Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und die Folgen für die Landesarchäologie und das kulturelle Erbe

Dr. Cliff A. Jost und Gabriel Heeren

Die Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands am 14./15. Juli 2021 hat viel Leid und verheerende Schäden verursacht: Verwüstete Landstriche, zerstörte Existenzen, 134 Tote allein an der Ahr. Das Mitgefühl für die Opfer steht an erster Stelle. Verluste an archäologischen Fundstellen rücken da in den Hintergrund. Dennoch sind die Herausforderungen zu thematisieren, der sich die Landesarchäologie nach der Katastrophe gegenübersieht.

Hochwasser mit katastrophalen Auswirkungen an der Ahr sind nichts Neues

Im Grunde kennt man im Rheinland die Gefahr durch Überschwemmungen. Auch das Ahrhochwasser kommt, wie es die historischen Quellen seit dem 14. Jh. belegen, in regelmäßigen Abständen. Detaillierte Berichte gibt es zu den Sommerhochwassern vom 21. Juli 1804 und 12./13. Juni 1910. In Ursache und Wirkung erscheinen sie wie Vorläufer der letztjährigen Katastrophe. Auch damals forderten die über die Ufer getretenen Wassermassen, ausgelöst durch extreme Niederschläge im Wassereinzugsgebiet der Ahr, eine große Anzahl von Todesopfern und verursachten massive Schäden an Land und Bauwerken.

Sieben Stunden brauchte die Flutwelle des Sommers 2021 vom Oberlauf der Ahr in der Hocheifel bei Dorsel bis zur Mündung in den Rhein bei Sinzig, um ihr nochmals deutlich schlimmeres Zerstörungswerk zu verrichten. Es ist die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit Sachschäden allein in Rheinland-Pfalz in Höhe von 18 Milliarden Euro. Und sie ist vor allem auf die aktiven Eingriffe des Menschen in die Natur zurückzuführen – auf den Umbau der Landschaft ab dem 19. und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg im 20. Jh.: Flächenversiegelungen durch ausufernde Ortschaften, begradigte Flussläufe und Bäche bis in die obersten Quellregionen, Flurbereinigungen und Entwässerungsmaßnahmen.

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Blick von Süden. Die vom Hochwasser 2021 überflutete Altstadt von Ahrweiler lässt den ovalen Bering mit vorgelagertem Graben der mittelalterlichen Stadtbefestigung erkennen.

Folgen für das archäologische Kulturerbe

Angesichts der verheerenden Schäden durch das Hochwasser an Menschen, Tieren, Umwelt und Sachwerten nehmen sich die Folgen für das archäologische Kulturerbe zunächst gering aus. Betroffen durch die Überflutungen und die unmittelbar danach erfolgten Aufräumarbeiten im Ahrtal und in den Seitentälern seines Einzugsgebiets sind rund 50 archäologische Fundstellen. Meist handelt es sich um Fundstellen und Denkmäler aus der Neuzeit, was mit einer zunehmend dichten Bebauung der ehemaligen Ahr-Auenflächen erst ab preußischer Zeit zusammenhängt. Häufig handelt es sich um die Überreste von Vorgängerbauten ehemaliger oder heutiger Mühlen, Verkehrswege und Brücken, die nach schweren früheren Ahrhochwassern jeweils platzkonstant neuerrichtet oder wiederinstandgesetzt wurden. Nicht zu überblicken sind mögliche Schäden an bisher unerkannten Fundstellen in den überfluteten mittelalterlich-neuzeitlichen Ortskernen unserer heutigen Städte und Dörfer. Einige Fundstellen, auch aus früheren Epochen, die zwar außerhalb des Ausdehnungsbereiches vom Hochwasser liegen, sind jetzt aber durch Planungen und Baumaßnahmen im Rahmen des Wiederaufbaus gefährdet.

Römische Gutshöfe – fast immer vor Hochwasser geschützt

Wie auch anderswo herrschten in der Ahrregion zur Römerzeit und während des Hochmittelalters ähnlich milde Temperaturen oder sogar höhere als heute. Dies förderte eine jeweils deutliche Zunahme der Besiedlung des Tals und der angrenzenden Höhen.

