Zur Auflösung des Kreises Adenau im Jahre 1932 – Hintergründe, Konsequenzen
Dass von 1816 bis 1932 ein eigenständiger Kreis Adenau mit Landrat, Kreisverwaltung und allen dazugehörenden Einrichtungen, Aufgaben und Pflichten bestand, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. 70 Jahre nach der Auflösung des Hocheifelkreises sollen darum Hintergründe und Konsequenzen dieser Gebietsreform skizziert werden.
Kreiswappen Adenau, 1910
Daten zum Kreis Adenau
Seit der Kreisgründung im Jahre 1816 zählte der Kreis Adenau zu den ärmsten Kreisen Preußens.
Auf einer Fläche von 549 Quadratkilometern lebten nach der Volkszählung von 1925 25153 Einwohner in 6 Bürgermeistereien: Adenau (Kreissitz), Antweiler, Brück, Kelberg, Kempenich und Virneburg. Insgesamt setzte sich der Kreis aus 107 Landgemeinden zusammen, zu denen noch 78 Wohnplätze kamen.
Die Bewohner der reizvollen, aber kargen Hocheifelregion betrieben vornehmlich Ackerbau und Viehzucht, mit denen oft gerade das Existenzminimum erwirtschaftet werden konnte.
Der durchschnittliche Grundsteuerreinertrag lag gerade bei 4,69 Reichsmark pro Hektar, im damaligen Kreis Ahrweiler dagegen schon bei 15,39 Reichsmark.
98,9% der Bevölkerung gehörten der römisch-katholischen Kirche an, 1% evangelischen Landeskirchen1).
Von den insgesamt 14 Landräten in der Kreisgeschichte von 1816 bis 1932 sind vor allem zwei Amtsinhaber bekannt geworden: Dr. Erich Klausener, Landrat in Adenau von 1917 bis 1919, der von den Nationalsozialisten 1934 in Berlin ermordet wurde und Dr. Otto Creutz, Landrat von 1924 bis 1932, mit dessen Namen der Bau des weltbekannten Nürburgrings verbunden ist. Von 1925 bis 1927 wurde in seiner Amtszeit die Hocheifelrennstrecke im Rahmen von Notstandsmaßnahmen zur wirtschaftlichen Förderung der Region gebaut. Sie wurde am 16. Juni 1927 eingeweiht und erwies bald sich als Motor und Zukunftsinvestition für die strukturschwache Eifel2).
Grundlage der Neugliederung
Grundlage für die Auflösung des relativ kleinen, wirtschaftlich schwachen und überschuldeten Kreises Adenau war die Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932. Mit ihr wurden Sparmaßnahmen des Reichspräsidenten aus dem Jahre 1931 der krisengeschüttelten Weimarer Republik umgesetzt. Diese Maßnahmen erfolgten „zur Sicherung des Haushalts, zur Vereinheitlichung der öffentlichen Verwaltung sowie zur besseren Verteilung und sparsamen Nutzung der Arbeitskräfte“3). Die Verordnung trat zum 1. Oktober 1932 in Kraft. Insgesamt wurden damals 58 Landkreise in Preußen aufgelöst. Aus dem Regierungsbezirk Koblenz gehörten zu ihnen die Landkreise Kreuznach, Meisenheim und Adenau.
Landrat Dr. Otto Creutz
Proteste gegen die Neugliederung in Adenau
Sobald im Kreis Adenau Gerüchte von der Kreisauflösung bekannt wurden, erhob sich ein Sturm der Entrüstung bei den politischen Kreisgremien, den Bediensteten des Landratsamtes und in der Bevölkerung, die geschlossen keinerlei Verständnis für diese Sparmaßnahme aufbringen konnte und heftig dagegen protestierte.
Stellvertretend für die Vielzahl der Stimmen soll die von Kreistagsmitglied Frings am 8. August 1932 im Kreistag Adenau verlesene Entschließung angeführt werden:
„Durch das Machtwort eines preussischen Minsters soll der Kreis Adenau aufgelöst werden.
