Klimawandel in Rheinland-Pfalz und kleine Fließgewässer im Landkreis Ahrweiler

Winfried Sander

Der Landkreis Ahrweiler weist mit seinen dominanten und landschaftsprägenden vulkanischen Erhebungen wie der Hohen Acht (747m NHN)1) und andererseits den tief eingeschnittenen Flusstälern von Ahr und Rhein (bis zu 50 m NHN) ein reizvolles Relief mit einem ebenso vielfältig verzweigten Gewässersystem auf. Lassen sich hier kleinräumig Indikatoren zum aktuellen globalen Klimawandel finden?

Eine wissenschaftliche Untersuchung liegt für einen so eng begrenzten Raum nicht vor, wäre sehr aufwändig und auch vom Ertrag her wahrscheinlich nicht auf andere Regionen zu übertragen bzw. zu überprüfen. Eine Reihe persönlicher Beobachtungen und die Auswertung von Berichten über einen längeren Zeitraum von 30 Jahren können jedoch Hinweise zur Beantwortung der Frage geben – mehr sicher nicht, aber immerhin!

Nun wird uns der Mai 2021 in Deutschland und auch im Landkreis Ahrweiler in Erinnerung bleiben als einer der kältesten Maimonate der zurückliegenden fünfzig Jahre. Die Erfahrungen mit dem spürbar höheren Temperaturniveau der letzten Jahre haben viele Menschen dazu verführt, eine Kontinuität des Wettergeschehens im Vergleich mit dem laufenden, globalen Temperaturtrend zu konstruieren.

Wetter und Klima

Allerdings müssen wir aktuelle Wetterphänomene und langfristiges Klima deutlich voneinander unterscheiden: Wichtige Wetter- bzw. Klimaelemente in unserer gegenwärtigen Erdatmosphäre bilden Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchtigkeit, Wolken und Luftdruck. Wetter bildet deren Verhalten innerhalb weniger Tage regional begrenzt oder auch mal großräumiger ab. Um das Klima in diesem Raum feststellen zu können, ist im Gegensatz dazu eine Messreihe zu den wichtigsten Klimaelementen von mindestens dreißig Jahren erforderlich. Aus diesen Daten lässt sich dann ein Mittelwert errechnen und langfristig mit anderen Referenzperioden vergleichen.

Renaturierung am Bächelsbach in Niederzissen mit Fangrechen vor dem Rechteckdurchlass

Globaler Klimawandel – Stand 2021

Die Klimageschichte unseres 4,55 Mrd. Jahre alten Planeten kennzeichnet eine andauernde Achterbahnfahrt mit extremen Schwankungen von Zustand, Struktur und Verhalten des jeweils vorherrschenden Klimas – und über diesen unermesslich langen Zeitraum zu mehr als 99,95 Prozent in Abwesenheit und somit ohne Einfluss des Menschen. Daher wurde der in den 1980er-Jahren neu aufkommende Begriff des menschengemachten Klimawandels zunächst und über viele Jahre hinweg eher als Mythos und später teils mit dem Stempel „Klima-Lüge“ diskreditiert. Heute gilt das globale Phänomen als gesicherte, wissenschaftliche Erkenntnis, ohne allerdings bis ins letzte Detail Ursachen und Folgen wirklich verstanden oder Lösungen zur Bekämpfung zur Hand zu haben! Schlimmer noch: Wir erleben den ersten weltweiten, vom Menschen verursachten Klimawandel, der auch von ihm global bewältigt werden muss – im Interesse der gesamten Menschheit und unserer gemeinsamen Zukunft.

Klima-Phänomene im Bundesland Rheinland-Pfalz

Nach wissenschaftlicher Erkenntnis lässt sich bisher nur der Anstieg der globalen Temperatur in den letzten 150 Jahren gesichert, messbar feststellen. Für die weitere Entwicklung existieren Szenarien, die eine große Bandbreite erwarteter Temperatur im globalen und gar regionalen Rahmen aufzeigen. Alle Klimaelemente hängen wechselseitig von der Temperatur ab und reagieren auch auf- und miteinander. Zudem beeinflussen wir Menschen alle Elemente und merken selbst diese schleichenden Veränderungen in unserer persönlichen Erfahrungswelt bei Wasser oder Vegetation kaum, außer sie geschehen überraschend.

