Zwölf hundert Jahre Kirche in Kesseling
VON ALFONS SCHOLL
ZUR PFARRGESCHICHTE
Eine der ältesten Siedlungen in der Diözese Trier ist der Pfarrort Kesseling, herrlich in der Hocheifel zwischen vier Bergen und Tälern gelegen, beherrscht von der Kirche St. Petrus auf dem westlichen Felsvorsprung über dem Dorfe. Seit Bonifatius‘ Zeiten brachten auch hier Mönche das Christentum ins Land.
Nach Günther Cod. Diplom. Rheno-Mos. I schenkte der Frankenkönig Pipin laut einer Urkunde vom 20. 7. 762 der Cella Casloaca – später Casleoc – Keslighe Kesseling – einer neuen Klostergemeinschaft als Widum einen Teil des Waldes Mellere und unterstellte das Kloster der Abtei Prüm. Dieses Casleoc mußte für Prüm einige Dienste leisten. Prüm war dafür Patronin der Cella Sf. Petri und laut z. Weistum bald nach dem Augsburger Frieden im Jahre 2556 ausdrücklich als Grundherrin anerkannt. Später wechselten die Besitzer.
Seit dem Jahre 762 also waren als Leiter der Cella und Rektoren des ersten Kirchleins Kesseling Mönche von Prüm bestimmt. In einer aufgestellten Liste in der Pfarrchronik sind von 1574 bis zur Auflösung des Klosterpriorates 1703 noch vierzehn Mönche als Seelsorger der Reihe nach auf= geführt, danach bis heute fünfzehn Weltpriester als Pfarrer der Gemeinde Kesseling mit den fünf Orten Staffel, Weidenback (nach 1945 wiedererstanden), Denn (nach 1945 als „Ahrbrück“ neuerstanden), Brück und Pützfeld.
Im Jahre 1794 brachen Revolutionssöldner von Frankreich herein und hoben die Klöster auf, so auch Prüm.
Hierarchisch unterstand Kesseling zuerst Trier-Köln, dann dem von den Franzosen errichteten Bistum Aachen und nach dessen Auflösung durch Preußen um 1824 wiederum Trier, wo es bis heute verblieb.
DIE PFARRKIRCHE
Das Dorf Kesseling ist als uralte Siedlung gegen einstige feindliche Nachbarn eng zusammengebaut, und die Kirche St. Petrus auf dem Felsen mit der Friedhofsmauer ringsum wirkt noch heute wie eine Trutzburg, was die äußeren schmalen Schießscharten im Turm noch andeuten.
Die jetzige Kirche ist der dritte nachweissliche Sakralbau seit der Gründung im Jahre 762. Im Jahre 772 wird die Kirche der Cella in einer Schenkungsurkunde der Frau Bertrudis und ihres Sohnes Waningus beschrieben als: „basilica sancti Petri, que est constructa super fluvio Casleoc“. Es stehen darin auch die Begriffe „Rectores“ und „Ecclesia Sti. Petri“, später als „Pfarrer“ und „Pfarrkirche St. Petrus“ geführt.
Das erste Kirchlein muß wohl auf dem vorderen Felsvorsprung gestanden haben, etwa unter dem heutigen Turm. Dieser wurde im 13. Jahrhundert mit einer neuen Kirche errichtet. Die 1299 erfolgte Inkorporation der Kirche in die Abtei Prüm und ihre Erhebung zur Pfarrei weisen darauf hin.
Im Jahre 1704 wurde der Zustand dieser Kirche als schlecht bezeichnet; 1720 wurde die Kirche laut Pfarrakten renoviert und die Sakristei als zerstört erwähnt. Der Wunsch nach einem Erweiterungsbau der Kirche wird geäußert, da auch die kleinen Fenster im Holzgewölbe zu dunkel seien. Im Jahre 1769 hält die Abtei Prüm laut Akten im Pfarrarchiv den Neubau der Kirche – 24 Schuhe lang – für notwendig, 1791 wurde das heutige Langhaus erbaut (Staatsarchiv Koblenz, Abt. 2), und 1926 der Turm wiederhergestellt.
Der Schlußstein weist die Jahreszahlen A. 1791 und A. 1927 auf.
Sicher war der imposante Bruchsteinbau der jetzigen Kirche auf dem Petersberg mit den vielen Hand- und schweren Spanndiensten ein mühseliges Werk zur Ehre Gottes. Darum unseren Altvorderen Lob und Dank für ein solches Denkmal heiliger Opferliebe zu Gott!
