Zissen und die Herrschaft Olbrück

VON FRIEDHELM SCHNITKER

Bisher liegen zwei Beiträge zur Deutung des Ortsnamens „Zissen“ vor:

1. In den Aufzeichnungen „Herrschaft Olbrück und Pfarrei Niederzissen“, begonnen 1862 von Pfarrer Mohren und von Pfarrer Volk weitergeführt, wird der Name „Zissen“ auf ein keltisches Etymon „cisni“ mit der Bedeutung „rückwärts, abgelegen, versteckt“ zurückgeführt.

2. In einer Abhandlung über die Ortsnamen des Kreises Ahrweiler mit dem Titel „Beitrag zur Siedlungsgeschichte des Kreises Ahrweiler“ glaubt man zwar, daß das Wort „Zissen“ keltischen Ursprungs sei, daß es aber „eher die Bezeichnung eines keltischen Gutshofes in der Form ,Cissoniacum‘ = der Gutshof des Galliers Cissonius ist“. Nach sorgfältiger Abwägung beider Deutungen läßt sich folgendes sagen: Unbestritten ist, daß die früheren Siedlungen, nämlich auf dem „Scheid“ und auf dem „Steinacker“, außerhalb des heutigen Dorfbezirkes lagen, weil „dieses Gebiet wegen seiner niedrigen Lage wohl sumpfig war“. Auf dem „Scheid“ gemachte Funde von Werkzeugen und Waffen beweisen, daß hier in vorgermanischer Zeit ein keltischer Stamm gesiedelt haben muß. Die Kelten aber mußten ihrerseits dem zunehmenden Druck der Germanen weichen. Vielleicht liegt in dem Abwehrkampf der Kelten oder in den Kämpfen der einzelnen landhungrigen Germanenstämme untereinander die Keimzelle für die Entstehung der Sage, die Stötzel uns in „Die Sagen des Ahrtals“ berichtet. Auf einem Feld, unweit der Straße Niederzissen—Waldorf, soll unter aufgetürmten Basaltbrocken die Ruhestätte eines Germanenfürsten sein, der nach blutiger Schlacht von seinen Getreuen hier bestattet worden sei.

Um das Jahr 1847 wurden unweit der heutigen Straße Niederzissen—Waldorf die Überreste einer römischen Villa gefunden. Häufig stößt der Pflug hier auf Mauerwerk. Diese Ansiedlung liegt auf einer Hochebene, so daß das Merkmal „versteckt, abgelegen“ zur Kennzeichnung der Hochlage als der ursprünglichsten Besonderheit dieses Siedlungsteils nicht geeignet ist. Die Bezeichnung „abgelegen, versteckt“ auf den heutigen Dorfbezirk, auf den sie zutrifft, anzuwenden, ist jedoch wegen der erst später erfolgten Besiedlung auszuschließen. Dagegen scheint mir die Lokalisierung der hochliegenden Siedlung durch die Angabe der Lage („rückwärts“) zu einem bestimmten geographischen Bezugspunkt (Rheinstrom) einleuchtend zu sein. Die zweite Deutung läßt Zweifel aufkommen. Zwar ist ein solcher Bezeichnungsmodus durchaus geläufig, doch bereitet die Lautform Schwierigkeiten. Das sehr resistente Suffix -iacum ergibt in seiner Lautentwicklung regelmäßig -ig. (Vgl. Sentiacum = Sinzig; Brissiacum = Breisig; Tolbiacum = Zülpich.)

