»Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen . . .«

Schicksal eines 1852 nach Amerika ausgewanderten Dernauer Bürgers

Ursula Wittersheim

Im Besitz von H.-Jos. Kreuzberg aus Dernau befinden sich mehrere Briefe seines Urgroßonkels Peter Josef Ley, der sich im Jahre 1852 entschlossen hatte, seine Heimat zu verlassen, um — wie viele verarmte Bewohner der Ahr und Eifel — in Amerika sein Glück zu machen. Peter Josef Ley trieb nicht bloße Abenteuerlust in die Ferne, sondern die bittere Armut seiner Angehörigen, einer Dernauer Winzerfamilie. Die wirtschaftliche Lage der Ahrwinzer um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war äußerst schlecht. Durch den Beitritt Preußens zum Deutschen Zollverein (1833) und dem damit verbundenen Wegfall des Weinzollschutzes, sowie durch Mißernten und Absatzschwierigkeiten sahen sich viele Winzer gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Viele versuchten, ihr Glück in dem im Goldfieber sich befindlichen Amerika zu suchen. Gottfried Kinkel beschreibt in seinem 1849 erschienenen Buch »Die Ahr« anschaulich den damaligen Auswanderungs-Boom: »Die meisten Auswanderer gingen im Sommer 1842 den Rhein hinab, vorzüglich aus dem genannten Kreis Adenau: Doch hatte die Lust dort auch schon die eigentlichen Weindörfer ergriffen, welche näher an der Mündung des Flusses hin gelegen sind. Rührend, wie überall und hier noch mehr, wo die Auswanderer ein unvergeßlich schönes Land verlassen, war dieser Trieb in die Ferne, der in jenem Sommer das ganze Ahrtal ergriffen hatte. Greise und Kinder zogen mit, Häuser und Güter wurden um die Hälfte des Wertes losgeschlagen: Ohne Auswanderer war auf der Oberahr keine Ortschaft. Ganze Dörfer wollten ihre Stätte räumen . . . Brüder teilten sich; der eine ging in die Fremde mit barem Gelde voraus, der andere blieb auf dem Erbgut, damit beide auf alle Fälle gesichert seien. Täglich liefen Briefe von den Angehörigen in Amerika ein, welche zur Nachfolge aufforderten«.

Peter Josef Ley aber wollte nicht für immer in Amerika bleiben. Er zog in der Hoffnung in die Fremde, einst zu seiner Familie — möglichst mit einigem Vermögen — zurückzukehren. In einem an seine Schwester gerichteten Brief vom 15. Januar 1861 — fast neun Jahre nach seiner Auswanderung — schreibt er: »Du warst zwar noch ein Kind als ich die Heimath verließ, doch hoffe ich Dich als eine blühende Jungfrau anzutreten. Ich weiß nicht, ob Du Dich noch daran erinnerst, als ich abreiste, da hast Du und die Mutter — Selig — mich noch begleitet bis auf den Maischoßer Berg, und als ich dort am h. Häugen (Heiligenhäuschen) Abschied nahm, und ich Euch die Hände drükte, da habt Ihr beide geweint. Ich dachte aber damals selbst nich, das ich so lange von Euch sol geschieden sein, alein es ist Gottes Wille«.

Brachten es viele Auswanderer in der Neuen Welt zu Vermögen und besseren Lebensbedingungen, so waren es gewiß nicht wenige, die es bereuten, jemals ihre Heimat verlassen zu haben. So auch Peter Josef Ley, der seinen Angehörigen in einem Schreiben vom März 1858 schildert, was ihm im Goldland Kalifornien Übles widerfahren ist…

Scotts Bar 7 März 1858
Lieber Vater Schwager und Geschwister.
Euren ersten Brief habe ich erhalten, in welchem Ihr eine Volmacht von mir verlangte(t) wegen der Theilung der Güter, welche ich auch gleich geschikt. Ich habe den Brief an Euch im Juli 1857 von hier fort geschikt und habe bis jetz noch keine Antwort erhalten, drum weis ich nich woran ich halte. Auch gedachte ich dieß Jahr selbst nach Hause zu körnen, aber jetz ist alles vorbei.

Liebe Leute, Ich kann es nicht unterlaßen, Euch ein großes Unglük zu schreiben, welches mich betrofen hat. Mit zitternder Hand und fast der Verzweiflung nahe, schreibe ich diesen Brief. Doch erschreket nicht zu sehr, das Unglük ist zwar gros, doch hätte es noch größer sein können. Ich bin auch Gott sei Dank noch gesund, und habe meine grade(n) Glieder noch, aber dabei so arm, wie Job. Ihr werdet es kaum glauben, was ich Euch jetz schreibe, aber es ist die reine Wahrheit, und denket nich das ich so etwas aus Spaß schreibe. So höret den wie es mir erging.