Kirche in Wesseling
DIE INSTANDSETZUNG DER KIRCHE
Die durch den letzten Krieg arg mitgenommene Kirche ist nach fast zehnjährigen Bemühungen endlich wieder schön hergestellt worden und leuchtet in einem festen Rauhputz auf Berg und Tal (Unternehmer: P. Meurer – Mayschoß). Den frommen Besucher begrüßt ein rundbogiges Westportal mit profiliertem Architrav und einer Figur des hl. Petrus in einer Nische darüber. Beim Eintritt ins Gotteshaus wird man von dem stilreinen ‚Saalbau überrascht – im Lichten 27 m lang, 11 m breit und 9 m hoch. Im Chor nach Osten ist die Wand dreiseitig gebrochen. Die Längsseiten haben je fünf hohe Rundbogenfenster. Alle waren durch Bomben-Luftdruck im Krieg mehr oder weniger mitsamt den Heiligenbildern zerstört Bei Beginn der Renovation 1953 wurden die beiden Chorfenster mit den Kirchenpatronen St. Petrus in Ketten und St. Maternus wiederhergestellt, während die acht Fenster des Kirchenschiffes die ganze Lichtflut durch pastellfarbiges Antikglas wieder einlassen (Fa. Meyer, Bad Neuenahr). Dazu bekam auch die Kirche wieder einen hellen Anstrich, passend zum Barock, oben ringsum abgetönt durch ein feines Gesims. Die etwas vereinfachten Kreuzweg-Bilderrahmen wirken nun ruhiger (a1= les nach Restaurator St. Thienelt, Koblenz-Moselweiß).
DIE ALTÄRE
Den Blick nach vorn zur Apsis aber hält der überragende Hochaltar gefangen, wohl das imposanteste Barockwerk weit übers Land! Er stammt aus der Abtei Maria Laach, etwa 1595 geschaffen, ursprünglich mit einem Ölgemälde in der Mitte, „Der hl. Benediktus in der „Glorie“ und dar. über die „Himmelfahrt Mariens“ als Abschluß. Beide Bilder sind ersetzt. Über dem großen Altartisch erhebt sich ein noch viel breiterer Altaraufbau bis zur Decke. Auf der Höhe der Predella thront ein reicher Drehtabernakel mit dem Lamm Gottes (s. Kloster Prüm) auf der Kuppel und einem Kreuz vorn in der verzierten Nische. Rechts und links davon an der Rückwand des Altares stehen zwei reiche Reliquiare in Bildform. Diese sind nach außen flankiert von je zwei geschnitzten Akoluthen in Muschelstrahlen. Über diese Aufteilung erhebt sich der Hauptaufbau: In der Mitte überlebensgroß die Mutter Gottes Maria mit dem drachentötenden Jesusknaben, eine bedeutende Schnitzarbeit aus dem 15. Jahrhundert. Drei Rundbögen, z. T. renaissancemäßig verziert, bilden einen feierlichen Rahmen um die Himmelskönigin. Je zwei große Säulen (glatt und gedreht) mit goldenen Fruchtgehängen nach außen vervollständigen die mächtige Schau. Auf den hochbarocken Kapitellen der vier Säulen ruht der gegliederte Volutenaufsatz, worauf ohne höhere Stufe das Siegeskreuz Christi steht, das der Künstler Thienelt in einem anschließenden Deckengemälde von der heiligen Dreifaltigkeit, die theologische Idee, zu Ende geführt hat (Endrenovation im Jahre 1926).
Die beiden Seitenaltäre zu Ehren der heiligen Hieronymus und Joachim aus der Klosterkirche Maria Laach werden 183o im Diözesanarchiv Trier das letzte Mal genannt. Sie wurden, wenn auch zerbrechlich, leider durch neugotische (Herz=Jesu und Herz-Mariä) ersetzt.
Durch die gewaltsame Auflösung des Dorfes Weidenbach im Jahre 1938 wurde der barocke St.-Anna-Altar von dort in die Kirche Kesseling herübergerettet und kam an die Stelle des Herz-Mariä-Altares.
Der frühere Pützfelder Barockaltar aus der dortigen -verfallenen Kapelle lag seit dem ersten Weltkriege nur noch in unvollständigen Stücken im Hinterhaus des Pfarrhofes. Beide Altäre wurden von Thienelt im Jahre 1961 auf Veranlassung des Ortspfarrers gerettet und im ursprünglichen Glanze restauriert. Sie zeigen bei fast gleicher Größe einen verwandten Aufbau in Farben, Wangen mit Ohrmuscheln und Knorpelwerk.