An den Namen Cissonius (eine lautliche Variante ist Cisnius) knüpft nun dieser Versuch einer Deutung an, zu dem der Verfasser angeregt wurde durch einen Hinweis von L. Lersch im „Bonner Jahrbuch des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland“ von 1842. Lersch fügt einer Cissonius-Weiheinschrift aus Wiesbaden mit der Frage nach der Möglichkeit einer gleichen Bezeichnungsweise den Ortsnamen „Zissen“ hinzu. Die zweite römische Ansiedlung liegt nun an der Straße Niederzissen—Wehr im Flurdistrikt „Steinacker“. (Der Name weist auf die hier häufig gefundenen Scherben und Mauerreste hin.) In der Nähe dieser Stätte kann man den Kreuzungspunkt zweier Römerwcge annehmen. Der erste, eine Zweiglinie der Hauptstraße Trier—Andernach, hatte als Ausgangspunkt Kehrig, ging nach Allenz, Mayen, führte von Weibern, wo im Nachbarort Morswiesen größere römische Villenanlagen aufgedeckt worden sind, an Engeln vorbei über Brenk (dort fand man Reste alter römischer Eisenverhüttung) nach Niederzissen. Er überschritt unterhalb des Dorfes den Brohlbach, führte dann in den „Scheid“ hinauf und ging über Waldorf, Franken nach Sinzig. Der andere kam vom Ahrtal und war die Fortsetzung eines Armes der Heerstraße von Köln. Der Straßenarm ging von Köln über Rheinbach — Gelsdorf — Böhlingen — Lantershofen, lief im Ahrtal dem linken Ufer der Ahr entlang nach Kripp und zog dann bei Linz jenseits des Flusses den Berg hinan. Diese Wegführung hatte vom Ahrtal aus eine Verbindung über Ramersbach, „Alte Linie“, Schalkcnbach, Zissen, Wassenach nach Andernach. Genannte Straßen dienten nicht nur militärischen Zwecken, der größeren Schnelligkeit von Truppenbewegungen und Nachrichtenübermittlung, sondern auch in steigendem Maße dem Handelsverkehr.

Im Jahre 1917, also 75 Jahre nach der Bemerkung von Lersch, fand man auf dem „Steinacker“ den Kopf einer römischen Statue. P. Adalbert Schippers beschreibt ihn so: „Der Statuenkopf ist leider nur in seiner unteren Hälfte erhalten. Der ganze Oberteil des Kopfes, von den Augenbrauen aufwärts, fehlt . . . Im Gegensatz zum Oberkopf ist der untere Teil des Gesichtes vorzüglich erhalten. In voller Schärfe zeigen sich noch die eingeritzten Umrandungen der Iris und die für die Einfügung der Pupillen aus farbigem Stoff bestimmten runden Bohrlöcher in den übermäßig großen, mandelförmig geschnittenen Augen . . . Dicht unter der Halsgrube ist der Kopf abgebrochen, der Hals läßt indessen noch eine leise Drehung des Kopfes nach seiner linken Seite erkennen.“ Diesen Kopf deutete man als Tempelkultbild, vermutlich eines der zahlreichen mit Mars identifizierten einheimischen Götter. Hier klingt die römische Praxis an, die unter dem Begriff der „Interpretatio Romana“ der römischen Religionspolitik auch in den rheinischen Gebieten das Gepräge gab. Die Götter der eroberten Gebiete wurden weder unterworfen noch ausgerottet, sie gingen vielmehr in der römischen Götterhierarchie auf, in der sie als Gleichbild ihres römischen Vorbildes einen ebenbürtigen Platz erhielten. An dieser Stelle beginnt unsere eigentliche Deutung. Nördlich der Völkerscheide des Vinxtbaches saßen die Eburonen, die Cäsar vernichtete. In ihren Wohnsitz wurden 38 v. Chr. die germanischen Ubier eingewiesen, die nunmehr die unmittelbaren Nachbarn der südlich des Vinxtbaches siedelnden Treverer wurden. Während im Ubiergebiet die Matronenverehrung besonders gepflegt wurde, finden wir südlich dieses Gebietes in steigendem Maße die Verehrung von Götterpaaren. Sollte also der nach links blickenden Statue ein entsprechendes Gegenstück zugeordnet gewesen sein? Innerhalb des keltischen Kulturgebietes im römischen Reich treten einheimische Götter häufig unter dem Namen des Mercurius auf. Zentren intensivster Verehrung dieses gallorömischen Mercurius liegen in den römischen Grenzprovinzen beiderseits des Rheins, Dem Handelsgott Mer-curius aber war häufig die Göttin Rosmerta beigeordnet; das Götterpaar wurde verehrt als Schirmer der Wege und Märkte. Für das Elsaß hat A. Grenier („Quelques sanctuaires de Mercure en Alsace“. Bull. Arch. du comi-te des traveaux historiques et scientifiques. [1926], S. 97 ff.) nachgewiesen, daß die Heiligtümer des Mercurius dort im allgemeinen an Straßen lagen und daß, wenn sie mit Kulten von Weggottheiten verbunden waren, sie oft an Straßenkreuzungen angelegt waren. Einer der Beinamen des gallischen Mercurius aber lautete, wie uns mehrere im Rheingebiet gefundene Inschriften bezeugen, Cissonius oder Cisnius. Darauf weisen neben oben Ausgeführtem noch folgende Einzelheiten hin: Die auf dem fehlenden Oberteil des Statuenkopfes vermutete Kopfbedeckung könnte der Reise- oder Flügelhut des Mercurius gewesen sein. Die „großen, mandelförmig geschnittenen Augen“ wurden in der Deutung mit Mithras in Beziehung gebracht.

