DIE HERRLICHKEIT VETTELHOVEN

Von Jakob Rausch

Nomen est omen!

Die Herrlichkeit! Wer denkt dabei nicht an die fruchtbaren Felder, die prächtigen Wälder und die zwei herrschaftlichen Gutshöfe des Dorfes! Aber hier hat das Wort den Sinn von Herrschaftsgebiet. Obwohl auf der „Grafschaft“ gelegen, hat die Herrlichkeit Vettelhoven nie zur Grafschaft Neuenahr gehört, sondern diese Unterherrschaft gehörte zur Vogtei Ahrweiler und mit diesem und der Grafschaft Are seit 1246 zum Erzstift Köln. Vettelhoven! Ein Hof gab dem späteren Dorfc den Ursprung, den Namen und das Gepräge. Er war der Hof des fränkischen Edeln Watilo oder Wetilo. (got vadi, ahd weddi = Pfand, Pfandvertrag, vgl. Wette). Im 13. Jahrhundert sind die Ritter von Vettelhoven Besitzer dieses Hofes; den sie als kurkölnisches Lehen besaßen, womit auch das Schultheißenamt über die ganze Herrlichkeit verbunden war. Als Ritter von Vettelhoven werden genannt: 1248 Dietrich; 1254 Richard. Im 14. Jahrhundert besaß das Rittergeschlecht Kolwe von Ahrweiler Burg, Hof und Herrschaft. Dieses Geschlecht bewohnte den Kolweturm am Adenbachtor in Ahrweiler, wo heute das Lichtspielhaus „Burghof“ steht.

Ursprünglich führten die Kolve drei Streitkalben im Wappen. Sie hatten also ein „redendes“ Wappen, da Kolben an den Familiennamen erinnert. Nach Versippung mit dem Rittergeschlecht Blanckart übernahmen sie von diesen den Hammer als Wappenzeichen; sie hielten aber an der Dreizahl fest, so daß sie drei Hämmer im Wappen führen.

Außer diesem Hofgute mit ungefähr 300 Morgen Ackerland, 50 Morgen Wiesen und Weiden und 120 Morgen Burgwald, das sie als kölnisches Lehen besaßen, waren diese Hofbesitzer auch kölnische Schultheißen des gesamten Dorfes. Die Dorfbewohner besaßen insgesamt ebenfalls eine 300 Morgen große Dorfflur und 1000 Morgen Gemeindewald.

Die Bauern waren meist dem Hofbesitzer zinspflichtig und kurmedig. Sie leisteten Frondienste auf dem Herrenhof. Von jedem Hause wurden 4 Alben (Albus = ein Silbergroschen) und von jedem Morgen 6 Heller entrichtet. Durch die Geldentwertung betrug dieser „Zehnte“ später noch nicht 1 % des Ertrages. Die Hofherren hatten folgende Rechte über die Herrlichkeit: Sie übten im Hof= und Dorfgeding die Kriminal= und Zivilgerichtsbarkeit aus, sie waren Patronatsherren der Kapelle, sie verliehen die Mahl= und Schankberechtigung, sie besaßen das Jagd= und Fischereirecht.

Im 14. Jahrhundert teilte der Ritter Kolve das Hofgut unter seine zwei Söhne Heinrich und Konzo. Im Anfang des 15. Jahrhunderts erwarb Heinrich von Kolve von Wilhelm von Gymnich einen weiteren Hof in Vettelhoven. Im Laufe des 15. Jahrhunderts entstanden durch Teilung drei Herrenhöfe:

1. die erste Hälfte der alten Burg mit einem Viertel der Herrlichkeit;

2. die zweite Hälfte der alten Burg mit einem Viertel der Herrlichkeit;

3. der sogenannte Schäferei=Hof mit der Hälfte der Herrlichkeit.

Wenn auch das Hofgut in drei Herrenhöfe zerfiel, so blieb die eigentliche Herrlichkeit und deren Rechte im ungeteilten Besitz der drei Hofherren. Sie setzten einen gemeinsamen Schultheißen und Beamte ein, die die Herrschaft verwalteten. Die Einkünfte aus der Herrlichkeit teilten sie sich im Verhältnis 1:1:2.

Wir betrachten nun die weitere Geschichte jedes einzelnen Lehens:

Die 1. Hälfte der Burg mit einem Viertel der Herrlichkeit

Die 1. Hälfte der Burg, die als Wasserburg rundum von einem Weiher umgeben war, wurde von ihrem ersten Besitzer Godard Kolve zu einem vollständigen, selbständigen Hause umgebaut, vor dem ein eigener geschlossener Hof lag. Zu diesem gehörte ein anstoßender Garten, 73 Morgen fruchtbares Ackerland, 7—8 Morgen Benden (— Weiden) und 30 Morgen Heideland, ein Teil des ehemaligen Burgbusches.

