100 Jahre Hafenanlage in Oberwinter

Hermann Josef Fuchs

Im Jahre 1887, also vor einhundert Jahren, fiel nach langem Hin und Her die Entscheidung, in Oberwinter einen Schutz- und Sicherheitshafen zu bauen. Der Bau der Hafenanlage war damals für den Rheinort von besonderer Bedeutung.

Eng verbunden sind die Überwinterer seit eh und je mit dem Rheinstrom, der ihnen neben vielen Vorteilen auch manche Sorge und Nachteile brachte. So mußten die Überwinterer mit dem regelmäßig wiederkehrenden Hochwasser und mit dem Eisgang auf dem Rhein leben. Oftmals waren erhebliche Schäden zu beklagen.

Die häufigen Hochwasser und Eisgänge auf dem Rhein ließen schließlich ab Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund des steigenden Schiffsverkehrs auf dem Rhein den Ruf nach einem weiteren Schutz- und Sicherheitshafen im hiesigen Stromabschnitt laut werden.

Eine systematische Rheinregulierung wurde erst angegangen, nachdem die Rheinlande durch Beschluß des Wiener Kongresses preußische Provinz geworden waren.

1851 nahm mit dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz die Rheinstrombauverwaltung ihre Arbeit auf. Sie war zuständig für den Stromabschnitt von der Nahemündung bis zur niederländischen Grenze, also auf dem preußischen Rheinabschnitt.

Der erste Leiter der Rheinstrombauverwaltung war Adolf Nobeling. Er hatte den wohlklingenden Titel »Rheinstrombaudirektor«. Nach Adolf Nobeling wurde in späteren Jahren der Eisbrecher Nobeling benannt, der gelegentlich auch schon einmal im Überwinterer Hafen festmachte.

Die wichtigsten Regulierungsmaßnahmen der damaligen Zeit bestehen im Prinzip noch. Zu den Maßnahmen zählte unter anderem die Ausbildung des Rheinarmes zwischen den Inseln Grafenwerth und Nonnenwerth zum Hauptfahrwasser für die Schiffahrt.

Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm die Hauptabflußmenge des Rheins ihren Weg durch den Honnefer Arm. Es folgte der Rolandswerther Arm, und die geringste Wasserführung hatte damals der heutige Hauptarm zwischen den Inseln. Mit den Regulierungsmaßnahmen wurde der ursprüngliche Zustand und Wasserlauf völlig geändert. Im Zuge der Regulierung erfolgte auch die Anlage der Buhnen, gleich Uferschutz vor Rhöndort und Meh-lem. Mit diesen Dämmen wurde die hier bestehende übergroße Strombreite bei Mittel- -und Niedrigwasser eingeengt.

Im Zuge der in Angriff genommenen umfangreichen Arbeiten trat die Frage auf nach einem ausreichend großen Winterschutzhafen für die Schiffahrt zwischen Köln und Koblenz. Eine Reihe Möglichkeiten standen zur Diskussion, insbesondere ein Ausbau des Honnefer Altarmes. 1857 forderten die Königswinterer Schiffer den Bau eines Hafens am Südende ihrer Stadt. Ein Jahr zuvor, 1856, wurde bereits das Projekt Honnef fallen gelassen, weil mit dem Bau eines Hafens eine Erhöhung der Kupierung nötig wurde, die weitere Abbrüche an der Insel Nonnenwerth befürchten ließ. Zudem hätte die Anlage eines Hafens in Bad Honnef größere Abgrabungen an der Insel Grafenwerth erforderlich gemacht. 31 Jahre dauerte das Tauziehen um den Standort des Hafens. Im Jahre 1887 fiel die Entscheidung zu Gunsten von Oberwinter.

Entscheidend für die Wahl Oberwinters zur Anlage eines Winterschutzhafens war die hier mitten im Strombett befindliche ausgedehnte Kiesbank, der sogenannte Oberwinterer Grund. Bei Niedrigwasser spaltete sich der Rhein an dieser Stelle. Die Stromspaltung hatte im Laufe der Jahrhunderte das linke Ufer stark zurücktreten lassen. Beweis hierfür lieferten Reste einer römischen Siedlung, die beim Ausbaggern des Hafenbeckens gefunden wurden. Eine weitere Folge der Stromspaltung war, daß das Überwinterer Ufer laufend auskolkte. Zusätzlich kamen Eis und Hochwasser hinzu, denen der Ort dann schutzlos ausgeliefert war.

