Die Grabstätte des Leopold Kahn auf dem jüdischen Friedhof in Niederzissen

Die Grabstätte des Leopold Kahn auf dem jüdischen Friedhof in Niederzissen

Stephan Esten

Den Grabstein von Leopold Kahn und seiner Frau Julie Kahn geb. Berger findet man in der hinteren Ecke des jüdischen Friedhofs in Niederzissen. Von dem früher hier gelegenen großen Friedhof der jüdischen Gemeinde Niederzissen sind heute nur noch klägliche Überreste zu finden; auf seinem vorderen Teil, der bis zum Bach führte, wurden Häuser gebaut. Der obere Teil (bei weitem der kleinere) liegt versteckt in einem kleinen Tannenwäldchen etwa 150 m südlich des Sauerbrunnens. Die hiesigen Juden, bis auf wenige, die noch rechtzeitig auswandern konnten und den Holocaust überlebten, wurden von den Nazis in Konzentrationslagern ermordet, so daß sich nach dem Krieg keine jüdische Gemeinde mehr in Niederzissen und Umgebung bilden konnte.

Leopold Kahn wurde 1870 in Oberzissen geboren. Viele aus der älteren Bevölkerung Oberzis-sens kennen ihn und seine Familie noch, wissen sogar einiges über das Schicksal der Familie Kahn mit ihren fünf Kindern. Viele gingen sogar mit ihnen in die Volksschule in Oberzis-sen. Hanna Kahn. Jahrgang 1912. wurde 1940 im Laufe des Euthanasie-Programms der Nazis ermordet. Von Josef Kahn liegt eine Bescheinigung aus dem Jahre 1934 vor. daß er auswandern durfte. In dem Aktenvermerk stand: „Zahlkarte überAuswanderung Josef Cahn aus Oberzissen vorgelegt. 04. 07.1934 Niederzissen“.‘ Seine Geschwister, Hilde Weinberg, Eise Weinberg und Gerda Harz. konnten ebenfalls vor ihrem sicheren Tod ausreisen.

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Grabstein der Familie Cahn mit der heute nicht mehr vorhandenen Gedenkplatte

Daß sie in die USA entkommen konnten, sah man noch vor Jahren auf einer Gedenktafel, die sie auf dem Grabstein ihres Vaters nach dem Krieg anbringen ließen.

Leopold Kahn war Metzger von Beruf. Er und seine Frau besaßen in Oberzissen an der Brohltalstraße einen Metzgereibetrieb nebst einem Wohnhaus. Das Metzgereigebäude, heute eine Scheune, finden wir zwischen der Schreinerei Krischer und dem Wohnhaus der Familie Weidenbach. Das Wohnhaus der Familie Kahn wurde mittlerweile abgerissen und an seiner Stelle ein Garten angelegt. Dieser mußte aber bereits einem Parkplatz weichen. Die Wiese unmittelbar hinter dem Parkplatz und der Scheune ist seit alters her unter dem Namen „die Judenwiese“ bekannt. Bereits 1762/63 wurde sie unter dem Namen „Judenwies“ an einen Görk Anschau aus Oberzissen verpachtet. Ein Beweis dafür, daß bereits vor 1762 in Oberzissen Juden ansässig waren.2 Nachdem Herr Kahn im Oktobr 1930 und seine Frau Julie im Januar 1938 verstarben, zog ihr Bruder Arthur Berger mit seiner Frau Julie Berger geb. Kahn in das Haus ein. Julie, geboren am 13. 09. 1882. starb als Opfer des Holocaust. Später wurden beide als tot erklärt, da über ihr Schicksal nichts bekannt war. Mit aller Wahrscheinlichkeit starben sie im Osten Europas in einer Gaskammer.

Der Grabstein der Familie Kahn wies in den 50er Jahren folgende Inschrift auf:

Ruhestätte
der Eheleute Leopold Kahn
Oberzissen

Auf einer Gedenktafel, die erst nach dem Krieg angebracht wurde, heute aber verschwunden ist. konnte man lesen:

Ruhestätte
der Eheleute Leopold Cahn aus Oberzissen
Hier ruhen unsere lieben Eltern Leopold Cahn Julie Cahn
geb. Berger Oktober 1930 Januar 1938 

Zum Andenken an unsere Schwester Hanna ein Opfer der Nazimörder 1940 Gewidmet von:

Hilde Weinberg Eise Weinberg Josef Cahn Gerda Harz U.S.A.

Unter der Gedenktafel tauchte die ursprüngliche Inschrift wieder auf. Sie lautet:

Hier ruht in Gott
mein lieber Gatte
unser guter Vater
Leopold Kahn
d. 20.11.1870 gd. 31.10.1930 

Es folgte eine hebräische Inschrift, die heute kaum mehr sichtbar ist.

Eine Besonderheit auf dem Grabstein sind die „segnenden Hände“ in der rechten Ecke oben (auf dem Bild noch schwach zu sehen). Diese Hände zeigen, daß Leopold Kahn von einem Priester abstammte. Ursprünglich dienten diese Priester im Tempel von Jerusalem, der von den Römern vor rund 2 000 Jahren zerstört wurde und von dem heute nur noch die Klagemauer steht. Diese Priester wurden „Kohen“ genannt. Und nur die direkten Nachfahren dieser durften die segnenden Hände als Zeichen führen, denn das Amt des Priesters wurde immer vom Vater auf den Sohn vererbt. Aus dem „Kohen“ wurde dann im Laufe derzeit Kahn. Da auf Leopold Kahns Grabstein die Hände zu sehen sind, war auch er nach den oben erwähnten Gründen ein direkter Nachfahre eines der Priester des Tempels in Jerusalem.

Anmerkungen:

  1. LHA Koblenz Best. 655 136 Nr 24
  2. LHA Koblenz 40/496 auch 53 C 5/ 3892 Bley 1780/40/176 oder Gemeinde-Chronik Niederzissen S. 115