Der Verlauf der Aachen-Frankfurter-Heerstraße im unteren Ahrtal

Jürgen Haffke

Schon mehrere Untersuchungen hatten die seit dem frühen Mittelalter nachweisbare Verbindung zwischen Aachen, Düren, dem Rhein und den südlich des Mittelrheins gelegenen Gebieten zum Gegenstand. Hierbei wurde vor allem deren politische, wirtschaftliche und postalische Bedeutung sowie ihre Verwendung als Pilgerstraße angesprochen. Insbesondere die grundlegenden Arbeiten von Hans Nottebrock (1929 und 1939) widmeten sich dem Versuch, den Verlauf dieses alten Weges, der später »Aachen-Frankfurter-Heerstraße« (AFH) genannt wurde, in der Landschaft nachzuweisen. Zu diesem Problem möchten die folgenden Ausführungen einen Beitrag leisten. Es geht um die Frage, auf welcher Route, bzw. Routen, der schwierige Anstieg der AFH vom Talboden (Niederterrasse) der Ahr, der bei Bad Bodendorf eine Höhe von ca. 70 – 75 m NN hat, auf die ca. 100 m höhere Hochfläche, auf der sich etwas eingesenkt der Köhlerhof befindet, gemeistert wurde. Dieses kleine Teilstück der AFH zwingt ihre Trasse, die von Aachen bis Frankfurt 252 km mißt, zur stärksten Steigung in ihrem gesamten Verlauf.

Daß der Bewältigung von Steigungen in Zeiten, in denen nur menschliche und tierische Muskelkraft diese überwinden konnten, eine schon aus arbeitsökonomischen Gründen sorgfältige Wahl der »Wege des geringsten Widerstandes« zugrunde gelegen hat, wird wohl keine unhaltbare Vermutung sein. Wenden wir uns unter diesem Gesichtspunkt dem somit außergewöhnlichen Teilstück der AFH zwischen Sinzig und dem Köhlerhof zu.

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Ausschnitt aus der Tranchotkarte Remgen (vervielfältigt mit Genehmigung ds Landesvermessungsamtes
Rheinland-Pfalz vom 7.11.1980)

Der AFH-Verlauf nach Nottebrock

Nottebrock (und auf ihm fußend die Arbeiten von Zepp, 1943; Schmalz, 1967; Flink, 1973/ 1976; Janssen, 1974) stützt sich in seiner Rekonstruktion des Wegeverlaufs der AFH auf das 1808 bis 1810 von dem französischen Ingenieurgeographen Boutinot aufgenommene Blatt 112 »Remagen« des im Auftrage Napoleons angefertigten großmaßstäbigen Kartenwerks, das später nach dem Leiter der Kartenaufnahme »Tranchot-Karte« genannt wurde (siehe bei Haffke/Koll, 1983, Beilage 1). Die Eintragung der AFH auf diesem Kartenblatt, die sogar namentlich als „Route d’Aix-la Chapelle ä Coblentz par Duren“ aufgeführt ist, macht die Beschreibung des Wegverlaufs scheinbar sehr leicht: Vom Köhlerhof führt er zur Waldkapelle »Ziehrtheck« (Vorgängerin der heutigen, 1965 errichteten Kapelle), dann knickt er talwärts ab und erreicht, durch Hohlwege verlaufend, in der Nähe Bodendorfs den Talboden. Das letzte, dammartige Stück vom Hangfuß bis zu der an der Straßeneinmündung liegenden Anna-Kapelle, die ihre Front der AFH zuwandte (ca. 1966 im Rahmen einer Straßenerweiterung abgerissen; heute steht nur noch der große Kastanienbaum), hieß im Bodendorfer Sprachgebrauch nach Nottebrock (1939, S. 69) „Alte Straße“ (heute „Heerweg“). Vorbei an der Bodendorfer Burg folgte die AFH dann der heutigen Bahnhofstraße nach Süden bis zur Dreifaltigkeitskapelle (1940/41 wegen des Baus der damaligen Ortsumgehungsstraße, der heutigen B 266, abgerissen), an der sie, so Nottebrock, nach Südosten umbog und in dieser Richtung zum Ahrufer zielte, worauf auch die Flurbezeichnung dort, »An der alten Straße« hinweise. Der Standort der Sebastianus-Kapelle am östlichen Ortseingang Bodendorfs lag, nach Meinung Nottebrocks (1939, S. 70), »vor 1862 etwa 200 m südlicher zur Ahr hin. Hier führte ehedem die AFH vorüber, bis durch die Zerstörung des alten Sinziger Ahrübergangs im Jahre 1804 und die Verlegung der Brücke weiter nach Osten die Straße überflüssig wurde; der Pflug ging über sie hin.« Von der alten Ahrbrücke am Fuß des Mühlenberges (Schleiberg) verläuft die AFH auf der rechten Ahrseite der »Schleipengasse« (heutige Landskronerstraße) entlang auf Sinzig zu.