Schloß Vettelhoven
Foto: Kreissbildstelle

Der Herr dieses Hauses hatte zudem noch ein Viertel der herrschaftlichen Einkünfte des Waldes und der Herrlichkeit. Nach dem Tode Godhards 1525 fiel das Lehen an seinen Sohn Dietrich Kolve, der es 1549 an seine beiden Söhne Bertram und Johann Dietrich vererbte. Letzterer heiratete Agnes von Berg, genannt Blens, mit der er die Linie der Kolve von Vettelhofen zu Hausen gründete. Nach dem Tode seines Bruders Bertram verzichtete er auf sein Vettelhovener Erbe und überließ seinen Anteil den beiden Töchtern Bertrams. Die erste Tochter Elisabeth heiratete in erster Ehe Johann von Aldenbrüggen, genannt Velbrück, in zweiter Ehe Johann von der Hovelich zu Altenlauenburg. Die zweite Tochter heiratete Johann von Gertzen, genannt Sinzenich zu Sommersberg bei Fritzdorf. Die Nachkommen dieser beiden Töchter besaßen das Lehen 1651 noch ungeteilt. Im Jahre 1651 empfing aber Ferdinand von der Hovelich, der Sohn der Elisabeth Kolve, allein das Lehen.

Nach Ferdinands Tode im Jahre 1653 erhielt Johann Reinhard von Gertzen, ein Enkel von Maria Kolve, das Gut. Ihm folgte 1665 sein Bruder Heinrich, Domherr zu Hildesheim. Die von Gertzen saßen auf dem Rittergut Sommersberg bei Fritzdorf. Die Großnichte Maria Catharina Ignatia von Sommersberg heiratete den Freiherrn Ferdinand von Palant, Generalwachtmeister und Kommandant von Jülich. Sie und auch ihr zweiter Sohn Johann Franz und ihr dritter Sohn Philipp Wilhelm erhielten die Belehnung von Kurköln nicht, weil sie sich weigerten, das „Laudemium“ von 600 Talern (= 10 Prozent des Lehnwertes) zu zahlen, was aber im Erbvertrag von 1659 beim Erbfall an die Töchter festgesetzt worden war.

Aber dem Theodor von Palant, dem Sohn des ältesten Sohnes von Ferdinand von Palant, wurde 1712 diese „Erbschaftssteuer“ erlassen. Er erhielt im gleichen Jahre für sich, seinen Bruder Philipp Wilhelm und seine Schwester Maria Theodore die Belehnung.

Die Brüder überließen großmütig der Schwester das Vettelhofener Lehn. Als die Schwester es aber 1734 veräußern wollte, wehrte sich dagegen ihr Neffe Carl Theodor von Palant (Sohn des ältesten Bruders), zumal er schon 1730 von Kurköln mit dem Gute belehnt worden war. Es kam zu einem Prozeß, der erst mit dem Tode der ledigen Tante Maria Theodore von Palant erlosch. Nun war der Neffe Carl Theodor von Palant unbestrittener Besitzer. Er wurde in den Grafenstand erhoben und war jülichscher Amtmann in Nörvenich. 1761 verkaufte er aber sein Vettelhofener Lehen an den Freiherrn Philipp Franz von Harff, der auch schon den zweiten Teil des Lehens besaß. Die z, Hälfte des Hauses zu Vettelhofen mit einem Viertel der Herrlichkeit Auch aus dieser zweiten Hälfte der Burg war ein eigener Rittersitz entstanden, dessen Haus und Hof unmittelbar an die erste Hälfte anschlössen. Auch zu diesem gehörten 73 Morgen Acker, 7—8 Morgen Wiese, ;o Morgen Heide und ein Viertel der herrschaftlichen Einkünfte der ganzen Herrlichkeit und des Waldes. 1512 war Edmund von Metternich, dessen Frau eine Tochter von Johann Kolve war, Besitzer dieses zweiten Teiles. Ihm folgte sein Sohn Johann von Metternich und 1566 dessen Sohn Bernhard. Dieser heiratete Eva Hurt von Schöneck. Ihr Sohn hieß Edmund von Metternich. Nach dem Tode Bernhards heiratete die Witwe den Johann von Erp zu Warrenburg. Dieser war ein Freund der Reformation und stand im Gebhard=Truchsessischen Kriege auf Seiten des abgefallenen und abgesetzten Kurfürsten und Erzbischofes Gebhard Truchseß. Für den letzten aber kämpften oft erfolgreich seine beiden Haudegen Graf Adolf von Neuenahr=Moers und der Schenk von Nideggen. Letzterer besetzte als „Freund“ das Vettelhovener Gut, während er im Ahrtal brandschatzte und plünderte. Jedoch vertrieb der Graf von Isenburg den tollkühnen Schenk aus Vettelhoven; die neue Besatzung von Vettelhoven fand nun Papiere des Johann von Erp=Warrenburg, die ihn sehr belasteten. Deshalb ließ der Isenburger das Hofgut plündern, hielt es aber weiterhin besetzt und wollte es nur gegen eine beträchtliche Kriegskostensumme wieder frei geben. Johann Erp=Warrenburg ist nicht mehr in den Besitz von Vettelhofen gelangt. Aber auch seinem Stiefsöhne Edmund von Metternich verweigerte der Isenburger sein Erbe, wenn er nicht j vorher das hohe Lösegeld zahlte. l Der eben 1598 von der Universität zurückkehrende junge Edmund von Metternich überrumpelte nachts mit einer Schar Freunden den Hof und vertrieb die Besatzung; so gelangte er durch diesen mutigen Handstreich in den rechtmäßigen Besitz seines Erbes.

