Auf Millionen leisen Sohlen . . .
VON MANFRED RÖTTGER
MELANGIT — was ist das? Ein Mineral? Eine chemische Formulierung? Oder ein neues Getränk? Man neigt ja heutzutage so sehr dazu, in Abkürzungen zu sprechen und zu schreiben. Ein Mineral würde es sein, wenn in der Wortbildung das „G“ nicht wäre. Melange = Mischung kommt der Sache schon näher. Denn auch bei der MELANGIT, einem der größten Betriebe unseres Kreises, wird das Produkt mit Füll= und Farbstoffen gemischt. In dem im zweiten Weltkrieg gegründeten Unternehmen weiß heute niemand mehr zuverlässig zu sagen, ob das Wort „Melange“ bei der Wahl der Firmenbezeichnung Pate gestanden hat, aber — was sind schon Namen?!
Der Name MELANGIT bedeutet indes sehr viel. Vielleicht haben viele Bewohner unserer Landschaft, denen der große Betrieb an der Straße zwischen Sinzig und Westum vom Hörensagen bekannt ist, davon gar nicht einmal die rechte Vorstellung. Daß er in der heimischen Wirtschaft eine führende Rolle einnimmt und etwa dreihundert Arbeitern und Angestellten Arbeit und Brot gibt, mag auch bis in die entlegenen Dörfer des Kreises vorgedrungen sein. Weniger bekannt ist sicher aber die Tatsache, daß die MELANGIT ein weitweites Unternehmen ist, daß Orientalen, Afrikanern und Amerikanern das Wort MELANGIT ein Begriff ist und Millionen Menschen in allen Erdteilen auf den leisen Sohlen aus dem Betrieb an der Peripherie der Barbarossastadt am Rhein=Ahr=Eck gehen.
In die Länder, die den Rohstoff liefern, gehen auch die fertigen Produkte, bemerkt zur Überraschung des Besuchers die Exportleiterin. Sie spricht von Verbindungen mit dem Irak, Mittelamerika, Nigera, der Südafrikanischen Union, Singapur und Hongkong, als sei das selbstverständlichste Angelegenheit. Aus den USA kommt der Kautschuk übers große Wasser, wird in den modern ausgestatteten Werkräumen erst einmal „abgebaut“ — das heißt: aufnahmefähig gemacht für Füll= und Farbstoffe —; und der große Kreislauf um die
Ein sauberer Betrieb an der Peripherie von Sinzig mit weltweiten Verbindungen: Die MELANGIT. Im Schatten ihres Fabrikschlotes arbeiten etwa 300 Angestellte und Arbeiter
Foto: J. u. H. Steinborn
Welt bringt die Sohlen und Platten für Frauen=, Männer= und Kinderschuhe dann wieder in jene Länder, aus denen die Kautschukballen mit den exotischen Beschriftungen die Reise nach Sinzig antraten. So wetteifert MELANGIT mit der Sinziger Mosaikfabrik, die ihre Roh= und Farbstoffe allen Erdteilen entnimmt und die Fertigware in viele Länder schickt. Die MELANGIT, die im Krieg fast ausschließlich schwarzes Sohlenmaterial herstellte, ist die Geburtsstätte der transparenten Sohle. Sie hat in den letzten Jahren — mit dem Wiederaufbau wurde schon kurze Zeit nach dem Krieg begonnen — ein umfangreiches Produktionsprogramm ent wickelt, zu dem u. a. die hauptsächlich in Europa Absatz findenden Formsohlen und Zwischensohlen, Sohlenplatten (vor allem für Südafrika), Absätze, Rahmenstreifen, Formeinlagen für Sandalen, Kork=Gummi, Badematten, Schreibmaschinenunterlagen und auch große Platten gehören, aus denen sich Schuhfabriken selbst die Sohlen stanzen. Das Glanzstück der Produktion ist nach wie vor die transparente Formsohle, die in vielen Varianten, Formen und Farben geliefert wird. Modische Anregungen dazu kommen vor allem aus dem „Land der Schuhmode“ — Italien —, das auch zu den Großabnehmern der MELANGIT“ zählt.
Vom Kautschuk bis zur Profilsohle ist ein weiter Weg. Er beginnt in Indonesien, führt nach Sinzig am Rhein und endet wieder in Amerika oder in Afrika, Italien oder Hongkong. Denn Erzeugnisse der MELANGIT sind in aller Welt begehrt. Unser Bild zeigt einen Blick in einen Werkraum des modernen Unternehmens
Foto: J. u. H. Steinborn
Hurricane, Cora, Diamant, Tessina, Pallas, Exquisite und Lord sind einige der Zauberworte in der Fachsprache dieser Branche. Sie geben dem Laien ähnliche Rätsei auf wie der vielseitige Produktionsablauf, der mit dem Abbauen des Rohstoffes beginnt, den wir weiterverfolgen beim Zerwalken, Mischen, Füllen und Pressen. Ein Labor gehört dazu, in dem Elastizität, Druck= und Reißfähigkeit, Knickfestigkeit, Atmungsakivität, Dehnungselastizität und anderes geprüft werden, bis die im eigenen Wert entworfenen und gefrästen Metallformen der Fabrikationsmasse die gewünschte Form geben. Die Fußbettung, die natürliche Abrollbewegung des Fußes, das Verhindern von Schweißbildung durch eine für ständigen Wärmeausgleich sorgende Atmungsaktivität des Materials, das leichte Gewicht für sommerliches Schuhwerk: das alles will berücksichtigt und mit der Diktatur der Mode in Einklang gebracht sein.
Daß die MELANGIT all diese Vorgänge und Gesichtspunkte in einem modernen, soliden und gutgeleiteten Unternehmen in rechter Weise zu beachten und auszuwerten versteht, zeigt der Erfolg, auf den das Werk stolz sein kann: In aller Welt gehen Millionen
„Schritt für Schritt auf MELANGIT“.