Schuld. Grundrissplan des römischen Gutshofs übertragen in das heutige Umfeld im Luftbild. Die rote Zeichnung zeigt den Grundriss einer sog. Axialvilla mit ca. 2,2 ha Größe. Hangaufwärts liegt der Wohntrakt, sog. pars urbana, mit dem Hauptgebäude und zwei weiteren Gebäuden östlich daneben, hangabwärts der Wirtschaftstrakt, sog. pars rustica, mit den verschiedenen Nebengebäuden an den Längsseiten des Hofes und großen Freiflächen dazwischen. Die Umgrenzungsmauer hat im Süden einen zentralen Zugang.

Die römische Siedlungsstruktur auf dem Land war geprägt von unterschiedlich großen, einzeln gelegenen Gutshöfen, den villae rusticae. Hauptabnehmer für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse waren vor allem die Marktplätze an der römischen Fernstraße entlang des Rheins, wie etwa die Vici bei den Militärlagern in Bonn, Remagen und Andernach sowie, dazwischenliegend, der römische Vicus in Sinzig mit Ahrübergang, guter Verkehrsanbindung ins Ahrtal und bedeutender Terra Sigillata-Manufaktur.

Besonders am Unterlauf der Ahr reihten sich die Gutshöfe entlang dem linken Ufer unmittelbar am Fuß der südexponierten Weinberge, häufig auf den leicht erhöhten Schuttkegeln im Bereich von kleinen Seitentälern. Beispiele sind in Ahrweiler die Römervilla am Silberberg (1980 beim Straßenbau gefunden, seit 1993 Museum Roemervilla) oder die Römervilla mit Bad bei der Kreisverwaltung (1912 beim Bahnbau entdeckt) und zwei weitere Villen in Bad Neuenahr (aufgefunden beim Straßenbau in den 1960er-Jahren). Bereits 1895 entdeckt wurden das Bad und zugehörige Wasserleitungen einer Römervilla im Weinort Dernau, 5 km westlich von Ahrweiler. Auch diese Villa lag am Fuß der Weinberge unter der heutigen Ortsbebauung nördlich der Pfarrkirche St. Johannes Apostel in überschwemmungsfreiem Gebiet.

Schwere Ahrhochwasser bereits in römischer Zeit

Die auch heute noch hochwasserfreie Lage der römischen Gutshöfe ist typisch. Eine seltene Ausnahme bildet eine frühkaiserzeitliche Villa mit Eckrisaliten und Badeanlage an der oberen Ahr westlich des Hauses Streitenau, Gemarkung Winnerath. Zusammen mit einer spätkaiserzeitlichen, wenig oberhalb davon errichteten kleineren Villa lag sie in der Flussaue einer markanten Ahrschleife mit den Einmündungen des Dreis- und Laufenbaches. Beide Villen sind durch Oberflächenfunde und geophysikalische Messungen bekannt, die G. Heeren mit Unterstützung ehrenamtlicher Helfer im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat – zum Glück rechtzeitig. Ob nach den massiven Überspülungen und den danach mit schwerem Gerät erfolgten Aufräumarbeiten des massenhaften Gerölls und angeschwemmten Treibguts ein solches Messbild noch möglich wäre, ist zu bezweifeln.

Die direkt am Ufer gelegene frühkaiserzeitliche Villa wurde nach Ausweis der Oberflächenfunde im 3. Jh. aufgegeben, sehr wahrscheinlich wegen ihrer hochwassergefährdeten Lage. Gut zusammenpassen würde dies mit sedimentologischen Befunden von Bohrkernen aus dem Ulmener Maar, die auf einzelne starke Hochwasserereignisse für die Eifelregion um das Jahr 250 n. Chr. hinweisen.

Die spätkaiserzeitliche Villa hatte man danach hochwassersicher rund 90 m entfernt und ca. 10 m höher gelegen erbaut. Sie bestand bis ins 4. Jh.