Ich hatte nämlich in meiner Gold Grube, zimlich viel Glük, es waren unser drei Mann in Compa-ni, auch haten wir noch einige Tagelöhner, wir arbeiteten sehr hart Tag und Nacht abwechselnd, tief in der Erde, mit vieler Lebens Gefahr, doch wir sind für unsern Schweis belohnt worden, den ich habe für mein driten Theil 1 400 ich sage vierzehn hundert Dollar in Gold bekomen. Auch hate ich noch zwei hundert Dollar in Gold, das mach(t) 16 hundert, dan verkauft ich den Antheil von meiner Grube, für vier hundert Dollar in Gold, das mach(t) grade 2 Tausend Dollar.

Dieses machte mich zufrieden, und ich war sehr froh dieses Land der Wilden zu verlaßen, und bald glüklich unter Euch wohnen zu könen. Aber Gott hat meine Freude auf eine gämerli-che Art vernichtet. Nun hate ich einem Franzosen, Geld gelehnt vor langer Zeit, und als er von hier nach einem 5 Stunden weit gelegenen Platz zog, gab er mir etwas, und blieb mir noch 250 Dollar schuldig, welche er mir auch zu geben versprach. Weil ich nun entschloßen war Heim zu körnen, so ging ich nach dem Franzosen hin, um das Geld zu holen welches ich für mein Reisegeld bestirnt hatte. Deshalb hatte ich meine 2 Tausend Dollar Gold in einen Ledernen Beutel, in meinem Hause, an einem entlegenen Platz begraben, weil ich es nicht gerne mit nehmen wolle, auch gedachte ich des ändern Tags wieder zurük zu komen.

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„Vollmacht“ des Peter Ley, gegebenenfalls über sein Erbe in der Heimat zu verfügen.

Als ich nun zum Franzosen kam, fand ich, das er arm war, und mir mein Geld nicht geben konte, deßhalb sagte ich zu ihm, das ich jetz von hier fortgehen wolle, wen er mir auch nur 100 Dollar geben könnte, aber auch das konte er nicht zusamen bringen, denoch gab er mir zuletz 50 Dollar weil ich ihm versprach fortzugehen und ihm die ändern 200 zu schenken. Als ich nun ander(n) Tags wider fort wolte, da fiel ein so fürchterliches Regenwetter ein, das es mir unmöglich war, nach meinem Hause zu körnen und ich war genöthigt 3 Nächte dort zu bleiben den alle Bäche waren so an(ge)schwolen das ich auch kaum am vierten Tage durch körnen konte. Als ich nun Abens an meinern Hause ankam, endekete ich zu meinem größten Verwundern das ein Bret los gebrochen war. (Ihr müßt wisen, das hier die Häuser nicht so fest gebaut sind als bei Euch, den hier sind blos Hüten, aus Baumstärnrn(en) oder Breter(n) zusammen genagelt.) Ich hate die Thür gut verschloßen, mit einer fürchterlichen Angst machte ich meine Thür auf, und schaue nach dem Plaz wo ich mein Gold begraben hatte.

Aber – 0 Schrek – 0 Angst, was mus ich sehn. Ihr werdet jetz mein Unglük erathen könen, den ich fürchte es beinah zu schreiben.

Ich sehe den Grund umgewühlt und alles zerstreut. Vol Verzweiflung fing ich an zu heulen, das sich Gott im Himmel hätte erbarmen mö-ge(n). Ich traute meinen Augen kaum, den ich tröstete mich nich recht gesehen zu haben. Ich zündete ein Licht an, da fand ich meine Schaufel am Platz, doch der Stil war frisch gebrochen der Dieb hatte sie zu(m) aufbrechen benutz.

Ich suchte nach, aber ich fand die Erde los welche ich fest gemacht hatte. Ich war der Verzweiflung nahe alle meine Hare haten Schweißtropfen. Ich wußte von mir selber nichts. Ich glaubte mich anfangs zu täuschen und wußte nicht recht, war dies alles Wirklichkeit, oder ein Traum, aber je öfter ich auch noch suchte, je klarer wurde mir das (Mein Gold war gestohlen). Ich lief wie wahnsinnig zu meinen par Freunden und klagte Ihnen meine Noth, allein die wollen es anfangs nicht glauben, und trösteten mich damit das sie sagten, du wirst nicht gut gesucht haben. Einige gingen mit mir und halfen mir suchen, allein wir konten es nich finden.