In oben erwähntem Flurdistrikt „Steinacker“ pflügte 1928 ein Bauer neben dem Fuß eines Opferaltares ohne Inschrift eine unversehrte tönerne Schale aus der Erde, auf der sich zwei Darstellungen des Gottes Mithras befinden. (Vgl. Otto v. Fisenne: „Der Mithraskult in der Eifel“ in „Eifeljahrbuch“, 1960, S. 74 ff.) Tatsächlich ist im Laufe der römischen Kaiserzeit Mercurius eine enge Beziehung mit Mithras eingegangen. Weihungen an den gallorömischen Mercurius finden wir bezeichnenderweise in Mithrasheiligtümern, was nicht verwundert/ da das Hauptgebiet des gallorömischen Mercurius zugleich ein Gebiet eifriger Mithrasverehrung war. Auch die Festsetzung der Entstehungszeit der Statue auf das erste oder die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts stimmt ungefähr überein mit der Hauptblütezeit des gallorömischen Mercuriuskults während des ganzen zweiten und des frühen dritten Jahrhunderts. Diese Hauptblütezeit fällt nun zeitlich genau zusammen mit einem großen Aufschwung in der Provinz „Germania Superior“. So gelangten die Töpfereien in Tres Tabernae (Rheinza-bern) zu hoher Blüte, weil sich in der Umgebung der geeignete Ton fand. Ebenso nutzte man die Kalksteinbrüche in der Gegend von Metz, und auch die Tuffsteinbrüche und Traßgruben des Brohltals wurden weitgehend ausgebeutet. Für Rheinzabern und die Umgebung von Metz sind nun Cissonius-In-schriften auf steinernen Weihetafeln in besonders reichem Maße bezeugt. Der Stein zu dem Statuenkopf von Niederzissen aber stammt nicht aus der hiesigen Gegend, sondern es ist derselbe feine Kalkstein, aus dem alle besseren Skulpturen der damaligen Zeit hergestellt sind und der aus dem oberen Moseltal, vermutlich aus den Kalksteinbrüchen um Metz, stammt.

Sollte unter dem Einfluß des in den Wirtschaftszentren Rheinzabern (Töpfereien) und um Metz gepflegten Cissonius-Mercuris-Kul-tes auch in Niederzissen für das Wirtschaftsgebiet „Brohltal“ ein Heiligtum errichtet worden sein? Sollte der Statuenkopf also aus einem Cissonius-Heiligtum stammen („dem Cissonius geweiht. ..“) ? Könnte ein solches Heiligtum, an markanter Stelle einer Wegekreuzung errichtet, dem heutigen Ort Zissen den Namen gegeben haben? Wir vermuten es. Eine endgültige Klärung könnte wohl nur eine großzügige Ausgrabung schaffen, die freilich wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Fundgebietes für die Zukunft wenig wahrscheinlich ist.

