Die Kommunalwahl 1989 im Kreis Ahrweiler

Hans Josef Moeren

Bei den Kommunalwahlen am 18. Juni 1989 haben die Bürger wieder einmal entschieden, wer in den kommenden fünf Jahren in ihren Gemeinden, Städten und Verbandsgemeinden und im Kreis Ahrweiler das Sagen hat. Neben der bei Wahlen üblichen Frage nach dem Ausgang dieser Wahlen, standen bei den Wahlen 1989 besonders die Auswirkungen des geänderten Wahlsystems im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.

Mehr Rechte für den Bürger

Im Gegensatz zu den bisherigen Wahlen hatten die Wähler für diese Kommunalwahlen erstmals in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, nicht nur über Parteien, sondern auch über die einzelnen Kandidaten unbeschränkt abzustimmen. Dabei waren die Wähler nicht mehr an die von den Parteien vorgeschlagenen Listen gebunden, sondern konnten auch Bewerber verschiedener Parteien wählen. Dafür standen den Wählern für jede Wahl soviele Stimmen zur Verfügung, wie bei der jeweiligen Gebietskörperschaft Sitze in den Räten zu besetzen waren. Dies waren allein für die Kreistagswahl 41 Stimmen, weil der Kreistag des Landkreises Ahrweiler über 41 Sitze verfügt. An jeden Bewerber konnten höchstens drei Stimmen vergeben werden. Somit konnte jeder Wähler aus den Bewerbern aller Parteien und Wählergruppen seine »Wunschkandidaten« wählen.

Wer allerdings mit einem Wahlvorschlag, also mit den Bewerbern und der Plazierung der Bewerber einverstanden war, konnte den Wahlvorschlag unverändert annehmen. Dazu brauchte der Wahlvorschlag nur in der Kopfleiste des Stimmzettels angekreuzt zu werden. Die Einzelstimmen waren dann gebündelt diesem Wahlvorschlag zugeordnet. Bei der Stimmenauszählung wurde mit dieser Art der Stimmabgabe jedem Kandidaten dieses Wahlvorschlages eine Stimme zugerechnet.

Die Wähler konnten jedoch auch kombinieren zwischen Einzelstimmabgabe und gebündelter Stimmabgabe. Sofern durch die Einzelstimmenabgabe nicht alle zur Verfügung stehenden Stimmen vergeben waren, hatte der Wähler die Möglichkeit, die Reststimmen gebündelt durch Ankreuzen eines Wahlvorschlages zu vergeben. Bei der Stimmenauszählung wurden in diesem Falle die Reststimmen von oben nach unten den Bewerbern des gewählten Wahlvorschlages zugeteilt.

Die Sitzverteilung richtete sich zunächst nach dem Verhältnis der von den einzelnen Parteien und Wählergruppen erhaltenen Gesamtstimmenzahl. Innerhalb eines Wahlvorschlages erfolgte sodann die Verteilung der dem Wahlvorschlag zugefallenen Sitze an die darin enthaltenen Bewerber in der Reihenfolge ihrer Stimmenzahlen.

Mandate und Wahlvorschläge

Im Kreis Ahrweiler waren zu wählen:

  41 Mitglieder des Kreistages,
112 Mitglieder der Stadt- oder Gemeinderäte der vier verbandsfreien Gemeinden,
112 Mitglieder der Verbandsgemeinderäte der vier Verbandsgemeinden,
630 Mitglieder von Gemeinderäten in 70 Ortsgemeinden.

Zur Wahl dieser Mandate wurden von den einzelnen Parteien und Wählergruppen Wahlvorschläge eingereicht und zugelassen:

CDU30(1984:33
SPD2327
F.D.P.88
GRÜNE63
ÖDP2
Wählergruppen4732
insgesamt116103)