Es ist jetz bald 3 Wochen her das es geschehn ist und ich habe bis jetz noch nicht die Spur davon, und ich werde auch nie wieder was davon krigen wen mir der liebe Gott nicht dazu verhelfen kann. Wen das bei Euch geschehen wäre, da gibt es noch Leute die einem helfen, aber hier nicht.

Dieses ist das größte Unglük welches ich von meiner Kindheit an bis jetz gehabt habe, und ich werde auch nie vergeßen, und solle ich auch Hundert Jahre alt werden den es schmerz(t) mich so sehr, das ich bis jetz noch wenige ruhige Stunden habe schlafen könen. Es ist nicht bloß der Verlust des Goldes was mich Quält, sondern das ich mich jetz wieder auf einige Jahre hier. wie verbant habe. 0 wie froh war ich, das ich so weit gekomen war. Endlich aus dieser Wildnis, heraus zu körnen, und bald wieder das Fröhlige Kloken Geläute der Kirche zu hören, aber mein Gott hat es nicht gewolt, sondern er hat alle meine süse(n) Hoffnungen in einer Nacht vereitelt ja in einer Nacht ist mir geraubt worden, was ich in zweijähriger Arbeit erworben hate. Der einzige Weg ist! mich mit denen zu trösten welche auch schon lange hier sind und haben auch nichts. Viele Deutsche und Franzosen die schon 4 und 5 bis 6 Jahre hier sein und haben noch nicht mehr gemacht wie Ihr Leben. Den Ihr müset Euch nicht vorstellen das alle Gruben hier so reich bezahlen als wie die Meinige, den das war eine der besten mit an diesem Platz. Wir hate(n) grade das Glück eine Goldader zu finden, sonst häte ich auch nich so viel zusamen gebracht. Aber was nutz es mich jetz. Ich muß ausrufen mit dem armen Job — Der Herr hats gegeben, der Herr hats genomen gepriesen Sei der Namen des Herrn.

Was soll ich jetz nur anfangen, meine Grube ist verkauf(t), und eine andere kaufen kan ich nicht den die guten sind zu theuer, und in den ändern finst du nicht viel, auch habe ich kein Geld als die 50 Dollar welche ich vom Franzosen bekomen, und die mus ich nothwendig brauchen, um Lebensmittel zu kaufen.

Ich wolte gerne als Tagelöhner arbeiten, wen ich nur einen Platz finde, aber es wird hier auch mit jedem Jahr schlechter, den die Bevölkerung nimt so stark zu, das der Lohn mit jedem Tag herunter körnt. Anstatt das man früher 5 bis 6 Dollar pro Tag verdient hat, kann man jetz genug haben für 4 und 3 1/2 Dollar und dann mus man erst froh sein, wen man ein(en) solchen Platz findet.

Ich habe bis jetz noch nichts zu thun, deßhalb kann ich Euch über mein künftiges Schicksal noch nichts schreiben den es ist eine große Frage, ob ich je wieder die Hälfte zusammen bringe von dem was ich hatte. Den ich bin dieses Landes jetz so satt, das wen ich auch nur ein par hundert Dollar Reisegeld zusamen bringe, so kann ich heraus den dies ist kein Land zum bleiben, den fast ein jeder der hier hinn komt sucht sich was Gold zu samein, und dan wieder in seine Heimath zu gehen. Den hier ist nichts was einem das Leben aufheitern kan den diese Gegend ist noch zu wild. den wilde Menschen und wilde Thiere hats hier genug. Das man kaum seines Lebens sicher ist wen man ein paar Stunden weit reisen mus. Ich schließe mein Schreiben in der Hoffnung das es Euch in Gesundheit antritt. Ich grüße Euch alle, auch meine Bekanten und Verwanten vergeßet meiner nicht in Eurem Gebet, deßen ich hier sehr bedürftig bin. Es bittet Euch um baldige Antwort. Euer trauernder Sohn Schwager und Bruder.

Peter Ley

Obwohl er in seinen späteren Briefen immer wieder seine Absicht beteuert, das wilde Amerika zu verlassen, um in sein Heimatdorf zurückzukehren, ist dies Peter Josef Ley nicht mehr gelungen.

Vor allem sein Stolz, nicht mit leeren Händen nach Hause kommen zu wollen, hielt ihn von einer Heimkehr ab.

Zwar hatte er sich von seinem Lohn als Metzgergehilfe erneut einen Anteil an einer Goldmine erworben und schließlich ein eigenes Geschäft eröffnet, doch gelangte er nie wieder zu seinem einstigen Vermögen. Im Jahre 1865 erhielt die Familie von Peter Josef Ley die Nachricht von dessen Tod. Er war am Schlagfluß (Schlaganfall) gestorben.