Dieses brutale Machtwort löste eine ungeheure Erregung und Entrüstung unter allen Kreisbewohnern aus. Durch einen Federstrich soll der Kreis Adenau, welcher seit der Einverleibung des Rheinlandes in Preußen, also 116 Jahre besteht, aufgeteilt werden. Der Kreis Adenau, schön abgerundet, die Kreisstadt Adenau fast in der Mitte des Kreises gelegen, ist ein einheitliches Ganzes. Ohne nennenswerte Industrie, ohne Großgrundbesitzer, durchweg gleichartige Kleingrundbesitzer, haben sich die Bewohner auf ihrem, wenn auch schlechtem Eifelboden, durch großen Fleiß und Sparsamkeit recht und redlich durchgeschlagen. Nach Erbauung der Eisenbahn bis Adenau, und besonders nach der Einführung des Kunstdüngers, hat sich die Landwirtschaft in fast wunderbarer Weise entwickelt, und werden auf dem schlechten Eifelboden bei einer mäßig guten Witterung gute Erträge erzielt. Auch die Viehzucht ist durch Gründung von Herdenbuchgenossenschaften, sehr auf der Höhe. Auch die Kreisstadt Adenau hat sich besonders bei – und nach Erbauung des Nürburgringes sehr vergrößert und verschönert. Sind doch in den letzten Jahren 100 Häuser neu erbaut, und viele alte Gebäude durch Umbau sehr verschönert worden. jedoch noch viele Schuld lastet darauf, welche aber in der Hoffnung auf gute Geschäfte abgetragen werden soll. Einige Kreisbeamte haben eigene Häuser gebaut, welche bei ihrer Versetzung leer stehen müssten, und sie in ihrem neuen Wirkungskreis teure Mieten und hier Schuldenzinsen bezahlen müssen. Die andern wohnen in kreiseigenen Häusern. Diese werden leer stehen und keine Mieten einbringen. Die Aktion wird mit Sparmaßnahmen des Staates begründet. Wirklich gespart wird aber nichts oder aber sehr wenig. Wenn der Staat wirklich sparen wollte, so böte sich ihm die Gelegenheit hierzu in Hülle und Fülle. Die Bürger des Kreises werden aber in ganz ungeheurer Weise dadurch belastet durch die weiten Reisen nach den neuen Kreisstädten bis 40 km, die vielen Untersuchungen vom Kreisarzt und Veterinärrat u.s.w. Der Kreis hat mit vielen Opfern ein großes und schönes Kreisgebäude erbaut. Die Kreissparkasse hat ein eigenes Gebäude und ebenso die Kreiskrankenkasse. Alles soll nun nutzlos brach liegen bleiben. Vor 6 bis 7 Jahren bemühten sich 4 Eifeldörfer des Kreises Mayen lange Zeit damit, dem Kreis Adenau einverleibt zu werden. Ihren Antrag begründeten sie damit, dass ihr Land weder zu der Industriegegend von Mayen, noch ihrer Landwirtschaft bei das fruchtbare Maifeld passe. Aber mit dem Kreis Adenau würden sie in allem passen. Der Antrag der Eifeldörfer wurde nach langen Verhandlungen abgelehnt, weil der Kreis Mayen es nicht genehmigte. Heute wird aber einfach verfügt. Der Kreis aber passt in seiner ganzen Struktur, weder in die Industriegegend Mayen, noch bei das fruchtbare Maifeld des Kreises Mayen. Auch der andere Teil des Kreises passt nicht zu der unteren Ahr- und Rheingegend, und auch nicht zu der fruchtbaren Grafschaft. Wenn Kreise zusammengelegt werden müssen, wäre die Bildung eines großen Eifelkreises mit dem Sitz Adenau viel zweckmäßiger gewesen. Für den Kreis Adenau wirkt sich die Auflösung des Kreises ganz katastophal aus, denn es ist zu befürchten, dass mit dem Landratsamte in absehbarer Zeit auch noch andere Ämter verschwinden, und der aufblühende Ort Adenau, wird zu einem armen Eifeldorfe herabsinken und viele Existenzen werden ganz vernichtet werden. Indem wir gegen die Auflösungsverfügung auf das Heftigste protestieren, bitten wir die hohe Staatsregierung inständigst, die Verfügung zurückzuziehen, damit die erregten Gemüter wieder beruhigt werden können und wir wie bisher treue Staatsbürger bleiben können.“4)
In seiner offiziellen Ent-schließung betonte der Kreistag Adenau den letzten Aspekt noch besonders, da seiner Meinung nach durch die „Auflösung […] eine stets vom staatserhaltenden Geiste getragene Gemeinschaft von Bevölkerung und Verwaltung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes, die in Krieg und Frieden und im Kampf gegen den Separatismus, Zeiten der Not und des wirtschaftlichen Aufstiegs ihr Schicksal zum allgemeinen Besten gemeistert hat (getrennt werde). Gegen diese Trennung legt der Kreistag entschieden Verwahrung ein und bittet die Maßnahme aufheben zu wollen.“5)
Einstimmig beauftrage der Kreistag die Verwaltung damit, „alles zu unternehmen, was geeignet sein kann, die ungerechtfertigte und mit größter Beeinträchtigung der Interessen der gesamten Bevölkerung verbundene Auflösung rückgängig zu machen“.
