Remagen im 16. Jahrhundert
Von Bernhard Koßmann
Remagen, heute ein Rheinstädtchen, dem Fremdenverkehr -und eine aufblühende Industrie das Gepräge geben, war im Mittelalter ein Landstädtchen, dessen Hauptnährquellen Ackerbau, Viehzucht und Weinbau waren. Ja, die ansässigen Kaufleute und Handwerker waren durchweg auch Bauern und Winzer. Gerade der Weinbau mit seinen fruchtbaren Lößterrassen stand in Remagen in hoher Blüte; während des ganzen Mittelalters hatte Remagen über zoo Morgen Weinbergsfläche. Noch im Jahre 1910 besaßen Remagener Winzer 240 Morgen Weinberge. Dann kam durch Reblaus und aufkommende Industrie ein starker Rückgang, so daß im Jahre s925 nur 40 Morgen und im Jahre 1953 nur z Morgen Weinberge zu verzeichnen sind. Auch die Waldnutzung in Bezug auf Bauholz, Brandholz, Weide und Streu spielte eine große Rolle.
Die Agrarstruktur des mittelalterlichen Remagen spiegelt sich recht anschaulich in dem Remagener Weistum von 1574, das sich im katholischen Pfarrarchiv in Remagen befindet. Es lautet in neuhochdeutscher übersetzung:
„Ein ehrsamer Rat erneuert das Strafregister, das unsere lieben Voreltern vor undenklichen Jahren aufgestellt haben, bei eintretender Notwendigkeit noch verbessert und jeden einzeln aufgeführten Posten nach gründlicher Wahl zugefügt, wonach sich die übertretenden Personen ohne weitere Widerrede zu richten haben:
1. Soll ohne Erlaubnis des Bürgermeisters in Scheitz kein Bauholz an verbotenen Tagen gehauen werden, der Aufenthalt darin ist unter Strafe verboten. („im Scheide 1117“, mhd. scheide, „im Scheitzerbusch 1662“. Dieses Waldgelände am westlichen Ende der Gemarkung bedeutet hier wohl Grenzscheide.)
2. Item (ebenso) sollen die Schützen (Waldhüter) eine auswärtige übertretende Person dem Bürgermeister ausliefern und die nachweisbare Tatsache unverzüglich anzeigen, damit er nach dem Strafverzeichnis bestraft werde.
3. Ebenso soll ein jeder bei Strafe auf seinem Eigentum bleiben.
4. Wenn jemand überführt wird, der Grenzbäume und Gräben weghaut oder Flursteine ausgräbt in anderer Leute Feldern und Büschen, ist mit 5 Goldgulden zu bestrafen.
Ebenso soll die übertretende Person dem Beschädigten seinen Schaden wieder gutmachen, die Strafe richtet sich danach, wie es im Interesse der landesfürstlichen Obrigkeit liegt.
5. Ebenso soll kein Bürger von allen Arten Vieh nicht mehr halten, als er auf seinem Land ernähren kann, bei einer Strafe von 5 Goldgulden.
6. Ebenso, wenn jemand von den Schützen festgestellt wird, der aus Freundschaft oder durch Geschenke eine strafbare Person übersieht und gebührlicherweise nicht festnimmt, ist mit 5 Goldgulden zu bestrafen.
7. Ebenso, wenn jemand aus der Bürgerschaft einem Auswärtigen Heide, Laub und Reiser verkauft, ist die Strafe 5 Goldgulden.
8. Ebenso, wenn jemand festgestellt wird, der Bürden Reiser stiehlt und Heide abhaut in anderer Leute Büschen, ist mit 5 Goldgulden zu bestrafen.
9. Ebenso, wenn jemand immer Reiser stiehlt und es nicht lassen kann, soll an die Kette am Pranger zur ewigen Schande geschlagen werden.
10. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der auf eines anderen Feld Garben stiehlt und in eines anderen Weinberg Trauben abschneidet, ist die Strafe 5 Goldgulden.
11. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der in eines anderen Busch Buchenreiser, Reifenstangen, Stangen und Gerten abhaut, so ist er mit 3 Goldgulden zu bestrafen.
12. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der in eines anderen Garten Zwiebeln, Möhren, Mus und sonst Gewürzpflanzen abrupft, Birnen und Äpfel stiehlt, so ist er mit 2 Goldgulden zu bestrafen.
14. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der in anderer Leute Busch, Holz und Wurzelstümpfe abhaut, ist mit 1 Goldgulden straffällig.
15. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der einen anderen in seinen Weingärten, Wiesen, Büschen, Baumgärten, Weidenbüschen und Drieschern Viehfutter gehauen hat, ebenso Bindweiden, dünne Zweige und Bügelholz abschneidet, ist mit 1 Goldgulden zu. bestrafen.
16. Ebenso, wenn Pferde, Kühe und Schweine in den Trauben- und Obstgärten und sonstigen Gärten gefunden werden, ist die Strafe 1/2 Goldgulden.
17. Bei den Schafen soll man es mit der Strafe halten, wie man es von alters her gewohnt ist.
18. Ebenso, wenn jemand von den Pferdeknechten überführt, . der mit dem Pferd den Pflug oder die Egge über besätes Land schleift, ebenso auf eines anderen Feld Erbsen und Wicken ausreißt und der (gewohnten Weg nicht nimmt, ist er mit 1/2 Goldgulden zu bestrafen.
19. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der unter eines anderen Baum Obst ißt (Mundraub), es geschüttet, geschlagen oder nicht, ist die Strafe der vierte Teil eines Goldguldens
2o. Ebenso, wenn jemand überführt wird, der oberhalb des Rheines Holz abgehauen hat, ist mit 1/2 Goldgulden zu bestrafen.
21. Hunde, Gänse und Hühner bezahlen den Schaden mit dem Leben.
22. Ebenso, wenn ein Ferkel innerhalb der Stadt einen Schaden anrichtet, ist die Strafe 1 Mark.
23. Ebenso, wenn Vieh nach verbotener Austreibung im Busch, im Feld oder anderswo gefunden wird, ist die Strafe für jedes Stück 1 Mark.
24. Wenn Vieh alsdann in Gärten und Weingärten gefunden wird, so ist die Strafe für jedes Stück 2 Mark.
25. Für jedes auswärtige Stück Vieh ist die Strafe 2 Mark, nicht einbegriffen ist die vielleicht notwendige höhere Strafe.
26. Ebenso ist verboten, Böcke und Geißen zusammen in einer gemeinsamen Herde zu führen unter Strafe von 1/2 Goldgulden.
27. Wie man sich bei dem überfall. (des. Baumes) verhalten soll: Wenn der Baum mitten in der Grenzfurche steht, soll man erst den Überfall in 2 Teile und dann die andere Halbscheid hinter dem Stamm wieder in 2 Teile teilen. So ist der vierte Teil der rechte +Üüberfall.“
So berichtet uns das Weistum aus dem Jahre 1574 von Wald und Flur, von Weinbergen, Äckern’und Gärten, von Pferden und Kühen, von Schweinen, Schafen und Ziegen, von Hühnern und Gänsen, also von Sachen und Tieren, durch die die Bewohner von Remagen sich ernährten, kleideten und wärmten.
Blick auf die Pfarrkirche Remagen
Foto: Stang