Außenansicht der Pfarrkirche Kesseling
(im Hintergrund links der Steinerberg und rechts das Naturschutzgebiet „Auf Köllmich“)
Der St.-Anna-Altar (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) hat gedrehte, schwarze, fein marmorierte Säulen mit goldverzierten Kartuschen und Kapitellen, die mit Außenornament das Bild der hl. Sippe einrahmen. Die ursprüngliche Beschriftung ist wieder freigelegt worden und heißt: „S. Jesus, Maria, Anna, J., Josephus, Joachim ora pro nobis. Anno 1699.“ – Außen am Bild sind die Heiligen Josef und Antonius mit dem Jesuskind dargestellt. Auf der zweiten Stufe sieht man auf einem kleineren Ölbild die „Taufe Jesu im Jordan“. Auf dem Aufsatz stehen die hl. Lucia mit Messer und Einsiedler Antonius mit dem Schwein. Zwischen zwei kleinen Voluten krönt – herrlich wiedererstanden – die alte Kesselinger Figur des hl. Petrus mit Tiara, Schlüsseln und Papstkreuz den nun pas- senden Altar.
Der Kreuz-Altar (17. Jahrhundert) rechts zeigt ein eindrucksvolles Hauptbild mit Christus am Kreuze und Maria und Johannes. Außerhalb der glatten dunklen Seitensäulen stehen auf Konsolen die im Krieg geretten Heiligen Rochus und Pantaleon. Im Aufsatz prangt das wiederaufgefundene Ölbild der hl. Dreifaltigkeit, rechts und links davon die hl. Hildegard von Bin- gen und der hl. Einsiedler Antonius. Auf der Spitze leuchtet das Siegeszeichen I H S im Strahlenkranz.
So ist das einheitliche Bild des frohen Barock in der St. Petrus-Kirche nach langjährigen Bemühungen endlich wiedererstanden, wobei auch Herr Professor Dr. Thomas, Trier, Pate gestanden hat.
Die restaurierte Holzfigur des zweiten Kirchenpatrons, des hl. Maternus, an der Wand gegenüber der Kanzel, und die hl. Cäcilia an der Chorbrüstung vervollständigen diesen Eindruck.
Friedhofskapelle
Die noch brauneichene Kanzel an der Südseite ist einfach, zeigt als Motiv den Heiligen Geist am Schalldeckel und Voluten, die zum Kreuz auf der Weltkugel hinfüh= ren. Die ebenso braunen vier Beichtstühle aus der Zeit des Klosters vor 71803 haben verschiedene einfache Barockverzierungen. Auch ladet das „Hl. Grab“ mit der liegenden Christusfigur aus. Holz (17. Jh.) in einer Südnische zur Andacht ein. Gegenüber der Kanzel steht ein romanischer Taufstein aus Basalt mit sechsseitigem Gesims, pokalförmig, und weist auf ein hohes Alter hin. Ein altes Weihwasserbecken ist draußen. Die 1951 renovierte Orgel harrt noch eines passenden Prospektes. Anheimelnd wirkt zur seligen Weihnachtszeit die auf dem Anna-Altar aufgestellte Krippe Christi, eine etwas bäuerliche Kunst, die aber darum vom gläubigen Volk sehr geschätzt wird.
DER TURM
Zu ihm führen zwei Türen, eine hinter dem Hochaltar und eine von Süden her.
Geradeaus nach Osten ist dieser untere Teil des Turmes als Sakristei erhellt durch ein Vierpaßfenster, und rechts und links durch zwei kleine Rundbogenfenster.
Das geschenkte Ölbild mit „Mariä Himmelfahrt“, früher in der Kirche, hängt nun in der Sakristei. Ein Wandschränkchen für die hl. Gefäße, ein Ankleidetisch und Schränke an den Wänden für die liturgischen Ge . wänder genügen gerade den Erfordernissen. Der wuchtige Turm zeigt außen nach oben zwei Absätze, den oberen Absatz als Steingesims. Darunter und darüber sind nach den vier Seiten arkadenartige Öffnungen in Kleeblatt= oder Rundbogenform. Mit einer Rautenhaube als Dach überhöht der Turm den First der Kirche um elf Meter. Von der inneren Sakristei (5 mal 5 m) gelangt man über fünf Treppen in den einzelnen Geschossen zur Glockenstube. Zwei der drei Glocken wurden ein Opfer des Krieges. Diese sind aber 196z ersetzt wor den (gegossen von Fa. Mark-Brockscheid/ Eifel). Die älteste und große Glocke, 1ooo kg schwer, trägt als einzige Inschrift, und zwar in Unzial-Majuskeln:
OSANNA HESUSEN ICH, IN SENT PETERS ERE LUDEN ICH, ANNO D(OMI)= NI MCCCCXLIIII DES DAGES IN DEME MEY!