Diese Verlaufsrekonstruktion der AFH durch Nottebrock ist sicherlich nicht grundsätzlich falsch, jedoch erscheinen inzwischen einige Korrekturen und Ergänzungen unumgänglich, die in der landeskundlichen Literatur bisher nur angedeutet wurden (Müller-Miny, 1975, S. 89; Haffke, S. 87 und Seel, S. 93 in Seel/Haffke, 1981; Seel, S. 333, in Haffke/Koll, 1983), jetzt aber im Detail dargelegt werden sollen.

Der Standort der Sebastianus-Kapelle

Aus welchen Gründen Nottebrock das Wegstück von der Dreifaltigkeitskapelle zur Sebastianus-Kapelle im Gegensatz zu dem Weg, den die Tranchot-Karte zeigt, weiter südlich vermutet, ist unklar. Wahrscheinlich sitzt er schlicht einem Irrtum auf. Er bezieht sich auf die Information von Ortsansässigen, die aber wohl die »Vierzehnnothelferkapelle« gemeint haben, als sie ihm von einer Kapellenverlagerung an der AFH berichtet haben. Dagegen bleibt der Standort der Sebastianus-Kapelle, bis auf wenige Meter Abweichung, mindestens über 300 Jahre unverändert. Die schon im 17. Jahrhundert auf einer Karte der Herrschart Landskron eingetragene Kapelle befindet sich ebenfalls auf der Sterzenbach-Karte von ca. 1750 (siehe in Haffke/Koll, 1983, S. 513 und 417). Führt man einen genauen Kartenvergleich der Tranchot-Karte von 1808/10 mit der Ersten preußischen Landesaufnahme von 1847 durch, die ja den gleichen Standort zeigen muß, denn erst 1862 soll der Abbruch der ersten Sebastianus-Kapelle erfolgt sein und vergleicht diese beiden mit der Zweiten preußischen Landesaufnahme von 1895, die den Standort der angeblich verschobenen, 1864/65 neu erbauten Kapelle wiedergibt, und der neuesten Ausgabe des Meßtischblattes, die den Standort der nach dem Abbruch 1940/41 im Jahr 1953 errichteten dritten Sebastianus-Kapelle zeigt, so liegt der Standort der drei Kapellen bei allen Karten zu jeder Zeit an ihrer heutigen Stelle. Von einer Verlagerung um mehrere hundert Meter kann keine Rede sein, vielleicht waren es fünf Meter. Für den Verlauf der AFH zwischen Dreifaltigkeits- und Sebastianus-Kapelle ergibt sich daraus die Erkenntnis, daß die 1940/41 gebaute Umgehungsstraße (heutige B 266) ganz genau auf der AFH liegt und die Tranchot-Karte den wirklichen Verlauf der AFH angibt. Diese Erkenntnis mag zunächst unwesentlich erscheinen, sie liefert jedoch für die weiteren Überlegungen einen wichtigen Baustein.