Idienbach mit trockengefallener Mündung in die Ahr

Was hat sich in Rheinland-Pfalz im Einzelnen bereits verändert? Einige Angaben aus unterschiedlichen Publikationen zusammengestellt ergeben folgendes Bild:

In den letzten 80 Jahren . . .

  • hat die Lufttemperatur im Winter um etwa 1,5 °C und im Sommer um etwa 1,0 °C zugenommen,
  • stieg die Menge an Niederschlag in den Wintermonaten um etwa 10 bis 20 Prozent,
  • blieb der Niederschlag im Sommer konstant,
  • fiel der Winterniederschlag vermehrt als Regen und weniger als Schnee,
  • hat die Zahl der Hochwasserereignisse ab den 1970er-Jahren zugenommen,
  • nahm der Abfluss in Gewässern – besonders in Niedrigwasserphasen – im Sommer tendenziell ab,
  • traten sowohl der jährliche Höchststand der Grundwasserstände und das Maximum der Quellschüttungen häufig früher im Jahr auf,
  • stieg die Zahl der Starkniederschlagsereignisse mit lokalen Überschwemmungen in den Sommermonaten spürbar an.

So behandeln wir manche Bäche, wie hier den Idienbach

Je kleinräumiger die Betrachtungen werden, umso geringer ist die Übertragbarkeit dieser Feststellungen auf größere Räumlichkeiten und gilt ggf. auch nur für einzelne Phänomene des Klimas. Beispielhaft kann das länger andauernde Wettergeschehen (Witterung) im Frühjahr 2016 herangezogen werden. Speziell im Zeitraum vom 27. Mai bis zum 08. Juni dieses Jahres wurde es im Wesentlichen von der Großwetterlage „Tief Mitteleuropa“ beherrscht, die auch die Hochwasser 2013 und 2002 ausgelöst hatte. Die Witterung war durch wiederholte und verbreitet auftretende Gewitter charakterisiert und wurde von zahlreichen Unwettern mit Starkniederschlägen im Süden und Südwesten Deutschlands begleitet.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat diese Menge definiert. Es gibt verschiedene Abstufungen dafür. Wenn es 15 bis 25 l/m² pro Stunde regnet oder innerhalb von sechs Stunden 20 bis 35 l/m² fallen, gilt dies als Starkregenereignis. Alles über 25 l/m² pro Stunde oder 35 l/m² in sechs Stunden bezeichnet man als Unwetter.

Überschwemmungen an kleinen Fließgewässern im Kreis Ahrweiler

Für die meisten Menschen ist das Klima gefühlt „sehr weit weg“. Dagegen kann ihnen das Wettergeschehen mit der Situation eines Starkregenereignisses sehr nahe rücken. Besonders im Juni 2016 kamen die kleinen Fließgewässer (Bäche) im Land und auch im Kreis Ahrweiler ins Blickfeld der Aufmerksamkeit.

Im Brohltal in Niederzissen hatte der wegen Hochwassers eher „harmlose“ Bächelsbach bei Starkregen zweimal hintereinander im Jahre 2014 das Dorf in Teilen überschwemmt. Durch ein großes Renaturierungs- und Schutzprojekt von kommunaler Seite konnte der Bächelsbach zwischenzeitlich gebändigt werden – die große Hoffnung! Maßnahmen waren Rückhalteflächen, großformatige ökologisch angepasste Durchlässe unter Wegeführungen und grobe Rechen vor dem eigentlichen rechteckigen und großzügig bemessenen Durchlass. Er ersetzte die bisherigen schwach dimensionierten Kanalrohre, die sich bei den letzten Ereignissen von Hochwasser mit Schwemmgut zugesetzt hatten. Bleibt die bange Frage, ob diese Ereignisse lokal eher seltene Verläufe darstellen oder aufgrund des aktuellen Klimawandels sich an anderer und ungeschützter Stelle werden wiederholen können.

Schlammfluten im hängigen Gelände

Erschwerend und gar beunruhigend ließ sich im Einzugsbereich des Bächelsbaches zudem ein Phänomen feststellen, das inzwischen vielerorts im Land auftritt: Sturzfluten, wo keine Gewässer sind und die viel Bodenabtrag an Hängen zur Folge haben. Im August 2014 hatte eine große Gewitterzelle oberhalb von Niederzissen am höchsten Punkt in kürzester Zeit ihre beträchtlichen Wassermassen ausgeschüttet. Diese nahmen reißend ihren Weg über asphaltierte Wirtschaftswege. Das Wasser folgte den steilen Hängen und nahm massenhaft feines Erdmaterial in Richtung Talgrund mit. Diese Schlammlawine ergoss sich talwärts in die angrenzenden, neuen Wohngebiete. Oberhalb der Wohngebiete waren zu dem Zeitpunkt große, offene Ackerflächen weitgehend ohne Bewuchs, so dass die Fluten innerhalb von weniger als einer Stunde große Schäden an und in den Wohnhäusern verursachten.

