VON DER NÜRBURG UND IHREN BEWOHNERN
Von Jakob Rausch
Auf einem 678 m hohen Basaltkegel grüßen die stolzen Ruinen der Nürburg ins Eifel- und Moselland und künden heute noch von der ehemaligen höchsten und stärksten aller Eifelburgen.
Die Nürburg ist wahrscheinlich auch die älteste aller heimatlichen Burgen. Römische Ziegel, die im Gemäuer vorkommen, und römische Münzen sprechen dafür, daß hier schon ein römisches Kastell stand, wofür auch die Lage des Berges spricht. Hier auf der Grenze von Ober- und Niedergermanien, wo gerade vom Westen auch die Provinz Belgica sich näherte, also im Dreiländereck der drei Provinzen, auf dem „Mons Nore“, haben die Römer an diesem strategisch so hervorragenden Punkte ein Kastell errichtet.
Wer im 10. Jahrhundert auf den Trümmern des römischen Kastells die Burg erbaute, ist ungewiß. Waren es die rheinischen Pfalzgrafen, die auf der Tomburg saßen und auch Gaugrafen des Ahr-, Eifel- und Mayengaues waren und die gerade wieder in der „Dreiländerecke“ ihrer drei Gaue eine Burg errichteten, zumal sie auch die Erbauer der Burg Kochem sind?
Um das Jahr 1100 gehört die Burg zur Grafschaft Are-Hochstaden; deren erster Graf war Theoderich von Are (1100—1126). Dieser hatte sechs Söhne. Der fünfte Sohn Ulrich ist der Stammvater der Grafen von Nürburg. Er regierte auf der Nürburg, die aber auch weiterhin im ungeteilten Familienbesitz der Grafen von Are-Hochstaden blieb. Zur gleichen Zeit regierte Ulrichs Bruder Lothar I. von 1126—1140 auf der Burg Are. Ihm folgte sein Sohn Theoderich II. (1140—1164), der also ein Neffe des Grafen Ulrich von Nürburg ist und 1164 kinderlos starb. Sein Vetter Theoderich III. wird mit seinem Großonkel Ulrich auch Erbe der Grafschaft Hochstaden. Ulrich von Nürburg und Theoderich von Are besaßen die Grafschaften Are, wozu auch Nürburg gehörte, und die Grafschaft Hochstaden (bei Grevenbroich an der Erft) gemeinsam.
Dieser Ulrich von Nürburg war der Nestor der Familie der Grafen von Are-Hochstaden, 1163 gründete er auch das Johanmterhaus Adcnau mit dem Besitzumfange des Amtes Nürburg. Er überlebte noch seinen Großneffen Theoderich III. (+ 1195) um zwei Jahre und starb 1197.
Sein Sohn Gerhard von Are-Nürburg und Theoderichs Sohn Eothar II. regierten ebenfalls gemeinsam die Grafschaften Are und Hochstaden. Eeider verließen beide Grafen die staufentreue Politik des edlen Grafen Ulrich, der als Nestor der Grafen von Are und als Blutsverwandter der Staufen stets mit der ganzen Familie im Staufenlager stand. Bei der strittigen Kaiserwahl 1198 standen beide Grafen leider im Welfenlager Ottos IV.
Eine Entfremdung zwischen Gerhard von Nürburg und Eothar von Are trat nach 1205 ein, da Lothar II. sich auf Seiten des Staufenkönigs Philipps von Schwaben stellt und die Eandskrone als Staufenburg erbauen half, während Gerhard von Nürburg im Welfenlager verblieb. Um diese Zeit trat auch eine regionale Teilung der Grafschaft Are-Hochstaden ein.
Gerhard wurde alleiniger Herr der Nürburg. Er erhält außer den rauhen Eifelhöhen noch den Osten der Grafschaft, die fruchtbaren Gefilde an der unteren Ahr, die reichlich Wein und Weizen tragen. Gerhard von Are-Nürburg trieb die Teilung der Grafschaft noch weiter: Er bestimmte in seinem Testament, daß sein Erbe unter seine zwei Söhne regional geteilt wurde. Bei seinem Tode 1221 erfolgte die Teilung auch so, daß sein Sohn Theoderich (1221 —1240) die Grafschaft Nürburg und sein Sohn Otto die Grafschaft Neuenahr erhielt. Otto I. ist der Stammvater der Grafen von Neuenahr.