Die Straßenklassifikation in der Tranchot-Karte

Nottebrock folgt ansonsten sehr stark den kartographischen Eintragungen des französischen Ingenieurgeographen Boutinot von 1808/10, der die AFH, obwohl sie nachweislich im 18. Jahrhundert nur noch von geringer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung war (nach Müller-Miny, 1977, S. 111), mit derselben Signatur wiedergibt wie die gewichtige »Grande Route de Cologne a Mayence» und sie als »Route« bezeichnet. Müller-Miny (1977, S. 111/112) analysiert weiter: Auf den westlich an das Blatt »Remagen« anschließenden Blättern ist »die AFH von den französischen Topographen einfacher klassifiziert und benannt, an einer Stelle im Allmendland nicht einmal angedeutet. Auch der Hohlweg in der Umgebung dieser Straße zwischen Bodendorf und der Kapelle an der Terrassenkante auf der Höhe ist im Unterschied zum Meßtischblatt nicht eingezeichnet. Es ist kaum anzunehmen, daß dieser Hohlweg erst im vorigen Jahrhundert entstanden ist.« Diese Ungenauigkeiten im Kartenblatt eines einzelnen Topographen und die Ungleichmäßigkeit zwischen Blättern verschiedener Topographen des gleichen Kartenwerks z. B. in der Einstufung der AFH sind nach Müller-Miny charakteristische Probleme der Tranchot-Karte. Für andere Stellen des Kartenblattes »Remagen« betont Müller-Miny allerdings ausdrücklich die Exaktheit der kartographischen Wiedergabe. Daraus ergibt sich für unsere Fragestellung nach dem Verlauf der AFH die Schlußfolgerung, daß wir nicht ohne Vorbehalte der Straßenklassifizierung der Tranchot-Karte folgen können. Daß der von Nottebrock geschilderte Weg – bis auf den Irrtum mit der Sebastianus-Kapelle – eine Trasse der AFH war, ist unbestritten. Das bestätigt auch eine »Karte der Herrschaft Landskron« aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (abgebildet bei Haffke/Koll, 1983, S. 513). Aber es ist sehr unwahrscheinlich, daß es die einzige Trasse ist, die es hier in der mehr als tausendjährigen Geschichte der AFH gegeben hat. Wenn Nottebrocks Beschreibung dieses AFH-Abschnitts auch Gültigkeit für das 17. und 18. Jahrhundert beanspruchen kann, vielleicht sogar für das Hochmittelalter gelten mag, so spricht doch eine Reihe von Argumenten dafür, daß der älteste Verlauf ein anderer war. Dieser Annahme wollen wir uns nun im Detail widmen.

Der älteste Verlauf der AFH bei Bodendorf

Es erscheint vorteilhaft, im Gegensatz zu Nottebrock die Rekonstruktionsüberlegungen für die AFH von Sinzig aus zu beginnen, weil wir dann vor dem Problem des Aufstiegs aus dem Ahrtal auf die Hochfläche der Grafschaft stehen. Nehmen auch wir die Tranchot-Karte als Grundlage.

Der von Boutinot mit den kräftigen Strichen eingetragene Straßenverlauf vom Ortsausgang Sinzigs über die Ahrbrücke, der kurz dahinter ahraufwärts Richtung Bodendorf abbiegt, stammt erst aus den Jahren kurz nach 1804. Am 21. Juli 1804 hatte ein verheerendes Hochwasser der Ahr nicht nur 63 Menschen im gesamten Ahrtal das Leben gekostet, sondern auch 30 Brücken zerstört, darunter die Brücke der AFH, die wenige Meter oberhalb der Stelle des heutigen »Spessart-Fußstegs« die Ahr überquerte. Betrachtet man sich das Erscheinungsbild der Ahr noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dann wird klar, warum hier die AFH den Fluß überbrückte oder eine Furt suchte. Die Ahr hatte hier schon damals ein enges Flußbett, das nicht durch die sonst an der Unterahr herrschenden Sandbänke um ein vielfaches ausgedehnt war. Beide Ahrufer sind hier flach; auf der rechten Ahrseite fallen flußaufwärts sofort die Hänge des Mühlenbergs als Steilufer in den Fluß; Wege können auf der hochwassertreien Niederterrasse dicht an den Flußübergang herangeführt werden. Sucht man zudem die kürzeste Verbindung zwischen Sinzig und Bodendorf, stößt man ebenfalls fast genau auf diesen Punkt.