(Osanna heiße(n) ich, in Sankt Peters Ehre läute(n) ich. Im Jahre des Herrn 1444 des Tages in dem (1o. Mai). Der Mantel enthält ein 9 cm hohes Relief des hl. Martinus.
Nach einem kurzen Rundblick über die herrliche Eifelgegend steigen wir wieder hinab und halten noch bei der Friedhofskapelle nordwestlich der Kirche. Ein offener großer Torbogen gibt uns die Sicht ins Innere frei. Am Eingang rechts steht ein Weihwasserbecken mit achteckigem Schaft aus Basaltlava, 9 cm hoch, mit der Inschrift:
1656 WEINERTZ ZENTZ ZU KESSELING
S(EIN)E H(AUS)F(RAU) KETREINA
U(ND) S(EINE) K(INDER) .
Ein paar Barockbänke laden zur Andacht ein vor einer neueren Pieta auf dem Altär= chen an der Westrückwand. Zwei flache kleine Rundfenster an den Seitenwänden unterbrechen den hellgetünchten Raum, das Gewölbe wird mit Holzrippen belebt (17. Jahrhundert).
Ein viereckiger, spitzer Dachreiter über dem Giebeldach bildet den Abschluß.
Außer dem großen Missionskreuz an der Nordwand der Sakristei ist vor allem ein altes steinernes Friedhofskreuz mit der Jahreszahl 1708 erwähnenswert.
Auf dem Rückwege ins Dorf hinunter begegnen wir noch einem zweiten „Kreuzweg“ in steinernen Heiligenhäuschen und dem Kriegerdenkmal mit der Thorwaldsenschen Christusfigur (aus dem ersten Weltkrieg). .
DAS PFARRHAUS
Bei einem Blick nach links unten gewahren wir schon das alte Priorat, die jetzige Pfarrei mit Garten und Ökonomiegebäuden, die seit alters her laut Urkunde von 762 vom Kesselinger und Weidenbacher Wasser umgrenzt werden.
Das lange Pfarrhaus ist endlich mit einem festen, grobgekörnten Putz die Zierde des Straßenbildes geworden (Neunzig, Schuld). Zugleich ist die dringend neue Haustür etwas in die dicke Mauer zurückgesetzt, aber das alte Basaltsteingewende – mit der Jahreszahl 1703 – restauriert, an der gleichen Stelle belassen und das wiederhergestellte Steinwappen im Kämpfer mit dem Trierer Kreuz zwischen zwei Palmzweigen in glück licher Lösung gerettet.
Blick auf das Pfarrhaus
(das alte Priorat) und oberhalb der Turm der Pfarrkirche Kesseling
Blick auf Kesseling mit Pfarrkirche links und Steinerberg im Hintergrund
5 Fotos: H. Esch
Im Pfarrhaus ist an Kunstgegenständen erwähnenswert der reich geschnitzte Archivschrank (früher in der Sakristei) mit der Jahreszahl 1643 (als Bild in der Bonner Rundschau am 16. 11.1956 erschienen). Er ist 2,50 m hoch und 1,85 m breit, dreiteilig, mit Pilastergliederung und reichem Kunstwerk in den Füllungen: baumartige Gebilde, Megären, Ranken, Muscheln, Schuppenwerk und auf den seitlichen Pilastern Kronen mit Ähren und Schilder mit Rosen.
Die Treppenwand ist von Holz und darauf die Hl. Familie, und in einem Parterrezimmer zeigt das Türrelief eines Wandschränkchens ein gutes Barockbild des Weltenheilandes mit Rahmenschmuck.
SINN UND ZWECK DER ZWÖLF-JAHRHUNDERTFEIER
Wenn die Pfarrgemeinde Kesseling seit neun Jahren an die Zentenarfeier dachte und durch eigene langjährige Sammeltätigkeit und mit Hilfe vom Trierer Bistum die gesamte Renovation an Häusern und am Heiligtum auf dem Petersberg bestreiten konnte, so will der Pastor Freude und Dank hier an alle bekunden, die zur Ehre Gottes dazu beigetragen haben. Natürlich wird aber auch eine geistige Erneuerung der Gemeinde nötig sein, um die Erinnerung an die zwölfhundert Jahre heilige Kirche würdig zu begehen.