Warum ein Richtfest auch „Madeljaß“ genannt wird

VON JAKOB RAUSCH

Als ich anfing, diese Frage zu lösen, befolgte ich den Rat Martin Luthers, man solle dabei dem Volke „aufs Maul schauen“, d. h. auf die Volkssprache hören. So befragte ich Ahrweiler Bürger auf der Straße, an ihrem Arbeitsplatz und in der Schenke, und überall hieß die Antwort „Madeljaß“. Auch die Bedeutung „Jaß“ = Gast war einheitlich. Den Sinn von Mädel konnte keiner deuten. Das rheinische Wörterbuch hat leider das Wort „Madeljaß“ nicht; wohl meldet es aus der Gegend Prüm und Kelberg das Wort „Madenessen“, worunter ein Fleisch-und Käseessen verstanden wird, und an diesem Schmaus haben ja auch Maden ihre Freude. Nun spielen ja auch bei der „Madeljaß“ Fleisch und Käse eine Rolle, aber eine richtige Deutung war es nicht, zumal an der Ahr diesen Ausdruck niemand kennt.

Aufschlußreicher war die Antwort des Kirchenschweizers Michael Knieps: Vor dem Verkehrsamte, dem ehemaligen Prümschen Hofe, und vor der Zehntscheune stehend, wies er auf die historische Tatsache hin, daß am Abend eines Marktes die Priimer Marktknechte in der Zehntscheune mit einem Imbiß gestärkt wurden. Diese Prümschen Marktknechte hatten die Grindelbäume aufzustellen, den Zoll und das Standgeld zu erheben und abends den Marktplatz wieder in Ordnung zu bringen. Deshalb wurden sie am späten Abend mit einem Imbiß gestärkt. Die Marktknechte wurden zu Marktgästen.

Aber „Madeljaß“, woher kommt das „el“? Und warum wird hauptsächlich das Richtfest „Madeljaß“ genannt? Die Geschichte der Hammerzunft in Ahrweiler löst das Rätsel. Die Hammerzunft nennt sich auch „Martelzunft“ (Martellus = Hammer). So wurde ja auch Karl Martell, der 752 die Araber in der Schlacht bei Tours und Poitiers aus dem Frankenreich hinaushämmerte, Karl Martell genannt.

Als am 24. Februar 1549 die Hammer- oder Martelzunft wieder neugegründet wurde, da sie zerfallen war, bestimmte die Satzung, daß am 22. Juni, dem Tage ihres Schutzpatrones Eli-gius, der „martler tagh“ in der Pfarrkirche zu Ahrweiler gehalten werde. An die kirchliche schloß sich eine weltliche Feier an. Der hl. Eligius wurde 590 bei Limoges im Frankenreich geboren, war Goldschmied und Münzmeister und hoch angesehen als Ratgeber der Frankenkönige. Er kaufte viele Sklaven los, half den Armen und gründete zahlreiche Klöster. Mit 50 Jahren wurde der Goldschmied Priester, 641 Bischof von Noyon und machte sich um die Bekehrung der Germanen verdient. Er starb 660. Das Volk verehrte ihn als Patron der Goldschmiede und Schlosser. So wurde er auch der Schutzpatron der Ahrweiler Martel- oder Hammerzunft, da ja auch die Gold-, Silber- und Kupferschmiede zu dieser Zunft gehörten.

Aber dieser „martler tagh“ vom 22. Juni ist hier nicht gemeint. Bei der „Mateljaß“ sind unsere Matelleute als Gäste bei einem Bauherrn, der mit seinen Bauleuten das Richtfest feiert. Madeljaß wurde zunächst nur der Gast, später aber auch das Fest genannt. Es ist noch zu bemerken, daß die Madeljaß bis ins 20. Jahrhundert hinein erst dann gefeiert wurde, wenn der ganze Bau fertig war, so daß alle Matelleute versammelt waren, und somit Maurer, Steinhauer, Zimmerleute, Dachdecker, Schreiner, Schlosser, Anstreicher, Glaser und andere zur „Madeljaß“ erschienen. Der Name „Madeljaß“ erhielt im 20. Jahrhundert auch eine Bedeutungserweiterung. So laden die Winzervereine und die Weingutsbesitzer ihre Arbeitsleute im Herbst nach der Kelterung zur Madeljaß ein. Wir aber rufen den Madelgästen, die das Zau-bt?rwort Goethes befolgen, zu:

„Tages Arbeit, abends Gäste,
saure Wochen, frohe Feste.“

Freuet euch und laßt Feste und Name auch im hektischen und Atomzeitalter nicht untergehen. Es soll weiter bleiben: die „Madeljaß“!