Großstadtklänge von Joachim Gies – Ein Musiker aus Bad Neuenahr-Ahrweiler

Fast drei Jahrzehnte lebt der Musiker und Komponist Joachim Gies schon in Berlin. Gleich nach dem Abitur am Staatlichen Neusprachlichen Gymnasium in Ahrweiler (heute Peter-Joerres-Gymnasium) zog der 1956 als Sohn eines Bad Neuenahrer Hoteliers in Bonn geboren Gies von der Ahr an die Spree, um dort 1974 sein Lehramtsstudium der Germanstik und Politologie zu beginnen, das er mit dem ersten und zweiten Staatsexamen abschloss. Er arbeitete anschließend allerdings nicht als Pädagoge, sondern widmete sich ganz der Musik. Schon während seiner Schulzeit in Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte er sich intensiv mit dem Klavierspiel beschäftigt, war aber bald zum Saxophon übergewechselt, das bis heute sein Hauptinstrument geblieben ist.

Der Musiker Joachim Gies mit seinem verfremdeten Saxophon, 2000

Joachim Gies schloss auch das Studium der Musik erfolgreich ab. Während den Fünfzehnjährigen vor allem der Jazz in seinen traditionellen Formen beschäftigte, wandte sich der Student schnell avantgardistischen Experimenten zu, die ihn bis heute faszinieren. Durch immer neue Versuche erforscht er gleichsam in einem Tonlabor neue Möglichkeiten des Saxophons. Bis hin zur Mehrstimmigkeit gelangte er durch verschiedene Anblastechniken auf besonders präparierten Instrumenten. Die Ergebnisse dieser Wanderungen durch neue Klangräume sind in einem theoretischen Werk niedergelegt, das im März 2001 als Spielanleitung für avantgardistische Musiker erschienen ist und eine Lücke schließt zwischen bisheriger Unterrichtsliteratur für Saxophon und neuer Musik. Parallel dazu gab Gies eine neue CD heraus, die ihn als Solisten auf Saxophonen hören lässt, deren Klang mit Dämpfern und Gartenschläuchen verfremdet wird. Titel der oft spontanen Kompositionen lesen sich wie Gedichtzeilen. Da ist es nicht verwunderlich, dass Joachim Gies Anregungen für seine Avantgarde-Musik zuweilen aus der Lyrik bezieht, vorzugsweise der verspielten, die nichts beweisen und nichts verändern will. Was sich in der Literatur engagiert nennt, sich nicht mit der ästhetischen Variation begnügt, scheint ihm offenbar suspekt. Dies gilt sicherlich nach wie vor auch für seine Musik, die er noch vor der Jahreswende 2000 in Berlin auf einer neuen CD, der bislang sechsten, vorgestellt hat. Der aus Bad Neuenahr-Ahrweiler stammende Wahlberliner hat zusammen mit Thomas Böhm-Christel zwei Live-Konzerte mitschneiden lassen, in denen nahtlos an die Experimente des “Not missing drums – Projekts” angeknüpft wird. In der neuen Sammlung mit Titel Position/Dark/Red untersuchen der Saxophonist Gies und der Cellist Böhm-Christel zusammen mit namhaften Instrumental-Vokalsolisten Klangfelder, die diesmal durch die künstliche Vielfalt von elektronischen Klängen ergänzt werden. Alle Mitglieder des Ensembles verfügen über Erfahrungen in weit auseinanderliegenden Bereichen: Von der großen Oper bis hin zu Jazz und gar Rock.

Kern der wechselnden Besetzungen sind immer Böhm-Christel und Gies seit 1995, dem Jahr, in dem sie auf das Schlagzeug verzichteten. In dieser “Urban Music”, dem neuen Klang der neuen Hauptstadt Berlin, soll die verschiedene Farbigkeit der Instrumente und ihre Mischung besonders hörbar werden, auch die Ein-Mischung von Sprache.

Die Wechselwirkung von Sprache und Musik hat Gies seit seinem Literaturstudium fasziniert. Klang und Rhythmus des Wortes, die auch in ihrer Zertrümmerung, ihrer Zerdehnung oder Schichtung und Überlagerung noch fesselnd sind, ihm neue Bedeutung schenken, wenn die lexikalische nicht mehr erkennbar ist, sind in der neuen CD fester Bestandteil von Komposition und Improvisation .