Aus der Ehe Edmunds mit Maria Elisabeth von Brohl (Burgbrohl) stammte nur eine Tochter, Anna Catharina, die das Lehen von Vettelhoven ihrem Gemahl Johann von Harff zu Drimborn zubrachte, der 1640 und 1652 mit dem Gute belehnt wurde.

Nach ihm kam 1674 sein Sohn Werner Philipp Wilhelm in den Besitz des Gutes. Dieser setzte seinen Sohn Johann Wilhelm von Harff als Erben ein, wogegen die Witwe und der Sohn des Trierer Werner Friedrich protestierten. Durch gütliche Einigung blieb Johann Wilhelm alleiniger Erbe. Johann Wilhelm von Harff war kürkölnischer Geheimrat und Domherr zu Hildesheim und Halberstadt. Er vermachte mit lehnsherrlicher Erlaubnis das Haus zu Vettelhoven seinen beiden Neffen Heinrich Wilhelm von Harff, Domherr zu Mainz, und Philipp Franz von Harff, Herrn zu Drimborn. Philipp Franz von Harff erkaufte 1761 auch das erste Haus von dem Grafen von Palant. Er starb als kurmainzischer Geheimrat und kurpfälzischer Oberamtmann zu Heimbach 1685. Sein Sohn Franz Ludwig von Harff wurde noch 1785 mit beiden Häusern und zwei Vierteln der Herrschaft Vettelhoven belehnt.

Der Schäferei=Hof zu Vettelhoven

mit der Hälfte der Herrlichkeit Ursprünglicher Besitzer dieses dritten Hofes waren auch die Kolve von Ahrweiler. Ein Gymnicher Hof wurde von Heinrich Kolve gekauft und mit dem Schäfer=Hof vereinigt, so daß er die doppelte Größe der anderen Höfe besaß. Im 16. Jahrhundert besaß dieser Hof 150 Morgen Ackerland, 15 Morgen Wiesen und 80 Morgen Heide sowie die Hälfte der Einkünfte des Waldes und der Herrlichkeit. Das Herren= haus wurde aber erst im 15. Jahrhundert erbaut. Es wurde 1691 im dritten französischen Raubkriege mit dem ganzen Dorfe niedergebrannt und nicht mehr aufgebaut. 1487 besaß Godhard Kolve den Schäferei= und Gymnicher Hof. Seine Söhne Godhard, Emmerich und Johann erhielten noch 1508 bis 1561 die Belehnung. Emmerichs Sohn, Thomas Kolve, erhielt die Schweppenburg; die Tochter Amalie Kolve brachte das Gut um 1566 ihrem Gemahl Otto von Weiß zu, dem es 1572 verliehen wurde und der 1578 starb.

Seine beiden Söhne Gerhard Otto und Wilhelm von Weiß teilten sich das Erbe.

