Zum Reiseverkehr in der Hocheifel am Beispiel Adenaus – Anmerkungen zu Aspekten aus der Zeit ab 1918
Hatte der Tourismus in der wirtschaftlich im höchsten Maße benachteiligten Region der Hocheifel nach der Jahrhundertwende gerade Fuß gefasst, so setzte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 zunächst allen Anstrengungen zur Verbesserung des Fremdenverkehrs ein jähes Ende.1) Bis zur Realisierung der gigantischen Notstandsmaßnahme, dem Bau des Nürburgrings ab 1925, sollten noch einige Jahre vergehen. Weitreichende Impulse für die Privatwirtschaft waren also zunächst nicht zu erwarten.
Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Situation (Rheinlandbesetzung, Inflation, Weltwirtschaftskrise) kann es fast erstaunen, dass sich die Zahl der Adenauer Hotels in den 1920er Jahren gegenüber der Vorkriegszeit nicht verringert hatte2), wenn wir den gescheiterten Versuch, das „erste Haus am Platz“, den „Eifeler Hof“, durch den kühnen Neubau des Hotels „Eulenburg“ von seiner Position zu verdrängen, einmal ausnehmen.
Der Luftkurort Adenau sollte zunächst jedoch von anderen Strömungen im Tourismus profitieren, wenngleich sie in ihren finanziellen und logistischen Dimensionen natürlich keinesfalls an den Nürburgring heranreichten. Für Naturschutz und Erholung und ihre werbewirksame Vermarktung war die Eifelregion geradezu prädestiniert.
Die Jugendherbergsbewegung hinterließ im Ahrtal gleich mehrfach Spuren, wie beispielsweise die Jugendherbergsbauten des Architekten Ernst Stahl in Altenahr und Adenau (1975 abgerissen).3) Die organisierte Erholung für Kinder und Jugendliche zur geistigen und körperlichen Ertüchtigung bildete einen weiteren Aspekt des Freizeitverhaltens, war allerdings weniger gewerblich als karitativ ausgerichtet. Das Hotel „Eulenburg“ in der Wimbachgasse wurde 1918 von der Stadt Köln als Kindererholungsheim unter Leitung des Celitinnen-Ordens erworben.4) Heute wird es als „Freizeit- und Bildungsstätte“ von der Stadt Köln weitergeführt.
Nachdrücklich setzte sich der 1888 gegründete Eifelverein für die Belange des Naturschutzes und der Wanderer ein. Denn „der zunehmende Autoverkehr, der in den zwanziger Jahren auch in der Eifel immer stärker aufkam, veranlasste den Eifelverein zu einem energischen Einschreiten zugunsten der Natur- und Wanderfreunde. In einer Resolution wandte sich die Prümer Hauptversammlung gegen das Überhandnehmen des Autoverkehrs im Ahrtal, das – wie es zur Begründung hieß – „gerade an Sonntagen, in der Zeit von 11 bis 3 Uhr von Fußgängern ohne Gefahr für Gesundheit und Leben nicht mehr besucht werden kann.“5) Das war 1925, noch vor Grundsteinlegung des Nürburgrings.
Freizeit- und Bildungsstätte der Stadt Köln in der Wimbachgasse mit wechselvoller Vorgeschichte
Zu Straßenverkehr und Belebung der Privatwirtschaft
Wenngleich man über die damalige Verkehrsdichte aus heutiger Sicht schmunzeln mag, so stellt sich doch die Frage, warum bereits vor dem Bau des Nürburgrings die Verkehrsproblematik als Tatbestand – nicht als Prognose der zu erwartenden Ringbesucher – thematisiert wurde. Die Diskussionen gipfelten 1926 in der Forderung des Eifelvereins an den Regierungspräsidenten in Koblenz nach Fußgängerwegen „auf beiden Seiten des Ahrtals“. Wir stellen also fest, dass die Verkehrsbedingungen auch ohne den Nürburgring nicht ausreichend waren. Weiterhin können wir davon ausgehen, dass der Verkehr zumindest in den Sommermonaten an den Wochenenden nicht einseitig in die Hocheifel führte, sondern auch von dort ins Ahrtal und an den Rhein. So berichtet Johann Heintz, damaliger Besitzer des Friedrichshofes und Betreiber des ersten Kinos in Adenau, dass bis Sommer 1926 regelmäßig sonntags am Nachmittag Kinovorführungen stattfanden. Durch starke Konkurrenz – vor allem im Sommer durch die Kinos in Ahrweiler und Neuenahr – wurde der Betrieb „im Tanz- und Vergnügungssaal“ des Friedrichshof am heutigen Dr. Creutz-Platz (1988 abgerissen) vorübergehend eingestellt, und sollte erst im Winter 1928/29 aufgenommen werden. Im Übrigen wurde die Schließung des Kinos in den Sommermonaten auch in den folgenden Jahren beibehalten, wenn auch die Begründung sehr subjektiv eingefärbt gewesen sein dürfte. Das frühe Beispiel zeigt, wie sich die Reisemobilität konstant auf den Service von Freizeiteinrichtungen auswirken konnte. Weiterhin macht der Fall deutlich, dass diese Einrichtung keinen Nutzen aus dem Nürburgring ziehen konnte.