Klage vor dem Staatsgerichtshof
Am 3. September 1932 erhob der Kreis Adenau vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in Leipzig Klage „gegen das Land Preußen, vertreten durch das Preußische Staatsministerium wegen Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§ 101 bis 103 der Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932″.
Vor allem wurde ins Feld geführt, dass durch die Neugliederung keine Einsparungen erzielt werden könnten, es zu keinem Ausgleich der Haushalte käme. Vielmehr würden die Kosten für Personal steigen, hinzu kämen höhere Portokosten, Telefonkosten, Fahrtkosten. Zudem müsse die Kreisumlage erhöht werden, wodurch der Notstand der Bevölkerung steige, ihre Exis-tenz gefährdet sei, was besonders von der Landwirtschaft und Wirtschaftsvertretern beschworen wurde.7)
Dem schloss sich auch die Adenauer Zeitung an. Die Verleger Herbrand und Friedrich wiesen auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen in ihrem Betrieb hin: „Durch die Lahmlegung unseres Zeitungsbetriebes würden allein 4 Angestellten – darunter zwei mit Familie und einer als einziger Ernährer seiner Mutter und Geschwister brotlos. Wir machen vorsorglich auf diese Tatsache aufmerksam und betonen, dass in der heutigen Zeit ein derartiger Schaden nicht auszumerzen ist und wir nichts unversucht lassen werden, die uns durch die diktatorische Inkraftsetzung der Verordnung vom 1. August ds. Js. entstandenen und nicht wieder gut zu machenden Schäden auf dem Rechtswege geltend zu machen.“
60 Beamte und Angestellte des Kreises Adenau waren von der Neugliederung betroffen, sei es durch drohende Versetzungen oder gar Entlassung. Adenau fürchtete um den Verlust der Kaufkraft bei ihrem Wegzug und zusätzlich noch eine Entwertung des Hausbesitzes, sah die Rektoratsschule in Gefahr und eine Schädigung der Gemeinde durch Steuerausfälle.8)
Alle vorgetragenen Argumente führten zu keinem Erfolg. Vom Staatsgerichtshof in Leipzig wurde der Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Neugliederung zurückgewiesen. Sie war rechtskräftig. Als Rechtsnachfolger des Kreises Adenau zog der Kreis Ahrweiler die Klage später zurück.
Konsequenzen
Landrat Dr. Creutz gab in der Adenauer Zeitung vom 30. September 1932 die endgültige Auflösung des Kreises Adenau bekannt: „Durch Verordnung des Staatsministeriums vom 1. August 1932 ist der Landkreis Adenau mit dem Ablauf des 30. September 1932 aufgelöst.
Mit dem 1. Oktober 1932 gehören die Gemeinden der Ämter Adenau, Antweiler und Brück und dem Vernehmen nach die Gemeinden Nürburg, Meuspath und Müllenbach (bisher zum Amt Kelberg gehörig) zum Landkreis Ahrweiler und die restlichen Gemeinden der Ämter Kempenich und Virneburg zum Landkreis Mayen.“9)
Der Kreis Adenau wurde also auf die Kreise Mayen und Ahrweiler aufgeteilt. Ganz im Kreis Ahrweiler lag der Nürburgring, in dessen Vorstand der Ahrweiler Landrat Dr. Meyers berufen wurde. Rechtsnachfolger wurde der Kreis Ahrweiler. Beim Landratsamt in der Kreisstadt Ahrweiler wurde eine Übergangsstelle eingerichtet.