Römischer Gutshof in Schuld: Bedrohung und Zukunftschance für das Kulturdenkmal

Die Bilder und Filmaufnahmen in den Medien von braunen, zwischen Fachwerkhäusern hindurchströmenden Wassermassen, die sechs Gebäude mitrissen und zahlreiche weitere schwer beschädigten, bescherten dem Ort Schuld an der Oberahr eine traurige überregionale Bekanntheit. Infolge der neuen Hochwasservorsorgemaßnahmen können jetzt in Schuld, wie auch anderswo im Ahrtal, mehrere der zerstörten Wohnhäuser nicht wieder aufgebaut werden. Deshalb wird dringend nach freiem hochwassersicherem Ersatz-Bauland gesucht, mit denkmalpflegerischer Relevanz für die Landesarchäologie.

Der Gutshof von Schuld, ein axial angelegtes römisches Landgut aus dem 1.-4. Jh., liegt etwa 450 m östlich des heutigen Ortskerns, rund 35 m über dem Fluss auf dem Südhang einer Ahrschleife. Eine Besonderheit ist seine im Grundriss noch vollständige Gesamtstruktur. Oben am Hang befand sich der repräsentative Wohnbereich (pars urbana) mit dem ehemaligen Hauptgebäude, südlich unterhalb, durch eine Quermauer abgetrennt, der Wirtschaftstrakt (pars rustica) mit den Nebengebäuden. Ausgrabungen fanden in den 1960er-Jahren im Hauptgebäude statt, einer Porticusvilla mit zwei Eckrisaliten und 40 m langer Hauptfront. Von der luxuriösen Ausstattung zeugen mehrere beheizte Räume mit Hypokausten, ein Bad sowie Reste von Wandmalereien und Mosaiken.

Die Mauern des Haupthauses befinden sich heute in einer kleinen Waldparzelle, der Hof mit den Wirtschaftsgebäuden in einer großen Ackerfläche südlich davon. Daran angrenzend liegt ein modernes Wohngebiet, das im Zuge der momentanen Baulandsuche erweitert werden soll. Für das Abwägungsverfahren wurden detaillierte geophysikalische Prospektionen durchgeführt, die es nun erlauben, zumindest einer begrenzten Planung von Bauplätzen – außerhalb der Umfassungsmauer und des von dieser umgebenen Areals des Gutshofes – zuzustimmen.

Der römerzeitliche Gutshof soll als herausragendes Bodendenkmal des Ortes und der Landschaft im oberen Ahrtal vollständig erhalten bleiben. Die zukünftig noch mögliche touristische Erschließung der archäologischen Befunde könnte vielleicht sogar ein wenig die Lücke schließen, die durch den Verlust der historischen Fachwerkhäuser entstanden ist, die zuvor einen großen Anteil der Anziehungskraft des Fremdenverkehrsortes Schuld ausgemacht hatten.

Königspfalz, Reichsburg, Krönungsstraße: Landnutzung am Talausgang der Ahr

Während der Mitte des 5. Jh. endete die römische Herrschaft am Rhein. Auch das Ahrgebiet fiel, wohl als Folge der fränkischen Einnahme Kölns, dem östlichen Frankenreich zu. Das heutige Sinzig, zuerst urkundlich 762 als sentiaco palatio erwähnt, hatte aufgrund seiner günstigen Lage besonders für Handel und Verkehr schon früh eine überregionale Bedeutung. Der spätantike sowie früh- und hochmittelalterliche Ortskern liegt auf einer Talterrasse rund 800 m südlich der Ahr, 2 km westlich ihrer Mündung in den Rhein.