Zissen im Mittelalter

Das St.-Cassius-Stift in Bonn hatte gemäß seinem Copiarium, das Urkunden von 648 bis 918 umfaßt — in einer Schenkungsurkunde ohne Jahresangabe, die jedoch nach Levin-son zwischen 700 und 800 n. Chr. erstellt wurde, wird Zissen erstmals urkundlich erwähnt —, Besitzungen in „Gissen“. (Vgl. „Rhein. Geschichtsblätter“, II. Jahrg., S. 360.) Das Stift St. Stephan in Mainz erhielt 1008 von König Heinrich II. durch Tausch dessen Gut zu Rigala (Reil/Mosel) nebst Zubehör im „Gaue Meinefeld“, in der Grafschaft des Gaugrafen Bezelmo. (Görz, „M.Rh. Regesten“ I. Nr. 1176.) Dieses Zubehör wird nun 1103 näher beschrieben. In einer Urkunde, deren Echtheit allerdings angezweifelt wird, tauscht das Mainzer Stift in diesem Jahr mit dem Augustiner Chorherrenstift in Raven-giersburg diesen Besitz nebst Zubehör, darunter „Cissin“. Pfarrer Volk vermutet auf Grund obiger Urkunde, daß „Zissen demnach 1008 königliche Besitzung gewesen“. Hieraus ließe sich dann auch erklären, daß die Herrschaft Olbrück später eingeschränkte Reichs-unmittelbarkeit besaß.

Eine Feststellung des Vermögensstandes (Census) der Bürger erfolgte 1544, als die Olbrücker Herrschaft dieselben aufforderte, wegen der drohenden Türkengefahr zu Kriegssteuerzwecken ihr Einkommen einzuschätzen. Sie führte in Niederzissen nun ca. 34 Familien, in Oberzissen 16, in den übrigen Ortschaften 6—8 Familien auf.

Besondere Ereignisse in der Geschichte Zissens

Der Chronist weiß von Naturkatastrophen und Feuersbrünsten zu berichten, die das Zissener Ländchen heimsuchten. Über den Bericht der Chronik von der Feuersbrunst des Jahres 1834 könnte man mit einiger Berechtigung den Satz Senecas, gesprochen zur Einäscherung Lyons zur Zeit des römischen Kaiser Nero, stellen: „Una nox fuit intcr urbem maximam et nullam“ — Zwischen einer großen Stadt und ihrer Asche lag nur eine Nacht.

Im Jahre 1834, am 28. Januar um 9.30 Uhr abends, „fing es im Oberdorf an zu brennen, und bald standen 20 Häuser und 28 Nebengebäude in lichter Flamme, unter diesen auch die neue Scheune, Waschküche und Stallungen des Pfarrhauses und dieses selbst sehr schlecht, so daß, wenn die Scheune und die Stallungen stehen geblieben wären, mit dem Hause wenig verloren gewesen, und doch blieb der Rumpf von ihm noch stehen.“ Im Jahre 1858, am 10. Juni, wurde das Zis-sener Ländchen von einem Wolkenbruch, verursacht von einem furchtbaren Gewitter, heimgesucht. „Derselbe hat großen Schaden an Feldern, Wiesen, Geräten und Wegen angerichtet.“

Ein Jahr später, am Pfingstsamstag, dem 11. Juni des Jahres 1859, verheerte ein Wolkenbruch Zissen und die Umgebung. „Der Schaden an Feldern, Gärten und Wiesen, an Wegen, Brücken, Häusern, Menschen und Vieh war ungeheuer, ja entsetzlich groß. Mehrere Häuser wurden mit allem, was darin war, mit Menschen, Vieh und Möbeln von den Fluten mit fortgerissen. In den Fluten fanden 19 Menschen ihren Tod und die Anzahl Vieh, die umkam, war sehr groß.“ Man erzählt, daß die auf einem alten Gelübde beruhende Zissener Wallfahrt nach Fraukirch 1858 unterblieben sei, weil sie im vorhergehenden Jahr in Niedermendig großen „Chikanen“ ausgesetzt gewesen sei. Gott habe die Mendiger noch im gleichen Jahr mit Hagelwetter und die Zissener 1859 mit oben geschildertem furchtbaren Wolkenbruch schwer gestraft.