Von dem Übergang aus quert die AFH Richtung Bodendorf diagonal den Talboden. Wenn man mit Nottebrock, fälschlicherweise wie oben nachgewiesen wurde, annimmt, die Sebastianuskapelle habe ursprünglich 200 m südlicher gelegen als heute, dann erreicht man tatsächlich, daß die AFH vom Ahrübergang aus fast genau auf die Dreifaltigkeitskapelle und den Weg an der Bodendorfer Burg vorbei zielt. Das einzige Problem liegt nur darin, daß in der Tranchot-Karte kein Hinweis auf einen solchen Weg und auf eine südlich verlagerte Kapelle besteht. Geht man jedoch vom Kartenbild Boutinots aus und stellt die Zielrichtung der AFH von der Brücke zur Sebastianuskapelle fest, dann erhebt sich die Frage, warum sie an der Kapelle nach Westen abbiegen und nicht ihrer ursprünglich vorgegebenen Richtung auf den östlichen Eingang Bodendorfs hin folgen soll? Daß das Teilstück der Straße von der Kapelle bis zum Dorfeingang mit einer anderen Strichstärke als das Stück von dem Ahrübergang bis zur Kapelle eingetragen ist, muß nicht heißen, daß hier vorher noch nie ein Weg bestanden hat. Viel wahrscheinlicher ist, daß das alte Wegstück zum Dorf hin im Zuge des Ausbaus der Ahrtalstraße nach 1804 verbessert worden ist. In jedem Falle fügt es sich ungewöhnlich harmonisch an das von der Ahr kommende Stück der AFH an.

Genau am östlichen Ortseingang Bodendorfs (Flurname »An der obersten Pforte“, heute Kreuzung Hauptstraße/Schützenstraße) setzt der Aufstieg der AFH an. Hier stand ein Bildstock, was durch die Sterzenbachkarte von ca. 1750, durch die romantische Ansicht Bodendorfs von E. W. Pose aus dem Jahr 1835 und die erste preußische Landesaufnahme von 1847 belegt ist (siehe Haffke/Koll, 1983, S. 417, 428).

Wahrscheinlich hat Nottebrock diesen mit der Sebastianus-Kapelle verwechselt, wenn er von einer Kapellenverlegung im Verlauf der AFH berichtet. Denn in der Tat befand sich der Nachfolgebau dieses Bildstocks, gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und als „Vierzehnnothelfer-Kapelle“ bis 1975 vorhanden (im Zuge des Ausbaus der Kreuzung Hauptstraße/Am Rotberg abgerissen und dort durch einen etwas von der Straße zurückgesetzten Bildstock ersetzt), mehr als 100 m südlich des alten Standorts. Wann der alte Bildstock wegfiel, ist unbekannt. Es muß jedoch zwischen 1847 und 1877 geschehen sein, da ihn die Erste preußische Landesaufnahme noch zeigt, er aber auf der Katasterübersicht von 1877 fehlt. An seinen Platz setzten, wiees in vielen Städten und Dörfern Preußens 1913 anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelm II geschah, auch die Bodendorfer ihre »Kaiserlinde« (zu den Kaiserlinden siehe Prothmann, 1989, S. 189-194).

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Bodendorf 1893. Deutlich dokumentiert die Karte das Hohlwegsystem,
das den Aufstieg der AFH bei Bodendorf prägt. (TK 25, Blatt 5 409, „Neuaufnahme“ Ausgabe 1895).

Der heutigen Schützenstraße folgend (bis zur Schützenhalle), nimmt die AFH ihren Aufstieg. Der Weg nutzt für die Bewältigung der Steigung die im Verlauf der Eiszeiten von der Ahr geschaffene Stufung der Landschaft, indem er sich von der Niederterrasse des Talgrunds (an der Bodendorfer Linde 76,7 m ü. NN) zunächst auf die lößreiche Mittelterrasse (ca. 100 – 120 m ü. NN) hochzieht.