Belegt ist eine Kontinuität der Besiedlung seit der Frankenzeit, zunächst mit einer Königspfalz (villa regia) als (Wohn-)Stützpunkt der durchreisenden fränkischen Könige. In der frühen Stauferzeit als Sitz einer Kaiserpfalz,

in der Friedrich I. Barbarossa 1152, 1158 und 1174 weilte, wuchs Sinzig im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu einer blühenden Stadt heran. Die nährstoffreichen Schwemm- und Auenböden am Unterlauf der Ahr und in der breiten Rheintalebene wurden als große Ackerbau- und Weideflächen genutzt. Noch heute wird der fruchtbare Landstrich als „Goldene Meile“ bezeichnet.

Stammburg der Vorfahren der Grafen von Are

Die ursprüngliche Stammburg der Vorfahren der Grafen von Are befand sich sehr wahrscheinlich in Altenburg, einem heutigen Ortsteil von Altenahr im mittleren Ahrtal. Hier wird bereits im Jahre 948 eine „Rifenesburch“ urkundlich erwähnt. Dieser hochmittelalterlichen Burg wohl zuzuweisen sind Reste von Bruchsteinmauerwerk und Mauerausbruchsgräben, die auf dem sog. Burgberg zu finden sind, einem während der letzten Eiszeit entstandenen Umlaufberg der Ahr. Um 1100 soll die Burg dort aufgegeben worden sein.

Das Land um den Burgberg in Altenburg gewährte nur begrenzten Siedlungsraum. So musste auch die neuzeitliche Ortsbebauung im Westen schon durch das Ahrhochwasser von 1804 schwere Schäden hinnehmen. Von der Flutwelle weggerissen wurden die Altenburger Mühle und die Kapelle im Ort, etwa die Hälfte der damals 45 Wohnhäuser wurden unbewohnbar. Die Talauen im ehemaligen Flussbogen wurden erst in den letzten Jahrzehnten zu Bauland gemacht. Beim Hochwasser 2021 stand den Häusern, die heute den gesamten Burgberg umgeben, das Wasser bis über das zweite Stockwerk.

Die nachfolgende Burg Are legte man neu, knapp 2 km nordöstlich auf einem steilen Felsmassiv über dem heutigen Altenahr an. Hier fand sich ein deutlich exponierterer Burgplatz mit mehr Raum für eine repräsentative Adelsburg. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1121, im 14.-15. Jh. wurde sie mehrfach umgestaltet, 1714 zerstört. Westlich unterhalb der Burg bot sich zudem in hochwassersicherer Lage Platz für eine stattliche Eigenkirche der Grafen. Sie wurde sodann zur Keimzelle der Talsiedlung Altenahr, die später erheblich erweitert und mit einer Befestigungsanlage umgeben wurde.

Mittelalterlicher Rittersitz in Pützfeld

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Tranchotkarte, Blatt 111 Ahrweiler von 1808-1810 und Luftbild-Befliegung nach der Hochwasserkatastrophe 2021. Die direkte Gegenüberstellung der Tranchotkarte mit einem Luftbild, dass nach der Hochwasserkatastrophe entstand, macht die massiven baulichen Veränderungen deutlich, die das untere Ahrtal mit der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler seit preußischer Zeit im 19. und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg im 20. Jh. erfuhr.

Rund vier Kilometer ahraufwärts von Altenahr befindet sich am Rand einer Talweitung auf dem rechten Ufer der Ahr die Ortschaft Pützfeld, heute ein Ortsteil der Gemeinde Ahrbrück. Der historische Ortskern liegt hochwassersicher auf einer Felsterrasse. Unterhalb davon im Talgrund befinden sich die Überreste der ehemaligen Burg von Pützfeld. Der kleine Rittersitz ging vermutlich im frühen 13. Jahrhundert aus einer Motte, d.h. einem wohl hölzernen Wehrturm auf künstlich aufgeschüttetem Hügel hervor. Der Mottenhügel ist heute noch im Gelände erkennbar. Der zugehörige Wassergraben, der die Motte ehemals umgab, wurde im Jahr 2010 beim Bau des neuen Gewerbegebietes archäologisch festgestellt. Vermutlich wurde er durch einen alten Bachlauf gespeist. Westlich der Motte konnten zudem Spuren eines hölzernen Gebäudes nachgewiesen werden, die auf eine Vorburg in diesem Areal hinweisen. Im späten Mittelalter entstand rund 30 m südöstlich der Motte wohl als Nachfolgebau ein zumindest im Erdgeschoß in Stein ausgeführtes Turmhaus.

