Vier Generationen Schaustellertradition

Karlheinz Korden

Alle Jahre wieder gehört zur jährlichen Kirmes ein zünftiger Rummelplatz. Auch in Adenau ist es seit jeher liebgewordene Tradition, daß zur Martinskirmes auf dem Kirchplatz die Schausteller mit Karussells und Buden erscheinen. Spielt hin und wieder das Wetter zu dieser Jahreszeit nicht recht mit, ist die Atmosphäre doch immer die Gleiche. Karussells, Schaukeln, Buden, der Duft von gebrannten Mandeln, zahllose bunte Lichter und laute Musik, Gedränge an den Kassen, strahlende Kinderaugen und viele Erwachsene, Kinder an der Hand, in Erinnerung schwelgend an die eigene Jugendzeit.

Von der Adenauer Kirmes nicht mehr wegzudenken ist die alteingesessene Schaustellerfamilie Klaes aus Ahrbrück, die zum Kirmesgetriebe gehört wie der Kirmeskuchen für die Kirmesgäste.

Interessant ist ein Blick hinter die Kulissen und in die Vergangenheit dieses Geschäftes, ist es doch auch ein Stück Geschichte der Stadt und des früheren Kreises Adenau. Man saß sich im gemütlichen, ja luxuriösen Wohnwagen gegenüber, der für die Familie Klaes über viele Monate im Jahr das Zuhause ist. Sicher fuhr damals der Senior weitaus bescheidener über die Lande und vor den Wohn-und Transportwagen dröhnten keine bulligen PS-Giganten, die heute die Wagen ziehen und Entfernungen zusammenschrumpfen lassen. Als Kleinod wird heute noch der Wandergewerbeschein des Urgroßvaters des heutigen Inhabers in der Familie gehütet. Er datiert vom 28. Dezember 1892, trägt neben dem Preußen-Adler die Inschrift »Königreich Preussen« und kostete damals schon stolze »zweiundsiebenzig Mark«, für die damalige Zeit fürwahr ein stolzer Preis. Die Quittung stellte die Königliche Steuerkasse des Kreises Adenau aus. Der Wandergewerbeschein ermächtigte den Inhaber Ludwig Klaes aus Brück, unter Mitführung der aufgeführten Familienangehörigen zum Umherziehen unter Benutzung zweier einspänniger Fuhrwerke im Regierungsbezirke Coblenz.

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Kettenkarussell: Begeisterung für jung und alt.

Mit den heutigen technischen Wunderwerken im Schaustellergewerbe lassen sich die damaligen Karussells und Schaukeln nicht vergleichen, begeisterten jedoch sicherlich genauso die Kinderherzen. Bunt und farbenfroh lockten sie die großen und kleinen Kirmesgäste an. Selbstverständlich wurde die Anlage mit einem PS, einem treuen Pferd angetrieben, das nach genauem Stundenplan abgelöst wurde. Unerläßlich war auch eine Orgel, die zeitgenössische Musik blechern ertönen ließ. Feuerwehrautos und Raumschiffe fehlten auf dem Karussell ebenso, wie Formel l – Renner und Mondraketen. Hölzerne Pferde und Kutschen waren modern und ließen Kinderherzen höher schlagen. Ein Kirmesgeldbetrag von fünf Pfennigen berechtigte schon zu einer stolzen Fahrt. Der Inhaber Ludwig Klaes bereiste mit seinem Unternehmen den Regierungsbezirk und war überall ein willkommener Kirmesgast. Die Muskelkraft der Pferde wurde später durch einen Benzinmotor ersetzt, weil noch nicht jeder besuchte Ort über elektrische Energie verfügte. Als Ludwig Klaes sein Geschäft schließlich an seinen Sohn Wilhelm Josef Klaes übergab, fand er einen fachlichen Nachfolger, der mit ihm zusammen das Handwerk von der Picke auf beherrschte. Wilhelm Josef Klaes war ein äußerst kräftiger Mann und bremste mit seiner Muskelkraft die Schiffschaukel aus dem größten Schwung heraus ab.

Der zweite Weltkrieg verschonte das Unternehmen Klaes, das ständig gewachsen war, nicht. Fliegerbomben, die der Ahrbrücke in Brück galten, zerstörten Karussells, Schaukeln und Buden, die bis dato so viele Rummelplatzfreuden beschert hatten.

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Hölzerne Pferde und Kutschen ließen Kinderherzen höher schlagen.

Aus dem Kriege zurückgekehrt, stand Peter Klaes, der Sohn des Inhabers, vor den Trümmern der elterlichen Existenz. Schwere Nachkriegszeiten ließen einen Wiederaufbau nur stockend in Gang kommen. Man mußte zudem mit der Zeit gehen. Holzpferde wurden durch bunte Autos abgelöst. Peter Klaes setzte, zunächst noch vom Vater unterstützt, die Familientradition fort. Neuanschaffungen verschlangen schwindelnde Preise, aber mit unbeugsamen Willen und der aus der Tradition der Familie gewachsenen Kraft ging es wieder ständig aufwärts. Dem Trend der Zeit folgend wurde ein Auto-Skooter angeschafft, denn die jugendlichen Kunden waren mit einer Holzkutsche nicht mehr zu begeistern.

Alljährlich zu Ostern beginnt wieder die Saison und der Terminkalender führt das Unternehmen Klaes in die Bezirke Koblenz, Westerwald, Bonn und Trier. Nach dem Abbau in Adenau erlöschen nach der Martinskirmes die vielen bunten Lichter. In den Wintermonaten wird jedes Teil, jede Schraube und alle Geräte, gründlich gewartet und TÜV-fertig gemacht, damit zu Ostern wieder alles im neuen Glanz erstrahlt. Inzwischen ist der Nachwuchs herangewachsen und Eduard Klaes, ebenfalls ein Schausteller reinsten Geblüts und Fachmann nunmehr in der vierten Generation, setzt die Familientradition fort. Heute gehört der moderne Familienbetrieb Klaes ebenso zu jeder Kirmes in der Johanniterstadt Adenau, wie weiland sein Urgroßvater Ludwig Klaes.