Ob durch das neue Wahlrecht angeregt oder durch die örtlichen Verhältnisse bedingt, stellten sich bei den diesjährigen Gemeinderatswahlen 21 Wählergruppen erstmals mit Wahlvorschlägen zur Wahl, 5 Wählergruppen traten nicht mehr zur Wahl an. Dies stellt bei insgesamt 32 Wahlvorschlägen von Wählergruppen bei den Kommunalwahlen 1984 eine Steigerung von 50 % dar. Von den Parteien steigerten nur »DIE GRÜNEN« die Zahl ihrer Wahlvorschläge von 3 auf 6, da sie erstmals mit Wahlvorschlägen zur Wahl des Stadtrates von Bad Neuenahr-Ahrweiler, des Gemeinderates in Grafschaft und des Ortsgemeinderates in Burgbrohl zur Wahl antraten. Durch Nichtein-reichen von Wahlvorschlägen für die Ortsgemeinderatswahlen in Kempenich, Königsfeld und Niederdürenbach ging die Zahl der Wahlvorschläge der CDU gegenüber 1984 um 3 auf 30 zurück. Die SPD verzichtete auf eigene Wahlvorschläge für die Ortsgemeinderatswahlen in Kirchsahr, Gönnersdorf, Königsfeld und Spessart, so daß sich die Zahl ihrer Wahlvorschläge gegenüber 1984 um 4 auf insgesamt 23 verringerte. Unverändert blieb die Zahl der Wahlvorschläge der F.D.P. mit 8, obwohl sie erstmals mit einem Wahlvorschlag an der Ortsgemeinderatswahl in Burgbrohl teilnahm. Dagegen wurde ihr Wahlvorschlag für die erneute Teilnahme an der Wahl des Ortsgemeinderates Kalenborn wegen formeller Mängel nicht zugelassen. Das gleiche geschah mit ihrem Wahlvorschlag für die Verbandsgemeinderatswahl in Altenahr.

Erstmals an Kommunalwahlen im Kreis Ahrweiler nahm die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) teil. Räumlicher Schwerpunkt ihrer Anhänger ist die Verbandsgemeinde Ade-nau. Demzufolge bewarb sie sich auch mit Wahlvorschlägen für die Stadtratswahl in Ade-nau und die Verbandsgemeinderatswahl in Adenau mit Erfolg um die Gunst der Wähler. Ihr Versuch, auch an der Kreistagswahl mit einem Wahlvorschlag teilzunehmen, scheiterte schon vor der Wahl, weil der Wahlvorschlag vom Kreiswahlausschuß wegen der fehlenden 220 Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten zurückgewiesen wurde. Die Partei konnte nur 150 Unterschriften vorlegen, davon 129 aus dem Bereich Adenau.

Im Vorfeld der Kommunalwahlen zog auch im Kreis Ahrweiler die Partei »Die Republikaner« (REP) die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Aus Presseberichten war zu entnehmen, daß sie einen Kreisvorstand gebildet und mit einer eigenen Liste an der Kreistagswahl teilnehmen wollte. Aus der Tatsache, daß dieser Wahlvorschlag nicht beim Landrat als Kreiswahlleiter eingereicht wurde, muß geschlossen werden, daß der Wahlvorschlag der Partei nicht die geforderten 220 Unterstützungsunterschriften erhielt.

Verhältniswahl – Mehrheitswahl

Bedingt durch den Anstieg der zugelassenen Wahlvorschläge von 103 auf 116 stieg auch die Zahl der Ortsgemeinden, in denen die Wahl des Gemeinderates nach den Grundsätzen der Verhältniswahl stattfand, nämlich von 22 auf 27. Im gleichen Umfang ging die Zahl der Ortsgemeinden, in denen die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl stattfand, von 48 auf 43 zurück.

In allen fünf dieser Ortsgemeinden mit einer Wahl nach geänderten Wahlgrundsätzen lag bei der letzten Gemeinderatswahl schon jeweils ein Wahlvorschlag vor. Ebenfalls Mehrheitswahl mit einem Wahlvorschlag fand 1984 noch in der Ortsgemeinde Oberdürenbach statt, wo jetzt Wahlvorschläge von zwei Wählergruppen eine Verhältniswahl erforderlich machten. Dagegen bedingte die Nichteinrei-chung je eines Wahlvorschlages von CDU und SPD und ein zugelassener Wahlvorschlag einer Wählergruppe in Königsfeld den Wechsel im Wahlverfahren von der Verhältniswahl zur Mehrheitswahl mit einem Wahlvorschlag.