Während das neu angelegte Gewerbegebiet durch seine etwa 2 Meter tief in das Gelände eingreifende Terrassierung von der Flutkatastrophe 2021 unmittelbar betroffen war, blieben die angrenzenden Standorte der mittelalterlichen Motte und des späteren Turmhauses hochwasserfrei.

Preußen an der unteren Ahr: Die Landschaft erhält ein völlig anderes Gepräge

Nach der Befreiung von der Vorherrschaft Frankreichs unter Kaiser Napoleon wurde das linksrheinische Ahrgebiet im Jahr 1815 Preußen zugesprochen (ab 1830 Rheinprovinz). Ein neues Zeitalter mit einschneidenden Veränderungen der Landschaft begann.

Durch die Eindämmung der Ahr in ihren früher weitläufigen Auen gewann man im Gebiet der Unterahr ertragreiche Acker- und Grünlandparzellen, die jedoch zunehmend Infrastruktur für Besiedlung, Gewerbe und Verkehr weichen mussten. So führte die Entdeckung der Thermalquellen Ende der 1850er-Jahre zur Gründung des Heilbades und durch die nach preußischer Kabinettsorder erfolgte Zusammenlegung der drei Winzerdörfer Wadenheim, Hemmessen [zur Franzosenzeit irrtümlich Eymesheim] und Beul zur Bildung der heutigen Stadt Bad Neuenahr. Mit Fertigstellung der Eisenbahnverbindung ins untere Ahrtal (1880), dem Ausbau der Ahrtalstraße und der Kureinrichtungen gelang der rasche wirtschaftliche Aufschwung zur international bekannten Kurstadt. Die damit einhergehenden baulichen Ausmaße, die die Stadt seitdem erfuhr, passen jedoch im Grunde weder zur Kulturlandschaft noch zu den natürlichen topographischen Gegebenheiten des Ahrtals, was die hochwasserbedingten schweren Schäden im dicht besiedelten Gebiet des heutigen Bad Neuenahr-Ahrweiler deutlich vor Augen führten.

Landschaftsprägend: Brücken an der Ahr

Den schweren Ahrhochwassern fallen seit jeher die flussbegleitenden Verkehrswege und besonders die Brückenbauwerke, früher aus Holz, heute aus Stein oder Beton zum Opfer. Schwemmgut aller Art, vor allem Baumstämme, Bauholz, beim letzten Hochwasser auch Gastanks, Autos und Wohnwagen stauten sich an den Brücken, bis diese schließlich unter dem gewaltigen Druck der aufgetürmten Holz- und Wassermassen zusammenbrachen. Das Ahrhochwasser 2021 zerstörte 62 Brücken, weitere 13 wurden stark beschädigt. Sogar fortgeschwemmtes Brückenholz vergangener Hochwasser wurde wieder freigelegt.

Mehrere Pfähle, häufig noch mit dem eisernen Pfahlschuh versehen, konnten geborgen werden. Die auf der Gemarkung von Sinzig geborgenen Pfähle stammen wohl von einem historischen Ahrübergang der Aachen-Frankfurter-Heerstraße, die in karolingischer Zeit entstand und sich zu einer bedeutsamen mittelalterlichen und neuzeitlichen Handelsroute in Europa entwickelte. Der ursprüngliche historische Fernstraßenverlauf kreuzte die Ahr zunächst zwischen Bad Bodendorf und Sinzig im Bereich der 2021 fortgerissenen Fußgängerbrücke „Dr. Richard Spessart-Steg“, wurde jedoch beim Ahrhochwasser 1804 zerstört. Daraufhin kam es im gleichen Jahr zur Wiedererrichtung einer hölzernen Brücke etwa 750 m weiter östlich im Bereich der heutigen „Kölner Straße“, wodurch die Anbindung Sinzigs und der Verlauf der Aachen-Frankfurter-Heerstraße verändert wurden.