Hier zielt er geradlinig auf ein Hohlwegsystem in dem noch heute »Kaiserskammer« bezeichneten Flurstück, biegt jedoch kurz vor Erreichen dieses Gebietes bei weiterem Ansteigen des Geländes leicht ab und umgeht es, um dann exakt bei der Waldkapelle Ziehrtheck auf den Aufstieg/Abstieg der von Nottebrock geschilderten AFH zu treffen (164,4 m ü. NN). Will man heute diesen nach der Karte Boutinots beschriebenen Anstieg von der »Kaiserlinde« aus begehen, verstellt die Schützenhalle den Eingang in einen tief ausgefurchten, inzwischen fast völlig mit Müll und Erde verfüllten Hohlweg, den man aber noch auf dem Meßtischblatt von 1895 vollständig, in der Ausgabe von 1978 im Ansatz erkennen kann (beide Karten bei Haffke/Koll, 1983, Beilage 2 u. 3). Wie die von Nottebrock geschilderte Heerstraße verlief auch dieser Weg durch ausgeprägte Hohlwege. Die Tatsache, daß Boutinot beide Wege nicht als Hohlwege kenntlich gemacht hat, darf, wie schon einmal angesprochen, nicht so gedeutet werden, als seien die Aushöhlungen erst in den vergangenen 150 Jahren entstanden und hätte zum Zeitpunkt der Kartenaufnahme noch nicht bestanden. Dem widerspricht sogleich die Erste preußische Landesaufnahme von 1847, die besonders den gerade geschilderten Weg als Hohlweg betont. Es handelt sich wieder um eine der Ungenauigkeiten Boutinots.

Zur Frage der Entstehung und Datierung der Bodendorfer Hohlwege äußert sich Müller-Miny (1975, S. 26/27, 88/89 u. 92) ausführlicher. Jahrhundertelange Nutzung von Wegen auf weichem, leicht abtragbarem Gestein, z. B. Löß und Tonschiefer, der gerade im Mittelterrassenbereich Bodendorfs den Untergrund bildet, und oberflächlich abfließendes Niederschlagswasser schaffen derartige Einschnitte, die nicht an natürliche, vorher bestehende Eintiefungen, Rillen oder Mulden gebunden sind, sondern sich sogar, wie bei dem zweiten Weg, auf dem Scheitel eines Mittelterrassensporns eintiefen können. Daß die Hohlwege nicht allein durch die Verwendung als Bodendorfer Wirtschaftswege zu den dortigen Weinbergen, Äckern und Waldparzellen entstanden sein können, beweist folgendes: Nur diese beiden Wege (Nottebrocks Route und der zweite geschilderte Weg) mit der Zielrichtung Grafschaft sind im Unterschied zu allen weiteren in Bodendorf auch bei ähnlichem Relief vorhandenen Wegen als Hohlwege ausgebildet. Nun liegt der Schluß nahe, daß nicht nur Nottebrocks AFH, sondern auch der andere Weg von dem für mittelalterliche Zeiten starken Verkehrsaufkommen der AFH gestaltet worden ist.

Auf die Frage, welcher der beiden Wege der ältere ist, gibt der Geländebefund ebenfalls eine Antwort. Mehrere Hinweise deuten darauf hin, daß der zweite Weg, bzw. eine Reihe von Wegen in seinem unmittelbaren Bereich wohl die ursprüngliche Trasse darstellen, auf der der Aufstieg vom Ahrtal zur Grafschaft bewältigt wurde.

Nicht nur der auf der Sterzenbach-Karte nachgewiesene Bildstock am Standort der »Kaiserlinde« hatte eine Verlagerung seines Standplatzes erlebt, sondern auch die Waldkapelle »Ziehrtheck«. Der ursprüngliche Standort der Vorläuferin der heutigen Kapelle lag genau an dem zweiten aufsteigenden Weg, etwas abseits von Nottebrocks AFH. Hier stellt sich natürlich die Frage nach dem Alter dieser Kapelle, die schon auf der „Karte der Herrschaft Landskron« aus dem 17. Jahrhundert eingetragen ist.