Auswirkungen des geänderten Wahlrechts

Die Möglichkeit der Vergabe der Stimmen an einzelne Bewerber wurde von den Wählern gut angenommen. Im Durchschnitt haben bei der Kreistagswahl von dieser Art der Stimmabgabe rund 39 % der Wähler Gebrauch gemacht. Rund 61 % der Wähler haben durch Vergabe der Listenstimme den Wahlvorschlag der Partei unverändert angenommen.

Stimmabgabe mit unverändert angenommenem Wahlvorschlag

Verbandsgemeinderatswahl

KreistagswahlGemeinderatswahlVerbandsgemeinderatswahl
%%%
Kreis
insgesamt Stadt60,91
Bad Neuenahr-Ahrweiler63,4648,36
Stadt Remagen62,7641,48
Stadt Sinzig57,9638,95
Gemeinde Grafschaft57,9438,73
VB Adenau56,5442,93
VB Altenahr61,2041,51
VB Bad Breisig57,0742,99
VB Brohltal65,6346,77
Stadt Adenau49,1237,3029,72
Ortsgemeinde Altenahr60,4136,2822,16
Stadt Bad Breisig62,0849,0745,56
Ortsgemeinde Niederzissen56,2741,8524,04
Ortsgemeinde Burgbrohl63,1046,0932,58
Ortsemeinde Kempenich58,5933,6720,61

Regional sind diese Anteile jedoch sehr unterschiedlich. So haben in der Stadt Bad Neuen-ahr-Ahrweiler 63,46 % der Wähler den Wahlvorschlag unverändert angenommen, während es in der Verbandsgemeinde Adenau nur 56,54 % waren, d. h. im Bereich der Verbandsgemeinde Adenau haben die Wähler bei der Kreistagswahl am meisten von der Einzelstimmabgabe Gebrauch gemacht.

Bei einem Vergleich der Wahlergebnisse ist auch festzustellen, daß der Anteil der unverändert angenommenen Wahlvorschläge abhängig ist vom Bekanntheitsgrad einzelner Bewerber und der Überschaubarkeit des Wahlgebietes. Der Anteil ist um so geringer, je kleiner das Wahlgebiet ist, weil in einem kleineren Wahlgebiet Aktivitäten und Leistungen der Kandidaten der Wählerschaft eher bekannt sind.

Das Ansteigen des Anteils der verändert angenommenen Wahlvorschläge mit Abnehmen der Größe des Wahlgebietes verdeutlicht auch ein Vergleich der Kreistagswahl mit den Gemeinde- bzw. Verbandsgemeinderatswahlen, wo die Veränderungsquote zwischen 15 bis 20 % höher liegt.

Aufgegliedert nach den Parteien zeigt sich, daß bei der Kreistagswahl der Anteil der Stimmen aus der unveränderten Annahme des Wahlvorschlages an der Gesamtstimmenzahl bei den »GRÜNEN« mit 75,43 % am höchsten war, während die CDU aus dieser Form der Stimmabgabe nur 62,08 % ihrer Gesamtstimmen erhielt. Bei der SPD macht dieser Anteil 68,01 % aus, während er bei der F.D.P. 71,40 % betrug. Regional ist dieser Anteil jedoch unterschiedlich. Abweichend von dem Kreisdurchschnitt ist der Anteil der Stimmen aus der geänderten Annahme eines Wahlvorschlages in der Ver-bandsgemeinde Bad Breisig nicht bei der CDU, sondern bei der SPD mit 55,86 % am geringsten und im Bereich der Verbandsgemeinde Brohltal nicht bei den »GRÜNEN«, sondern bei der F.D.P. mit 78,83 % am höchsten.

Mit der Einzelvergabe der Personenstimmen haben die Wähler Präferenzen vergeben, die zum Teil erheblich von der in den Wahlvorschlägen vorgegebenen Kandidatenreihenfolge abweicht.