Gutshof Krewel

Der ältere erhielt Vettelhoven, der jüngere den Kolveturm zu Ahrweiler. Nach Gerhard Otto von Weiß erhielt sein Sohn Philipp Ernst Vettelhoven. Nach dessen Tode 1666 fiel das Lehen an seinen Schwager, den Gemahl seiner Schwester Amalie, Wilhelm Hermann von Enschringen. Die Ehe war kinderlos. Da meldeten sich als Erben die Nachkommen des Wilhelm von Weiß, Herr des Kolveturmes zu Ahrweiler. Agnes von Weiß hatte Conrad Georg von Nechtersheim, genannt Krümmel zu Dottendorf, geheiratet. Ihrem Sohn Marzilius von Nechtersheim, genannt Krümmel, wurde das Vettelhovener Erbe streitig gemacht von einem Stiefsohn der Amalie von Weiß, dem Franz Hartmann von Enschringen. Nach Zahlung von 7000 Talern wurde die Witwe des Marzilius Krümmel, Christine Margaretha, 1694 Besitzerin des Gutes.

Ihr Sohn Conrad Georg Krümmel, Erbvogt zu Ahrweiler und Amtmann zu Zeltingen, verkaufte das Lehen am 16. August 1730 unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießnutzes für 6000 Taler an Freiherr Waldbott von Bassenheim auf Gudenau. Die Erbansprüche der von Wenz als Nachfolger der von Weiß im Kolveturm zu Ahrweiler haben die Waldbotten mit 500 Talern abgefunden. Als Conrad Georg Krümmel 1739 starb, mußten die Käufer des Gutes, die Waldbotten von Bassenheim auf Gudenau, noch lange Prozesse um den gekauften Schäferhof führen. Erst der Enkel des Käufers erhielt 1762, zuletzt noch 1785, die Belehnung. Dieser Enkel hieß Freiherr Clemens August von der Vorst zu Lombeck und Gudenau.

Vor dem Zusammenbruch des feudalen Systems beim Einzug der französischen Revolutionsheere in die rheinischen Lande waren Besitzer des ersten und zweiten Hofes Familie von Harff und des dritten Hofes von der Forst zu Lombeck und Gudenau. Die Träger klangvoller Namen des rheinischen Adels haben in Vettelhoven gewohnt und regiert: Die Waldbotten von Bassenheim, von Metternich, von Harff, von Pallant, von Gertzen, von Erp, von Velbrück, von Hovelich, von Weiß, von Wenz, von Krümmel und vor allem aber die Begründer, das Ahrweiler Adelsgeschlecht Kolve, das fast 300 Jahre in Vettelhoven herrschte und das auch auf der Schweppenburg saß und den Kolvenhof in Wassenach und Hausen besaß. Mit der Franzosenzeit (1794—1814) kam wirklich ein jäher Umbruch, es verschwanden die 150 Herrschaftsgebiete des Rheinlandes, hinweggefegt wurden auch die 15 Herrschaften im heutigen Kreise Ahrwei. ler. Zu Frankreich gehörig, gehörte nun die Gemeinde Vettelhoven zur Mairie Gelsdorf, zum Kanton=Ahrweiler, zum Arondissement Bonn, zum Departement Rhein und Mosel, zur Republik Frankreich, die 1804 durch Napoleon ein Kaiserreich wurde. Der Adel wurde seiner Vorrechte verlustig erklärt. Hinweggefegt wurde mit dem feudalen System die Erbuntertänigkeit der Bauern. Sie waren nun frei von Zehnt= und Frondiensten. Im Jahre 1812 zählte die Gemeinde Vettelhoven 196 Einwohner.

In den Jahren 1827—1833 befanden sich das Dreiborn Freiherr von Harffsche und das Pallantsche Gut im Eigentum einer Frau von Reding geb. von Harff. Die alte Burg mit dem Harffschen und Pallantschen Gut ist seit 80 Jahren im Besitze der Familie de Werth von Vettelhoven. In dem Schloß befindet sich das Schnellersche Kinderheim mit zwei Schulklassen. Der früher von Krümmeische Hof war Eigentum des Freiherrn von Negri. Der Schäferhof ging im Jahre 1834 auf Josef Schieffer über. Dieser erwarb 1836 auch den von Negrischen, auch Gudenauer Hof genannt. Seit dieser Zeit befindet sich der Hof, nun als ein Gut von dem Gudenauer Hof aus bewirtschaftet, in den Händen dieser Familie, die einzige Tochter Margarethe des Josef Schieffer heiratet einen Werner Krewel aus Burg Zievel bei Satzvey. Sohn der Eheleute Werner Krewel war der spätere ökonomierat Jerome Krewel, Vorsitzender vieler berufsständischer Vereine und Abgeordneter im preußischen Landtag.

Heute befindet sich das Gut im Besitz des Neffen von Jerome Krewel — Otto Krewel, Haus Derkum, geboren auf Burg Zievel. Es wird bewirtschaftet von seinem Schwiegersohn Herbert Ditges, dessen Ehefrau Elisabeth eine geborene Krewel ist.