Behelfsbrücken wurden in Adenau für den Besucheransturm an den Renntagen auf dem Nürburgring errichtet.
Bei den meisten Betrieben sah dies jedoch ganz anders aus.
Lorenz Klein beschreibt 1985 in der Heimatfestschrift der Stadt Adenau anschaulich die Situation an Renntagen und den Einfluss der Veranstaltungen auf bestimmte Zweige der Privatwirtschaft: „Tausende von Rennbesuchern kamen in zahlreichen Sonderzügen zum Ring. Die Rennen hatten fortan noch einen nützlichen Nebeneffekt, denn viele Menschen lernten so erst die reizvolle Eifellandschaft kennen. … Ab dem Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring begann eine allmähliche wirtschaftliche Belebung der gesamten Hocheifelregion. Von dieser Belebung profitierten nicht nur die vorhandenen gastronomischen Betriebe, sondern auch Handwerk und Gewerbe. Darüber hinaus gab es für viele aus den bäuerlichen Betrieben wie auch aus anderen Berufssparten willkommene Gelegenheit, bei Rennveranstaltungen durch unmittelbaren Einsatz an der Rennstrecke als Sicherungsposten, Kartenverkäufer, Kontrolleure, Parkwächter und Marketender sich ein Zubrot zu verdienen. Erstmals bot sich hier auch die Möglichkeit, Privatzimmer zu vermieten.“
So umfasste die Liste der konzessionierten Betriebe 1956 im „Amtsbezirk Adenau“ 13 Hotels, den „Eifeler Hof’, „Zum Wilden Schwein“, „Friedrichshof“ (am 1.1.1956 eingestellt), „Zur Krone“, „Zum Schloß“, „Bahnhofshotel“, „Historisches Haus“, „Zum Wilden Mann“, „Gemütliche Ecke“, „Altes Casino“, „Eifelhaus“, „Gasthaus Theisen“, „Ringterrasse“; 8 Wirtschaften: Im Bahnhof, Hauptstr. 29, Ringterrasse, Friedrichshof, Hauptstr. 60, Hotel zum Schloß, Hauptstr. 108 und 118 sowie 2 Cafés, das „Adenova“ und Neubusch sowie 17 Fremdenpensionen. Hinzu kamen außerdem noch in Breidscheid: Gasthaus Bell, Gasthof Baur, eine Trinkhalle und ein Verkaufsstand an der Hauptstraße sowie am Ortseingang die Verkaufshalle der Nürburgring GmbH.7)
Zur Rezeption des Nürburgrings
Lange hatte sich der Eifelverein gegen das Vorhaben „Nürburgring“ gesträubt. In den ersten Jahren nach Eröffnung 1927 wurde der Rennkurs schlichtweg ignoriert.8) Das Augenmerk des Eifelvereins fiel dagegen mehr auf Künstler, die mit ihren Mitteln quasi für die Eifel warben. So wurde Fritz von Wille anlässlich seines 70. Geburtstages am 21. April 1930 im Eifelvereinsblatt 1930 von Hermann Bartmann als „,künstlerischen Entdecker und Erschließer der Eifel’, der ungezählten Eifelwanderern das Auge erst geöffnet [habe] zu künstlerischem Betrachten und Genießen dieser eigenartigen und daher oft verkannten Landschaft“ gewürdigt. Ganz ähnlich wurde auch die Schriftstellerin Clara Viebig, die nur wenige Wochen nach Fritz von Wille ihren 70. Geburtstag feierte, geehrt.9)
Die strikte Ablehnung des Nürburgrings durch den Eifelverein war aber in den 1930er Jahren aufgebrochen, hatte man doch offenbar erkannt, dass viel mehr Menschen als bisher diese Region erstmals bereisten und damit auch die Eifellandschaft durch die „Grüne Hölle“ einer neuen Zielgruppe näher gebracht werden konnte. Im Spannungsfeld von Erholung und Motorsport wendet sich private Werbung ab 1938 im Anzeigenteil des Eifelvereinsblattes an gegensätzliche Adressaten. Die Aufforderung „Bei jeder Eifelfahrt eine Runde über den Nürburgring“ erscheint im Mai rechtzeitig zu Saisonbeginn, während der Verkehrsverein in Adenau zwei Monate später ausschließlich auf „Ruhe und Erholung“ setzt.10)
Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Freizeitgestaltung haben – abgesehen von periodischen Verschiebungen – an Aktualität nichts eingebüßt. Der Verkehr bestimmt auch heute noch in besonderem Maße die Wochenenden.
