Herkunft

Von Jakob Kneip

Ich komm aus einem düstern Land,
wo meiner Väter harte Hand
jahrhundertlang geführt den Pflug,
und wo der Frauen stummer Zug
allmorgendlich die Kirche füllt.
Die Scholle liegt dort rauh und wild,
tief braust der Wald, scharf weht der Wind,
und Bauer, Bäurin, Roß und Rind
gehn voller Mühsal, dumpf und schwer,
und meiner Mutter harter Blick
war nie erfüllt von Glanz und Glück.
Gebt mir die Hand!
Wie ich bin,
so arm und reich – so nehmt mich hin!

Unten stieß ein
Nachen ans Land

Unten stieß ein Nachen ans Land.
Ein Blatt fiel mir auf die Hand,
dann war alles still.
Vom Abend umflossen
hielt ich rückgelehnt die Augen geschlossen.

Ich dachte an Vater, der oft hier ging,
als noch, im Turm oben die Glocke hing,
und die Mutter im bauschigen Sonntagskleide
ihm schritt zur Seite.

Und wie heute die Welt so ganz, ganz anders ist,
und wie man so leicht die Toten vergißt und uns auch — Leise
sang drüben die Meise am Brombeerstrauch.

JAKOB KNEIP

Wieder daheim

Ich bin hinauf, hinab gezogen
und suchte Glück und sucht es weit;
es hat mein Suchen mich betrogen,
und was ich fand, war Einsamkeit.

Ich hörte, wie das Leben lärmte,
ich sah sein tausendfarbig Licht;
es war kein Licht, das mich erwärmte,
und echtes Leben war es nicht.

Und endlich bin ich heimgegangen
zu alter Stell und alter Lieb,
und von mir ab fiel das Verlangen,
das einst mich in die Ferne trieb.

Die Welt, die fremde, lohnt mit Kränkung.
was sich, umwerbend, ihr gesellt;
das Haus, die Heimat, die Beschränkung,
die sind das Glück und sind die Welt.

JAKOB KNEIP

Die Wolke

Seht ihr dort die Wolke liegen?
Auf dem sommerheißen Hügel
dehnt sie ihren plumpen Leib
urweltgroß und gletscherweiß.

Und nun scheint sie gar beflügelt,
hebt sich auf den Rand und spiegelt
ihren Leib im grünen See,
schaut den Schnittern zu im Klee,

lauscht dem fernen Glockenschlag,
freut sich an den Fuhrmannsrufen,
am Getrab von Pferdehufen,
am Geblök von Rind und Schaf;
träumt so hin den langen Tag
und versinkt zuletzt in Schlaf . . .

Doch sobald das Abendrot
auf den Bergesspitzen loht
und die Sonne niedersinkt,
wacht sie auf . . .
Reckt das Haupt empor und winkt
ihren Freund herbei, den Wind.
Und der Wind in tollem Lauf
eilt vom dunklen Meer herauf.

Seht, da steht der dienstbereit,
duckt den Rücken, hebt sich hoch,
überm Walde schwebt sie schon,
kaum den Rücken siehst du noch —
und der Wind mit Tubaton
trägt sie über Länder weit
fort in die Unendlichkeit . . .

JAKOB KNEIP