Kommunale Maßnahmen und Eigeninitiative

Auch hier sind in dem betroffenen Gebiet Gegenmaßnahmen erfolgt: Eine tiefe und langgezogene Mulde im asphaltierten Wirtschaftsweg und mehrere miteinander verbundene einfache Rückhaltebecken sollen die Wassermassen bremsen, sammeln und nach und nach Richtung Bächelsbach abführen. Zudem wurde vor den Häuserzeilen quer zum Hang ein tiefer Graben gezogen, der das bei Starkregen anfallende Wasser an den Häusern vorbei in den Bächelsbach ableiten soll. Auch Eigenvorsorge ist gefragt, wie das Beispiel an den ehemals betroffenen Häusern zeigt, wo sich zwei Nachbarn sinnvollerweise ein eigenes Grabensystem zum Schutz vor den Fluten geschaffen haben. Zu begrüßen als gelungenes Bürgerengagement verbunden mit berechtigtem Eigeninteresse!

Zeitweiliges Trockenfallen einzelner Bäche

Andererseits erleben die Menschen immer wieder lange Trockenphasen, die etwa kleine Bäche wie den Idienbach in Bad Neuenahr kurz vor ihrer Mündung in die Ahr in ihrem Bett versickern lassen, nachdem es vorher wenig pfleglich behandelt wurde.

Für das Gewässer waren in den 1990er-Jahren vom Landesamt für Umwelt in Mainz noch Kartierungen mit teils guter Gewässerstrukturgüte vorgenommen worden, die in dieser Weise heute mangels Wassermenge nicht mehr vorgenommen werden könnten – vermutlich ein Fingerzeig auf den laufenden Klimawandel mit starken Wechseln im Wettergeschehen zwischen hoher Intensität der Niederschläge und ebensolchen Phasen der Trockenheit. Zugleich werden an dem Gewässer mit großem Aufwand Maßnahmen mit massiven Betonbauwerken zum Schutz vor Überschwemmungen ergriffen, die die Bedenken der Verantwortlichen vor raschen Veränderungen im Wettergeschehen verdeutlichen.

Nach Einschätzung von Wissenschaftlern ist zweifellos eine geschickte Anpassungsstrategie an den Klimawandel für die verschiedenen, natürlichen Umweltbereiche Luft, Wasser und Boden möglichst bald erforderlich. Gleiches ist ebenso notwendig für die Gebiete, die der Mensch in seinem Wirkungsbereich wie etwa in Siedlungen und bei Verkehrswegen unmittelbar nach seinen Vorstellungen und Interessen beeinflusst!

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Klimasituation und den beschriebenen Verhältnissen im Landkreis Ahrweiler wird dieser bei seinen Bemühungen, bis zum Jahre 2030 eine bilanzielle Klimaneutralität bei der Erzeugung von Strom mit Hilfe regenerativer Energien zu erreichen, nicht nachlassen wollen und auch nicht dürfen.

Literatur (digitale Informationen):

  • Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz|Start|Willkommen in Rheinland-Pfalz (kwis-rlp.de)
  • Landesforsten Rheinland-Pfalz|Klimawandel.wald.rlp.de|Willkommen in Rheinland-Pfalz (wald-rlp.de)
  • Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen|Start|Willkommen in Rheinland-Pfalz (klimawandel-rlp.de)
  • Klima für Rheinland-Pfalz, Deutschland (laenderdaten.info)
  • Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Leistungen – Klima an ausgewählten Wetterstationen in Rheinland-Pfalz und im Saarland (dwd. de)

Anmerkung:

1) Umgangssprachlich wird die nunmehr veraltete Bezeichnung über Normalnull oft als Synonym für über dem Meeresspiegel verwendet; fälschlicherweise für Gebiete außerhalb Deutschlands und Europas. Seit 1993 ersetzt das Normalhöhennull (NHN) das Normalnull (NN) im Deutschen Haupthöhennetz (DHHN).

Der Beitrag entstand vor der Flutkatastrophe an der Ahr am 14. und 15. Juli 2021.