Die Überwinterer Bucht wurde in den Jahren 1888 bis 1891 durch einen hochwasserfreien, aus Kies angeschütteten und gepflasterten Damm von rund 800 Meter Länge geschlossen. Der Damm wurde auf die alte Kiesbank plus 10 Meter Kölner Pegel aufgeschüttet. Durch den Bau des Dammes entstand eine Hafenfläche von rund fünf Hektar. Die Hafeneinfahrt wurde auf minus ein Meter Kölner Pegel ausgebaggert. Die gesamten Baukosten beliefen sich auf 509 220,79 Mark.

Neben der Funktion als Schutz- und Winterhafen brachte die 1891 fertiggestellte Anlage für Oberwinter einen deutlichen Schutz gegen die Gewalten des Rheinstromes. Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme wurde der Hafen schnell zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für den Ort. Unter anderem brachte er eine Reihe Arbeitsplätze. Tagelöhner, die in der Winterzeit regelmäßig arbeitslos waren, fanden Arbeit beim Ent- und Beladen der im Hafen liegenden Frachtschiffe. Um die Jahrhundertwende sollen in manchen Jahren über 100 Schiffe für Wochen im Hafen gelegen haben. Bei der Volkszählung im Jahre 1900 registrierte man 21 Personen, die im Hafenbereich als Schiffer oder Personal von dort liegenden Badehäusern wohnten.

Oberwinter.JPG (19103 Byte)

Schutz- und Winterhafen Oberwinter im Winter 1928/29

HafenOberwinter.gif (47097 Byte)

Heute bestimmen Sport- und Freizeitboote das Bild des Hafen Oberwinter

Die Zeiten haben sich geändert und auch die Funktion des Hafens im Vergleich zu früheren Jahren. Badehäuser, Schiffe, Fähren und Anlegebrücken wurden früher zur Winterzeit im Hafen festgemacht, um sie vor Hochwasser und Eisgang auf dem Rhein zu schützen. Treibeis auf dem Rhein ist heute ein Stück Vergangenheit. Das letzte Treibeis wurde im Februar 1963 registriert, zumindest in der hiesigen Region. Seine ursprüngliche Funktion als Schutz- und Winterhafen für die Rheinschiffahrt hat der Hafen heute nicht mehr. Als Schutzhafen wird er von der modernen Rheinflotte und von den Frachtschiffen nicht mehr benötigt.

Von Bedeutung ist der Hafen jedoch nach wie vor für den Rheinort Oberwinter. Hafen und Damm haben für den Ort eine wichtige Schutzfunktion bei Rheinhochwasser. Zudem ist der Hafen für das elfhundertjährige Oberwinter das touristische Aushängeschild und wichtiger Wirtschaftsfaktor für die örtliche Geschäftswelt. Eigentümer der Hafenanlage ist das Wasser-und Wirtschaftsamt. An diese Behörde zahlen die Sport- und Yachtclubs sowie die privaten Eigner ihre Mieten für das Liegen ihrer Boote im Hafen.

Wegen der ständigen vollen Belegung des Hafens mit Sport- und Freizeitbooten und der Tatsache, daß die gewerbliche Schiffahrt den Hafen nicht mehr anfährt, betrachtet das Wasser- und Schiffahrtsamt in Bingen den Ober-winterer Hafen nicht mehr als Schutz- und Sicherheitshafen, in dem die nötige Wassertiefe ständig garantiert werden muß. Daher erfolgte seit 1979 keine Ausbaggerung der Hafeneinfahrt mehr. Es gibt oft Fehltiefen bis zu zwei Meter, die ein Einlaufen größerer Schiffe unmöglich machen. Beim Wasser- und Schifffahrtsamt stehen deshalb Überlegungen an, den Hafen zu entwidmen. Damit entfallen für den Eigentümer die Pflichten, unter anderem die ständige Vorhaltung der Wassertiefe des Fahrwassers, sowie Mindestanforderungen an die Unterhaltung der Hafenanlage.

Quelle:
Frieder Berres: Die Entstehung des Rheinhafens Oberwinter, Festbuch zur 1100-Jahr-Feier von Oberwinter.