In der ersten Sitzung des kommissarischen Kreisausschusses in Ahrweiler am 5. Oktober
1932 wurde die durch die Neugliederung veränderte Lage besprochen.
Landrat Dr. Meyers versicherte, dass „er, nachdem nunmehr der größte Teil des aufgelösten Kreises Adenau dem Kreise Ahrweiler zugeteilt sei, seine ganze Kraft für das Wohlergehen des neuen Kreisteils und seiner Bevölkerung einsetzen [werde].“10)
Als Vertreter des ehemaligen Kreises Adenau im kommissarischen Kreisausschuss ant-wortete Herr Herbrand. Er „[ …] betonte, dass man zwar keine Ergebenheitserklärung von ihm erwarten könne, dass er als Vertreter des früheren Kreises Adenau aber mit volls-tem Vertrauen der neuen Kreisverwaltung entgegenkomme. Er gab ebenso wie der Vorsitzende der Hoffnung Ausdruck, dass die durch Auflösung des Kreises Adenau hervorgerufenen Schäden baldigst behoben würden und der neue Kreis Ahrweiler in kurzer Zeit zu einem harmonischen Ganzen zusammenwachsen möge.“11)
Bis dieses Ziel erreicht wurde, bis bei den Menschen im Raum Adenau ein enges Zugehörigkeitsgefühl zum Kreis Ahrweiler, ja eine neue Kreis-Identität entstand, galt es viele Arbeiten zu erledigen und die aus der Neugliederung erwachsenen Probleme zu bewältigen.
Das Kreishaus von Adenau aus dem Jahre 1892 wurde 1932 an die Reichspost verkauft.
Das Adenauer Kreishaus wurde für 80000 Reichsmark an die Reichspost veräußert, über die Weiterverwendung sonstiger kreiseigener Gebäude und Wohnungen in Adenau musste entschieden werden, die Übernahme des Personals der früheren Kreisverwaltung war zu regeln, Verträge zu kündigen, Prozesse zu führen, Verpachtungen vorzunehmen und vieles mehr.
Der neue Kreis Ahrweiler umfasste nach der Neugliederung rund 714 qkm. Seine Einwohnerzahl stieg durch die aus dem früheren Kreis Adenau hinzukommenden Kommunen von 48827 auf 63194.
Inzwischen ist der Kreis Ahrweiler durch die Gebiets- und Verwaltungsreform von 1969/70, bei der Maria Laach und Teile des Brohltals hinzukamen, durch Zuzüge aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage und sonstiger Standortvorzüge auf fast 130000 Einwohner im Jahre 2001 angewachsen.
Anmerkungen:
- vgl. Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen. Band XIII. Rheinprovinz. Berlin 1930. S. 4-8.; siehe auch Auskunftsbuch über den Kreis Adenau und den Nürburg-ring 1928. Lennep 1928.
- s. hierzu u. a. Karl Egon Siepmann: Die Landräte des Kreises Adenau (1816 – 1932). In: 1000 Jahre Adenau. Aus der Geschichte der Johanniterstadt. Adenau 1992. S. 163-190, besonders S. 181ff.
- Preußische Gesetzsammlung 1932, Nr. 43, S. 255ff. ; Reichsgesetzblatt 1 1931, Nr. 58 S. 453 und Nr. 67 S, 537ff. siehe auch Karl Egon Siepmann: Vom kurkölnischen Amtssitz zur Rheinland-Pfälzischen Verbandsgemeinde. In: 1000 Jahre Adenau. Adenau 1992, S. 11 . 22,
- Kreisarchiv Ahrweiler 02-94
- u.
- Ebenda
- Kreisarchiv Ahrweiler 01 -394
- Ebenda
- Ahrweiler Zeitung Nr. 118 vom 1. Oktober 1932, siehe auch Amtsblatt der Regierung zu Koblenz 1932, S. 205
- Kreisarchiv Ahrweiler 01 – 350
- Ahrweiler Zeitung Nr. 121 vom 8. Oktober 1932