Auffallend ist jedenfalls, daß sich an allen markanten Punkten, insbesondere Kreuzungspunkten der AFH innerhalb unseres Betrachtungsraumes, Kapellen befinden oder befanden: am Köhlerhof, Ziehrtheck, »Kaiserlinde«, Sebastianus-Kapelle, Dreifaltigkeitskapelle, Anna-Kapelle. Den ursprünglichen Standort von Ziehrtheck als Indiz für die Datierung des zweiten Weges als ältere Trasse anzusehen, erscheint uns, mit Müller-Miny (1975, S. 89) übereinstimmend, plausibel.

Im Flurstück »Kaiserskammer« befindet sich neben dem von Boutinot festgehaltenen, dünn gezeichneten Weg ein inzwischen völlig verwildertes Hohlwege-System, das ebenfalls an der ursprünglichen Ziehrtheck-Kapelle ansetzte und weiter abwärts in den »Schützenhallen-Hohlweg« mündete. Diese Wege wurden nach Auskünften alter Bodendorfer Einwohner, darunter der langjährige Bürgermeister Josef Bauer, noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts genutzt, ehe man sie, weil sie total ausgefahren und bei Regen eine Schlammstrecke waren, sperrte und das ganze Gebiet mit Pappeln aufforstete. Um die Steigung dieser Wege mit schweren Fuhrwerken meistern zu können, bestand, so Josef Bauer, bei der heutigen Gaststätte Oberbillig, also am Beginn des aufsteigenden Weges, eine Pferdestation, bei der man zusätzliche Zugpferde mieten konnte. Auch diese Wege werden wohl von der AFH genutzt worden sein. Gegenüber Nottebrocks Heerweg sind zwar alle Aufstiegswege, die von der »Kaiserlinde« ausgehen, länger, besitzen aber auch eine geringere Steigung – ein Argument, welches in Zeiten ausschließlich menschlicher und/oder tierischer Zugkraft nicht vernachlässigt werden darf.

Um das Flurstück »Kaiserskammer« mit seinem zur Funktion der AFH als Krönungsstraße beziehungsreichen Namen rankt sich in Bodendorf seit jeher die Überlieferung, hier sei ein Rastplatz der kaiserlichen Truppen gewesen, wenn sie von Frankfurt, dem Wahlort der deutschen Könige, nach Aachen, seit Heinrich III (1028 n. Chr.) traditioneller Krönungsort, unterwegs waren. Diese Überlieferung erscheint durchaus nicht abwegig, denn nach dem anstrengenden Anstieg mit dem gesamten schwerfälligen Troß vom flachen Ahrtalboden auf die nach Aachen weisende, fast 100 Meter höhere Hochfläche der Grafschaft wird man sicherlich gerastet haben und möglicherweise in Bodendorf angeheuerte Zugtiere wieder abgekoppelt und nachhause entlassen haben.

Bedenkt man, daß die AFH, wie Nottebrock (1926) und Flink (1973/76) überzeugend nachweisen, schon in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, also der Zeit Karls des Großen, bestanden haben muß, ergibt sich ein weiteres Argument für die Behauptung, der Wegverlauf Sebastianus-Kapelle – „Kaiserlinde“ – Schützenstraße beschreibe die ursprüngliche Trasse der AFH. Aus wenigen archäologischen Befunden (Reste eines offensichtlich römischen Wasserleitungsrohrs in der Schützenstraße) und vor allem aus dem Siedlungsgrundriß von Bodendorf geht hervor, daß sich die Anfänge des Ortes im Bereich des heutigen Kirchstandorts und dem Straßenrund Hauptstraße/Eilig annehmen lassen, während das auf die heutige Burg weisende Stück der Hauptstraße als späterer Ausbau zu betrachten ist. (siehe Beilage 5 in Haffke/Koll, 1983). Selbst wenn man die Erwähnung einer »Bodo villa« aus dem Jahr 643 n. Chr. nicht auf Bodendorf beziehen möchte, die Erwähnung von „budendorpht« im Prümer Urbar von 893 n. Chr. bezieht sich zweifelsfrei auf Bodendorf. Die Bodendorfer Burg, am Ende des mittelalterlichen Dorfausbaus gelegen, findet jedoch erst im 13. Jahrhundert ihre ersten Erwähnungen. (See), in Haffke/Koll, 1983, S. 331 f., 353, 360). Die AFH hat sicherlich frühestens nach dem Bau der Burg ihren Weg hierhin verlegt oder, was viel wahrscheinlicher ist, ihre bisherigen und weiterhin genutzten Wege um diese Variante ergänzt. Auffällig ist der zeitliche Zusammenhang der Nachrichten über die Bodendorfer Burg und den Bau der Landskrone 1206, die ja ausdrücklich den Verkehr auf der AFH kontrollieren sollte.