Niederzissen — Gesamtansicht

Die Einwohner Niederzissens scheinen für eine gewisse Zeit Anhänger der neuen Lehre Luthers gewesen zu sein. In der Series Pa-storum der Mutterkirche Niederzissen erscheinen von 1544 bis 1549 Friedrich (sen.) von Wied (Bruder des abgefallenen Kölner Erzbischofs Herrmann v. Wied) und von 1549 bis 1569 Friedrich (jun.) von Wied. Beide neigten dem protestantischen Glauben zu. Letzterer veräußerte 1555 die Herrschaft Ol-brück an das Geschlecht der Waldbotten zu Bassenheim, Er erhielt 1549 von Erzbischof Adolf von Köln die Würde eines Chorbischofs, wurde nach Gebhard von Mansfeld zum Erzbischof von Köln erwählt, legte auf Einspruch des Papstes die erzbischöfliche Würde wieder nieder, blieb jedoch bis zu seinem Tode Pfarrer von Zissen. Die Neigung der Pfarrer aus dem Wiedschen Geschlecht zum neuen Glauben gibt den Schlüssel für die Überlieferung, daß Niederzissen einmal protestantisch gewesen sei. In der Chronik überrascht uns der Titel „Pastor von Oberzissen“, der einem Oberzissener Geistlichen gegeben wird. (Vgl. Volk S. 84.) In einem Bericht über Johannes Hoos von Neuerburg wird dieser „circa 1566 Pastor in Oberzissen“ genannt, obschon er erst nach dem Tod des Valentin Beissel, der von 1569 bis 1581 Pfarrer in Niederzissen war, von den Waldbotten zu Bassenheim als Herren der Olbrück und Patronatsherren von Zissen für die Kirche in Niederzissen und die Kapelle in Oberzissen ernannt wird und bis 1916 als solcher tätig ist. Man wird also den ihm 1566 gegebenen Titel „Pastor von Oberzissen“ nur so deuten können, daß er „nach dem Abfall Niederzissens vom wahren Glauben unter seinen beiden häresieverdächtigen adligen Pastoren in Oberzissen die Seelsorge der oberen Dörfer von Oberzissen aus als Vicarius, aber wie ein Pastor geübt hatte und deshalb auch von dem neuen Herrn der Olbrück, der in die Stelle der Wieder Grafen durch Kauf eingerückt war, zur Belohnung zum förmlichen Pastor für die Kirche in Niederzissen wie die Kapelle in Oberzissen ernannt wurde“.

Vielleicht war Oberzissen ein Sammelpunkt der Rechtgläubigen. Darauf scheint auch hinzuweisen, daß in dieser Zeit des Abfalls Niederzissens die vielen Grabstellen angelegt wurden, die bei dem Erweiterungsbau der Oberzissener Kapelle 1921 gefunden wurden und „von welchem der Name ,Kirchhofsfeld‘ sich erhalten hat“.

Schon im Mittelalter gab es im Brohltal Weinberge.

In der Urkunde von 1447, in der Graf Philipp von Katzenelnbogen Burggraf Johann von Rheineck mit dem achten Teil des Landes Olbrück belehnt, heißt es: „. . . Item das achte Deise vss der Herrn van Oilbruck Wingarte.“

Bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts gab es im Brohltal noch zahlreiche Weinberge, „auf welche indeß im Allgemeinen nur äußerst wenig Sorgfalt verwendet wird, die Stöcke sind durchgehends alt und entbehrten der nöthigen Pflege sowohl ober- als unterhalb der Erde. In guten Jahren wuchs hier ein Wein, der mit den besten Sorten der Ahr rivalisieren könnte“.

Nach einer „allgemeinen Abschätzung“ wurden im Jahre 1839 gewonnen in Burgbrohl: 53 Eimer rot, 53 Eimer weiß; Nieder- und Oberweiler: 5 Eimer rot, 12 Eimer weiß; Nie-derlützingen: 19 Eimer rot, 351 Eimer weiß; Oberlützingen: 66 Eimer weiß; Niederzissen: 47 Eimer rot, 114 Eimer weiß.

Obstbau und Industrie ließen die Weinberge im Brohltal fast ganz verschwinden.

Bewegt war also, wie diese Auszüge aus der Chronik dartun, die Geschichte Niederzissens im Zeitlauf der Jahrhunderte. Daß der Verfasser dieser Zeilen ihr in obigem Maße nachspüren konnte, verdankt er besonders der Chronik von Pfarrer Volk, über die man mit viel Berechtigung das Dichterwort stellen kann:

„Körper leihet und Stimme die Schrift
dem stummen Gedanken;
durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn
das redende Blatt.“

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