Die vielen zerstörten Ahrbrücken der Hochwasserkatastrophe von 1910 wurden nach den Vorgaben des preußischen „Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden“ bis 1912 wieder neu errichtet. Für ihre architektonische Gestaltung hatte man sich an den früheren Brückenbauten der Region orientiert. Die neuen preußischen Bogenbrücken mit Bruchsteinverblendung wurden selbst wieder zu kennzeichnenden Bauwerken des Ahrtals.

Die älteste Brücke der Region ist die St. Johannes von Nepomuk-Bogenbrücke in Rech. Mit vier flachen Gewölbebögen und gemauerter Brüstung wurde sie im 18. Jh. aus Bruchsteinen erbaut. Sie steht unter Denkmalschutz und ist das Wahrzeichen des Weinortes Rech. Nach schweren früheren Hochwassern wurde sie jeweils wiederinstandgesetzt und zuletzt 2008 aufwendig saniert. Beim Ahrhochwasser 2021 wurde die Brücke erneut stark beschädigt. Zusammen mit einem großen Teil des rechten Ufers wurde der gesamte südliche Bogen der Ahrbrücke fortgerissen. Nun steht zur Diskussion, ob die Brücke ganz beseitigt werden muss.

Weltkriegsarchäologie: Flugzeugwrack im Ahrkies

Als ab Sommer 1944 die alliierten Bomberangriffe auch im Ahrtal zunahmen, kam es vielerorts zu Zerstörungsbildern, welche in ihrem Ausmaß gerade bei der älteren Bevölkerung angesichts der am 14./15. Juli 2021 eingetretenen Hochwasserkatastrophe gleichsam in Erinnerung gerufen wurden. Gefährliche und mahnende Aktualität zeigte sich besonders durch den Fund von etwa 440 kg Weltkriegsmunition, die allein bei den Aufräumarbeiten nach der Flut an der Ahr geborgen wurden.

Im Brennpunkt der Kampfhandlungen stand zum Ende des Zweiten Weltkriegs der Vorstoß der 9. US-Panzerdivision, die am 7. März 1945 die Ludendorff-Eisenbahnbrücke in Remagen erreichte und darauffolgend um das Gleisdreieck und die Eisenbahnbrücke über die Ahr bei Sinzig kämpfte. Bis dahin kam es im Ahr- und Eifelgebiet zu Boden- bzw. Rückzugsgefechten sowie zahlreichen Luftkämpfen. Für die moderne Bodendenkmalpflege sind die Spuren jener Kampfhandlungen wichtige Quellen, mit denen der historische Verlauf des Zweiten Weltkriegs nachvollzogen werden kann.

Für die Zivilbevölkerung im Ahrgebiet entwickelten sich die Luftkämpfe der Jahre 1944/45 mit den oft unberechenbaren Flugzeugabstürzen zu einem Albtraum. So war am 27. Dezember 1944 die Gemeinde Hönningen vom Absturz eines deutschen Jagdflugzeuges vom Typ Messerschmitt Bf-109 G-14 betroffen. Führer des Flugzeugs war der in Hamburg geborene Obergefreite Peter Hirschmann. Der dem Jagdgeschwader 3 (10. Staffel) angehörige Pilot wurde bei einem Luftkampf mit alliierten Verbänden abgeschossen und verstarb im Alter von nur 20 Jahren beim Aufprall seiner Maschine in den Ahrwiesen. Zahlreiche stark deformierte Wrackteile deuten auf die massive Zerstörungskraft des Aufpralls hin.

Panoramabild des Ahrtals bei Dernau mit markiertem Standort einer Römervilla mit Bad, deren Fundamente am Ende des 19. Jahrhunderts beim Bau eines Kellers der Winzergenossenschaft festgestellt wurden. Die Villa lag am Fuß der Weinberge östlich eines Seitentals.