Fazit: Die in der Literatur verbreitete Verlaufsbeschreibung der AFH von Nottebrock ist für den kritischen Bereich des Aufstiegs aus dem unteren Ahrtal auf die Grafschafter Hochfläche ergänzungsbedürftig. Viele Argumente sprechen dafür, die AFH im Verlauf der Jahrhunderte hier nicht als einen, fest definierten Weg zu begreifen, sondern als Wegesystem, bei dem Nottebrocks Rekonstruktion eine jüngere Variante darstellt.

Literaturhinweise:

Flink, K.: Der Abschnitt Sinzig-Düren der Krönungsstraße von Frankfurt nach Aachen, In; Bonner Universitätsblätter 1973, S. 25-39, wieder abgedruckt in: Heimat-Jahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1976, S. 35-48.
Haffke, J./Koll, B. (Hrsg.); Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute. Sinzig 1983.
Janssen, W.: Die Aachen-Frankfurter Heerstraße, In: Führer zu vor-und frühgeschichtlichen Denkmälern. Bd, 25: Nordöstliches Eifelvorland, Teil l. Mainz 1974, S. 178 f.
Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling 1801-1828. Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde XII
Teil l; Schmidt. R.: Geschichte des Kartenwerkes und vermessungstechnische Arbeiten. Köln/Bonn 1973,
Teil II: Mülier-Miny, H.: Das Gelände- Eine quellenkritische Untersuchung des Kartenwerkes. Köln/Bonn 1975. Müller-Miny, H.: Geographisch-landeskundliche Erläuterungen zur Tranchot-v. Müfflingschen Kartenaufnahme der Rheinlande 1801-1828 – mit Bezug auf die heutigen Blätter der Topographischen Karte 1:25 000 -. In: Nachrichten aus dem öffentlichen Vermessungsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen 10. 1977, H(. 2, S. 83-115, bes. 106-114.
Nottebrock, J.: Die Aachen-Frankfurter Heerstraße in ihrem Verlauf von Aachen bis Sinzig, In: Bonner Jahrbücher 131,1926. S. 245-284. Nottebrock, J.: Die Aachen-Frankfurter Heerstraße in ihrem Verlauf durch den Kreis Ahrweiler. In: Jahrbuch des Kreises Ahrweiler 1939. S. 65-75.
Prothmann, 0.: „Kaiserlinden« in der Gemeinde Grafschaft. In: Kreis Ahrweiler – Heimatjahrbuch 1989. S. 189-194. Schmalz, H.: Die Post- und Heerstraße Aachen-Frankfurt im Ahrgeblet. In: Heimat-Jahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1967. S. 58-60. Seel. K- A,: Die Bodendorfer Gemarkung und Ihre Flurnamen: In: Kreis Ahrweiler – Heimatjahrbuch 1989, S. 133-139. Seel. K. A./Haffke, J. (Hrsg.); Beiträge zur Heimatkunde von Bad Bodendorf. Düsseldorf 1981. Zepp, P.: Zur ältesten Geschichte von Bodendorf an der Ahr. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 142/143, 1943. S. 28-44. wieder abgedruckt in: Seel/Haffke. 1981, S. 41-47