute leuchteten auf einer Leinwand die Namen der Verstorbenen als Sterne auf. Zusammen bildeten sie am Ende einen Sternenhimmel. Dreyer, Weigand und Orthen bildeten solidarisch eine Menschenkette, die Anwesenden im Kurpark nahmen sich ebenfalls gegenseitig an die Hand. Weigand und Orthen riefen die Menschen danach dazu auf, am folgenden Tag ebenfalls eine Menschenkette zu bilden, welche sich durch das ganze Ahrtal ziehen solle.
In Impulsvorträgen brachten Betroffene danach ihre persönlichen Erinnerungen an die Flutkatastrophe und ihre Hoffnungen für die Zukunft zum Ausdruck. Bei allem Leid und aller Not, die sie schilderten, war ihnen gemeinsam, sich für die große Hilfsbereitschaft zu bedanken und eine positive Botschaft für die Zukunft des Ahrtals zu setzen.
Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung von dem Blasmusik-Ensemble Rhein-Ahr-Spatzen. Zum Abschluss trugen der Musiker Stephan Maria Glöckner und die Sängerin Nadja Fingerhuth in einer Ahrtalversion „Hinterm Horizont“ und „Immer wieder geht die Sonne auf“ vor.
Der Musiker Stephan Maria Glöckner und die Sängerin Nadja Fingerhuth trugen in einer Ahrtalversion „Hinterm Horizont“ und „Immer wieder geht die Sonne auf“ vor.
Dezentrales Gedenken in betroffenen Kommunen
Der 15. Juli 2022 stand im Zeichen des dezentralen Gedenkens in den von der Flut betroffenen Gemeinden, Verbandsgemeinden und Städten. In einer langen Menschenkette entlang der Ahr gedachten Hunderte von Teilnehmenden der Verstorbenen der Flutkatastrophe. Sie setzten damit aber auch ein Zeichen für das neue Gefühl des Zusammenhalts im Ahrtal, das nach der Flut gemeinsam von Betroffenen, Einsatzkräften und Helfern unter dem Namen „SolidAHRität“ mit Leben erfüllt wurde. In einem zentralen ökumenischen Gottesdienst mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann, dem rheinischen Präses Thorsten Latzel und Pfarrerin Claudia Rössling-Marenbach erinnerten die evangelische und katholische Kirche gemeinsam mit Bürgern und Betroffenen und Vertretern des Kreises und der Kommunalpolitik an die Flutkatastrophe. Mut machen, Trost spenden und trotz aller Trauer wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken – dies war die Botschaft des Gottesdienstes an der Aufer- stehungskapelle in Ahrbrück.