Altenahr-Altenburg. Reliefdarstellung vom Ahrtalabschnitt mit der Burg Are in Altenahr (1) im Norden und dem Burgberg in Altenburg (3) im Südwesten. Rot schraffiert sind die Bebauungsbereiche der mittelalterlich-neuzeitlichen Ortsteile von Altenahr (2) und Altenburg (4) (nach Tranchotkarte von 1808), blau markiert der Ausdehnungsbereich des Hochwassers von 2021.

Durch die Lage der Absturzstelle im Überschwemmungsgebiet des Ahrverlaufs ist ein gemeinsames Mahnmal für Leid und Zerstörung durch Naturereignisse sowie durch menschliches Handeln hervorgerufene Katastrophen entstanden. Aufgrund seiner heutigen Aktualität ist dieses Mahnmal besonders schützenswert.

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Die regelmäßige Wiederkehr von Hochwassern im Ahrtal, auch von Extremhochwassern, ist historisch belegt. Inwieweit die gegenwärtige Klimaerwärmung – wie oft prognostiziert – die Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen in der Region vielleicht sogar verstärkt, ist umstritten. Man sollte jetzt aber aus der Vergangenheit lernen und für den Wiederaufbau Maßnahmen ergreifen, die die Folgen künftiger schwerer Hochwasser abmildern können.

Der Ahr wird man ein Stück weit ihren natürlichen Raum zurückgeben müssen. In bestimmten Gefährdungsgebieten dicht am Fluss kann nur noch hochwasserangepasst, an einigen Stellen gar nicht mehr gebaut werden. Ersatzbauland muss gefunden werden. Auch der Bau von Hochwasserrückhaltebecken oder von Regenrückhalteanlagen im Wassereinzugsgebiet der Ahr wird neuer Flächen bedürfen. Einige der größeren Maßnahmen werden landschaftsverändernde Einschnitte, andere eher kleinräumige Bodeneingriffe bedeuten. Kulturdenkmäler können immer betroffen sein. So sind für die zukünftige Hochwasservorsorge durchdachte Konzepte mit sorgfältigen Abwägungen unter dem Gesichtspunkt der besonderen Kultur- und Naturlandschaft des Ahrtals notwendig. Es geht in jedem Fall um den Schutz der Menschen, die hier ihr Zuhause haben.

Achim H. Schmidt ist Co-Autor dieses Beitrags

Literatur:

  • Joachim Gerhardt, Heinrich Neu u.a. (Bearb.), Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler. In: Paul Clemen (Hg.), Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 17, 1 (Düsseldorf 1938).
  • Jürgen Haffke, Bernhard Knoll (Hg.), Sinzig und seine Stadteile – gestern und heute (Sinzig 1983).
  • Gabriel Heeren, Die pars rustica der römischen Villa von Schuld an der Ahr. Untersuchungen zur Chronologie und Funktion. Bonner Jahrb. 220, 2020, 143-195.
  • Cliff A. Jost, Klimawandel – Dürre, Hitze, Flut & Eis. Das Beispiel Ahrtal 2021. Archäologie in Deutschland (AiD) 3, 2022, 36-39.
  • Otto Kleemann, Vor- und Frühgeschichte des Kreises Ahrweiler (Bonn 1971).
  • Landkreis Ahrweiler (Hg.), Der Kreis Ahrweiler im Wandel der Zeit. Studien zu Vergangenheit und Gegenwart 3, Beiheftreihe zum Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler (Bad Neuenahr-Ahrweiler 1993).
  • Johannes Nottebrock, Die Aachen-Frankfurter Heerstraße in ihrem Verlauf von Aachen bis Sinzig. Bonner Jahrb. 131, 1926, 264.
  • Karl August Seel, Die Ahr und ihre Hochwässer in alten Quellen. Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1983, 91-102.
  • Frank Sirocko (Hg.), Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung. Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert (Darmstadt 2010).
  • AG Luftkriegsgeschichte Rhein/Ahr, Quellenrecherche 2022, D. Röllecke,

P. Kraut, H. Drößlich, N. Fuhrmann.