Anmerkungen zu Reise- und Kunstführern
Über die Eifel und die Region um Adenau gibt es eine Fülle an Reiseführern und -berichten. Sie bieten neben soliden Informationen auch Halbwahrheiten und Falschmeldungen, auf die hier eingegangen werden soll. Martin Persch wies bereits 1996 auf zahlreiche Kuriositäten hin, mit denen so manch ein Reiseführer oder –bericht über Adenau aufwartet. Da schlagen Geschichtsdaten Kapriolen, manche Örtlichkeit findet sich auf einmal um Hunderte von Metern versetzt an neuer Stelle.11)Zum Glück werden zahlreiche Falschmeldungen nicht übernommen und bleiben Einzelerwähnungen. Nur der Architekt Schwechten (1841-1924), Erbauer der auf den ersten Blick wenig spektakulär wirkenden Erlöserkirche in Adenau (1913-14), wird seit Jahrzehnten vorzugsweise und hartnäckig geadelt.12) Schwechten selbst blieb bescheiden, auch wenn er im kaiserlichen, weltstädtischen Berlin in höchsten gesellschaftlichen Kreisen verkehrte, und nach dem Tod seines Vorgängers Spitta zum Hofarchitekten Kaiser Wilhelms II avancierte. Sein handschriftlich angefertigtes Werkverzeichnis mit Datum vom 1. Juni 1917 unterschrieb er schlicht mit „Franz Schwechten“.
Eine weitere „Ente“ bezieht sich auf die Unterstellung, der letzte Kaiser habe besondere Ausstattungstücke für die Kirche wie den Altar finanziert. Dies stimmt ebenfalls nicht. Ein Blick auf die Spendenliste lässt erahnen, dass der Spendenanteil des Kaiserhauses im Verhältnis sowohl zu örtlichen Gönnern als auch in Relation zur Unterstützung anderer Kirchenbauten einer schallenden Ohrfeige für die Adenauer gleichkam. Wahrscheinlich fielen die Spenden von Kaiser und Kaiserin als „Gnadengeschenke“ deshalb so gering aus, weil die Adenauer Erlöserkirche nicht gerade mit dem Anspruch des Kaiserhauses an den protestantischen Repräsentationsbau korrespondierte.13)
Für den Laien sind o.g. Falschinformationen durchaus verkraftbar, solange die örtlichen Zuordnungen stimmen. Bedauerlich ist aber, wenn ein Kulturgut in eine Betrachtungsweise kanalisiert wird, die der regionalen Eigenart nicht gerecht wird.
Anmerkungen:
- Vgl. dazu: C. Hicking, Zu den Anfängen des Reise- bzw. Fremdenverkehrs in der Hocheifel am Beispiel Adenaus, Heimatjahrbuch des Kreis Ahrweiler 2000, S. 121 ff
- Verweis auf Reiseführer von 1920 und 1926, vgl. dazu u. Anm. 11
- G.N. Bode / M. Losse, Burgen – Jugendburgen – Jugendherbergen. Betrachtungen zum Werk von Ernst Stahl (1882-1957). Architekt der Adenauer „Muster-Jugendherberge“, in: Heimatfestschrift der Stadt Adenau 1996, S.81ff
- wie Anmerkung 1, S. 125
- 1888-1988, Die Eifel. Zum 100jährigen Jubiläum des Eifelvereins, Düren, 2. Auflage 1989, S. 372
- Lorenz Klein, Adenau und die Hocheifel – einst und jetzt, in: Heimatfestschrift der Stadt Adenau 1985, S. 104
- Landeshauptarchiv Koblenz 655, 2/127
- wie Anm. 5, S. 335
- ebenda, S. 399f
- Die Eifel, Zeitschrift des Eifelvereins, Sitz Bonn, Vorstandsstelle Köln / Rheinland, Ausgabe A, 39. Jg. ohne Seitenangabe.
- M. Persch , „…denn es herrscht daselbst viele Geselligkeit“. Adenau im Urteil der Eifel- und Wanderführer vornehmlich des 20. Jahrhunderts, in: Heimatfestschrift der Stadt Adenau 1996, S. 61 ff
- zuletzt in: Wegweiser Mittelrhein, Heft 8: Das 19. Jahrhundert am Mittelrhein, hrsg. v. Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Koblenz 1999, S. 39. Dort heißt es „Franz von Schwechtem“.
- vgl. C. Hicking, Die Erlöserkirche in Adenau (1913-14). Ein Spätwerk des Berliner Architekten Franz Schwechten (1841-1924), in „Eins aber ist Not …“, 100 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Adenau 1894-1994, Meckenheim 1994, S. 87ff., sowie Sonderdruck, dort auch Hinweis auf das handschriftliche Werkverzeichnis des Architekten