Zur Herkunft französischer Lehnwörtert im Ahrtal
Als Schülerin des Gymnasiums Calvarienberg habe ich in der Jahrgangsstufe 12 im Frühjahr 2006 eine Facharbeit geschrieben. Deren Titel lautet: „Französische Lehnwörter im regionalen und offiziellen Sprachgebrauch von Altenahr – Erbe der napoleonischen Besatzungszeit?“ Dabei stellte ich mir vor allem die Frage nach der Herkunft französischer Lehnwörter im Dialekt des Ahrtals.
Historische Erklärung
Beispielsweise war mir aufgefallen, dass meine Großeltern Wörter wie „Trottoaa“ oder Wendungen wie „üss de Lamäng“ heute noch verwenden, obwohl sie nie Französisch gelernt haben. Zunächst ging ich davon aus, dass die französischen Lehnwörter aus der französischen Zeit von 1794 bis 1814 stammen könnten. Von 1801 an war das Gebiet auf der linken Rheinseite ja sogar französisches Staatsgebiet gewesen. Hierin sah ich mich in meiner Vermutung bestärkt – wenigstens zunächst.
Wortuntersuchungen
Mit der Zielsetzung, einen groben Überblick über die französischen Entlehnungen im Ahrtal zu erhalten, fertigte ich zunächst eine Wortliste auf der Grundlage der Veröffentlichung „De Aldenahre Söößläkke“ des Altenahrer Autors Franz Rosenbaum.
Verwandte und Bekannten wurden u. a. für die Facharbeit über französische Lehnwörter im Ahrtal befragt.
Dieses Buch enthält rund 5000 Wörter des Altenahrer Dialekts mit deren Entsprechungen auf Hochdeutsch. Dialektale Begriffe aus dieser Sammlung untersuchte ich auf ihre Ähnlichkeit in der Schreibweise beziehungsweise in ihrer Aussprache mit französischen Wörtern. Das Ergebnis dieser Analyse waren rund 50 dialektale Wörter, die meiner Ansicht nach einen hohen Verwandtschaftsgrad mit der französischen Sprache aufwiesen. Dazu gehörten beispielsweise folgende Wörter:„Basäng“ = Wasserbehälter (franz.: le bassin)„Fillu“ = Gauner (franz.: le filou)„Gosch“ = Mund (franz.: la gorge)„Kommkommere“ = Gurke (franz.: le concombre)„Malläste“ = Beschwerde (franz.: le malaise)„Malööe“ = Unglück (franz. le malheur)„Paraplü“ = Regenschirm (franz.: le paraplui)„Plümmo“ = Federbett (franz.: lit de plumes)„Poats“ = Tor/Tür (franz.: la porte)„Püree“ = Brei (franz.: le purée)
Recherche
Um mich näher über die französische Zeit im Rheinland zu informieren, suchte ich das Kreisarchiv Ahrweiler in Bad Neuenahr-Ahrweiler auf, wo ich viele Informationen zu den damals herrschenden Verhältnissen sowie zweisprachige Dokumente dieser Epoche um 1800 erhielt. Das „Amt für rheinische Landeskunde“ in Bonn konnte mir dann beim linguistischen Aspekt meiner Facharbeit weiterhelfen.
Nach einem Gespräch mit dem Sprachforscher G. Cornelissen wurde mir klar, dass meine Annahme, die französischen Lehnwörter würden aus der sogenannten französischen Zeit stammen, ein Irrtum war.
Viele Bewohner des Rheinlandes haben zwar ähnliche Vermutungen angestellt, jedoch ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die meisten Lehnwörter aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammen, wobei die eigentliche französische Zeit keinen herausragenden Zeitabschnitt darstellt. Begründen lässt sich diese Tatsache mit der zu kurzen Dauer (20 Jahre) der Besatzung sowie einer zu der Zeit unzureichenden Bildungs-, Sprach-, und Kulturpolitik der französischen Regierung.
Weiterhin fällt ins Gewicht, dass sehr wenige gebürtige Franzosen im Rheinland lebten. Das Französische bereitete damals als Amtssprache besonders in den kleineren Verwaltungen, wie zum Beispiel den Mairien (Bürgermeistereien), Probleme, da die meisten Beamten nur unzureichende bzw. keine französischen Sprachkenntnisse besaßen. Negativ auf die Durchsetzung des Französischen wirkte sich ebenfalls die Mentalität der Rheinländer aus, die ihre kulturelle und sprachliche Identität nicht verlieren wollten.
Hochdeutsch – Dialekt
Weiterhin stellte ich fest, dass der Großteil der französischen Lehnwörter im Dialekt des Ahrtals nicht direkt in diesen aufgenommen wurde, sondern zunächst die Hochdeutsche Sprache bereicherte. Das Hochdeutsch bildete also die Grundlage für die dialektalen Wörter und deren Aussprache. Zum Beispiel existieren die französischen Wörter „Boullion“ (Fleischbrühe), „Chaiselongue“ (Liegestuhl), „Bagage“ (Gepäck, Reisegepäck) und „Chemisett“ (Vorhemd, weißer Bluseneinsatz) im Hochdeutsch, sind also auch Bestandteil des Dudens.
Wiederum andere dialektale Wörter wie „Babbelschnüss“ (Schwätzer, Plaudertasche), „Ballesch“ (Bauch), „fissele“ (leicht regnen) oder „Muckefuck“ (Kaffeeersatz) haben den Anschein französische Lehnwörter zu sein, sind aber in Wirklichkeit anderer Herkunft, z. B . aus dem Lateinischen, Niederländischen oder dem Rheinländischen. Schließlich existiert auch eine kleine Gruppe von französischen Wörtern, die nur im Dialekt vorhanden sind und nicht im Hochdeutschen. Beispiele für diese Gruppe sind „Schafue“ (Wirsing), „Plümmo“ (Federbett/Deckbett), „betuppe“ (jemanden betrügen, übertölpeln, hintergehen) oder „üss de Lämäng“ (etwa aus dem Stehgreif, aus „der Hand“ machen).
Bei meinen Sprachuntersuchungen stellte ich ebenfalls fest, dass man nicht von der Aussprache oder der Schreibweise eines Wortes auf seine Herkunft schließen kann, was besonders die Gruppe der scheinbar aus dem Französischen stammenden Worte zeigt. Ein Beispiel hierfür ist das Wort „Babbelschnüss“ (Schwätzer/Plaudertasche), welches scheinbar vom französischen Verb „babiller“ (plappern/ schwätzen) abgeleitet ist. In Wirklichkeit ist das dialektale Wort „Babbelschnüss“ bzw. das zugehörige Verb „babbeln“ ein rheinisches Wort, welches die ersten Sprechversuche kleiner Kinder lautmalend nachahmt.
Hinzu kommt, dass jedes Wort seine eigene, nicht immer einfache Geschichte hat. Diese macht es schwer, eine allgemeine Aussage zu den französischen Lehnwörtern zu treffen.
Umfrageergebnis
Aus einer kleinen Umfrage im Ahrtal bei unter und über 30-Jährigen, konnte ich schließen, dass der Dialekt früher oder später nahezu aussterben wird, da dialektale Wörter nur noch selten unter Jugendlichen gebraucht werden, beziehungsweise bekannt sind. Die Tendenz geht eher zum Gebrauch von modernen Wörtern, die beispielsweise aus dem Englischen stammen. „Cool“ finde ich das nicht!