Nun war die Grafschaft Are aufgeteilt in die drei Grafschaften Are (Altenahr), Nürburg und Neuenahr. Während die Grafen von Are und Neuenahr den Adler im Wappen führten, hatten die Grafen von Nürburg den Löwen in ihrem Wappen. Von diesen drei Grafengeschlechtern stirbt zuerst das von der Stammburg Are mit Theuderich IV. 1246 aus. Der Onkel des letzten Grafen von Are, Konrad von Are-Hochstaden, Erzbischof von Köln, schenkt mit seinem älteren Bruder Propst Friedrich das reiche Erbe dem Erzstift Köln.
Auch die Grafen von Nürburg starben im gleichen Jahrhundert aus. Graf Theoderich starb schon 1240. Sein jüngster Bruder Johannes von Are-Nürburg regierte noch dreißig Jahre weiter die Herrschaft Nürburg. Er wird aber nicht mehr Graf, sondern nur Herr von Nürburg genannt.
1252 erhielt Johann von seinem Verwandten, dem Kölner Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden, 200 Mark unter der Bedingung, daß das Erzstift sich jederzeit der Burg Nürburg behelfen möge, ausgenommen wider das Reich, wider den Grafen Gerhard von Neuenahr und den Herrn Gerlach von Saffenburg. Konrad von Are-Hochstaden, der Mehrer des Kölner Erzstiftes, der Königsmacher des 13. Jahrhunderts, er, der kluge Politiker, sicherte sich diese Eifelburg auf diesem ehemaligen Schnittpunkte dreier Provinzen, dreier Gaue und jetzt zweier Erzstifte: Köln und Trier. Konrad stellte die Weichen: Die Nürburg muß Kölner Besitz werden.
Johann von Are-Nürburg überlebte seinen Sohn Kunzo und starb 1270 ohne Erbe. Die Nürburg fällt an Köln. Der stolze Traum des schon 1261 verstorbenen Erzbischofs Konrad war erfüllt: Die mächtigste Eifelburg als südlichster Eckpfosten des Kölner Erzstiftes schaut trotzig und herrisch in das Trierer Land.
Es saßen nach 1270 keine Grafen von Are-Nürburg mehr in dem Bergschlosse, sondern nur kölnische Amtmänner. Der Bedeutung der Burg entsprechend entstammten die Amtleute berühmten rheinischen Adelsfamilien; u. a. Kessel von Nürburg, Beißel von Gymnich zu Schmidtheim und Stotzheim, die Walbott von Bassenheim, die Haust von Ulmen, die Grafen von Goltstein, die Grafen von Wolff-Metternich.
Zahlreiche Fehden umbrandeten im Mittelalter die Nürburg, welche die stolze Burg aber immer als Siegerin überstand.
In der zehnjährigen Fehde der „Wölfe und Böcke“ (1468—78) stand die Nürburg im Lager der Böcke und Burgunder und öffnete diesen ihre Tore.
Im Dreißigjährigen Kriege eroberte 1632 der Schwedengeneral Baudissin die Burg; aber schon im nächsten Jahre vertrieb General Gronsfeld die schwedische Besatzung. Trotz mehrfacher Besetzung durch feindliche Truppen überstand die Burg die Wirren des Dreißigjährigen Krieges.
Aber im dritten Raubkriege der Franzosen, als 1689 Ahrweiler vollständig verbrannt wurde, haben die Franzosen 1690 nach langwieriger Belagerung die Burg zerstört. Das Amt Nürburg wurde nach Adenau verlegt.
Dank der besonderen Fürsorge des Landeskonservators wurde jüngst die Burgruine von den sie überwuchernden Baumgruppen freigelegt. Die Ruinen werden bereinigt und vor weiterem Zerfall geschützt. So erkennen wir wieder die südliche Vorburg mit Umfassungsmauern und zahlreichen Wirtschaftsgebäuden, mit dem Brunnen und den starken Mauerresten der Burgkapelle. Durch das spitzbogige Doppeltor mit dem „Löwenwappen“ der Grafen von Nürburg treten wir in die Hauptburg, die durch den Bergfried strategisch in zwei Teile zerfällt. Einzelformen, Kapitale und Konsolen, deuten darauf hin, daß der Bergfried im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Eine feste Treppe führt uns sicher durch die einzelnen Etagen auf die feste Plattform des Bergfrieds, von wo man einen großartigen Ausblick über den ganzen Nürburgring und das weite Eifelland genießt. Hier steht man an einem historisch denkwürdigen Orte, wo sich -einstige geschichtliche Kraftlinien schneiden und Kraftfelder berühren und wo sich das Wort Karl Lamprechts bewahrheitet: „Wem ginge nicht hier der Sinn für unsere Geschichte überhaupt auf? Wie fühlt man hier im Einzelnen die großen Züge der deutschen Gesamtentwicklung!
Das Umschlagbild des Jahrbuches 1956 zeigt die Nürburg