Vergleich von Listenplatz und erreichtem Platz der Bewerber

KreistagBewerber insgesamtListenplatz
gehaltenverbessertverschlechtert
Anzahl%Anzahl%Anzahl%
CDU41614,631639,021946,34
SPD41717,071434,142048,78
F.D.P.31722,581032,251445,16
GRÜNE18844,44422,22633,33
 Listenplatz
 verbessertverschlechtert
 insgesamtum … Plätzeinsgesamtum … Plätze
 mehr
als
10
6

10
3

5
1

2
mehr
als
10
6

10
3

5
1

2
 Anzahl%Anzahl%
CDU161474191396
SPD141544203107
F.D.P.10131514374
GRÜNE4664

Ergebnisse der Kreistagswahl, Gemeinderatswahl und Verbandsgemeinderatswahl 1989 in den verbandsfreien Gemeinden und in den Verbandsgemeinden im Vergleich zu den Wahlen 1984

Tabelle1.gif (90164 Byte)

KTW = Kreistagswahl, GW = Gemeinderatswahl, EW = Europawahl, VGW – Verbandsgemeinderatswahl.

Tabelle2.gif (104861 Byte)

Unterschiedliche Chancen der Bewerber

Eine Analyse des Ergebnisses der Kreistagswahl zeigt ferner, daß es Bewerber aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, der größten Gebietskörperschaft im Kreis, mit 20 125 Wahlberechtigten leichter haben, gewählt zu werden als die Bewerber aus anderen Teilen des Kreisgebietes. Aufgrund der großen Wählerzahl und ihres Bekanntheitsgrades bei den Bürgern ihrer Heimatstadt konnten sie fast alle bereits in Bad Neuenahr-Ahrweiler so viele Personenstimmen gewinnen, daß dieser Anteil bei ihnen rd. 25 % der erhaltenen Personenstimmen betrug, ein Anteil, der von keinem Bewerber von außerhalb der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler in seinem Heimatbereich erreicht wurde. So ist auch teilweise zu erklären, warum von den 41 Kreistagsmitgliedern 10 ihren Wohnsitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler haben.

Dies ist ein höherer Anteil als der Anteil der Bevölkerung der Stadt Bad Neuenahr an der Gesamteinwohnerzahl des Kreises.

Daß es aber auch einer kleineren Gebietseinheit gelingen kann, mit mehreren Bewerbern im Kreistag vertreten zu sein, beweist die CDU in der Verbandsgemeinde Adenau. Sie hat es offensichtlich verstanden, die Bewerber aus dem Bereich ihrer Verbandsgemeinde ausreichend bekannt zu machen und gleichzeitig die Wähler dazu zu bewegen, ihre Stimmen vermehrt den heimischen Bewerbern zu geben. Das Ergebnis war, daß bei der CDU von 22 Kreistagsmitgliedern 4 aus der Verbandsgemeinde Adenau kommen.

Die Wahlbeteiligung

Ein Faktor, der nicht unwesentlich eine Wahl beeinflussen kann, ist die Wahlbeteiligung. Sie lag bei der Kreistagswahl mit 72,54 % um 3,27 % niedriger als 1984. Regional war die Wahlbeteiligung jedoch sehr unterschiedlich.

Verluste und Gewinne

Mit 1 319 127 Stimmen oder 52,83 % der insgesamt abgegebenen 2 497 082 Stimmen blieb die CDU auch weiterhin die stärkste Partei im Kreis und konnte ihre absolute Mehrheit im Kreistag behaupten. Sie verlor jedoch gegenüber der Kreistagswahl 1984 einen Stimmenanteil von 9,9 %. Demgegenüber konnte die SPD ihren Stimmenanteil gegenüber der Kreistagswahl 1984 um 6,2 auf 32,3 % steigern. Die F.D.P. errang 6,3 % der gültigen Stimmen und konnte damit ebenfalls ihren Stimmenanteil gegenüber der Kreistagswahl 1984 um 2,1 % erhöhen. Ebenfalls von den Verlusten der CDU profitierten »DIE GRÜNEN«, die 7,4 % der Stimmen erhielten und damit ihren Stimmenanteil gegenüber der Kreistagswahl 1984 um 1,3 % verbesserten. Regional sind die Verluste der CDU sehr unterschiedlich und bewegen sich zwischen 14 % im Bereich der Verbandsgemeinde Adenau und 5,4 % in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. In der Stadt Sinzig beträgt bei der Kreistagswahl der Abstand zwischen CDU und SPD nur noch 9,9 %.

Auch bei den Gemeinderats- und Verbandsgemeinderatswahlen standen den Verlusten der CDU Gewinne von SPD, F.D.P. und »GRÜNE« sowie teilweise noch der Wählergruppen gegenüber.